Freitag, 27. Dezember 2019

Fünfkampf

ახლა შემთხვევით შევჭამე ყველაფერი - Liebe Gemeinde, was ihr hier seht, sind mitnichten die lettergewordenen Laute des Jahreswechsels, kein onomatopoetisches Silvester, sondern georgische Buchstaben für einen Zustand, in dem ich mich befinde und der macht, dass vergleichsweise wenig Blut in meinem Kopf, dafür aber sehr viel davon in meinem Magen sich befindet, um dort mit größter Anstrengung der Peristaltik unter die schwitzenden Arme zu greifen, die mit hochgekrempelten Ärmeln bereitsteht, um nach Art der pamplonischen Stierläufer sich nicht allem, doch einem Teil dessen entgegenzuwerfen, was da auf sie zukommt, um nach bestem Wissen und Gewissen, aber auch einigem Todesmut Herrin der Verdauungslage zu werden. Für diese wunderlichen Buchstaben gibt es ein Wort, das dem Deutschen in all seiner kombinatorischer Pracht zu meinem größten Bedauern gänzlich abgeht, nämlich:  Shemomedjamo. Und das wiederum bedeutet „Huch, jetzt habe ich versehentlich alles aufgegessen.“ So ragt der Magen also ähnlich drohend in die weihnachtliche Wirklichkeit wie der Personaltrainer zur Mäßigung mahnt: „Ihr tägliches Ziel sind 10 000 Schritte“, erinnert mich das Display, schickt ein aufmunterndes „Machen Sie weiter!“ hinterher und weiß die Euphorie sogleich hämisch zu dämpfen: „Sie haben schon 272 Schritte.“ Ich so: Ja danke, wäwäwäh, du hast ja überhaupt keine Ahnung. Weil was das Telefon nicht aufzeichnet ist der weihnachtliche Fünfkampf in den Disziplinen Charakterbildender Mehrstimmengesang („Kannst du jetzt bitte mal den Bass singen?“ – „Bass liegt mir nicht.“ – „Was möchteste denn lieber?“ – „Sopran.“), Training der Kompromissbereitschaft („DU HAST DAS WEIHNACHTSRÄTSEL SCHON GEMACHT!!“ – „Ähm … ja …?“ – „WIR MACHEN DAS RÄTSEL IMMER ZUSAMMEN AM 25.!!“ – „Ähm ja aber also ich hab gedacht …“ – „NICHTS HAST DU GEDACHT, DU BIS GRAUSAM UND HERZLOS UND EGOISTISCH!!“ – „Puh na gut ich radier die Lösungen wieder raus, ok?“ – „Ok.“), Therapeutisch-Menschärgeredichnicht („Schmeiß den Papa!“ – „Aber der hat doch noch nicht mal eins draußen.“ – „Egal!“ oder „Während ihr hier Allianzen bildet schleicht sich der da drüben klammheimlich ins Häusl! Aber ist ja klar das war ja schon immer so dass ihr euch gegen mich …“ und „Ach Gott ach Gott mein armer kleiner Schatz es tut mir so leid aber ich MUSS dich schmeißen ich kann nicht anders, kannst du mir verziehen?“ – „Nein.“ – „Ach Gott o weh dann setz ich eben lieber eine Runde aus!“), Verzicht & Mäßigung („Ich hab doch gesagt ich möchte eine halbe Forelle.“ – „Ja und, hast du doch?“ – „Ja und aber halt noch eine komplette weitere dazu.“ sowie „Ey bitte hau bloß ab, wenn ich jetzt auch nur noch einen halben Bissen Kalbsbratwurst auch nur sehe, übergeb ich mich.“ – „Ja dann hörst du vielleicht besser auf?“ – „Ey unbedingt, sons… oh, gibst du mir doch die halbe?“) und zu guter Letzt Pazifistisch-Phlegmativity („Ey hallo, Pantomime, nicht erklären!“ – „Ich kann nicht Pantomime machen, ich muss liegen und offenen Hosenknopf haben.“ –„Schau jetzt dass du aufstehst und machst, zefix!“ und „Hörst du jetzt bitte auf, da mitzuraten? Wir sind Team, die sind GEGNER!“ – „Ja nein aber ich KANN NICHT es ist alles so AUFREGEND!“). Schrittzähler? Nimm das! Und jetzt: Rauf aufs Sofa! Halleluja! 

Freitag, 20. Dezember 2019

Die große Speisung

Wie in jedem Jahr ist jetzt kurz vor Halleluja. Und wie in jedem Jahr dominieren bei Familie W. am D. in N. an der P. nicht etwa bürgerliche Konzepte von Baum („Wozu der Stress, ich leg einen Zweig auf den Tisch und zünd den an.“) oder Schmuck desselben („Willst nicht auch was auf die Fensterseite hängen?“ – „Nein warum, ich will doch schöne Lichter, nicht die Nachbarn!“), festliche Gewandung („Am besten wird sein man hat gleich eine weite Jogginghose an.“) oder die Auswahl traditionellen Liedguts („Machst du mal bitte das Fenster zu? Die Jungs singen schon. Und versteck die Trompete!“), sondern: Essen. Damit unterscheiden sich Gesprächsinhalte vom restlichen Jahr: nicht, wenn man davon absieht, dass der Termin der großen Speisung vergleichsweise frühzeitig feststeht. Was den wunderbaren Effekt mit sich bringt, endlich einmal ausreichen Energie auf die inhaltliche Ausarbeitung verwenden zu können. Denn es sind viele Köche, die gern den Brei verderben würden, ein jeder hat Stärken, Schwächen und Finessen und möchte zwingend beitragen wie es ihm eben möglich ist („Ich kann leider überhaupt nichts einkaufen weil ich erst am 23. ganz spät aus dem wichtigen Kurzurlaub zurückkomme aber hey: Ich bring gute Laune mit!“). Für gewöhnlich reist man durch die Länderküchen und spickert auf der Weltkarte, Indien, Portugal, Afrika, und wenn der Pfeil einmal daneben trifft setzt man ihn eben geschmeidig um („Yeah, Russland!“ – „Vergiss es, da kann ich ja nicht mal die Rezepte lesen.“), zum Beispiel zufällig oft nach Italien. Von Ausflügen in die heimische Küche wird traditionell wieder abgesehen, seitdem eine erste Gans einem Stromausfall und bei einem zweiten Versuch der mediterran-verwöhnte Familienmagen kollektiv der Gans zum Opfer fiel: Sieben auf einen Streich, damit rühmt sich vielleicht das tapfere Schneiderlein, dem Weihnachtsfrohsinn jedoch ist es abträglich, wenn stundenlang sich nur noch gelegen, geächzt und verdaut werden kann. Also zurück zur leichten Küche. „Ich wünsch mir“, hab ich frivol einen Vorstoß gewagt, „dass wir ein Menü fleischlos machen.“ – „Supergut“, zeigte sich die Maîtresse de Cuisine überraschend gefügig, „dann machen wir drei Currys: mit Lamm, Fisch und eins mit Gemüse.“ Ich hab dann überlegt, dass ich mich vielleicht wieder auf meine Rolle als Sous-Chef oder vielleicht auch nur Coup de Main rückbesinne und anspruchslos bis grenzdebil und dementsprechend grienend für die niederen Arbeiten zuständig sein könnte, so denn welche anstehen. Für den Fall dass nicht hab ich mir schon eine Beschäftigung organisiert, nämlich ein großes Origami und den Bau von Tannenbäumen aus Servietten, zudem gedenke ich das Heimatradio zu bewachen und sogleich in – da hab ich meinen Willen doch noch eingemogelt! – cerberussisches Gebell zu verfallen, sollte mir jemand meine besinnliche Zithermusik gegen moderne Fischerchöre austauschen mögen. Seid besinnlich, friedvoll und liebet euch! Und die anderen bitte auch. 

Freitag, 13. Dezember 2019

Bastelanleitungen

Von Winterschuhen kann ich immer noch nicht künden, dafür aber wohl von Siebenmeilenstiefeln – nämlich, in denen der Advent voranschreitet. Ein-, zweimal nicht richtig aufgepasst, und schon ist das dritte Kerzlein entzündet wie auch deine Augen, die wund von Heizungs- und Geschäfteluft hineinstarren in die Kalender und Kataloge und nicht wissen, wie das noch alles klappen soll. Ich, wie immer: tiefenentspannt. „Ich kauf euch nix, ich bastel nur!“ hab ich vor Wochen schon vermeldet und bin selbstverständlich verspottet worden. „Du! Innere Einkehr! Stille! Basteln!“ hat ein ehemaliger Bekannter hämisch ausgerufen als ich sprach von handarbeitender Meditation und dass alljährlich, wenn dieser unbedingte Aktionismus endlich einer regnerischen Zwangspause unterworfen wird, mit der großen Ruhesehnsucht sogleich der unbedingte Wille zum Erschaffen in Erscheinung tritt. Eremitengleich die Anlage, die tief im Kern meines Wesens verborgen schlummert, um dann mit tosender Gewalt hervorzuexplodieren und Anschub zu bekommen von gewissen Algorithmen, die mir täglich mehrfach tolle Videos von einem tollen bayerischen Rentnersender unterjubeln, dem ich mich neuerdings sehr verbunden fühle, gekleidet in das wärmende Gewand der Nächstenliebe, und wenn auch nur ich selbst die nächste bin. So also bin ich dem Bayern 1 verfallen und schau mit kringelnden Spiralpupillen, wie einfach Schönes zu kreieren geht. Hab ich dann herausgefunden, wie’s funktioniert, stürz ich mich in die Massenproduktion, weil wenn man den großen Topf eh schon einsaut dann kann man auch „Apfelmus wie bei der Oma“ hektoliterweise machen, die originale Dahoam-is-Dahoam-Meerrettichsuppe zum portionsweise einfrieren und einen Lebkuchenlikör und Eierpunsch so, dass alle lang was davon haben. Mit eben jener Zuversicht hab ich mich ins Jahresprojekt gestürzt und verlautbart, es gebe aus Gründen der Mäßigung, Nachhaltigkeit und Upcyclerei für jeden hübsche Vogelhäuschen, und zwar handgefertigt aus Porzellan. „Was“, merkt hier mein privater Hofnarr an, „das Bayern 1 dir halt immer nicht verrät, ist, was du dafür an Werkstatt alles erstmal kaufen musst!“ und also hab ich mit wehenden Bastelfahnen zwar flugs im Sozialkaufhaus die allerschönsten Porzellane erstanden, mit gleich viel weniger wehender Beflaggung im Baumarkt würgend Eisenstangen, Glasschneider und Spezialschrauben gezahlt um noch später als begossener Schwitzpudel das Projekt ad acta legen müssen. Doch der Bayerneins, mein Freund und Helfer, wusste Rat, und so produziere ich seit Wochen parallel höchst nachhaltige Windlichter mit raffinierter Eisblumenoptik und liebevoll handgegossene Trinkschokoladen-Stücke, die ich in einer Panikreaktion allsamt schon verschenken musste, nachdem auch hier sich außerplanmäßig eine Eisblumenoptik zu zeigen begann. Wenn noch jemand Tipps und Kniffe braucht zum flugsen Weihnachtsbastel: Bitte melde dich! Ich hab ja jetzt Zeit. 

Freitag, 6. Dezember 2019

Packerlwahn

Beschwerdeanruf vergangene Woche: Es sei doch, hat es laut aus dem automobilen Dröhnsprecher getost, erstaunlich, womit man sich an so einem vermeintlich ruhigen Rententag herumschlagen müsse, sprach der Erbmassenverwalter, nur um den Willen meiner Person zu erfüllen. Ewigkeiten habe man gesucht, polterte es weiter, und dann in Erwägung gezogen, eine Exceltabelle zur ordnungsgemäßen Darstellung und ergo fortfolgend erleichterten Arbeit zu kreieren, schließlich habe man noch einige Wochen vor sich und könne nicht täglich derart viel Energie in Suche investieren, und überhaupt sei es wirklich erstaunlich, dass eine Person mit einer solch umfassend hohen Bildung und fortgeschrittenen Lebensreife wie ich immer noch nicht in der Lage sei, in Übereinklang mit den weitestgehend global akzeptierten Standards der Mathematik im Zahlraum 1 bis 50 zu agieren und dementsprechend korrekt zu zählen. Auf gut Deutsch: „Wieso muss man denn in einem Adventskalender die Tage so durcheinandermischen, Kind?“ – „Tja, Väterchen“, hab ich salomonisch gesprochen, „damit du jeden Tag genug Zeit hast, an mich zu denken“, und mich zufrieden zurückgelehnt. Das war nicht immer so. Spulen wir zwei Wochen zurück. „DU GOTTVERDAMMTES RINDVIECH!“ hat mich da jemand angefreundlicht, und man hätt gern einfach kerzengrad eine Faust geantwortet, nur leider hätt ich dann erstens einen Spiegel zertrümmert und zweitens auch nichts geändert. „Machst du halt auch einmal einen Adventskalender“, hatte ich gedacht habt, „dieser ganze kommerziell überhöhte Pärchenbullshit geht mir zwar mords auf den Senkel, aber so eine kleine Aufmerksamkeit kann nicht schaden“, außerdem gab’s eine, naja, Bringschuld gegenüber einzelnen Personen. Also einer. Person. Dann ist ein Größenwahn passiert, weil wenn du dann eh schon dabei bist, bist du ja eh schon dabei und außerdem musst du Füllsachen besorgen und 24x das gleiche ist doof aber hernach hast du 24 offene Packungen vom zuckrigen Irgendwas und speist alles selbst, dann lieber verteilen. An den besten Freund, der ist eh immer so ungeliebt. Ach und an die Brüder, da freuen die sich auch einmal, wenn die große Schwester … Ja und dann wegen der Gerechtigkeit auch an den Vater und an die Mutter ebenso, bei der ist eh gut wenn die einmal ein schlechtes Gewissen kriegt weil sie mir schließlich nie … Naja, gesagt getan, und ein paar Stunden später hab ich mit verholzter Haltung inmitten eines Packerlwahnsinns mich wiedergefunden. Im Zahlenraum über 50 bin ich unsicher, aber 6x24 ist eh viel. Und dann musst du wegen der Gerechtigkeit überall das selbe eintüten und dann aber auch noch nicht den Überblick verlieren und dann Sehnenscheidenentzündung wegen Packerlbinden und Heulkrampf und Chaos und dann noch 6x24 Packerl an eine Schnur und dann noch mit einem durcheinanderen Suchspaß, also Knoten bis zum Gichtanfall und Rindvieh. Aber schau, sie geben einem so viel zurück. Siehe Anruf oben. 

