Freitag, 27. Dezember 2019

Fünfkampf

ახლა შემთხვევით შევჭამე ყველაფერი - Liebe Gemeinde, was ihr hier seht, sind mitnichten die lettergewordenen Laute des Jahreswechsels, kein onomatopoetisches Silvester, sondern georgische Buchstaben für einen Zustand, in dem ich mich befinde und der macht, dass vergleichsweise wenig Blut in meinem Kopf, dafür aber sehr viel davon in meinem Magen sich befindet, um dort mit größter Anstrengung der Peristaltik unter die schwitzenden Arme zu greifen, die mit hochgekrempelten Ärmeln bereitsteht, um nach Art der pamplonischen Stierläufer sich nicht allem, doch einem Teil dessen entgegenzuwerfen, was da auf sie zukommt, um nach bestem Wissen und Gewissen, aber auch einigem Todesmut Herrin der Verdauungslage zu werden. Für diese wunderlichen Buchstaben gibt es ein Wort, das dem Deutschen in all seiner kombinatorischer Pracht zu meinem größten Bedauern gänzlich abgeht, nämlich:  Shemomedjamo. Und das wiederum bedeutet „Huch, jetzt habe ich versehentlich alles aufgegessen.“ So ragt der Magen also ähnlich drohend in die weihnachtliche Wirklichkeit wie der Personaltrainer zur Mäßigung mahnt: „Ihr tägliches Ziel sind 10 000 Schritte“, erinnert mich das Display, schickt ein aufmunterndes „Machen Sie weiter!“ hinterher und weiß die Euphorie sogleich hämisch zu dämpfen: „Sie haben schon 272 Schritte.“ Ich so: Ja danke, wäwäwäh, du hast ja überhaupt keine Ahnung. Weil was das Telefon nicht aufzeichnet ist der weihnachtliche Fünfkampf in den Disziplinen Charakterbildender Mehrstimmengesang („Kannst du jetzt bitte mal den Bass singen?“ – „Bass liegt mir nicht.“ – „Was möchteste denn lieber?“ – „Sopran.“), Training der Kompromissbereitschaft („DU HAST DAS WEIHNACHTSRÄTSEL SCHON GEMACHT!!“ – „Ähm … ja …?“ – „WIR MACHEN DAS RÄTSEL IMMER ZUSAMMEN AM 25.!!“ – „Ähm ja aber also ich hab gedacht …“ – „NICHTS HAST DU GEDACHT, DU BIS GRAUSAM UND HERZLOS UND EGOISTISCH!!“ – „Puh na gut ich radier die Lösungen wieder raus, ok?“ – „Ok.“), Therapeutisch-Menschärgeredichnicht („Schmeiß den Papa!“ – „Aber der hat doch noch nicht mal eins draußen.“ – „Egal!“ oder „Während ihr hier Allianzen bildet schleicht sich der da drüben klammheimlich ins Häusl! Aber ist ja klar das war ja schon immer so dass ihr euch gegen mich …“ und „Ach Gott ach Gott mein armer kleiner Schatz es tut mir so leid aber ich MUSS dich schmeißen ich kann nicht anders, kannst du mir verziehen?“ – „Nein.“ – „Ach Gott o weh dann setz ich eben lieber eine Runde aus!“), Verzicht & Mäßigung („Ich hab doch gesagt ich möchte eine halbe Forelle.“ – „Ja und, hast du doch?“ – „Ja und aber halt noch eine komplette weitere dazu.“ sowie „Ey bitte hau bloß ab, wenn ich jetzt auch nur noch einen halben Bissen Kalbsbratwurst auch nur sehe, übergeb ich mich.“ – „Ja dann hörst du vielleicht besser auf?“ – „Ey unbedingt, sons… oh, gibst du mir doch die halbe?“) und zu guter Letzt Pazifistisch-Phlegmativity („Ey hallo, Pantomime, nicht erklären!“ – „Ich kann nicht Pantomime machen, ich muss liegen und offenen Hosenknopf haben.“ –„Schau jetzt dass du aufstehst und machst, zefix!“ und „Hörst du jetzt bitte auf, da mitzuraten? Wir sind Team, die sind GEGNER!“ – „Ja nein aber ich KANN NICHT es ist alles so AUFREGEND!“). Schrittzähler? Nimm das! Und jetzt: Rauf aufs Sofa! Halleluja! 

