Freitag, 23. April 2021

Sicherheitswacht

 Schwups, schon ist der 390. März 2020, und wer irgendwas nicht mitbekommen haben sollte, der schaut am besten einfach einmal kurz aus dem Fenster oder noch besser schiebt seinen Rüssel hinterher oder den kleinen Zeh und schon merken wir: Puh, so ein Glück, immer noch Winter, wenigstens eine Sache, an der man sich orientieren kann. Weil wenn du in eine gewisse Parkanlage gehst, die grad noch für ihre aufgeräumte Leere berühmt und geliebt war, und jetzt auf einmal von heut auf morgen also da geht’s zu!! Da wo neulich noch destinguiert um Beetpflanzen herumdefiliert wurde, aus der Ferne kluge Schilder gelesen und gerufen „Nein, Finn-Augustin, jetzt tust du der Marianne-Wasabi den Dinkelkeks zurück und den Filzbagger auch!“, da wird jetzt auf einmal aus kleinwagengroßen Lautsprechern geravet und lange Speisetafeln bauen wir uns auf weil man muss ja ein Picknick im Blizzard, na freilich, und der Goho-Boho so „Ah schon auch ganz geil hier so See und Schörlchen!“ und aus den schönen Zeitungslesefaulenzliegen muss man jetzt Fußballtore bauen, ja sag einmal!, und besonders dramatisch: Um jedes einzelne Gänseblümchen wickelt sich eine andere Weibsperson in voller Kriegsmontur und posiert für ein Foto, das niemals auch nur ein Mensch sehen wird, also so: „AAAH *kreisch* eine Holzbank, das ist soooo instagrammable!“, und schon liegt wieder irgendwo eins umeinander und du als Einwohner musst aufpassen dass du’s nicht zertrittst beim Powerwalk. Bimbam! Zu außerordentlichen Klumpungen muss es natürlich an der, pardon: DER Magnolie kommen, also ich glaub dass es eine ist, weil sehen tut man sie ja nicht mehr vor lauter Scheinwerfern und Schaukeln und Schleiern und Konfirmationsanzügen. Wobei man sagen muss: Vielleicht sind die Leute gar nicht so superselbstschuld dran, dass sie akkurat an der Stelle ein bisschen verrückt werden. Weil gleich nebendran ist so ein schönes Beet, da tut der Stadtgärtner allerweil mordsumeinander, immer Blume und Blüte und Duft und Hui. Und immer was Neues. Jetzt hatter sich in diesem Jahr was besonders Schönes einfallen lassen oder gar sich einen Scherz erlaubt, wobei glaub ich nicht, da ist der Oberstadtgärtner eigentlich unverdächtig. Jedenfalls wenn du da vorbeigehst, dann bleibst du unweigerlich stehen und witterst: Oh, ein Raubtier hat sich angesiedelt? Oder nein, das muss doch! Also das ist doch! Und noch während du begreifst, was dein Hirn längst wusste, entspannst du dich und alles wird ganz easymobeasy und du atmest ein und aus und schon ist der Winter egal und das Wahlkapserltheater auch und dass du jetzt immer ein pinkes Kotbeutelchen dabeihaben sollst eh und Pandemie, ach, was ist schon dieses Pandemie? Du umarmst ein Gänseblümchen. Bleibst liegen. Alles ist gut. Danke, SÖR. 

Freitag, 16. April 2021

Easymobeasy

Schwups, schon ist der 390. März 2020, und wer irgendwas nicht mitbekommen haben sollte, der schaut am besten einfach einmal kurz aus dem Fenster oder noch besser schiebt seinen Rüssel hinterher oder den kleinen Zeh und schon merken wir: Puh, so ein Glück, immer noch Winter, wenigstens eine Sache, an der man sich orientieren kann. Weil wenn du in eine gewisse Parkanlage gehst, die grad noch für ihre aufgeräumte Leere berühmt und geliebt war, und jetzt auf einmal von heut auf morgen also da geht’s zu!! Da wo neulich noch destinguiert um Beetpflanzen herumdefiliert wurde, aus der Ferne kluge Schilder gelesen und gerufen „Nein, Finn-Augustin, jetzt tust du der Marianne-Wasabi den Dinkelkeks zurück und den Filzbagger auch!“, da wird jetzt auf einmal aus kleinwagengroßen Lautsprechern geravet und lange Speisetafeln bauen wir uns auf weil man muss ja ein Picknick im Blizzard, na freilich, und der Goho-Boho so „Ah schon auch ganz geil hier so See und Schörlchen!“ und aus den schönen Zeitungslesefaulenzliegen muss man jetzt Fußballtore bauen, ja sag einmal!, und besonders dramatisch: Um jedes einzelne Gänseblümchen wickelt sich eine andere Weibsperson in voller Kriegsmontur und posiert für ein Foto, das niemals auch nur ein Mensch sehen wird, also so: „AAAH *kreisch* eine Holzbank, das ist soooo instagrammable!“, und schon liegt wieder irgendwo eins umeinander und du als Einwohner musst aufpassen dass du’s nicht zertrittst beim Powerwalk. Bimbam! Zu außerordentlichen Klumpungen muss es natürlich an der, pardon: DER Magnolie kommen, also ich glaub dass es eine ist, weil sehen tut man sie ja nicht mehr vor lauter Scheinwerfern und Schaukeln und Schleiern und Konfirmationsanzügen. Wobei man sagen muss: Vielleicht sind die Leute gar nicht so superselbstschuld dran, dass sie akkurat an der Stelle ein bisschen verrückt werden. Weil gleich nebendran ist so ein schönes Beet, da tut der Stadtgärtner allerweil mordsumeinander, immer Blume und Blüte und Duft und Hui. Und immer was Neues. Jetzt hatter sich in diesem Jahr was besonders Schönes einfallen lassen oder gar sich einen Scherz erlaubt, wobei glaub ich nicht, da ist der Oberstadtgärtner eigentlich unverdächtig. Jedenfalls wenn du da vorbeigehst, dann bleibst du unweigerlich stehen und witterst: Oh, ein Raubtier hat sich angesiedelt? Oder nein, das muss doch! Also das ist doch! Und noch während du begreifst, was dein Hirn längst wusste, entspannst du dich und alles wird ganz easymobeasy und du atmest ein und aus und schon ist der Winter egal und das Wahlkapserltheater auch und dass du jetzt immer ein pinkes Kotbeutelchen dabeihaben sollst eh und Pandemie, ach, was ist schon dieses Pandemie? Du umarmst ein Gänseblümchen. Bleibst liegen. Alles ist gut. Danke, SÖR. 