Freitag, 29. November 2019

Abfemt, Abfemt

Abfemd Abfemd ein Lichtlein brennt … „Nanu, hat sie schon die Lampe an am helllichten Tag?“ – nein nein, ihr Lieben, ich übe nur schon einmal Sprachökonomie, damit ich mich in den kommenden Wochen auch zu jeder Tageszeit adäquat unterhalten kann, weil traditionell betritt ja heute Nachmittag eine strahlende Lockenfrisur einen Balkon, um von dort zum Volke zu sprechen und dann den Startschuss zu geben für diese ganz besonders (und wenn die) staade Zeit (vorbei ist kehrt auch wieder Ruhe ein), in der die Stadt umwölkte rosa Zuckerwatte ist. Erstens freilich wegen der Nächstenliebe überall, man hält es ja jetzt schon fast nicht mehr aus vor lauter Ablasshan… nein, Nächstenliebe und Spendenbereitschaft, aber das ist gut, weil es hat halt nur vier Wochen Zeit im Advent, bevor alle Spendenziele wieder verschwinden für elf Monate, und dann findest du die auch nicht mehr, ganz verrückt ist das mit dieser Bedürftigkeit, hört die einfach immer auf nach Weihnachten! Besonders viel Nächstenliebe findest du aber auch immer so um den Hauptmarkt herum, das zeigt sich schon daran dass direkt angrenzend es extra einen „Partnermarkt“ hat, in Nürnberg wird nämlich vor Weihnachten nicht geparshipt sondern gepartnermarktet, und das kannst du schon verstehen wenn du dich da einmal hineinstellst und eine Feldstudie betreibst, am besten tarnst du dich noch mit einer lustigen Rentierblinkmütze und verschmilzt in bester Walraff’scher Manier mit deinem Umfeld. Dann merkst du dass der Heilige Geist schon unterwegs ist, quasi Vorhut vom Christkind, weil das kommt ja erst am 24. auf die Welt – also auf die restliche Welt, bei uns kommt das Christkind schon heute, kannst du sehen wie spezialbesondersaußergewöhnlich es ist, dieses Nürnberg! Derweil also der Heilige Geist, der flitzt und saust umeinander und manchmal, da verfährt er sich glaub ich, ist ja auch kein Wunder bei dem ganzen Holz und Tuch, und der Heilige Geist mit einem GPS-Gerät, ich mein, das schaut doch auch nicht aus! Dann fährt er in so einen Menschen hinein. Das siehst du dann richtig, wie der Mensch sich kurz verschluckt und dann schaut er ein bisschen lustig und sagt dann „Du, Irmi, magst nicht Gerhard zu mir sagen?“ und die Irmi sagt „Du, Gerhard, das ist so schön weil jetzt hast du doch bislang immer Herr Doktor Meierhofer mit Vornamen geheißen und kaum stehen wir hier seit vier Stunden auf dem Partnermarkt schon heißt du Gerhard. Und ich heiß übrigens auch in Wahrheit gar nicht Head of Creation Management Eberdinger, sondern …“ – „Irmi!“, ruft der Gerhard dann verzückt und beichtet dass er hier und da schon einmal gespickt hat auf der Visitenkarte, und dann Umarmung und Tusch und Vorhang. Ja, musst du dir einmal anschauen. Was jetzt das mit der Sprachökonomie zu tun hat? Keine Ahnung. Einen Glühwein, bitte! Swei Glühlein! Trei Lüli. Hie Hühei. Flünei … Sglwln!! Und schon ist die Welt zu Gast bei Freunden – und wer da kommt, der soll willkommen sein! 

Freitag, 22. November 2019

Fünf Phasen des Schuhs

Weitestgehend widersetzt man sich aktuell noch dem ähm Genuss überzuckerter Qualitätsalkoholika, wenn ich das grad richtig beobachte. Selbstverständlich muss man aber ja immer auf der Höhe sein so mit von wegen was bewegt den Bürger, uns sei’s auch nur zum Saufen, deswegen hab ich schon auch einmal inspizieren müssen im Gallischen Dorf, was da so geschlürft wird. Es gab Erkenntnis, sogar deren vielerlei, zum Beispiel dass im Ginpunsch ein Lachgas drinzusein scheint und für Menschen mit Sulfit-, sprich Weinallergie hilfsbereit Substitut gereicht wird nach dem Motto „Mach einfach irgendeine Flüssigkeit warm und schütt einen Schnaps hinein, voila!“ Ich hab mir das angeschaut und mich dabei an der Hopfen-wirklich-sehr-kalt-Schale festgehalten und gefunden dass es sauber warm ist eigentlich. Nach so ungefähr einer Stunde hab ich Anschiss bekommen, und zwar nämlich von unterm Tisch: „Ist ja super“, hat’s geschimpft, „dass du da oben deinen Dickschädel in der Wärmelampe dünsten kannst, aber hier unten bei uns ist alles nur halb so witzig in den Sneakern!“ Es kam also, wie es kommen musste, und wenige Tage später, bei einer erneuten Inspektion, wurde ich neugierig empfangen. „Undundund hast du was gekauft?“ – „Ja schau“, hab ich eine Tüte gezeigt, „natürlich hab ich was gekauft. Nur halt überhaupt nicht das, was ich wollte. Aber es hat dem aufgestauten Kaufdrang irgendeine Erlösung beschert werden müssen.“ Die Erlösung hat er gefunden in einem Paar wirklich sehr schöner Stiefel, die ungefähr exakt dem entsprochen haben, was ich gesucht hatte, mit einem winzigen Manko: Es sind Stiefel statt Boots, innen von Kunstfell zart geküsst statt meterdick schafsbewollt, aus sensiblem Wildleder statt robustem GoreTex und hab ich was vergessen? Ach ja, hellbraun statt schwarz. Kannst du also sagen: Alles richtig gemacht. Ja naja. Fast. Doch es folgt der Winterschuhkauf dem gleichen Muster wie die fünf Phasen der Trauer: 1. Leugnen (ist doch gar nicht so kalt) 2. Zorn (schon kalt, aber alle Winterschuhe unfassbar hässlich, wollte weder polarexpeditieren noch um 30 Jahre altern, kann doch alles nicht wahr sein) 3. Verhandeln (boah na gut geh ich halt in alle bislang gemiedenen Geschäfte auch, versuche mich mit dieser unfassbar hässlichen Mode anzufr… NEIN ICH KANN EINFACH NICHT!!!) 4. Depression (mein Leben ist furchtbar, nichts macht mir Spaß, ich werde im Winter ganz sicher erfrieren oder nur daheim sein müssen weil ich einfach keine gescheiten Schuhe finde und in meinen alten abgelatschten Tretern verende) 5. Akzeptanz (Gib mir Moonboots, Hochalpinstiefel, silberglänzend mit Spikes und hüfthoch istmirscheißegalwiedasaussieh Hauptsache NIE MEHR KALTE FÜßE!!). Also ja, es ist jetzt grad alles ganz spezialfurchtbar. Aber mit der Weisheit des Alters sehe ich dem Zyklus gelassen entgegen und versuch mir zu merken, wo es die spezialhässlichsten Modelle gegeben hat. Für dann so in vier Wochen. Für den Christkindlesmarkt trägt man eh am besten Gummistiefel wegen der Schunkelei und Hochdietassen und Hosianna. 

Freitag, 15. November 2019

Was zuletzt geschah

„Ich muss jetzt schon mal vorsichtig fragen“, hat sich unlängst eine Dame schüchtern an mich gewandet. „Geht es dem Pubertier denn gut? Man hat schon lange nichts mehr gehört.“ Da hab ich mich erschreckt, naja, ein bisschen, und gedacht, ob jetzt da eine Stadt in Sorge ist, das Kind von mir verkauft oder ins Erziehungslager gesteckt oder womöglich zu lebenslangem Putzdienst versklavt so wie’s mir ja schon immer vorgeworfen worden ist wegen auch einmal ein Waschbecken reinigen. „Also nein“, hab ich beruhigt, „dem Kind geht’s sogar sehr prächtig. Allein ich hab mich ein bisschen erholen müssen.“ Und Zurückhaltung wahren, weil es hat sich schon Diverses zugetragen, und damit dann so in die Öffentlichkeit – ich muss ja auch auf meine Altersvorsorge Rücksicht nehmen, sozusagen. Was ist also so passiert? Man hat so vor sich hin rebelliert, künstliche Fingernägel auf- und wieder abgeschabt, Haarfarben gewechselt, Ponys zwar geschnitten, Reiten aber dann doch nicht mehr wollen, die frühe Liebe zwischenzeitlich verloren und stattdessen überraschend eine späte (und langfristige) zur Diskoschorle entwickelt, und ein Wunder hat sich auch zugetragen, nämlich in Form eines Schulabschlusses, doch allein über den Weg dorthin breiten wir lieber den Mantel des Schweigens, wurde der doch mit ähnlicher Zielstrebigkeit beschritten wie der zum – wir erinnern uns? – Motorradführerschein. „Was isn jetzt damit, ich dacht der muss im März 2019 bestanden sein?“ – „Ja nee ich hab mich noch nicht angemeldet.“ – „Ah cool, es ist ja auch erst Mai.“ – „Den zahlt mir ja keiner.“ – „Wolltest du nicht Tag und Nacht arbeiten zum Selberzahlen?“ – „Eydubistsostressigschaumalwasdiemändigesternaufinstagestellthat!!“ Es folgte dann eine erquickliche Zeit, in der auf Jobmessen wenig Info, dafür viel Gummibär eingeholt wurde, Momente des Wahnsinns, wo hinterher nicht mehr klar war, um wen man sich mehr Sorgen machen muss wie „Und du, ich mach FSJ im Tiergarten Nürnberg.“ – Ähä cool, und da fährst du dann jeden Tag eine Stunde hin und zurück mit dem Zug?“ – „Äh nein natürlich nicht.“ – „Sondern bitte wie?“ – „Ich wohn bei dir.“ – „Mhm“, hab ich gesagt und eh die Türschlösser einmal auswechseln wollen. Hinterher hat’s dann geheißen das wär freilich nur ein Scherz gewesen. Nach sorgfältiger Abwägung der Berufswünsche („Physio weil die verdienen so arschgut“ – „Ja genau, bei Madonna vielleicht. Gibt’s eine Alternative?“ – „Krankenschwester.“ – „Äh cool. Und sonst?“ – „MIRDOCHSCHEIßEGAL!!“) wurde sich also exakt 1x beworben und mit großer Zuversicht auf Wartelistenplatz 10 begeben, unbeirrbar in der Überzeugung, es regle sich schon alles von allein. Und siehe da: Es regelte sich von allein. Kannste dir nicht ausdenken. Seit zwei Wochen lernen wir jetzt also den Aufbau der Zelle und was man gegen Wundliegen macht. Ich könnte in Frieden altern. Wäre da nicht unlängst was vom Führerschein mit 17 gefallen. Zum Glück sind Papiertüten noch nicht verboten. Ein, aus, ein, aus … 

Freitag, 8. November 2019

Only Food Runs

Nach dem Offenbarungseid von neulich Woche bin ich geteert, gefedert und mit Schimpf und Schande aus der Stadt gerollt worden. In einer Welt der Mykologen war ich das Fungizid, so schien es, das durch seine pure Existenz das waldige Myzel bedroht. Während also die einen mit Pilzmessern und Weidekörbchen auf mich einhoben, raunten mir die Pilzi-, nein: Pazifisten unter ihnen Räte zu, die Weisheit, die reine Lehre, jahrhundertelang tradiert, hinter bemoosten Stämmen einander zugeflüsterpostet: „Schwamm ist gut, Lamelle böse“ und „Maronen gehen immer“. Ich so: „Ok cool“, kann ja sozusagen nichts mehr schiefgehen, und sogleich bin ich schwer gebeugt unter der Last meiner Ausrüstung in einen Wald gesaust, ganz weit weg, hinter den sieben Zwergen bei den sieben Bergen, so weit dass man gern noch Kieselsteine oder Krumen dabei gehabt hätte weil kein GPS und man weiß ja: Vor lauter auf den Boden starren kommst du vom Weg ab und verläufst dich sakrisch. „Vor lauter auf den Boden starren haben wir uns jetzt sakrisch verlaufen“, hat dann auch die Gretel zum Hänsel gesagt und sogleich einen kleinen Mulm verspürt. Weil die Ausrüstung war schon gut, nämlich aber im Auto gelegen, und deswegen leichte Kalbslederne und mangels Weidenkorb auch keine Jacke mehr, weil die hat man zu einem Sackerl zusammenstümpern müssen. Geschwitzt hab ich trotzdem, weil aus großer Furcht. „Mei schau, lieb!“ hab ich nämlich gleich am Abenteueranfang gerufen und zwischen Stein und Moos und sonstigem Naturunrat ein wunderschönes Cranium gezogen. Zu groß für einen Nager, zu klein für Hund, aber schön mit Zähnen wo man sagt: Arg viel Gras und Körner hat der nicht zu kauen vorgehabt. „Only food runs!“, hat der Hänsel da sogleich geschlaumeiert und wollt sagen: Wenn jetzt die Mama von dem toten Bärluchslöwe kommt, bleibst du lieber stehen. Ich so: „HAHAHAHA hier gibt’s doch keine so großen Raubtiere, du Depp! Aber was ist gleich wieder zu tun wenn die Wildschweinrotte …?“ und hab dabei meinen Blick übers umgepflügte Moosgrün schweifen lassen und hier und da einen kleinen Abrieb an einer Baumrinde gefunden, den ich lieber übersehen hätt. Das Jackensackerl hat sich sehr gefüllt, dann auch noch Kapuzen und Hosentaschen und Arme und grad als ich sehr eins war mit der Natur sagt der Spielverderber: „Du, welche Hasen und Rehe sind das gleich wieder, die drei Meter einen Baum hochkraxeln und dabei mit ihren süßen Pfötchen die Rinde vom Baum runterreißen … ?“ Sagen wir so, ich hab dann auch gefunden, dass es jetzt wieder langt, eine Stadtsehnsucht hat mich befallen und auch eine Sofaschwere, und später daheim hab ich ja noch Schwammerl putzen müssen. „Und du bist dir jetzt sicher dass das alles Maronen sind?“ hat sich der Spielverderber dann auch gleich gemeldet, nämlich als ich fertig war mit zwei Kilo Arbeit. Sagen wir mal so: Es gab dann doch nur Salat. Und vielleicht ist ja sich mit Strohsternen zu beschäftigen auch ehrenwert.

