Freitag, 20. März 2020

M-m-m-my Corona


Letzte Woche habe ich vergleichsweise viel telefoniert. Das ist besonders, weil telefonieren ist gar nicht meine Lieblingsbeschäftigung. Nicht freiwillig, sondern weil es noch geht auf der einen Seite und auf der anderen, weil ungefähr niemand mehr Joghurt aus Plastikbechern schlemmt und sich aber aus Mehrwegglas kein Joghurttelefon bauen lässt wegen keine gute Resonanz im Glaskörper. Dabei würde das gut gehen, 100 Meter Nylonschnur braucht man, hab ich schon nachgelesen. Nur Konferenz geht nicht, dabei stell ich mir das schön vor: in der einen Hand das Joghurttelefon, in der anderen den Château Migraine „und wir singen im Atomschutzbunker // hurra diese Welt geht unter“ und dann ab aufs Kanapee statt runter vom Sofa, schön Essen bestellen (endlich mit gutem Gewissen wegen Support your local Lokal) und im Netflix bei World War Z nochmal nachlesen, wie das gleich wieder ging mit der Pandemie oder Naturdoku „Erde ohne Menschen“ und dann „Huch, ist ja N24!“ … Ich mein, manch einer übt dieses Szenario ja schon seit Jahren, kenn ich einige, die sagen: „Äh wieso Einschränkungen im Alltag?! Bei mir ist alles ganz normal wie immer, Social Distancing ist meine Königsdisziplin!“ Die Welt retten vom Sofa aus – ein Traum wird endlich wahr! Und aber auch wer an Krücken geht oder am Stock, der kann jetzt einmal zeigen, was er drauf hat, und sich einbringen für den Fortbestand der Menschheit und mit der Gehhilfe in der Luft herumstechen und den renitenten Wohlstandstrotteln aus der Unsterblichkeitskaste das mit den zwei Metern einmal gescheit erklären weil vielleicht wissen sie einfach wirklich nicht, was das bedeutet. Oder sie müssen fühlen. „Oder es ist nicht schad drum“, spricht Papa Darwin von der Wolke runter. Und auch gut gefallen tut mir dass man endlich einmal ganz offen Maßregelungen aussprechen kann für Händenachdemklonichtwaschen anstatt schweigend Botschaften ins Nirwana zu schicken. Es hat also auch sein Gutes, und das hat auch der Telefonmensch von oben schon erkannt: „Es gibt ja bereits erste Kriegsgewinner!“ sagte er und ich, erschrocken die Hand vor den Mund, dann erschrocken erst nochmal Hände waschen, dann erschrocken die saubere Hand vor den Mund: „Darf man solche Witze schon machen?“ Und er: „Na klar!“ und ich find ja heimlich auch dass alle Teenager, die sich ihre Notferien einerseits und den akuten Babysitterbedarf andererseits teuer bezahlen lassen, großes unternehmerisches Geschick beweisen. Trotzdem schwierig mit den Witzen grade, dabei hör ich unablässig furchtbar gute und je weniger ich darf desto mehr fallen mir selber ein, ganz schlimm. Aber ich weiß schon: Wir dürfen zum ersten Mal nicht zusammenrücken, sondern gefälligst auseinander, und man muss Abstriche machen! Oh, Verzeihung … Vielleicht singen wir lieber bald alle, wie die Italiener. Keine Sorge, die GEMA darf ja auch nicht raus. Liedvorschlag: „Never gonna stop, give it up, such a dirty mind // I always get it up for the touch of the younger kind // My, my, my, ay, ah, woh! // M-m-m-my Corona“ Für weitere Ideen bin ich offen. Und nu: Rauf aufs Sofa! Echt wahr!