Freitag, 9. April 2021

383. März 2020

 Juhu, Jahresrückblick! „Ähm“, denkt ihr, „das arme Kind, so verwirrt. Aber kein Wunder, wenn man sich bei 25 Grad und Sonnenglück in Dornröschenschlaf begibt und dann bei -3 Grad Schneesturm wieder aufwacht, da kann man schonmal meinen, es sind acht Monate vergangen und nicht Tage.“ Gemach, ich kenn mich schon noch aus. Aber ich hab gedacht: Wir haben doch jetzt neben dem Annodomini 2021, dem chinesisch-energetischen Jahr des Büffels im 18. Zyklus der 2. Epoche, dem muslimischen Hidschra-Jahr 1442 oder dem weißgottwievielten Chaitra der indischen Saka-Ära noch eine neue Zeitrechnung. Am 22. März 2020 hat mit dem ersten Lockdown der coronare Kalender begonnen, wir können also sagen: Heut ist der 383. März 2020, oder weniger umständlich „383 p.c.“ – ich find, das sieht ganz geil aus und klingt auch schön dramatisch. Seitdem, und das ist ganz witzig, hat sich eigentlich nichts mehr verändert. Okay, erste Euphorien sind vielleicht etwas abgeklungen. Aber hey wisst ihr noch, damals vor zwölf Monaten alle so: „Woah geil, endlich Zeit für Netflix / Ausmisten / Lesen / und es ist auch echt schön sich einfach mal nur so mit einer Person ganz gezielt zu verabreden und dann Spaziergang und Deep Talk, da gewinnt das Zwischenmenschliche gleich eine ganz neue Qualität und heeey ich hab’s jetzt sooo schön am Balkon! *flötflöt*“ Heute so: „ALS WÄR DIE GANZE SCH**E NICHT SCHON BESCH**EN GENUG IST ES JETZT AUCH NOCH SCH**EKALT UND DER SCHEI**SCHNEE KOTZT MICH AN!“ Na und da hab ich mir jedenfalls gedacht, ich erzähl euch jetzt mal, was wirklich richtig schlimm war so rückblickend. Also das war so: „Ich dreh total durch mit dieser elendriesigen Couch, die ein ganzes Zimmer frisst und dann sitzt da noch nicht mal jemand drauf weil wenn dann sitzen wir um den Esstisch, aber da sitzt ja auch nie jemand weil es ist überhaupt kein Platz wegen der grässlichen Couch, dabei hab ich extra den großen Tisch zum Ausziehen, damit ich Menschen einladen und bekochen und bewirten kann und dann verhocken und glückliche Bäuche und lustig und schön, DAS will ich, keine dämliche Couch!“, hab ich Anfang letzten Jahres Antrag gestellt und nach nur vielleicht ein bis siebzehn Wiederholungen auch schon Gehör gefunden. Sagen wir mal so: Ganz so, wie’s dann kam, wollt ich’s aber auch nicht. Weil jetzt ratet mal, wer seit einem Jahr tagtäglich in unwürdiger Haltung versucht, neben dem linken auch das rechte Bein auf skandinavisch-schlankem Chique zu installieren, dabei mit der halben Kehrseite überm Boden schwebt, sich mit der einen Hand locker in die Rückenlehne krallt und mit der anderen versucht, aus sich selbst ein Kissen zu knoten, während nebenan ein riesengroßer, supergastlicher Bewirtungsesstisch unter der pompeji’schen Staubschicht nachts leise weint? Korrekt. Nein, so wollte ich das wirklich nicht. Hard knock life!