Freitag, 1. November 2019

All Hallow's Eve


Juhu, endlich November! Der fröhlichste aller Monate, es sprudelt nur so aus einem jeden heraus mit der Lebensfreude, und das wo du ja sagst: Sind eh alle grad so urfröhlich überall, man lacht und winkt und grüßt andauernd, vor allem mit Autohupen wird sehr viel gegrüßt, immerzu hupt einer und freut sich. Damit das nicht ausartet mit der Freude muss es im November manchmal auch ein bisschen still sein. Eigentlich. Ist es dann aber gar nicht, weil der November ist traditionell der Lieblingsmonat der Flexolaizisten, die finden immer nicht gut, dass der Staat vorschreibt, wann getanzt werden darf, wohl aber, wenn er arbeitsfrei zwangsverordnet, und dann muss man schimpfen. Jetzt geht das also los mit der ganzen Stillerei, aber es ist ja derartig laut außenrum, dass du gar nicht mehr durchblickst, überall schreit dich ein Kürbis an und Eltern verkleiden ihre Kinder als Ausrede und schleifen sie durch die Straßen und vor Türen und dann schreien die Kinder irgendwas und man versteht kein Wort aber es ist besser, fragst du gar nicht höflich nach sondern rückst sogleich ein Potpurri an Zuckerkram heraus. Und aber auch eins ohne Zucker. Und eins ohne Milch. Und dann lieber noch eins ohne Nüsse. Vielleicht lieber einfach einen Karottenschnitz, dann droht nur vielleicht Ärger wegen der Bevormundung und Einschnitt in die ökotrophologe Autarkie. Also lieber gar nicht erst die Tür aufmachen. Dann droht Eierwurf. Zefix. Aber da hat der Herr Obergendarm ja schon den Zeigefinger gehoben und gesagt „Dududu!“, hat er gesagt, mit dem Eierwurf und dem Rasierschaum an der Türklinke und dem Klopapier ums Auto rum und vielleicht sogar einem winzigkleinen Hundstrümmerl in angezündeter Zeitung, das ist böse und erfordert Polizeieinsatz. Machen wir also auch nicht. Also ich eh nicht. Ich mach was anderes, nämlich kauf ich mir eine spezialgroße Tüte Kinderschokobons. Dann wickle ich alle Bons hinaus und füll stattdessen Bähs hinein, recht salzige Oliven beispielsweise, und dann stell ich das stillheimlich vor die Tür und versteck mich hinterm Vorhang. Am Freitag, also morgen, also heute, kann ich dann beim Eiergatschabwaschen nachdenken, was das eigentlich ist, das Allerheilige. Nämlich ein Fest, bei dem der „verherrlichten Glieder der Kirche, die schon zur Vollendung gelangt sind“, gedacht wird. Moment, Papiertüte … PFUI DEIFI! Gut, also zu viele Heilige und weil sonst kommst du aus dem Heiligenverehren nicht mehr raus haben der Bonifaz und der Gregor gefunden, das langt an einem Tag, irgendwer muss schließlich auch noch für unsere Feste, ähm: fürs Kirchensäckl arbeiten! Genau, also das ist Allerheiligen. Allerseelen wiederum, das ist das wo man rosenkranzend über den Friedhof robbt und an die bucklige Verwandtschaft denkt, die grad im Purgatorium brutzelt wegen Unheiligkeit, und da schließt sich jetzt der Kreis wieder zum „All Hallows‘ Eve“, aber das führt jetzt wirklich zu weit. Nach der nächsten Maus: Warum „Walpurgisnacht“ in Wahrheit die coolere Party ist.


Freitag, 25. Oktober 2019

Zwergenwein



Letzte Woche war ich in die Schwammerl. Eigentlich war ich sehr profan einfach nur im Wald, jedoch hab ich dort erkennen müssen, mich zwangsläufig inmitten von Pilzen befunden zu haben, ganz spezialvorallem inmitten von Pilzsuchern. Das ist ungefähr so als würde sich eine linksvergeistige Dame fortgeschrittenen Alters – und ich meine nicht mich – urplötzlich inmitten einer krachenden Gesellschaft irischer Sportsbarbesucher wiederfinden. Meinethalben vive versa. Das Gefühl, das ich vermitteln möchte, verbildlicht sich am besten in einem großleuchtenden Fragezeichen. Ich kann Pilze sehr gut. Leiden. Zubereiten. Essen. Manche kann ich auch sehr gut wegputzen, solche in Badezimmerfugen beispielsweise, andere hab ich schon geliebt und gepflegt, u.a. gab es in der Kollegstufe mal einen Pilz in einem Kaffeesahnereindl, den haben wir gefüttert und gepflegt und mit einem Namen versehen in unsere Klassenmitte aufgenommen, eh klar dass man sich da nicht auch noch um MacBeth kümmern kann bei so viel Verantwortung. Manche sind mir sehr suspekt wie im Chinaessen, da winkt manchmal was heraus, das tut wie wenn ich eine Gelatine nicht gut aufgelöst hab, und bevor’s jetzt medizinisch wird … Also jedenfalls find ich Pilze, Verzeihung: Schwammerl prima, besonders wenn sie hübsch namentlich beschriftet in einem Wannerl liegen, das ich nehmen, zahlen und nach Hause tragen und dann ins Wammerl hineintun kann. In der freien Wildbahn wird’s schwierig. Nicht dass es irgendein kompetitives Verhalten geben tät grad in den Wäldern, aber selbst wenn: Hey Leute, vor mir braucht ihr eure Stellen nicht geheimzuhalten. Ich hab derart keine Ahnung, dass ich neulich schon am Bauernmarkt erfreut gefragt hab „Das ist aber eine nette Idee, dass ihr da Champignons in den Blumenstrauß mit hinein windet!“ – „Das sind Kornblumen …“ Einen hab ich stolz gefunden, ein Steinpilz muss das sein, was auch sonst. Es war dann ein Birkenpilz, das erkennt man doch am Stamm. Stil. Strunk. Und Maronen werden blau, wenn man draufdrückt. Aha. „Und seitdem kriechst du im Wald umeinander und gatschst auf jedem Pilz herum?“ wurde sogleich gelästert, und ich so: Nein, ich hab nämlich eh eine andere Passion entwickelt: Zwergenwein finden. Seit Anbeginn meiner Zeit sind Fliegenpilze das weltallerunfassbarstgiftigste, das die Natur jemals hervorgebracht hat. Das lernst du mit dem ersten Märchen, dass du den Fliegenpilz am besten nicht mal anschaust sondern rückwärts in Zeitlupe dich von ihm entfernst, weil sonst droht Gefahr dass er dich bemerkt und anspringt. Jetzt lerne ich: Das ist nicht nur ein Irrtum, sondern birgt der hübsche Kerl spannende Verheißung, nämlich, also jetzt von wegen Zwergenwein: Das hat was zu tun mit der Kelchform vom alternden Fliegenpilz und Regenwasser, mehr trau ich mich nicht sagen, sonst heißt’s später irgendwas von Anstiftung. Hab ich aber eh nicht gemacht sondern mit genug Todesmut mein Fundstück zubereitet. Es hat dann ausgezeichnet geschmeckt. Nach Salz und Pfeffer und frittiert. 

Freitag, 18. Oktober 2019

Wetterdienst



Ich weiß schon es ist eh übers Jahr und seit Wochen so ein Spezialdauerbrennerthema, aber ich find jetzt ist wieder so eine Zeit, in der man sagt: Zum Glück gibt’s das, weil worüber tät man denn sonst andauernd sprechen? Also wenn’s kein Wetter geben würd, mein ich. Wetter war neulich kurz schlecht, ein jeder hat geklagt, nur ich nicht, weil erstens aus vorgenannten Gründen und zweitens weil ich entgegen landläufiger Meinung natürlich überhaupt nicht immer nur daheim geunruht hab sondern mit meinem Flitzefeuerrad umeinandergesaust und mich gefreut hab wie ein Schnitzel wegen endlich einmal korrekter Kleidung und das Wetter ficht mich gar nicht an und erfreulicher Koinzidenz statt wie vorher so oft. Da hab ich nämlich tagelang Schirme und Plastikhäute umsonst herumgeschleppt und morgens im leichten Leinen das Haus verlassen und mittags dann überlegen müssen wie das eigentlich ging mit dem Regenmantelschnitzen aus Müllsack. Auch hat’s gegeben dass ich angemessen ausgerüstet morgens in den schwarzen Himmel gelacht hab und dann den restlichen Tag in einen blauen geflucht und schwitzend Schicht um Schicht mir um die Hüften gewickelt und aus mir selbst einen Wolfgang-Petry-Gedächtnis-Kranz gewunden. Sagst du: Man könnt ja mal den Wetterbericht … ? Sag ich: So ein Schmarrn, ich hab ein Fenster, aus dem schau ich und dann weiß ich was passiert. Also: hab ich geschaut, weil momentan wird das Fenster ausgefüllt vom urwaldgewordenen Beweis meines irrsinnsgrünen Daumens, den ich bald heimlich irgendwo aussetzen muss sonst säuft er mir die Haare vom Kopf und wenn er dazu auch noch zum Sprechen anfängt, das tät mich auch nicht wundern. Ich jedenfalls: Fenster. Andere Menschen haben das anscheinend nicht, also Fenster, weil die schauen immer nur ins Wischkastl hinein und wissen dann was meteorologisch geboten ist. Das klingt dann so: „Gehmer eigentlich zu dem Fränkischeschweizevent XY?“ – „Uuuuuh ich weiß ja nicht, da ist gaaaaaanz schlechtes Regenwetter angesagt.“ – „Äh, das ist in zwei Wochen?“ – „Trotzdem.“ Oder auch „Gehen wir am Sonntag radeln“? – „Auf überhaupt gar keinen Fall, da soll’s so dermaßen regnen!“ – „Heut ist fei erst Dienstag.“ Oder „Sollen wir uns nachher noch in der Draußensitzlokalität XY treffen?“ – „Puuh ich weiß nicht, es soll ja heut noch regnen!“ Ich find ja, das hat ungefähr den Glaubwürdigkeitsgehalt von „Kannst du mir beim Umzug helfen?“ – „Klar, wann ist das?“ – „Samstag in zwei Wochen.“ –„Ooouh, da hab ich Migräne!“, also eher so mittel. Ganz viele von der Sorte sind glaub ich beim regionalen Nachrichtendienst unseres Vertrauens beschäftigt, weil da steht auch ganz oft: „FREUNDE bitte passt auf euch auf der DWD hat für heute UNFASSBAR gefährliche Unwetter mit einer Wahrscheinlichkeit von EINEM % gemeldet!!!!!1111elf GEHT’S euch GUT?????!!“ Habe gerade mit der Machete das Fenster freigefällt. Plötzlich ist da Sonne. Was mach ich‘n jetzt?! 

Freitag, 11. Oktober 2019

Unruhen

Ich hab jetzt das mit diesen potenziellen Gammeltagen noch einmal einer Prüfung unterzogen. Auf meinem weitestgehend vom Staub befreiten Kanapee, wo ich mir dann mit Schaufel und Spitzhacke so eine Sitzbucht hineingesteinmetzt hab, bin ich geruht. Ganz ruhig war ich, wirklich, ich hab Buch gelesen und Zeitung und auch noch Käseblätter und Werbezettel und dann die Zutatenliste vom Entspannungstee und die vom Recyclingklopapierrecycling und dann noch alte Kalenderblattsprüche. Dann hab ich aus dem Fenster geschaut und Wolken gezählt. War aber nur eine große, also bin ich relativ zügig durch gewesen mit der Bestandsaufnahme und hab dann direkt weitergemacht mit der Außenverschalung vom Gegenüberhaus, 60 Platten sind’s, eine hat einen Makel in der Fuge, jetzt kann ich da nie wieder hinschauen. Dann hab ich also weiter geruht, eher so äußerlich, innerlich hab ich schon angefangen zu überlegen was man vielleicht Sinnvolles tun könnte, und dann hab ich überlegt, was man vielleicht – Pfeif auf Sinn! – überhaupt tun könnte. Kaum hab ich mir die innere Erlaubnis erteilt, den Zustand der Unruhe zu verlassen, hab ich – also kennt ihr das wenn Hunde an der kurzen Leine laufen müssen aber außenrum riecht’s überall so prächtig und schnüffeln muss man und schauen und forschen und dann darf er nicht und die Leine würgt aber es ist egal und der Drang zu groß, und dann hat der Hundemensch ein Einsehen und löst die Fessel und dann schnalzt das Tier wie mit der Zwille losgeschossen nach vorne? Ein bisschen so war’s dann auch für mich. Losgestoben bin ich, alle Krakenarme gleichzeitig ausgefahren, der eine hat geräumt und der andere Staub aufs Kanapee zurückgeschaufelt und der dritte Äpfel zu Kuchen verarbeitet und den Rest zu Mus. Ein Stilauge hat erkannt dass langsam vielleicht einmal das Arbeitszimmer wieder in solches transfomiert werden könnte bevor es unter der Last des Hauswirtschafts- und Abstellraums zusammen- und nach unten durch bricht, während ein anderes befunden hat, dass der Keller langsam aber sicher als Escape-Room vermietet werden kann, aber nicht mit Geisterrätseln sondern 3D-Tetris, dass außerdem der Haufen mit den Steuerzetteln von diesem Jahr gefährlich über dem des Vorjahrs kippelt und eine Lawine droht, und es sich fürderhin bekanntlich leichter lebt, wenn im Kleiderschrank nur wohnt, was auch wirklich getragen wird, und alles, was „Motivationshose“ oder „Wird wieder modern“ heißt, sogleich entsorgt gehört, und dass wenn man das alles fröhlich pfeifend erledigt hat eine Windjacke übergeschmissen und kreuz und quer im Draußen umeinandergerannt und das „Spaziergang an der frischen Luft“ genannt werden muss. Da hab ich erst einmal auf den Kalender gelinst und gesehen, dass jetzt ganz viele Trauertage anstehen und sehr, wirklich sehr viel schlechtes Wetter. Das hat mich beruhigt. Konnt ich mich gleich viel entspannter aufs Kanapee werfen, mich in die Staubwolken schmiegen und Apfelkuchen essen. Noch warmen. Mhm! 