Freitag, 13. März 2020

Gastunfreundschaft

Ich sag’s ungern, aber: Ich komm grad zurück vom Strand. So richtig in echt, mit Windfrisur und Sand zwischen den Zähnen. Das ist wundervoll, genau so hab ich’s mir gewünscht und lang geplant, Reiseführer geschmökert und Tipps geholt, weil was ich euch letzte Woche nicht verraten hab, das ist dass es noch einen sehr wichtigen Spezialtrick gibt, mit dem Geburtstagsgäste daheim vergleichsweise wenig Unordnung ersitzen und heiter umeinanderverschmutzen, nämlich indem man listig wie folgt vogeht: Man ist einfach gar nicht erst da. Das hat sich in den letzten Jahren schon bewährt. Muss man nicht putzen vorher und später auch nicht, nicht backen und auch nicht backen lassen und auch nicht für eventuelle Überraschungen mit allen Prickelwassern gewaschen sein. Hab ich mir so gedacht und mir ein schönes Land ausgesucht mit viel Kultur und Strand und Zeug und Oh und Ah. Doch anstatt das Land der Dornenkrone zu bestaunen hat sich selbiges lieber ein anderes Krönchen aufgesetzt, ein sehr winzigkleines, aber folgenschweres, und da kannst du jetzt sagen hab ich ihm allerwahrsten Sinne des Wortes die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Weil der hat nämlich gesagt: Du, hat er gesagt, kannst schon zu Besuch kommen, aber vielleicht lieber bleibst du dann erst einmal zwei Wochen in einem schönen Haus und schaust dort zum Fenster hinaus oder in einen Fernseher hinein, Hauptsache du gehst lieber nicht raus aus dem Haus, quasi Eingewöhnung wegen anderes Klima. Da hab ich gesagt: Das ist jetzt aber eine eher schwierige Idee, weil ich wollt ja eh grad nur so eine Woche bleiben, da kommen mir die zwei Wochen Zusatzzwangsferien ausnahmsweise einmal eher ungelegen. Und der Wirt hat gesagt: Du, schlag ich vor, dann lässt du das lieber gleich mit dem Besuch. Hab ich auch direkt eingesehen, weil ich kenn das ja mit dem Besuch, siehe oben. Dann hab ich den Flieger gefragt ob er vielleicht so nett sein könnte mir mein Geld zurückzugeben, und der Flieger hat gesagt: Wieso sollte ich, wir fliegen doch? Und ich: Ja, aber ich kann nicht aussteigen dann im Ferienort. Und der Flieger so: Das ist ja nun nicht mein Problem. Hab ich auch eingesehen. Und die Herberge gefragt, ob sie mir nicht vielleicht …? Und die so: Ähm nein, wieso? Und ich: Na weil die Kwarantäne dauert doppelt so lang wie meine Ferien? Und sie so: Ja du – blöd für dich. Und da hab ich dann schon gefunden: Das hab ich nicht verdient, weil mindestens wenn ein Besuch absagt bei mir, dann bin ich wirklich erstmal sehr betroffen, bevor ich mich dann heimlich freu … Als ich wieder schauen hab können durch den Tränenschleier hab ich mich ins Auto gesetzt und bin an den … naja, nicht ganz nächstbesten Strand gefahren. Dort war es auch nur ein bisschen nass, windig und verregnet, ganz ähnlich also wie der Ursprungsplan. Dafür bin ich pünktlich am Sonntag wieder zurück, um durch die Straßen zu tambourmajoren und euch aus dem Bett zur Wahl zu scheuchen. Voraussichtlich. Bayern hat ja gern einmal eine Extrawurst, was Besuchsempfang an Grenzen betrifft. Nur das mit dem Handnichtschütteln, das seh ich ein. 

Freitag, 6. März 2020

Klinisch fein

Es gab mal eine Zeit, da hab ich mehrfach im Jahr mit mundweitgeöffnetem Staunen beobachtet, wie ein großes Haus in Windeseile blankgewienert wird. „Warum putzt du denn jetzt, Mama?“ hab ich mich gewundert, „wenn die Leute später kommen wird doch eh wieder alles dreckig?“ und ich meine an lediglich so ein „Du hast wirklich keine Ahnung, Kind“-Lächeln als Antwort zu erinnern. Schnitt: Jahre später. War ich bei Leuten auf Geburtstag und hab gesagt, „Mensch Juli“, hab ich gesagt, „bei dir ist es immer so wahnsinnig sauber, wie machst du das nur?“ und als Antwort hab ich so ein Lächeln nur bekommen. Achselzuckend ich nach Hause, Party vorbereiten. Sprich: Ab drei Monaten vor dem Ereignis keinen Lappen mehr berühren, Staubsaugerbeutel sparen und höchstens vielleicht mittels Luftzug das Gröbste an Bodendreck sich selbst zu Haufen wehen lassen. Weil wenn die Leute später kommen wird eh alles wieder dreckig, ein Großputz muss hinterher getan werden, also eher so Kärcher. Und vielleicht eine kleine Natronbombe. Mit der sind Chips, Salzstangen und manchmal auch ein Socken aus dem Sofa und vielen kleinen Bodendielenritzen gesandstrahlt worden, man hat Stunden damit zugebracht, die Badewanne in den Ursprungszustand zu versetzen, sprich die feste Tapete aus eingeweichten und abgelösten Bieretiketten vom Emaille zu meißeln. Die Pflanzen haben Korkenkronen auf und im Verstärker ist das Kellnermesser verschwunden, sorgsam eingewobenes Kaugummi kaschiert die Brandlöcher in Vorhang und auch Fliegengitter, unters Bett gekippte Gläser trocknen geduldig vor sich hin, so ein Holzboden ist genügsam. Ins Buchregal sind farblich eingepasst Muffins gestapelt, besonders gut zum Mosaikbau eignen sich hierbei die mit Fondant beklebten Teilchen, und schmerzlich in Erinnerung geblieben sind mir circa fünf Liter Wodka-Götterspeise, die am Tag-Danach aus einer Bodenvase zu operieren waren; olfaktorische Schikane inklusive. Nein, man muss sagen: Das mit dem Großputz noch bevor Besuch kommt, das hab ich wirklich nicht verstanden. Schnitt: Jahre später. Man wächst, es gab Aha-Momente. Die Freundin hatte gestanden, dass ausschließlich, aber zwingend vor Besuch gereinigt würde um dann milde lächelnd Lob für außerordentliche Ordnung zu empfangen und zudem den Selbstverschmutzungsgrad durch Gäste klein zu halten, trauten die sich in sauberer Umgebung doch kaum mehr abzuhausen, lang schon habe man nach Geburtstag nicht mehr weißeln müssen. Aus meinem kindlichen Erstaunen keimte der Baum der Erkenntnis und spross wenig später zu voller Blüte auf. Ja: Diese Herangehensweise wusste mich zu beeindrucken. Seitdem sitzen Besucher stramm auf meiner schutzfolienbezogenen Couch, tragen Tatort-Überzieher an den Füßen und Schalen-Lätzchen um den Hals und genießen Prosecco, Torte und Kaffee als Birthday-Smoothie aus der Schnabeltasse. Apps simulieren Tischfeuerwerk. Immerhin: Wenn sich versehentlich jemand zu schnell bewegt, knistert die Luftpolsterfolie so lustig. Ich freu mich! Stimmung!