Freitag, 20. Dezember 2019

Die große Speisung

Wie in jedem Jahr ist jetzt kurz vor Halleluja. Und wie in jedem Jahr dominieren bei Familie W. am D. in N. an der P. nicht etwa bürgerliche Konzepte von Baum („Wozu der Stress, ich leg einen Zweig auf den Tisch und zünd den an.“) oder Schmuck desselben („Willst nicht auch was auf die Fensterseite hängen?“ – „Nein warum, ich will doch schöne Lichter, nicht die Nachbarn!“), festliche Gewandung („Am besten wird sein man hat gleich eine weite Jogginghose an.“) oder die Auswahl traditionellen Liedguts („Machst du mal bitte das Fenster zu? Die Jungs singen schon. Und versteck die Trompete!“), sondern: Essen. Damit unterscheiden sich Gesprächsinhalte vom restlichen Jahr: nicht, wenn man davon absieht, dass der Termin der großen Speisung vergleichsweise frühzeitig feststeht. Was den wunderbaren Effekt mit sich bringt, endlich einmal ausreichen Energie auf die inhaltliche Ausarbeitung verwenden zu können. Denn es sind viele Köche, die gern den Brei verderben würden, ein jeder hat Stärken, Schwächen und Finessen und möchte zwingend beitragen wie es ihm eben möglich ist („Ich kann leider überhaupt nichts einkaufen weil ich erst am 23. ganz spät aus dem wichtigen Kurzurlaub zurückkomme aber hey: Ich bring gute Laune mit!“). Für gewöhnlich reist man durch die Länderküchen und spickert auf der Weltkarte, Indien, Portugal, Afrika, und wenn der Pfeil einmal daneben trifft setzt man ihn eben geschmeidig um („Yeah, Russland!“ – „Vergiss es, da kann ich ja nicht mal die Rezepte lesen.“), zum Beispiel zufällig oft nach Italien. Von Ausflügen in die heimische Küche wird traditionell wieder abgesehen, seitdem eine erste Gans einem Stromausfall und bei einem zweiten Versuch der mediterran-verwöhnte Familienmagen kollektiv der Gans zum Opfer fiel: Sieben auf einen Streich, damit rühmt sich vielleicht das tapfere Schneiderlein, dem Weihnachtsfrohsinn jedoch ist es abträglich, wenn stundenlang sich nur noch gelegen, geächzt und verdaut werden kann. Also zurück zur leichten Küche. „Ich wünsch mir“, hab ich frivol einen Vorstoß gewagt, „dass wir ein Menü fleischlos machen.“ – „Supergut“, zeigte sich die Maîtresse de Cuisine überraschend gefügig, „dann machen wir drei Currys: mit Lamm, Fisch und eins mit Gemüse.“ Ich hab dann überlegt, dass ich mich vielleicht wieder auf meine Rolle als Sous-Chef oder vielleicht auch nur Coup de Main rückbesinne und anspruchslos bis grenzdebil und dementsprechend grienend für die niederen Arbeiten zuständig sein könnte, so denn welche anstehen. Für den Fall dass nicht hab ich mir schon eine Beschäftigung organisiert, nämlich ein großes Origami und den Bau von Tannenbäumen aus Servietten, zudem gedenke ich das Heimatradio zu bewachen und sogleich in – da hab ich meinen Willen doch noch eingemogelt! – cerberussisches Gebell zu verfallen, sollte mir jemand meine besinnliche Zithermusik gegen moderne Fischerchöre austauschen mögen. Seid besinnlich, friedvoll und liebet euch! Und die anderen bitte auch. 

Freitag, 13. Dezember 2019

Bastelanleitungen

Von Winterschuhen kann ich immer noch nicht künden, dafür aber wohl von Siebenmeilenstiefeln – nämlich, in denen der Advent voranschreitet. Ein-, zweimal nicht richtig aufgepasst, und schon ist das dritte Kerzlein entzündet wie auch deine Augen, die wund von Heizungs- und Geschäfteluft hineinstarren in die Kalender und Kataloge und nicht wissen, wie das noch alles klappen soll. Ich, wie immer: tiefenentspannt. „Ich kauf euch nix, ich bastel nur!“ hab ich vor Wochen schon vermeldet und bin selbstverständlich verspottet worden. „Du! Innere Einkehr! Stille! Basteln!“ hat ein ehemaliger Bekannter hämisch ausgerufen als ich sprach von handarbeitender Meditation und dass alljährlich, wenn dieser unbedingte Aktionismus endlich einer regnerischen Zwangspause unterworfen wird, mit der großen Ruhesehnsucht sogleich der unbedingte Wille zum Erschaffen in Erscheinung tritt. Eremitengleich die Anlage, die tief im Kern meines Wesens verborgen schlummert, um dann mit tosender Gewalt hervorzuexplodieren und Anschub zu bekommen von gewissen Algorithmen, die mir täglich mehrfach tolle Videos von einem tollen bayerischen Rentnersender unterjubeln, dem ich mich neuerdings sehr verbunden fühle, gekleidet in das wärmende Gewand der Nächstenliebe, und wenn auch nur ich selbst die nächste bin. So also bin ich dem Bayern 1 verfallen und schau mit kringelnden Spiralpupillen, wie einfach Schönes zu kreieren geht. Hab ich dann herausgefunden, wie’s funktioniert, stürz ich mich in die Massenproduktion, weil wenn man den großen Topf eh schon einsaut dann kann man auch „Apfelmus wie bei der Oma“ hektoliterweise machen, die originale Dahoam-is-Dahoam-Meerrettichsuppe zum portionsweise einfrieren und einen Lebkuchenlikör und Eierpunsch so, dass alle lang was davon haben. Mit eben jener Zuversicht hab ich mich ins Jahresprojekt gestürzt und verlautbart, es gebe aus Gründen der Mäßigung, Nachhaltigkeit und Upcyclerei für jeden hübsche Vogelhäuschen, und zwar handgefertigt aus Porzellan. „Was“, merkt hier mein privater Hofnarr an, „das Bayern 1 dir halt immer nicht verrät, ist, was du dafür an Werkstatt alles erstmal kaufen musst!“ und also hab ich mit wehenden Bastelfahnen zwar flugs im Sozialkaufhaus die allerschönsten Porzellane erstanden, mit gleich viel weniger wehender Beflaggung im Baumarkt würgend Eisenstangen, Glasschneider und Spezialschrauben gezahlt um noch später als begossener Schwitzpudel das Projekt ad acta legen müssen. Doch der Bayerneins, mein Freund und Helfer, wusste Rat, und so produziere ich seit Wochen parallel höchst nachhaltige Windlichter mit raffinierter Eisblumenoptik und liebevoll handgegossene Trinkschokoladen-Stücke, die ich in einer Panikreaktion allsamt schon verschenken musste, nachdem auch hier sich außerplanmäßig eine Eisblumenoptik zu zeigen begann. Wenn noch jemand Tipps und Kniffe braucht zum flugsen Weihnachtsbastel: Bitte melde dich! Ich hab ja jetzt Zeit. 