Samstag, 5. Oktober 2019

Für die Tonne!

Jetzt ist der Oktober grad erst aus dem Ei geschlüpft und ich bin schon schwer genervt von ihm. Dabei kann er ja eigentlich nichts dafür dass jetzt ein jeder Mensch schwärmerisch vom Indian Summer schwafelt, schon klar. Also erstens weil wenn ich aus dem Fenster blick und auch einmal meine Frisur nach draußen halte, muss ich sagen: Es ist schwer zu glauben, doch von Sommer ist grad wirklich gar nichts mehr übrig, stattdessen werden Winterreifen aufgezogen (O bis O, gell!), Heizungen entstaubt und Feuertonnen entz… Ah, Tonnen! Legt sich ja so ein goldgelber Glanz angeblich übers Land, weswegen man hierzulande ruhigen Gewissens vom ins Edelmetall gewandeten Monat sprechen kann anstatt globevertrottelt vom Indian, ich mein: warum in die Ferne schweifen, wenn Kastanie, Wilder Wein und Buchecker liegt so nah? Und schau, Indianer darfst du eh auch lieber nicht mehr sagen, also weißt du jetzt nicht: Ist’s ein Inuit-Sommer oder eher einer von den Apachen oder Cherokee oder doch vielleicht den Sioux, und dann Blamagegefahr weil sagst du „Siuks“ oder „Suh“, weißt du nämlich nicht. Also besser: Goldener Oktober, und alles ist gut. Und ich hab den Faden verloren. Halt nein, Tonne, Gold, Gelb. Übers Nürnberg, weil wir gehen hier von Natur aus eh immer mit der Zeit, legt sich grad auch ein goldener Glanz. Zugegeben der ist eher so golden wie das unten in der Bundesflagge, und in etwa so goldig wie das Schwenken derselben, sprich: gelb, sogar ziemlich neon, aber das passt eh auch wegen der Wettertrübnis, höchstens vielleicht verwechselst du jetzt einmal einen Schulanfänger, aber das wird er dir schon sagen, wenn du ihm das neongelbe Mützel vom Kopferl reißt und tief hineinblickst ins leere Gefäß, das es nun zu füllen gilt mit Unrat. Also die Tonnen mit Unrat, beim Erstklässler kommt freilich nur Schläue hinein. Schön am Neongelb ist auch, dass wenn du immer schon einmal wissen wolltest, wer eigentlich zuständig ist für den Treppenschmutz im Nachbarhaus oder welcher geheimnisvolle Mensch wohnt denn in der Villa mit hoher Mauer außenrum und Stacheldraht und Kamera und leerem Namensschild an der Klingel, dann musst du grad einfach nur ein bisschen umeinanderspazieren und Schildlein lesen auf dem Neongelb, und schon weißt du vieles über deine Gegend. Leider fehlt mir die Zeit für Schlendrian, weil ich muss nämlich Rat- und Rätselhäuser sowie Wertstoffhöfe abklappern und mich mit Gelbersackbevorratern prügeln, bricht doch eine Panik aus: „Wir sind eine vierköpfige Familie und benötigen im Schnitt fünf gelbe Säcke pro Woche, wie soll das gehen mit der kleinen Tonne?“ ist im entsetzten Internet zu lesen, und da muss ich sagen: Ich versteh den Bürger, darf er doch seit Urzeit müllen wie er will, und jetzt erklärt ihm keiner wie es anders geht. Muss ja auch gar nicht sein, weil nächstes Jahr tritt ein Bürgermeisterderherzen auf ein Podium und lobt das Volk für Plastikmüllrückgang. Wie sich der Restmüll in der selben Zeit entwickelt hat, da hat er die Statistik halt grad nicht zur Hand. Goldig, gell? 

Freitag, 27. September 2019

Urlaubssport

Ich hab mich grad ein bisschen umständlich hinter den Schreibtisch geklemmt. Also ich möchte fast eher von einer Art Einhaken sprechen, wegen der mitschwingenden Steifheit. Weil so ein Haken, der geschmeidigt sich ja auch eher nicht mal in die eine Form und dann in eine andere, sondern muss halt schauen wie er klarkommt. Muss ich auch. Das liegt zum einen an dem Exoskelett, in das ich mich eingeklinkt hab. Sagst du: Hey prima, Exoskelett, das würd mir den Kieser ersparen und eh überhaupt jede Ertüchtigung, weil wenn du so ein schönes Exoskelett hast, dann flutschst du deinen Gallertkörper da morgens hinein und schon bist du in Shape und abends gießt du dich selbst auf die Couch hinauf statt ins Fitness! So weit, so richtig, nur handelt es sich im vorliegenden Fall nicht direkt um eine futuristische Rüstung, sondern lediglich um eine profane Jeanshose. Ja babababaurlaubdolcevitapfft! In erster Linie ist die frisch gewaschen. Deswegen muss man jetzt eigentlich ein bisschen flach atmen und liegen. Wenn man dann eine Stunde später feststellt, dass sich am Beklemmungsgefühl nichts geändert hat, kann man immer noch in Wehklagen ausbrechen. Oder halt Prophylaxe, so wie ich, und das ist jetzt der zweite Grund für die relative Steifheit, weil ich gestern – eine Frau, ein Wort! – meine großspurigen Ankündigungen in die Tat umgesetzt hab, meine Fördermitgliedschaft im Fitnessstudio in eine aktive rückzuverwandeln. Weil es ist ja so, dass man im Sommer eh dauernd sich so viel mehr bewegt als in einem Winter oder Herbst und Frühling. Man fährt ja andauernd Fahrrad, man geht ständig mit einem Schläger auf einen Ball hinaufdreschen, man schwimmt unzählige Kilometer, und nicht zu vergessen die Unterarmkräftigung beim Grillkohlewedeln. Wo man bei genauerer Betrachtung sagen muss, dass das eigentlich der Hauptsport war, weil für alles andere war’s bekanntlich zu heiß. Um nicht vollends zu verschrumpeln hab ich im Urlaub tapfer die tägliche Teilnahme am Aqua-Gym verkündet, schön vormittags eine halbe Stunde planschen, dann hat man sich den restlichen Tag Pizzapastaprofiterol schon wieder verdient, das machen sicher alle so! Zehn Minuten später bin ich im Krebsgang heimlich aus dem Spaßpool getürmt und hab die fünf älteren Damen, die in der Mitte behäbig geturnt haben, während vorne Modelmädchen ihre Instaskills gezeigt haben und außenrum 300 kleine und große Menschen schenkelklopfend Handyfilme gedreht, zurückgelassen. Ob es später erniedrigender war, mangels Badehaube aus dem Schwimmerbecken gebademeistert zu werden oder anschließend mit einer frisch erworbenen solchen – signalblau und drei Größen zu klein – Bahnen zu ziehen, weiß ich gar nicht so genau, möchte mir aber nicht nachsagen lassen, ich hätte es nicht versucht! Die Jeanshose spannt übrigens immer noch gewaltig. Ist schon verrückt, wie schnell sich so eine Muskulatur wieder aufbaut, nach nur einmal wieder ein bisschen Pilates. 

Bräsigsein

So, zum Glück ist das jetzt ersteinmal ausgestanden mit diesem Sommer. Also freilich weiß man natürlich das stimmt eh nicht weil jetzt herbstelts halt ein bisschen und dann sagt der Herbst zu seinen Spezln „Boah eh, viel zu anstrengend, mir langt’s!“, weil das ist so ein dicker kastanienrunder, der Herbst, so ein gemütlicher, der eh viel lieber selbst am Federweißen nuckeln möchte und Zwiebelkuchen, und dann schauen sich der Sommer und der Winter an und seufzen und dann gibt’s wieder Doppelschicht. So. Ich find das super, weil ich war ja auf der Jagd nach Bräsigkeit, und da liest du einmal genau und denkst spitzfindig: Das klingt schwierig. War es auch. Hängst du bräsig am Poolrand und hast grad bequem den Bauch auf die Knie abgelegt krault’s hektisch an dir vorbei und atmet Vorwurf und schlechtes Gewissen bei jedem dritten Kraul. Hockst du bräsig im Biergarten muss da unbedingt vorbeigejoggt werden, einszwei einszwei, und du so: oanszwoagsuffa, und schlimmstenfalls kennt dich der Vorwurfsblickwerfer dann auch noch. Also Flucht in nördliche Gefilde und Parkanlage und so ein schöner Kiosk und so gemütlich und dann auf einmal kommen gleich ganze Schwadrone angejoggt und nerven dich im Fünfminutentakt weil im Park die Runde nicht mehr hergibt. Aber wollt ich ja eh sehr viel lieber am See umeinanderbräsen. Das ist sehr augustlich, hab ich ja gedacht, und wenn ich nur weit genug hinaus fahr und dann weitab vom Trimmdichpfad, dann joggt dich auch keiner voll. Tja … „Der Sommer hat ein neues Geräusch!“, hab ich nach dem dritten Seeversuch konstatiert. Das klingt ungefähr so, als würde man auf einem Großparkplatz stehen, auf dem lustige Kinder alle prallgefüllten Reifen zerstechen. „PFRÖÖÖÖÖÖT … PFFFFFFFFFFFRIIIIIIIIIIIEEE … PFUUUUUUUUUUUUUUUH …“ So. Sind aber keine Reifen, sondern aufblasbare Stehpaddelbretter, kurz SUPs. Mit denen der Zwangsaktive jetzt eine weitere letzte Bastion der Faulheit erobert hat, nämlich den Badesee. Weil während hinter dir gejoggt wird, wird jetzt vor dir nicht mehr gefläzt, geluftmatrazt, geplanscht und getotermannt, sondern: gesuppt. Es durchkreuzen das Gewässer unzählige Bretter, auf ihnen die menschgewordene Galionsfigur in Konzentration, Würde und freilich Körperstahl zementiert, von links nach rechts und kreuz und quer und ja, es gibt den Verdacht, dass die so schauen wegen der Runterfallangst und dass sie heimlich aufsteigen hinterm Gebüsch, aber es tut schon sehr olympionique. Du so: Ah ok, lockerer Brustschwumm zu gefährlich, rasierklingt dir noch eins den Kopf ab vor lauter Pflug. Klarer Fall für Luftmatratze! Sagen wir mal so: Im Fortfolgenden spielen sich Szenen größtmöglicher Würdelosigkeit ab, in denen du gemeint hast, dass weit weg vom Ufer ja weniger Menschen beobachten können wie du deinen LSF-30-griffigen Leib aufs Luftbett hinaufgallertest und dann wie ein ausgebüxtes Geleestück darauf herumwaberst wegen Gleichgewicht. Und dann schaust du einmal auf und um dich rum und dann sind da überall um dich herum … naja. Ich hab mich dann einfach sanft von der Luftmatratze glitschen lassen. Bald kann man ja wieder Couch. 

Freitag, 13. September 2019

Aussperrkarma

Ich glaub ja nicht an viel so Esofirlefanz, aber an Karma glaub ich ganz feste. Dass man da so ein Punktekonto hat und wenn man nett ist wird das voller und dann hat man manchmal Guthaben und dann kommt wieder was zurück von einem anderen Karma oder so. Und deswegen glaub ich auch daran, dass das Karma schon alles richten wird. Menschen, die blöd sind, werden schon gerichtet. Also nicht hin. Aber halt: Die kriegen es eh immer zurück, man muss nur einfach sich entspannen und abwarten und dann kommt die Karmastrafe. Das gilt natürlich auch für Menschen, die zu mir blöd sind. Blöderweise gilt das – ja, nur fair – auch für mich, wenn ich zu Menschen blöd bin. Und so muss ich jetzt leider öffentlich Abbitte leisten auf den Knien, in die mich das Karma gezwungen hat, just nachdem ich mit feisten Backen mit der Ausführung über Adoleszenz und Vaterratschläge abgeschlossen hatte. Weil genau eine Stunde später bin ich 15 Kilometer von meinem Schreibtisch entfernt auf einem Parkplatz gestanden und hab gerufen. „Ja!“, hab ich gerufen, „Ist gut jetzt, ich hab verstanden!!“ und dabei dem Karma mit der Faust gewinkt. Eben jener selben, mit der ich eine Sekunde vorher grad noch mit einem Wahnsinnstaucheinsatz wo du sagst: brennender Tiger durch Zirkusreifen ist nichts dagegen, in mein Auto hineingehechtet bin und mit der Handbremse freundlich ihm erklärt hab dass wir vielleicht lieber doch nicht ohne Gang, dafür aber schön Schwung weiter versuchen, in die Besucherparkplatzschranke einzudringen, sondern einfach kurz warten, bis geöffnet wird. Gestanden bin ich auf dem Besucherparkplatz umeinander, weil – da schon ein kleines Vorschussdanke ans Karma – mein Autoschlüssel in der Hosentasche war. Nicht in der Hosentasche war jedoch der Wohnungsschlüssel, stattdessen aber der vom Keller, und deswegen bin ich vorher im Verschlag gestanden, hab aufs Kistl altes Bier geblickt und mich gefragt, ob eine Option sein könnte, einfach mich aufs Bierkistl zu legen, zu schauen, wie weit es her ist mit dem Verfallsdatum, und dort ein bisschen zu weinen. Weil in die Wohnung hinein hab ich nicht können und auch sonst nichts tun. Das war um ehrlich zu sein schon auch mal mein Ursprungsplan, „gar nichts machst du heut Nachmittag, das wird wunderbar“, und ein bisschen hab ich mir die Ohren zugehalten dabei, damit ich die freilich übrige Arbeit nicht so laut rufen hab hören müssen. Aber schau: Wünsche ans Universum funktioniert auch. Aber wie man’s macht macht man’s falsch. Jetzt ist man freilich doch ein bisschen erwachsen geworden und hat darum natürlich Wohnungsersatznotschlüssel um sich herum verteilt, also zumindest einen, und aber den schön grad über die Straße drüber, wenn’s einmal pressiert. Nur wenn’s einmal pressiert dann sind Wohnungsersatznotschlüsselinhaber leider sehr weit weg, also um genau zu sein einer von beiden in Hamburg zufällig, da hab ich also noch Glück gehabt mit den 15 Kilometern nur im Süden. Jetzt jedenfalls bin ich ganz verschwitzt. Vielleicht sollt ich mich doch einfach im Keller aufs Bierkistl kringeln und Helm tragen und abwarten, was noch so passiert. Schlimmstenfalls findet man mich dereinst als Axolotl wieder.

