Freitag, 29. September 2017

Unterhosen

Donnerstagmittag. Ich wie immer in schrecklicher Stresssituation den Kopf gegen eine Wand schlagend, weil vorgenannte Abrissbirne vor allem ein schwarzes Loch ist, das zwar Themen und Ideen aufsaugt wie ein Schwamm, diese aber nicht oder nur äußerst ungern wieder ausspuckt. Oder um es mit Robert Smith zu sagen: Thursday watch the walls instead. Und als wäre nicht eh schon alles schlimm genug, besitzt auch noch dieses Facebook, mein vermeintlich treuer Begleiter in allen themensuchenden Lebenslagen, die Chuzpe, mir als Vorschlag fürs Wochenende nicht etwa eine fancy Vernissage, ein fettes Konzert oder eine unfassbar coole Geheimparty vorzuschlagen, sondern einen Spielenachmittag für Senioren. Und da soll man dann geistreich und wortgewandt sein, wo man eigentlich mit gebrochenem Herzen eine Zeit der inneren Einkehr herbeisehnt. Wobei es jetzt nicht so ist, dass ich mich inhaltlich nicht mit vorgenannter Zielgruppe identifizieren könnte. Das führt mich jedoch so elegant wie direkt zu einer Lästerei im Unterhosensegment. Eine kurze Umfrage im Umfeld hat nämlich ergeben, dass sich da bei den Herren der Erschöpfung lustiges zuträgt: Jahrzehntelang trägt der Jungmann Boxershorts vom Durchmesser eines herkömmlichen Badehandtuches und wehrt Nachfragen, ob das nicht mühsam sei, immer dieses viele Stoffgewurschtel in der Hose ordnen zu müssen, lässig ab. Mit der Zeit scheint dann die Erkenntnis zu kommen, dass so eine enganliegende „Pants“ irgendwie doch praktischer, und nach und nach werden von dieser nicht nur die Beine enger, sondern auch kürzer, bis der Mann von Welt eines Tages nonchalant akzeptiert, dass Slips das einzig Wahre sind und man sich von den bisherigen Vorurteilen zur Großvaterunterhose nachdrücklich distanziert. Es ist dann nur eine Frage der Zeit, wann Boxershortfans von damals die Stringtangaträger von bald sein werden. [Es gibt übrigens auch noch etwas namens „Jock“. Eine Haftung meiner Person für mögliche Schäden beim Googeln dieses Wortes ist hiermit ausgeschlossen.] Bei Frauen ergibt sich interessanterweise ein umgekehrtes Bild. Kaum der Blümchenunterhose entaltert, wird zum Stringtanga gegriffen. Der zwickt zwar überall und sitzt nie richtig, muss aber halt. Angeblich. Dann irgendwann Sinneswandel: Während die spitzseidenen Fadenprodukte immer weiter unten im Schrank verschwinden, gesellen sich immer hautbedeckendere und –schonendere Gewebe zur Sammlung, und über kurz oder lang will man nichts lieber, als sich in eine möglichst den ganzen Hintern umhüllende weil wärmende Baumwollschicht zu schmieren, die im besten Fall noch bis über die Nieren reicht wegen einer neuerdings auftretenden Tendenz zur Blasenentzündung. Und mit dieser fühl ich mich auch gleich wieder bestens aufgehoben beim Seniorennachmittag. Was ihr nachts macht, ist mir wurscht. 