Freitag, 6. Dezember 2019

Packerlwahn

Beschwerdeanruf vergangene Woche: Es sei doch, hat es laut aus dem automobilen Dröhnsprecher getost, erstaunlich, womit man sich an so einem vermeintlich ruhigen Rententag herumschlagen müsse, sprach der Erbmassenverwalter, nur um den Willen meiner Person zu erfüllen. Ewigkeiten habe man gesucht, polterte es weiter, und dann in Erwägung gezogen, eine Exceltabelle zur ordnungsgemäßen Darstellung und ergo fortfolgend erleichterten Arbeit zu kreieren, schließlich habe man noch einige Wochen vor sich und könne nicht täglich derart viel Energie in Suche investieren, und überhaupt sei es wirklich erstaunlich, dass eine Person mit einer solch umfassend hohen Bildung und fortgeschrittenen Lebensreife wie ich immer noch nicht in der Lage sei, in Übereinklang mit den weitestgehend global akzeptierten Standards der Mathematik im Zahlraum 1 bis 50 zu agieren und dementsprechend korrekt zu zählen. Auf gut Deutsch: „Wieso muss man denn in einem Adventskalender die Tage so durcheinandermischen, Kind?“ – „Tja, Väterchen“, hab ich salomonisch gesprochen, „damit du jeden Tag genug Zeit hast, an mich zu denken“, und mich zufrieden zurückgelehnt. Das war nicht immer so. Spulen wir zwei Wochen zurück. „DU GOTTVERDAMMTES RINDVIECH!“ hat mich da jemand angefreundlicht, und man hätt gern einfach kerzengrad eine Faust geantwortet, nur leider hätt ich dann erstens einen Spiegel zertrümmert und zweitens auch nichts geändert. „Machst du halt auch einmal einen Adventskalender“, hatte ich gedacht habt, „dieser ganze kommerziell überhöhte Pärchenbullshit geht mir zwar mords auf den Senkel, aber so eine kleine Aufmerksamkeit kann nicht schaden“, außerdem gab’s eine, naja, Bringschuld gegenüber einzelnen Personen. Also einer. Person. Dann ist ein Größenwahn passiert, weil wenn du dann eh schon dabei bist, bist du ja eh schon dabei und außerdem musst du Füllsachen besorgen und 24x das gleiche ist doof aber hernach hast du 24 offene Packungen vom zuckrigen Irgendwas und speist alles selbst, dann lieber verteilen. An den besten Freund, der ist eh immer so ungeliebt. Ach und an die Brüder, da freuen die sich auch einmal, wenn die große Schwester … Ja und dann wegen der Gerechtigkeit auch an den Vater und an die Mutter ebenso, bei der ist eh gut wenn die einmal ein schlechtes Gewissen kriegt weil sie mir schließlich nie … Naja, gesagt getan, und ein paar Stunden später hab ich mit verholzter Haltung inmitten eines Packerlwahnsinns mich wiedergefunden. Im Zahlenraum über 50 bin ich unsicher, aber 6x24 ist eh viel. Und dann musst du wegen der Gerechtigkeit überall das selbe eintüten und dann aber auch noch nicht den Überblick verlieren und dann Sehnenscheidenentzündung wegen Packerlbinden und Heulkrampf und Chaos und dann noch 6x24 Packerl an eine Schnur und dann noch mit einem durcheinanderen Suchspaß, also Knoten bis zum Gichtanfall und Rindvieh. Aber schau, sie geben einem so viel zurück. Siehe Anruf oben.