Freitag, 6. September 2019

Seetag

Ich hatte ja nach Ende der Festivalsaison angekündigt, in ein tiefes Loch der Beschäftigungslosigkeit zu fallen, weil plötzlich soll man nicht mehr einfach mit der Schafsherde in Innenstädten, Fußballstadien und Flussbetten umeinanderlatschen und Musik lieben, sondern sich selbst um eine Freizeitgestaltung kümmern. Kurz hab ich nachdenken müssen und dem Gefühl von augustlicher Bräsigkeit nachspüren, das war irgendwo tief noch drin in mir, und dann ist mir eingefallen dass man ja unbedingt mit dieser Bräsigkeit an Badeseen fahren muss und dort genau eins tun: bräsig sein. Mit Buch und riesigen Paketen mit Reissalat und Schinkensemmeln und Melone und Ballspielen für Bewegung beziehungsweise fürs Gewissen. Und los! Meinem Wunsch, im Morgengrauen schon zu starten wurde allerdings weitestgehend nicht entsprochen, und schon war’s vorbei mit der Bräsigkeit. „DANN LOHNT SICH DAS DOCH ÜBERHAUPT NICHT!!“ hab ich gezürnt und Taschen wieder ausgepackt und Reissalate in den Ausguss und Krawall weil alles kacke und zu kurz und gleich zu Hause bleiben. Es war 12 Uhr, die Reaktionen irritiert: „Es ist fei erst 12 Uhr“, hieß es, „was willst denn du da machen bis zum Abend?“ – „BRÄSIG SEIN!“, hab ich getobt und Tränenrotz verschmiert und dann erzählt: Vom Omageburtstag im August und dass da deswegen das ganze Rudel. Vom Hasenstall und Streicheln und plötzlich Hasenbraten und Böhmische Knödel. Von Pergola und Kamin und grünem Veltliner in Zweiliterflaschen und undichter Korken offenbar wegen zügiger Verdunstung. Vom Weingut im Nachbarland und dass wegen Nachschubbeschaffung die Erwachsenen zum Vorwand Badetage anberaumen. Dass Kinder dann mitten in der Nacht (7 Uhr) aufstehen müssen und ohne Frühstück („Das gibt’s wenn wir da sind.“) unfassbare Strecken (60 Minuten) grenzüberwindend (manchmal mit, manchmal ohne Pass) vorbei an Marktl (Papst), Burghausen (Mauer), Fucking (hihi) reisen an den See. Dass Gäste dort beobachten, wie aus drei Autos 20 Personen, zwei Liegestühle (für Opa und Oma!), 100qm² Decken und Handtücher (für die anderen), Sonnenschirmebadmintonluftmatratzenbälledreiräderkinderwägen UND mehrere Kühlboxen quellen, auf die sich das ganze Rudel sogleich unter größtmöglichem südländischen Gezeter stürzt und völlig ausgehungert das komplette Tagesmahl verschlingt, weswegen später unter der strengen Omaregie ein Teller Pommes für alle reichen muss, weil es gibt ja dann nach Seedurchquerungbadmintonschwimmtrainingsonnenbadentirolernussölweißbieruno erst Veltlinerkisten auf Kinderschöße und dann im unter anderem für seine idyllische Inn-Lage bekannten Braunau Schnitzel und Kaiserschmarrn. Um dann später, viel später in einer Pergola am Lagerfeuer zu sitzen und dem Veltliner beim Verdunsten zuzusehen … „… und das ist meine Lebensschablone für ‚Seetag‘“, hab ich referiert, „Und bräsig muss man doch auch noch sein. Wie soll das gehen in nur zwei Stunden oder drei?“ Sagen wir mal so: Überzeugung kann ich. Schüssi! 

Freitag, 30. August 2019

Sommergeruch

Kennt ihr das wenn man in so ein Freundschaftsalbum hineinschreiben muss damit man nach drei Jahren Grundschule endlich einmal weiß wem man da immer Popel an den Rücken schmiert oder später bei so Fragebögen jeglicher Couleur, da steht dann sowas wie „Was ist dein Lieblingsgeruch?“ und dann schreibst du je nach Alter oder halt Erlebnishorizont hinein „Schnitzel“ oder „Jil Sander SUN“ oder „Tankstelle“. Oder es heißt gern auch einmal „Wie riecht für dich der Sommer?“, und dann krakeln die Menschen, die dir sonst auch gern einmal nachdenkliche Sprüche schicken oder sich Carpe diem auf den Steiß hinauf haben tätowieren lassen, mit Glitzergelstift auf die Zeile „Straßen nach dem Regen“ oder „Tiroler Nussöl“ oder „frische Wodkamelone“. Die vielleicht nicht ganz so romantisch angehauchten „aufgeplatzter Teer“ oder „Geschweißel in der U-Bahn“ oder „Grillfleisch“, vielleicht auch „so eine feine Melange aus fermentiertem Fisch und frisch Exkorporiertem“ (vgl. Wöhrder See, der) oder „Vanilleduftbaum“ oder ich weiß auch nicht, was einem da noch alles so einfallen könnte, Wartezimmer oder Umkleide find ich auch gut, generell eh alles was von einer Menschenansammlung verunreinigt worden ist, dazwischen ein Limonenkerzerl. Jedenfalls bei mir ist das so, dass ich schon sakrisch lang nicht mehr irgendwohinein hätt schreiben dürfen, wonach für mich der Sommer riecht, keiner möcht mich also kennenlernen, niemand fragt, und deswegen frag ich mich: „Katharina“, frag ich, „wonach riecht für dich der Sommer?“ und dann hol ich sehr, sehr tief Luft und die blas ich dann in eine große Tröte und hintnach schrei ich laut „NACH LEBKUCHEN, HIMMIHERRGOTTSAKRAMENTPFUIDEIFI!“ Weil das musst du dir einmal vorstellen, lebst du nicht nur in der Stadt die ausschließlich und der ganzen Welt nur wegen dieser Backware geläufig ist, nein, da musst du auch noch akkurat so wohnen, dass unbedingt auch ja jeder einzelne Fabrikschlot, wo du weißt, unten innendrin Wichtelgeschwader und Massenproduktionsstart und Orangeat und Zitronat und Mehl und Zimt und Nelke und Jinglebells und Honig und überhaupt der ganze klebrige Gatsch, jeder einzelne muss auch noch eine Abluft in die Stadt hinaus haben, nicht etwa vielleicht dass man die Abluft unterirdisch legt in die Westvorstadt beispielsweise oder meinetwegen in ein jedes U-Bahn-Tunnel, nein, es bläst mir alles ins Gesicht hinein! Im August!! Und du schnaufst und radelst und werkst und halluzinierst von Meeresbrisen und der Heumaht und ja meine Güte zur Not auch von Jil Sander, aber doch nicht willst du, dass der schlimmste aller Wintergerüche, weil es handelt sich hier eindeutig um einen Winter-Geruch!, mitten im August dir die Atemwege verklebt so dass du lieber in den Wöhrder See hineinatmen würdest als auch nur noch eine Sekunde die Nase aus einem Nordstadtfenster strecken! Papiertüte! Ich brauche eine Papiertüte! Mit Grillfleisch drin! 

Freitag, 23. August 2019

Adoleszenz

Die Adoleszenz, glaub ich einmal gelernt zu haben, ist diese arg diffuse Zeit zwischen „Ich darf mich noch auf den Boden werfen und schreien wenn ich den Lolli nicht krieg“ und … ja, also eben nicht mehr. Offiziell, schau ich lieber noch einmal nach, ist es der „Zeitraum von der späten Kindheit über die Pubertät bis hin zum vollen Erwachsensein“, und da würd ich einmal sagen, bis zum „vollen Erwachsensein“ hat der Mensch wie’s halt so geht gelegentlich Rückschläge zu erleiden. Oder Tiefpunkte. Es kann sein eine Scheidung vielleicht oder die Abkehr vom Lieblingsverein wegen Ruhmunreichheit, vielleicht muss eins auch einsehen, dass das ewige Talent nie gepflückt wird oder irgendwo ein anderer nicht Platz zum Nachrücken macht. Oder der persönliche Tiefpunkt in der Erwachsenenmenschwerdung lautet so: „ … ja und dann, Tochter, musst du dir auch langsam einmal überlegen, was du zum Essen mitnehmen möchtest.“ Und da hab ich grad nocheinmal genau nachgeschlagen im Brockhaus und gelesen, dass „unter anderem eine emotionale Unabhängigkeit von den Eltern entwickelt und eine Akzeptanz der eigenen Erscheinung erreicht (Phänotyp, Autonomie)“ werden soll, in der Adoleszenz. Und so wirst du ganz schnell wieder eingespurt auf deine Position. Weil es war so, dass ich mir einbild, ich tät einmal gern in einen Urlaub fahren. Und weil ich das zum allerersten Mal in meinem Leben mach, hab ich den großen Weis(s)en befragt ob er mich vielleicht ein bisschen unterstützen möchte. Nicht monetär, sondern mit der Weisheit eben. Sogleich hab ich in Windeseile eine Route ausgearbeitet bekommen mit allen Stops zum Wurstsemmelvorratauffrischen und wo eine Bodenwelle sein könnt oder auch ein Blitzer zum Vorherlieberbremsen und an welchem Ort der Kaffee um die Ecke günstiger ist als am großen Platz. Ich hab gehört welche Wege nur in meiner Welt funktionieren und in Echt dann aber doch gar nicht, wo man vorher was zu tun hätt um hinterher nicht blöd zu schauen. Es ging um Auslandskrankenschutz und ADAC, um Plastiktütenvorräte wegen Wetter und ob der Kühlschrank auch ganz sicher für 12 Volt, um was man vorher schon einmal ankündigen und am besten anschauen könnt wegen der Eventualitäten und Ausarbeitung von Plänen B bis F. Ich, ganz erwachsen, hab genickt und gehört und gelernt weil wie wir ja zum Beispiel auch aus der Stadtverwaltung kennen haben ältere Herren oder manchmal auch Frauen die schon lang auf der Welt umeinanderausprobieren immer recht und Neues ist gefährlich. Und dann aber eben das: „ … überlegen, was du dir zum Essen mitnehmen möchtest.“ –„ICH FAHR FEI NUR NACH ITALIEN!“, ist mir da ganz kurz die die Kontenangse ausgerutscht. „Soweit ich weiß ist das trotz aller aktuellen Entwicklungen selbst im Durchfahrtsland noch EU, und weder der Lidl noch der Hofer haben ihre Truppen abgezogen! Und es sind auch noch drei Wochen!“ Auf den Boden geworfen hab ich mich nicht. Aber … es sind ja noch drei Wochen. Ich adolesziere ganz entspannt vor mich hin. 

Freitag, 16. August 2019

Geh-Weg!

