Viele Geschäfte zeichnen sich dadurch aus, dass sie ihre Kunden mittels mehr oder weniger geschickt gewählter musikalischer Untermalung in einen transzendenten Zustand versetzen und damit zum Kauf völlig überflüssiger Dinger animieren. Neben dem zumeist lästig-poppigen Getöse, das beispielsweise in Klamottenläden herrscht, findet man in Supermärkten eher die Sparte „Aufzugmusik“.
Spitzenreiter dieser Unsitte ist ein Discounter mit den allseits bekannten Billigalarmfarben Gelb und Rot, der sich gar eines eigenen Radiosenders rühmen kann, was dazu führt, dass der Kunde in seiner Besorgung zuweilen innehalten und ungläubig den Kopf schütteln muss. Dergestalt vom Einkaufsmodus abgelenkt, vergisst er völlig, was er eigentlich besorgen wollte, und kauft wild und kopflos durcheinander, weswegen ich prinzipiell nur mit melonengroßen Baustellenkopfhörern dort einkaufe und mich odyseeisch an meinem Einkaufszettel festklammere.
Neulich gab’s aber eine Episode, die mich derart geläutert hat, dass ich mir schwor, nie wieder über Einkaufsmusizikation zu lästern. Im Feinkost Albrecht also. Eile ich hinein, man hat ja keine Zeit, weiß sehr genau, was ich brauche. Auf dieser inneren Liste befand sich ganz oben „Schlaf und Ruhe“. Doch da hatte ich die Rechnung leider ohne den Dings gemacht. Mit mir gemeinsam nämlich befand sich im Delikatessengeschäft eine Kleinfamilie, deren Spross erstens von großem Weltschmerz erfasst und zweitens sich seines Organs empfindlich bewusst war. Nicht so sehr bewusst war es sich des Begehrs, dem es Ausdruck verleihen wollte. Es tönte, nein brüllte unablässig „PAPAGEITOOOT!“.
Vielleicht hieß es auch „PAPASEITOT!“, aber das ist mir zu morbid. Papageitot also. Um genau zu sein brüllte es so: „PAPAGEITOOT! … schluchz … PAAAPAGEITOOOOT!! … rotz … PAPAGEITOOT! … PAAAAPAAAAGEEEEITOOOOOOOT! … plärr …“ Die Eltern, wie Eltern halt so sind, ließen sich zumindest äußerlich davon nicht weiter beeinträchtigen. Was möchtest du denn, Schatzi, Melonebutterkeksgummibärchenschoki? „PAPAGEITOOOT!“ Nach ungefähr sieben Sekunden hatte mein Nervenkostüm die Konsistenz von Crêpe de Chine (für die Unwissenden unter euch: ein sehr dünner, weich fließender Stoff mit unruhiger Oberfläche). Mehl … PAPAGEITOOOT! … Öl … PAPAGEITOOOT! … Puderzucker … PAPAGEITOOOT! … Axt … PAPAG… ach halt nein, Eier …
So vergeblich ich mich auch bemühte, das Gewese auszublenden, scheiterte ich ebenso im Versuch, abwechselnd Eltern und Rotzgör mit tötenden Blicken über Gemüse- und Saftregale zu versehen. „Kinder sind unsere Zukunft“, referierte der mit Tampons in den Ohren ausgestattete Kassier, „da muss man tolerant sein.“ Ja ja. Sautolerant bin ich, und deshalb schnall ich mir demnächst einen Ghettoblaster auf die Schulter, weil ich bin nämlich auch die Zukunft, und da muss man mich eben lassen. Die nächste Glosse schreib ich dann aus der Anstalt, aber da soll’s ja mitunter auch lustig sein.