Samstag, 22. Juni 2019

Wachkoma

Gestern bin ich nach Haus gekommen und dort von einem feinen Kaffeeduft empfangen worden. „Ach Gottle“, denkt ihr jetzt und neidet, „hat sie endlich eins gefunden, das daheim auf sie wartet und sie hegt und pflegt und Kaffee kocht und einen Kuchen wird’s schon auch dazu geben!“ und seht wie ich von starken Armen empfangen und in eine Seligkeitsdecke gehüllt von den Mühen des Tagwerks mich erholen kann. So ungefähr hab ich’s mir nämlich auch gedacht und mich aufs Kanapee geschmissen und Füße hoch und Augen zu und man reiche mir die Tasse! „Du Depp!“ hat’s plötzlich laut durchs Anwesen gemault, und voller Schreck hab ich erkennen müssen, dass die lieblichen Worte meiner selbst entsprungen waren. „Hast doch nicht alles erwischt beim Putzen!“ und tatsächlich hab ich dann eilig mich unter den Tisch gebeugt und krustig-braune Pfützen entdeckt. So manch ein Hundebesitzer mag jetzt spontan ein Mitgefühl entwickeln, aber leider hab ich dann mich erinnern müssen, dass ich höchstselbst schuld war an einem kleinen Malheur. Weil man ist ja manchmal morgens. Also eigentlich ist man immer morgens, aber manchmal ist man morgenserer als an anderen Tagen, und da kann dann einmal passieren, dass nach außen sichtbar so ein Körper durchaus patent tut und aufstehen und Leibhygiene und Mund auch und wundersamerweise alle Farbtöpfe und -tupfer richtig im Gesicht verteilt anstatt Rot auf die Lider und Schwarz auf den Mund, auch wenn man wenn ich’s mir recht überleg heutzutage gar nicht allzu unangenehm damit … Naja, jedenfalls nach außen patent, innen jedoch problematisch, ich würd fast sagen, es handelt sich hierbei um eine spezielle Art des Wachkomas, bei dem man erst aufwacht wenn man dann doch einmal dabei ist, sich die Föhnlotion unter die Arme und das Deo in die Frisur zu sprühen oder manchmal sich später am Tag fragt, ob überhaupt eins von beidem stattgefunden hat, oder man dabei ist, Kaffee in eine Suppenschüssel zu gießen. Dann erfolgt geschwind und kopfschüttelnd ein Tausch, doch die Gefahr ist damit nicht gebannt, weil es geht mit dem Wachkoma auch manchmal eine motorische Unsicherheit einher, und so hab ich unlängst erst einmal so eine sehr große, sehr volle Tasse, mit einem Telefonhörer verwechselt und dann sehr viel später waren der Schreibtisch sauber und der Boden, der Computer auch, und viel weniger Schmierpapier ist noch herumgelegen, dafür hat’s schön geduftet. An dem besagten Morgen jetzt hab ich im Wachkoma scheint’s von der bayerischen Tradition geträumt, leere Krüge zum Zeichen des Wunsches nach Wiederbefüllung längs auf den Tisch zu legen. Aufgewacht bin ich dann als ungefähr ein Liter Kaffee in meine Tasche geronnen ist und von der aufs Stuhlpolster und bodenwärts, während auf der anderen Seite des Tischs die Brühe sich angeschickt hat, ihren Platz auf der weißen Tapete zu erobern. Jetzt riecht es also auch abends nach morgens. Ich weiß noch nicht, ob das so gut ist. 

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