Also, so eine Woche später würd ich einmal kurz zwischenbilanzieren mögen und sagen: Hat gut geklappt, mit dieser Ablenkungstaktik, dass der Fuss e. V. jetzt einmal ein bisschen anderweitig beschäftigt ist, aber hey, was der Frodo kann mit Auge und dem Saruman, das können wir schon lang. Schwupps Tretroller auf die Straßen und … Ach nein, ja eben nicht: Auf den Gehweg, muss das heißen, weil wenn man das einmal richtig aussprechen würde mit der Betonung nämlich auf der zweiten statt der ersten Silbe, dann wüsste man schon längst Bescheid. Jedenfalls hat also, kann ich freudig verkünden, in der letzten Woche völlig überraschend niemand versucht, mich umzubringen. Außer einmal ich mich selbst, Badewanne und so, aber da steckt man halt nicht drin. In den Mordanschlägen auch nicht natürlich, ich weiß schon, dass das jetzt eh auch gar nicht fair und der Bürgersteig ist ja nunmal für den gehenden Bürger da und für den fahrenden nicht, für den rollenden auch nicht, nur vier Räder, und für den auf dem Fahrrad sitzenden und aber mit den Füßen am Boden mitpaddelnden auch nicht, weil da ist er zwar viel langsamer als so ein Geher und noch viel schmaler als ein Schieber sowieso, aber zefix noch eins er sitzt! Und das darf nicht sein am Trott-oir, da sagt ja auch schon der Name, was gefälligst zu tun ist. In der Verteidigung des Rechts entwickelt der Trottel … Trottler … Trotter, jetzt! Also der Trotter Superspezialsuperkräfte, das musst du auch erst einmal erlebt haben. Zum Beispiel ist eine meiner Lieblingssuperkräfte, die ich wirklich auch gern hätt, die, dass wenn du von hinten so ein vorsichtiges „Achtung ich schieb mich mal vorbei, mach bitte keinen Quatsch“-Klingeln aussendest, dann ist das scheint’s ein Geheimsignal für plötzliche Ertaubung + Körperumfangsverfünffachung + Störung im Gleichgewichtssinn weil auf einmal muss der Mensch breitbeinig umeinandertorkeln. Du wärst einfach nur gern vorbeigeschlichen, aber geht dann nicht. Manchmal passiert auch dass denen blitzschnell ein langer Arm wächst, so GoGo-Gadgeto-Arme, nur leider befindest du dich in der Streckbahn und dann kann das schon einmal passieren dass der Superkraftarm dich auf die Straße schiebt. Saublöd, aber was willst du machen. Ganz besonders verrückt war einmal ganz jetzt erst, da hat eine Omi, so eine ganz hadscherte kleine würfelförmige, ganz plötzlich hinter mir einen Turbo angeschmissen wo du sagst, Sprintolympiade nix dagegen, und wie man das kennt auch aus der Formel 1, da kracht’s auch gern direkt einmal beim Start, und genau so hat die Omi mich ganz aus Versehen im Vorbeirennen vom Radl gewrestelt, wohl hat sie Wichtiges beim Einkauf vergessen und darum gerufen „Du dumme Ursel!“, fast beinahe direkt hinauf auf die Hauptverkehrsstraße wär ich geflogen. Da hab ich dann schon einmal freundlich in einen Hauseingang gebeten und gefragt, was jetzt da genau passiert ist, und stell dir vor, „Ich wollte vorbei!“ Ja schau, da kannst du nichts machen, Superkräfte kommen wie sie wollen. Wie beim Pumuckl. Dass mir neulich nahegelegt worden ist, ich soll mein Radl doch gefälligst auf der Straße schieben und nicht am Geh-Weg!, da weiß ich immer noch nicht, ob ich das geträumt hab. 

Freitag, 9. August 2019

Luitpoldhainis

Achtung, Witzezeit! Wie heißen Menschen, die den Juli über auf Wiesen herumgelegen sind mit ihrem ganzen Hausstand und Musik gehört haben und Klassik und Sternspeier und Knutschiknutsch und Nudelsalat? Luitpoldhainis, genau! Und wie nennt man die, die seit zwei Wochen wacklig unser Stadtbild bereichern? E-Dioten!! Muahaha … Ah ja, das war jetzt gemein. Also für den Luitpoldhain zumindest wirklich sehr. Für die anderen … eigentlich nicht, weil ich find das alles sehr gut mit diesen Rollern. Weil schau, den ganzen Tag kann ich im Hausgewand auf meinem Balkon kontemplieren und statt Fernsehen einfach Straße. Was man als Privatieuse halt so macht. Auch so im Alltag geht das gut, aber da muss man sich dann womöglich dabei bewegen, und das wollen, nein: sollen wir ja anscheinend nicht, deswegen bleib ich lieber auf meinem Hochsitz, von wo aus ich sehr gut zum Volke sprechen kann und unter mir der Pöbel zu meiner Unterhaltung gereicht. Nämlichst bald muss ich einen eigenen Buchmacher zu meinem Gesinde hinzufügen der die Einsätze organisiert rund ums Thema „Wird es dem Knaben gelingen, die Erstfahrt mit dem Roller im Selfievideo einhändig für die Ewigkeit zu konservieren und gleichzeitig lässig in die Kamera zu grienen und mit einem halben Stilauge die Straße zu observieren oder wird ihm der hauptstädtisch asphaltierte Straßenchique zum Verhängnis und später haben wir ein neues lustiges Überschlagsvideo?“ oder „Ja schau, wenn sie jetzt geschmeidig auch noch mit dem anderen Rädchen in die Straßenbahnschiene eingefädelt wär dann könnt sie sich jetzt noch einmal kurz beidhändig die Frisur richten.“ Womit wir auch schon beim Aspekt „akrobatischer Unterhaltungswert“ wären wo du sagst: Da kann der Hermanns Axel, nein: Alex fei sein Palazzo stecken lassen, weil da zahl ich doch nicht mehr horrende Summen für ein bisschen Turnerei, wenn’s doch draußen auf der Straße völlig umsonst zu haben ist. Und den passenden Soundtrack liefern sie gleich auch noch mit dazu, weil wenn’s noch nicht aufgefallen sein sollte: Überall in der Stadt tut’s plötzlich so ein fulimantes … fulmimamtes … also wirklich sehr volltönendes Geräusch, so ein onomatopoetisches Kassenkatsching, was dabei passiert wenn das Gerät sich endlich aufgesperrt hat und dabei gleich einmal ein Euro auf den Boden fällt – ein Geräusch übrigens, von dem ich meine dass es jedem Sportverein die Tränen in die Augen treiben müsst, weil offensichtlich zahlt man lieber kein Geld mehr dafür, sich bewegen zu dürfen, sondern lieber, sich möglichst nie mehr bewegen zu müssen, weil künftig fährt mich der Roller zum Aufzug zur U-Bahn und am besten noch in diese hinein und das gleiche dann retour und oben wieder raus und vielleicht kann man ja im Fitnessstudio damit auch aufs Laufband, das wär doch schön. Dann bestellen wir Pizza und schauen „WALL·E“.  Hachz … Also eigentlich find ich das alles ziemlich toll – schon allein weil jetzt der Fachverband Fußverkehr Deutschland e. V. endlich ein neues Feindbild auserkiesen kann, und während der also militant auf Rollerfahrer einspazierstockt kann ich auf dem Radl unbehelligt hintenrumschlupfen. Weil das war so …  

Freitag, 2. August 2019

Stillleben

„Stillleben bezeichnet in der Geschichte der europäischen Kunsttradition die Darstellung toter bzw. regloser Gegenstände (Blumen, Früchte, tote Tiere, Gläser, Instrumente o. a.). Deren Auswahl und Gruppierung erfolgte nach inhaltlichen (oft symbolischen) und ästhetischen Aspekten. Auf gut Deutsch: Mit der Abbildung vom Saustall, der halt daheim so umeinanderliegt, verdienen Künstler seit jeher einen Haufen Geld.“ Okay okay, beim letzten Satz ist mir vielleicht ein klitzekleines Copy-Paste-Malheur passiert, was mich jedoch nicht davon abhält, von meiner kunsttraditionellen Ausgestaltung meiner Wohnung zu künden, denn hier gibt es derzeit Stillleben, soweit das UV-zerfressene Auge reicht. Mach ich sogleich mich an die Arbeit der „still-life photography“, wie das Neudeutsch heißen und aber auch Fragen aufwerfen muss, weil ein „Still Life“ glaub ich bedeutet doch, dass irgendwas grad noch so als lebendig bezeichnet werden kann, was dann wiederum sich vielleicht eher auf die Balkonpflanzen meiner mit einem savannenbraunen Daumen gesegneten Nachbarin beziehen sollte … Bei mir: Alles entweder sehr lebendig oder sehr tot, so wie das Fensterbrett im Badezimmer voller erstillter Fliegen, die sich trotz benetzter Barriere allabendlich durch Ritzen zwängen um dann ihr Leben in meiner Wanne auszuhauchen. Gleich daneben, nämlich über dem Waschbecken, findet sich das nächste Motiv, das vom Weh und Ach, Juhee und Oho des Sommers kündet, nämlich in einer Reihe säuberlich drapiert 3x Sonnenschutz (LSF 15, 30, 30, angeblich wasserfest, angeblich Light Touch, angeblich nicht rückfettend) nebst Venenaktivrosskastanienbalm (aus bekannten Gründen) und Voltaren Schmerzgel (Rucksäcke, offene Fenster – man kennt das). Weiter gehen wir gemeinsam in die gute Stube, die gleichwohl als Durchgangszimmer wie auch erweiterter Hauswirtschafts- und Lagerraum dient. Hier finden wir gleich mehrere Stillleben, so nämlich einen Haufen Handtücher, Kleider, Shirts und Hosen, der während des Schweißtrocknenes auf wundersame Weise die Form einer Couch angenommen hat, Picknickdecken und Transportmittel verschiedener Größe, von denen irgendjemand findet, sie lohnten das Aufräumen nicht, gekrönt von etwas, das einst als Esstisch angeschafft worden war, nun aber als Tableau für ein changierendes, doch variables Arrangement dient: Hier finden wir Bücher (darf & darf nicht nass werden), kleine Kleidtäschchen, kleine Ausgehgeldbeutelchen für kleine Kleidtäschchen, Zeitungen vom Juni (Nachlese!), Monatsstadtmagazine (Vorbereitung) und überhaupt alles fürs spontane-Überleben-im-Hochstadtsommer-Survival-Paket. Vor der Tür zum Schlafzimmer biegen wir aus Diskretionsgründen lieber eilig ab (ich sag mal so: Nach drei Monaten hab auch ich gecheckt, dass Strickjäkchen und leichte Püllöverchen für den Abend direkt daheim bleiben können) und vor der Küche, wenn ich’s mir recht überleg, auch. Es soll ja dann zur Ausstellung auch noch Überraschungen geben, gelt? 

Freitag, 26. Juli 2019

Brandschutzbeauftragte

Diese Woche war ich auf einem Fest eingeladen. So ein richtiges Fest, nix mit Facebook und so, sondern schön auf Papier und in persönlich. Da hab ich mich gefreut und war auch ein bisschen aufgeregt, weil mit neuen Sachen ist man immer ein bisschen aufgeregt weil weiß man nie genau wie’s ausschaut auf dem Tanzparkett und wie viele Fettnäpfe so für mich herumstehen. Mutig bin ich aber hingefahren und dann gab’s Tür und Begrüßung und Gästeliste, und ich sag „Servusgrüßgotthallo, ich bin die Katharina Wasmeier v…“ – „UM GOTTES WILLEN!“, hat man mich da angeschrien, „BEDECKEN SIE SICH!“ Jetzt musst man sagen, dass ich schon eine gewisse Unsicherheit wegen der Klamottenfrage gehabt hab daheim: Es hat 40 Grad im Schatten, aber spätestens seitdem ich vor sehr, sehr vielen Jahren einmal in der legeren Surferklamotte morgens ins Büro gekommen bin und dort von feingewandeten Kollegen seltsam angeschaut worden bis sich eins erbarmt und mir verraten hat, dass der allergrößte Oberchef im Haus und darob der Casual Friday per Mail als „Business as usual (zwingerzwinker)“ ausgelobt worden ist, bin ich da ein bisschen also ich möchte nicht sagen: übervorsichtig, aber ja, doch: panisch. Aber ausschauen wie direkt aus ganz unten U3-Geschoss Bank- oder Bibliotheksverwaltung willst du auch nicht, also eine Mischung versucht und toitoitoi, werden sie dir schon nicht gleich den Zutritt verweigern. Entsprechend hab ich doch vielleicht ein bisschen erschrocken geschaut bei der Begrüßung, weswegen dann geflissentlich Information nachgereicht wurde: „Sie sind ja krebsrot.“ Da bin ich fastbeinahe kurz ein bisschen spontan eingeschlafen, denn es folgte altbekannte Rede: Waren Sie in der Sonne? (Nein, ich hab von Natur aus roten V-Ausschnitt und hinten ein Schleiferl, die rote Nase kommt vom – na Sie wissen schon) Haben Sie sich nicht eingeschmiert? (Nein, in meiner Familie haben wir eine interne Wette wer zuerst Hautkrebs bekommt, der bekommt das Elternhaus. Zur Entschädigung.) Haben Sie sich geaftersunt? (Ja, aber das haben die vier Millionen Fliegen, die ich auf dem Weg hierher mit meinem Körper eingesammelt habe, gierig abgeküsst. Den Rest schmier ich OB und Chefs beim Hallo ans Revers). Kurz bevor die Empfangsfrau mir einen Security an, nein: um den Hals hat werfen können, und ich hätt nicht mit Gewissheit sagen können, ob zu meinem Schutz vor Abendsonne oder Schutz der Gäste vor Anblick des entstellten Leibs, hab ich mich einem Sektglas untergehakt und in Sicherheit vor Übergriff bringen können. Dacht ich, weil auch das Fest selbst hat nur so gestrahlt vor Besorgnis und wohlmeinenden Ratschlägen und noch nie zuvor gehörten Tipps und statt einfach einem „Hallo“ sagen Menschen „Ich hab fei Sonnencreme dabei.“ Nur eine Dame sprach: „Wow bist du braun, warum bistn du so braun? Kommst du aus dem Urlaub??“ Dafür hab ich sie geliebt und tu es immer noch. Dass die Dame selbst mit Alabasterhaut und Elfenbeinteint gesegnet ist, spricht wenn überhaupt nur für sie. Wer mich also am Wochenende finden will, der sucht einfach nach etwas, das wie Pommes Schranke aussieht und tanzt. The Rest is Silence.

Freitag, 19. Juli 2019

Sommerkämpfe

Gerade beim Schreiben dieser Zeilen schwirrt mir ein Getier um den Kopf. Es ist groß und laut und vor allem deutlich sichtbar, nicht zuletzt dank gestreifter Signalfarbe, und deswegen kann ich es gut leiden. Exakt jetzt genau ist es verstummt, was ich schon gleich viel weniger gut leiden kann, bedeutet das doch eine mutmaßliche Rast, die bei Tieren dieser Sorte gerne einmal eine große Gefahr des Drauflatschens und Bestrafung des (haha) Ver-Gehens mit schlimmem Schmerz birgt. Nach einer sofortig eingelegten Expeditionsrunde hab ich das Tier entdeckt. Es rastet auf einem Holz, leider jedoch nicht auf einem solchen, wo man sagt: Da haut man jetzt halt einmal kurz aus Versehen mit einem Diercke Weltatlas drauf, und schon ist die Gefahr gebannt, sondern eher so eine Art Holz, wo man hernach wegen Dominoeffekt sehr lang den Raum neu dekorieren müsst, quasi eher unverhältnismäßig. Den Raum verlassen, verriegeln und warten, bis es stirbt oder gar von allein wieder hinausfindet, ist auch keine Option, denn man weiß ja: Störendes Getier findet prinzipiell immer sehr vorzüglich in eine Wohnung hinein, niemals jedoch aus dieser wieder hinaus. Nach dem selben Prinzip ist gestern ein Gschmeiß verfahren, dass sich von morgens bis abends mit dem Rücken und ungläubiger Verzweiflung ans Fensterglas geworfen hat, ganz so wie bei der Marlen Haushofer ihrem Buch, wo ja auch plötzlich eine mordsunsichtbare Mordsscheibe umeinandersteht in der Welt. Und ich muss schon sagen, ich hab dermaßen gut Fenster geputzt, dass ich selber öfter einmal aus Versehen ein bisschen den Kopf zu weit aus der vermeintlich offenen Luke streck. Jetzt sind das alles so Tagsüberepisoden, wo man mit einer Mischung aus Nachsicht, Genervtheit und wissenschaftlichem Interesse relativ entspannt beiwohnen, womöglich (wie soeben geschehen) mit einem der hier zahlreich herumliegenden Festivalbierbecher einmal beherzt durch die Luft fischen und dann das Tier vom Balkon werfen kann. Und dann gibt es aber noch diese anderen Situationen. Die finden vorzugsweise nachts statt. Da hast du grade abgeschaltet, erst das Licht und dann den Geist, und im letzten Moment grad bevor du bewusstlos wirst donnert ein Hubschrauber auf dich zu. Geradewegs reißts dich vom Halbschlaf in den Sitz, ein Licht wird eilig entzündet, doch so sehr du auch schaust und mit dem Suchscheinwerfer forschst, es ist einfach nichts zu sehen, es ist, als hätte der Hubschrauber einen Tarnumhang, der durch Nachttischlampe aktiviert wird. Irgendwann erkennst du dann, dass das mikroskopisch kleine Staubkörndl, das im Augenwinkel umeinanderstiebt, die Ursache für das Horrordröhnen ist, und es folgen unwürdige Szene aus Lauern und Jagen, in denen man sich ein Chamäleon am Stecken wünscht, um damit durch die Luft zu wedeln. Leider hat man nur eine Klatsche. Ja, auch in der Hand, und so sinkt man schweißgebadet auf die Schlafstatt, propft sich Wachs in die Ohren und reckt einen Arm empor – nicht in Siegerpose, sondern als Zeichen des demütigen Antritts zur Blutspende. Sollte ich die Anämie überleben, bau ich mir am Wochenende Gitter vor die Fenster. Ob man selbst dann ein- oder alle Unbill ausgesperrt wird, ist ja immer Ansichtssache.

Freitag, 12. Juli 2019

Speicherkapazitäten

„Meine Hände“, wurden mir Anfang der Woche zehn Patschefingerchen ins Gesicht gehalten, „sehen aus wie die von einer alten Frau!“ Ich, milde: „Ja genau: wie meine halt auch“, und reckte die zwei Runzeln ins Gegenübergesicht. „Das könnte vielleicht einfach daran liegen, dass diese Hände grade wieder wie Hände aussehen und nicht mehr wie aufgeplatzte Weißwürste, hm?“ Das Gegenüber, die Demarkationslinie der 30er grade mal so am fernen Horizont vermutend, blickte betrübt, jedoch auch einsichtig drein. „Genau so wie Füße“, hab ich darum geholfen. „Die hab ich gestern angeschaut auf der Couch und gesagt hallo, hab ich gesagt, da seid ihr ja wieder, ihr Zehen und Sehnen!“ – „Ja genau“, hat sich das aufgehellte Frohgesicht gefreut, „und man hat nicht mehr einfach nur so einen Klumpen, wo vorne fünf Wienerle rausschauen!“ – „Pumuckl-Füße“, hab ich referiert, „ich sag immer: Pumuckl-Füße, weil der hat das auch so, völlig ohne eine Kontur und aber schön prall und patschig!“ Wir haben uns dann noch ein bisschen ausgetauscht über Melonenknie im Speziellen und Aufgedunsenheit im Allgemeinen, warum Nicht-Trinken wenig hilfreich ist, wohl aber Venen-Aktiv und Rosskastanienbalm und warum „Füße hochlegen im Büro“ hierzulande eigentlich als faule Untätigkeit so verpönt, doch aber eigentlich eine medizinische Notwendigkeit ist. Weil man muss schon sagen, bei aller Freude über Sommer und Draußen und Ole, es geht die Hitze mit einem gewissermaßen beschleunigten körperlichen Verschleiß einher, dass muss man schon auch einmal so festhalten. Große Abnutzung an sprichwörtlich allen Ecken und Enden, weswegen nicht nur der Verstand (Stichwort „Spaßverpassungsangst“), sondern auch der Leib sich grad erleichtert seufzend in die Sommerpause sinken lässt. (Notiz: Unterschiedliche Bedeutungen von „Sommerpause“ ergründen. Hierzu Fußballspieler befragen. Und -schauer.) Allem voran kann der Körper nämlich nun wieder aufhören, zu versuchen, eine Sukkulente zu sein. Oder ein Kamel, ich weiß es nicht. Jedenfalls irgendetwas, das mit aller Kraft jeden Tropfen Wasser speichert weil es könnte sein dass es lange keins mehr gibt und für die Notzeit muss man also ausgerüstet sein. Dass der Menschenkörper nun halt zwar über viel Fleischiges, leider aber keine Blätter verfügt und Höcker auf dem Rücken, da ist jetzt die Evolution leider nicht so schnell wie dieses „Klimawandel“, das sieht er halt nicht ein. Also wohin mit der Reserve? Genau, hinein in die Extremität, deren Name direkt dann auch noch eine ganz andere Bedeutung erfährt. Wegen „extrem“, gell, verstehter schon. Und es bringt auch noch andere praktische Aspekte mit sich, weil wenn so ein Ehering tief im Fingerballon verschwindet, dann beispielsweise messereist es dich doch gleich viel angenehmer durch so eine Sommernacht, oder wenn du sagst: Mei, die Sandalen, da hätt ich mir vielleicht eine andere Farbe gewünscht zu dem Gewand – schwupps versenken sich die Riemchen im Wolkenfuß und alle Sorgen sind gelöst. Naja. Oder man zieht halt Turnschuhe an. Da passt man jetzt auch wieder rein.

Freitag, 5. Juli 2019

Heiße Nächte in Nürnbergo

Heiße Nächte, heiße Nächte in Nürnbergo, ohoooho …! Zum Weinen anfangen hat hoffentlich keiner müssen, aber jetzt formulieren wir’s einmal vorsichtig: Wir waren alle schon einmal ausgeschlafener und fitter, gell? Wobei man freilich zugestehen muss, dass dank dieses Gewitters, von dem das Fernsehen berichtet hat, es schon ein bisschen kühler, man möchte fast sagen: kälter geworden ist und die Idee an eine Bewegung draußen nicht mehr gar so absurd erscheint wie noch vor einer Woche, wo ich einmal abends frivol in den Park ein sehr schönes, sehr unbenutztes Speedminton mitgebracht hab und anstatt dass man mir applaudiert für Sitzen statt Schwitzen ... Nein. Schwitzen im Sitzen. Nein auch nicht. Sitzen beim Schwit… Schwitzen statt Sitzen, jetzt hab ich’s! Also anstatt Applaus gab’s Schmäh und Buh und Geisteszustandsinzweifelziehung noch bevor auch nur ein freundliches Wort des Grußes geäußert worden war. Ich hab mich dann ein paar Meter weiter weg zu anderen Menschen auf die Decke geworfen. 
Und das hätt ich wohl mal lieber besser bleiben lassen, weil wo gehobelt wird, da fallen Späne, und wo nicht geregnet wird, da fällt allerlei Gewächs, und zusammen mit der Schwitzerei, wo du wirklich dann nicht mehr weißt, wo das eigentlich alles herkommen kann und wieso dir jetzt einfach nur im Stehen ein Rinnsal aus der Armbeuge läuft, zusammen damit jedenfalls gibt das eine feine Melange auf der Haut wo du sagst: Ja mei, so ungefähr macht der Elefant das und das Nashorn auch, immer schön drauf mit dem Dreck und schon hab ich einen prima Sonnenschutz. Es ist halt jetzt gesellschaftlich nur leider wenig anerkannt, dass du herumläufst bei dem Wetter wie frisch paniert. Das versteh ich nicht, weil anscheinend ist es sehr wohl anerkannt, dass du aus ich weiß nicht Gründen des Umweltschutz oder auch der Ersparnis oder wegen der sensiblen Haut auf ein Deo lieber mal verzichtest. Gesamtexistenziell betrachtet schwer erschöpft lässt du dich abends hineinfallen in dein Nest. 
Der Leib verlangt nach Schlaf, nicht jedoch danach, von irgendwas berührt zu werden, nicht einmal von sich selbst, also balancierst du freischwebend auf den Pobacken im Bett, bis der Bauchmuskel reißt. Von diesen fünf Sekunden großer Anstrengung an den Rand des Zusammenbruchs gebracht, versuchst du dich im Chakrasana – beim Bundesjugendspiel im Turnen hieß das „Brücke“, sagt man aber heut nicht mehr so – und stemmst dich mit Händen und Füßen empor, doch diese Haltung führt zu Blutstau im Kopf und großem Schwindel. Du resignierst. Liegst so da und wartest auf des Todes Bruder, dämmerst leise fort un … „DU GLAUBST DOCH NICHT IM ERNST DASS WIR SO AUCH NUR EINE SEKUNDE LANG SCHLAFEN DÜRFEN??“ wirst du plötzlich angeschrienen und es wedelt dein innerer Neandertaler mit dem Speer und fuchtelt Kriegsfiguren gegen Säbelzahntiger in die Luft. Seufzend nimmst du einen winzigen Lakenzipfel und legst ihn die sanft auf die Hüfte. Ruhe kehrt ein. Endlich. Bissssss … 

Freitag, 28. Juni 2019

Brandgefahr

Letzte Woche hab ich doch erzählt von dieser Stimme, die mich als Depp beschimpft und dann zum Bodenputz gezwungen hat, gell? Also, genau eben jene Stimme hat diese Woche, nämlich am Dienstag, genau in dem Moment, in dem ich eine Haustür geöffnet und einen würdevollen Schritt ins gleißende Nachmittagslicht getan hatte, laut und vernehmlich ins Straßenweit gebrüllt: „Oooch du dumme Kuh!“ Es verstummten kurz die Vögel, ein Hündchen unterbrach den Strahl, die Welt stand still. Wär ich auch gern, hab ich aber nicht, sondern, also das war so: Ich ja bekanntlich immer überallhin Fahrrad. Und natürlich Fahrrad so nah wie möglich an Zielort abstellen, weil sonst Laufen, und Laufen = Zeitverschwendung. Jetzt muss man leider feststellen, dass aktuell manche Plätze eine bislang unbekannte Perfiderie entwickeln, nämlich wegen dieser Sonne, und so wie die mancherorts Straßenlaternen in Brenngläser verwandelt und damit schöne Muster auf Rasen malt, so verwandelt sie auch bequeme Gelsättel in flammende Inferni. Du also schön rauf mit dem Hintern und los, und genau so wie wenn man sich mit der flachen Hand auf der heißen Herdplatte abstützt dauert das dann scheint’s ein paar Sekunden bis der Schmerzreiz die obersten, sofort abgestorbenen Hautschichten durch- und tief ins Fleisch eindringt. Ergo ich nach fünf Metern undamenhafte Reaktion, sofortige Brandblasenentwicklung, daraufhin sehr, wirklich sehr mühsames Standradeln sowie verzweifelte Versuche, sich in den Schatten von Ampelanlagen zu krümmen. Hier sogleich nächste Gefahr, denn wenn so ein Ampel- oder auch ein Laternen- oder Schildermast ersteinmal schön zehn Stunden Sonnenschein erhalten hat, dann steht er kurz vor der Kernschmelze. Leider nur kurz davor, deswegen siehst du’s ihm nicht an, sondern lehnst dich lässig mit dem Handballen dagegen, anstatt geschwind in der Wartephase ein Hufeneisen oder Kunst zu schmieden. Jetzt Stigmata links. Solcherart gebrandmarkt und versehrt kennst du genau eine Lösung: Hinein in ein kühles Gewässer, mit Zisch und Dampf und Getöse, eben halt wie das erwähnte Hufeisen, musst du auch abkühlen wenn’s in Form gebracht ist. In Form, will sagen: Shape hab ich mich zwar nicht gefühlt, aber egal, weil Abkühlung, und so bin ich also mit dem Fahrrad – dem Auto hab ich im Vorbeiradeln einen vernichtenden Blick zugeworfen, speziell einen Blick aufs Lenkrad, weil da wissen wir auch, dass du lieber Kühlakkuhandschuhe anhaben willst grade – ins Bad geeilt. Das war wundervoll. Ich schön vor mich hin gezischt und Bahnen geschwommen wie eine Große, und trinken muss man auch sehr viel, und vor lauter Wasser und Abkühlung hab ich dann austreten müssen. Hinein in die Schlappen, und loselegantet – nicht, weil schwarze Flipflops und Sonne … naja. Ganzkörperbrandblase die ich bin, hab ich daheim heilige Schwüre der Verhaltensänderung und Fehlermemorierung geleistet, mich in Buttermilch gewälzt und auf feuchten Handtüchern gewunden. Und jetzt ratet, wer am Tag darauf sein Fahrrad wieder exakt an der selben Stelle parkiert hat …  

Samstag, 22. Juni 2019

Wachkoma

Gestern bin ich nach Haus gekommen und dort von einem feinen Kaffeeduft empfangen worden. „Ach Gottle“, denkt ihr jetzt und neidet, „hat sie endlich eins gefunden, das daheim auf sie wartet und sie hegt und pflegt und Kaffee kocht und einen Kuchen wird’s schon auch dazu geben!“ und seht wie ich von starken Armen empfangen und in eine Seligkeitsdecke gehüllt von den Mühen des Tagwerks mich erholen kann. So ungefähr hab ich’s mir nämlich auch gedacht und mich aufs Kanapee geschmissen und Füße hoch und Augen zu und man reiche mir die Tasse! „Du Depp!“ hat’s plötzlich laut durchs Anwesen gemault, und voller Schreck hab ich erkennen müssen, dass die lieblichen Worte meiner selbst entsprungen waren. „Hast doch nicht alles erwischt beim Putzen!“ und tatsächlich hab ich dann eilig mich unter den Tisch gebeugt und krustig-braune Pfützen entdeckt. So manch ein Hundebesitzer mag jetzt spontan ein Mitgefühl entwickeln, aber leider hab ich dann mich erinnern müssen, dass ich höchstselbst schuld war an einem kleinen Malheur. Weil man ist ja manchmal morgens. Also eigentlich ist man immer morgens, aber manchmal ist man morgenserer als an anderen Tagen, und da kann dann einmal passieren, dass nach außen sichtbar so ein Körper durchaus patent tut und aufstehen und Leibhygiene und Mund auch und wundersamerweise alle Farbtöpfe und -tupfer richtig im Gesicht verteilt anstatt Rot auf die Lider und Schwarz auf den Mund, auch wenn man wenn ich’s mir recht überleg heutzutage gar nicht allzu unangenehm damit … Naja, jedenfalls nach außen patent, innen jedoch problematisch, ich würd fast sagen, es handelt sich hierbei um eine spezielle Art des Wachkomas, bei dem man erst aufwacht wenn man dann doch einmal dabei ist, sich die Föhnlotion unter die Arme und das Deo in die Frisur zu sprühen oder manchmal sich später am Tag fragt, ob überhaupt eins von beidem stattgefunden hat, oder man dabei ist, Kaffee in eine Suppenschüssel zu gießen. Dann erfolgt geschwind und kopfschüttelnd ein Tausch, doch die Gefahr ist damit nicht gebannt, weil es geht mit dem Wachkoma auch manchmal eine motorische Unsicherheit einher, und so hab ich unlängst erst einmal so eine sehr große, sehr volle Tasse, mit einem Telefonhörer verwechselt und dann sehr viel später waren der Schreibtisch sauber und der Boden, der Computer auch, und viel weniger Schmierpapier ist noch herumgelegen, dafür hat’s schön geduftet. An dem besagten Morgen jetzt hab ich im Wachkoma scheint’s von der bayerischen Tradition geträumt, leere Krüge zum Zeichen des Wunsches nach Wiederbefüllung längs auf den Tisch zu legen. Aufgewacht bin ich dann als ungefähr ein Liter Kaffee in meine Tasche geronnen ist und von der aufs Stuhlpolster und bodenwärts, während auf der anderen Seite des Tischs die Brühe sich angeschickt hat, ihren Platz auf der weißen Tapete zu erobern. Jetzt riecht es also auch abends nach morgens. Ich weiß noch nicht, ob das so gut ist. 

Freitag, 14. Juni 2019

Der Berg rief

Seit zwei Wochen ruft der Berg. Alles rennet, rennet kotzet, der Mensch schwankt – erst zwischen Abscheu und Sehnsucht, später stehend auf einer Bank, holleradidudeldö. Auch mich hatte unlängst der Berg gerufen, und Prophet, der ich bin, folgte ich sogleich. Allerdings nicht nach Norden, sondern tief nach Süden, mit dem Finger auf der Landkarte abwärts, topographisch jedoch ging’s rauf. Nämlich auf die Alm. Da gibt’s koa Sünd, wohl aber den Pfad der Erkenntnis, und wurd‘ sogleich beschritten. So ähnlich jedenfalls. Man kennt das: „Bergretter verunglückt!“, wird gelegentlich vermeldet, man liest dann kopfschüttelnd von irgendwelchen Gruppen, die aus einer Stadt gekommen und umeinandergekraxelt sind und dann Knöchelbruch und Absturz und auweh. Hab ich mich immer erinnert gefühlt an Menschen, die aus Bussen gespuckt am Burgberg stöckeln, und gefunden, dass das eh saudumm ist. Aber eine o.g. hochalpine Verunfallung, hab ich gefunden, das ist schon also wirklich Darwinismus par exzellohs. Jetzt sagen wir einmal so: Ich weiß jetzt vielleicht doch, wie das geht. Nämlich so: Stadtmenschen haben Geburtstag und darum Hütte. Weil. Sie sind voller Liebe, Wein und Gesang, doch auch voller Tatendrang, und so folgen sie dem „Sonnenweg“, weil die Almfrau hat gesagt „Nette kleine Wanderung, 90 Minuten, Einkehr oben möglich“, und was willst du mehr, also schön Turnschuh an und vielleicht einen Apfel und ein Keks hinein ins Tascherl, weil bist du eh gleich wieder zurück. Bist du dann noch gleicher zurück, weil Sonnenweg geht in zwei Richtungen, aber rechts war’s auch schön und wenn schon zurück an der Basis, so vielleicht doch lieber Wanderschuh und kleines Wasser – Glück auf! Bergauf zwar, doch es ist Sonne, Wiese, Wetter, und du eine Gams, eine kurzatmige zwar, doch es ist ja nicht mehr weit, denkst du an der zweiten Rast beim dritten Wasserlauf nach 90 Minuten. Doch siehe da, ein Schild verkündet „Abkürzung“, im für Bergwanderungen sehr geeigneten Google Maps siehst du dich in der Wahl bestätigt. Nach weiteren zwei Stunden bist du keine Gruppe mehr, sondern nur noch Einzelkämpfer. Du setzt einen Fuß vor den anderen, nach jeder Kurve kommt die nächste Steigung, von einem Gipfel keine Spur, von den Mitläufern findest du Kekskrumen und Schweiß am Boden; gefangen in der ewigen Step-Aerobic. Du hast großen Zorn. Auf Natur im Allgemeinen und Berg im Speziellen, auf Abkürzungen und unbefestigte Klettersteige, und während du über dem Abgrund an einer Wurzel entlang dich hangelst, sagst du im Wahn der Verzweiflung dein Mantra auf: Einkehr. Einkehr. Schnitzel. Weißbier. Einkehr. Mit letzter Kraft robbst du auf allen Vieren eine erdige Steilwand hinauf, die letzte Abkürzung, endlich winkt der Lohn nach fünf Stunden hartem Kampf. Du rennst, fliegst den festen Weg entlang. Eine weitere Stunde später bemerkst du klug, dass Bergalmen selten unten, meistens oben – und sämtliche Teilnehmer der Wanderung kurz vor dem Ziel falsch abgebogen sind. Du wirfst dich auf den Boden und weinst. Wie es weiterging, erfahrt ihr nach der nächsten: Maus. Aber nicht der Wilden! 

Freitag, 7. Juni 2019

Ruheprävention

„Du kannst“, hat der Erbmassenherumträger unlängst gesprochen und das Kaffeehaferl schön mittig auf der Erbmasse parkiert, „mir vielleicht irgendwann einmal erklären, warum du da immer und immer und immer wieder hingehst. Weil sagen wir einmal so: Ich versteh das nicht.“ Wortreich hatte ich die Minuten zuvor sorgfältig dargelegt, warum möglicherweise einer gemeinsamen Aktivität am Pfingstmontag eine kleine Schwäche entgegenstehen könnte, auch ein abendlicher Besuch auf der Heimatkirchweih war mir in all meiner Weisheit vorauseilend als unzumutbar erschienen. Ich sprach von einer provisorisch empfundenen großen Sehnsucht nach Räumen der Stille und Einsamkeit, möglicherweise solchen, die sich in einem eierkartonumklebten Raum in einem Keller befänden. Von einem tiefen Wunsch nach gedankenlosem Dahintreiben ganz in der Mitte ganz auf einem großen Wasser vielleicht, von nichts begleitet als dem algigen Rauschen im Gehörgang, in der linken Hand vielleicht eine knackige Gurke, in der rechten den Karottenschnitz, dazwischen ein Schluck Detoxschorle, und während ich so sprach, konnte ich sie schon fühlen, diese Schwäche, die ein jeder kennt, der schon einmal auf einer großen und mehrtätigen internationalen Tagung war – oder auf einem Festival. „Bleibst du halt einfach einmal daheim, Tochter, wie wär denn das?“ – „Ja“, hab ich gesagt, „du hast schon recht. Ich mein, was soll das denn auch alles? Es ist so laut dort draußen und es stinkt immer so sehr, und so viel Mensch hat’s überall, und dann wird es so heiß und von oben ist die Sonne und von unten stehst du auf Herdplatten und einen Schatten hast du auch nirgends, und dann kommt wieder so ein arger Regen und dann stinkts hernach noch mehr und nass bist du dann auch und kleben tut eh auch alles und immer wenn du heimkommst abends, also wenn du es geschafft hast, irgendwie heimzukommen, weil es ist nicht so leicht, weil die Tram ist weg und der Bus so voll, dann stellst du fest, dass du doch wieder was verloren hast, einen Pulli beispielsweise, oder ein Geld, oftmals verliert man Geld, vorzugsweise große Scheine, manchmal auch Personen, die verliert man wirklich oft, und dafür findest du dann aber im Überlebenssackerl lauter neue schiefe Brillen und Unrat eh zuhauf, und auf den ganzen Unrat hat dir jemand einen Glitzer hineingetan und den hast du aber freilich erst gemerkt daheim, als du das Sackerl ausgeleert hast, und dann schneidest du die Füße aus der Gummistiefelform, in die du dich den ganzen Tag hineingebacken hast, und wie der schönste Hefeteig sind die Füße in der Form auch artig aufgegangen, und so hefeteigst du dich ins Bett und wirst sogleich bewusstlos und dann am nächsten Tag weißt du: Es kommen noch einmal zwei Einheiten …“ – „Was schlussfolgern wir daraus?“, frug der weise alte Mann. „Ja was glaubst denn du?“, sprach ich salomonisch. „Ich freu mich sakrisch!“ 

Samstag, 1. Juni 2019

Minigolf Open

Während die Knaben der Welt sich am vergangenen Donnerstag mit großem Einfallsreichtum ihrer Herrlichkeit priesen, ereignete sich von der bier- und sonnenseligen Öffentlichkeit weitestgehend unbeachtet ein Event, das in der schwungvollen Geschichte Nürnbergs bislang seinesgleichen sucht. Eine Truppe so unerschrockener wie ambitionierter Recken fand sich zusammen, um sich in einer Disziplin zu messen, die ein Höchstmaß an Konzentration und Genauigkeit, mathematischen und physikalischen Verständnisses, Einzelspieler- wie Teamplayer-Qualitäten gleichermaßen, dazu Kraft, Detailkenntnis, Ausdauer und Schönheit bedarf sowie eines nicht zu vernachlässigenden Quäntchens gesunder Leidensfähigkeit, Demut und Achtung vor der höheren Gewalt und darob einzig angemessen ist, die Rückkehr des Herrn Jesus in den gottesväterlichen Schoß zu preisen. Es traten also an zu einem Kräftemessen ein Dutzend Heroen und Heroinen, mit nichts als ihrer Disziplin und unbedingtem Siegeswillen und ja, vielleicht auch dem ein oder anderen troddlig-kleinen Talisman, um unter den bewundernden Blicken der so zahlreich wie versehentlich anwesenden Zuschauer ins Kräftemessen sich zu stürzen. Bereits das außerplanmäßig erste Hindernis konnte den olympischen Willen der Teilnehmenden nicht mindern, und obwohl also bereits die Anreise zur Kampfarena eine so unerwartete wie harte Prüfung darstellte, überwanden die wackeren Renn-, Holland- und Klappräder den sich plötzlich als schwarzbuckligen und hochanspruchsvollen Single Trail zu erkennen gebenden Hinweg mit Eleganz und relativer Würde, um sich aufgepeitscht von Adrenalin und Glücksgefühl ins Turnier zu stürzen – ein erster Hinweis auf Qualität und unbedingten Willen des hochkarätig besetzen Kaders. Und so geriet es denn auch zu einem Tag voller Jubel und Entsetzen, Schweiß und Tränen, zerschundenen Händen und stechenden Rücken, vor allem aber zu einem Ereignis größter gesellschaftlicher Relevanz: das erste Nürnberger Minigolf Open, in dem sich das erwähnte Dutzend an zwei Mal 18 schikanenreichen Bahnen mit wohldosierter Konkurrenz duellierte, sich erbitterte Kämpfe mit Spielleitung und Platzwarten lieferte, die schönen Auen der Noris erkunden und dabei noch die verschiedenen Einsatzmöglichkeiten von Hopfenerzeugnissen zur Erhöhung der eigenen Zielfähigkeit oder eleganten Variante zur passiven Bekämpfung des Gegners zu erforschen. Und so goutierten die Teilnehmer das Turnier als rundum gelungenen Tag der Freundschaft, an dessen Ende sich sie Sieger der Herzen mit denen nach Punkten gleichermaßen beglückwünschten und jubelnd zwar nicht über den Platz trugen, doch zumindest in den Armen lagen mit dem Gefühl größtmöglicher Glückseligkeit und beseelt zwar weniger vom Heiligen, wohl aber vom Sportsgeist. Und so sei am Rande dieser epochalen Geburtsstunde erwähnt: Trotz mehrfachen akribischen Nachrechnens mehrerer Personen und Hilfsgeräte bleibt am Ende zu meinem großen Bedauern in die Geschichtsbücher der bahnbrechende Erfolg genau eines Teams zu notieren, das als strahlender Punktesieger das Treppchen der 1. Nürnberger Minigolf Open ganz nach oben erklimmen durfte: meins! Ätsch!