Freitag, 22. September 2017

Stromlos

Noch mehr Neues vom Pubertier! Als ich letzthin erzählt hatte von der Schockstarre der Erlebnisgefahr, hab ich einen Punkt verschwiegen, der mutmaßlich ausschlaggebend gewesen wäre. Nämlich, dass die Jugend gezwungen war, den Abend unter Verzicht auf das Allerheiligste zu verbringen, das Elixier des Lebens, das Manna der Welt: das Smartphone. Wegen ein bisschen dumm war’s wichtig, beide Akkus mit einander whatsappen und wichtigen Spielen zu entleeren und so sah man sich dann vom Umstand eines schwarzen Displays ohne Powerbank frappiert. Weil man sich also hätte ver- und damit Gefahr laufen können, mich nicht herbeiwhatsappen zu können, zog man es vor, gar nicht erst zu gehen. Und entspricht damit einer Behauptung, die meine Lehrerfreundin schon lang vertritt: „Die sind heut so: Wenn ich ein Problem nicht mittels Smartphone lösen kann, dann löse ich es eben gar nicht.“ Um diese Hypothese zu verifizieren, hab ich neulich einen Versuch im Freibad aufgebaut. Die Jugend war schwer erschöpft. Zwei Stunden schwimmen, rutschen, Speckbrettl spielen, Staudämme bauen und das Bad erkunden – das kann schon anstrengen, wenn man den Erwachsenen dauernd dabei zuschauen muss, derweil man doch nur vergeistigt auf der Decke liegen möcht. Um dieser erneuten Zumutung zu entwischen, beschloss das junge Paar schlau, einen von uns lästigen Aktivisten möglichst weit entfernten Platz zu beziehen. Noch schlauer befand es, es würde uns nicht auffallen und gar ein Verbot nach sich ziehen, wenn der Umzug zwar vor unseren Augen, jedoch schweigend vonstattengehen würde. Verwundert hab ich ihnen nachgeblickt und mich gefragt, ob in den verwirrten Hirnen tatsächlich der Glaube herrscht, ich hätte den Umzug jetzt nicht bemerkt. Ich: maulig. Gruppenkompetenz gleich Null, Social Skills eben so, was wäre, wenn ich jetzt dann hätt das Bad verlassen mögen?! Jetzt Experiment: Was die können, können wir schon lange, und Umzug mit Sack und Pack in einen Schatten – 50 Meter weg vom ursprünglichen Ort. Dann Spannung: Was wird geschehen? Ich denke, ich hätte folgendes getan: Absuchen des kompletten Bades, zurückkehren zum alten Platz, heulen, vom Bademeister gefunden werden, Eltern ausrufen lassen, Rettung. Doch weit gefehlt! Nach einer Stunde: Erscheinen der Eminenzen auf der Versuchsbühne. Kurzes Umblicken. Innehalten. Handy klingelt. Handy klingelt. Whatsapp. Ansteuern einer Treppe, ermattetes Fallenlassen. Warten. Nach zehn Minuten nochmal umblicken. Sitzend. Handy klingelt. Starre. Dann zündende Idee: erheben, loslaufen und – den Kiosk ansteuern, der weithin sichtbar eine Gyros-Box anpreist. Betreten der Restauration. Verschwunden bleiben. Nach weiteren 30 Minuten Auflösung des Experiments. Man habe doch angerufen und das ganze Bad abgesucht und dann davon Hunger bekommen. Natürlich. Es erfolgte dann eine kurze Einweisung in „Sozialkompetenz: Basiswissen“, „Stromlos glücklich: überleben ohne Handy“ und „Elektrische Fußfessel versus Rückholleine – Pubertät gegen Menschenrechte“. Demnächst Praxistest. Bericht folgt. 

Freitag, 15. September 2017

Kindergeburtstag

Also früher Kindergeburtstag. Da hat man doch immer so Spiele machen müssen, gell? Also ich zumindest, weil da war nix mit Gruppenausflug zu Mäcces oder in ein Hüpfland oder zum Gemeinschaftszocken. Da wurde noch im Wald geschnitzeljagdet und dann verlaufen und Geschrei und Knie aufschürfen und schlimm und Zeug. Also bei anderen Kindern jedenfalls, bei mir nich, wegen Winterkind und da im Schneegrau bei Minus zehn Grad halt doch auch nicht so richtig juheissa bei der Schnitzeljagd, außerdem findet ja kein Mensch die Hinweise mehr wegen der Schneewehe. Jetzt wollt ich nur „Wehe“ schreiben und hab mich dann gewundert wegen der Mehrdeutigkeit. Aber „Otter“ ist auch so und macht mit „Kreuz“ und „Fisch“ ganz andere Sachen. Also jedenfalls weiß ich das noch, weil bis heut jährlich das Klagelied ertönt, wie eine gewisse Person in nächtelangen Mühen pädagogisch wertvolle Geburtstagsspiele vorbereitet hat und der undankbare Kindermob alles links liegen gelassen und stattdessen den ganzen Nachmittag „Der rote Stier jagt die Einhörner“ gespielt. Sorry, Mama! Eh glaub ich, dass das Kind diese Spieldinger überhaupt nicht sehr zu schätzen weiß, weil sind wir mal ehrlich: Am Ende allen Einsatzes steht halt immerzu eine Schokolade oder ein Würstel, und da arbeitet so ein Achtjähriger wohl gemeinhin eher zielorientiert, möchte ich jetzt mal forsch behaupten. Das ganze Potential an Peinlichkeit erschließt sich so einem gefräßigen Zwerg doch überhaupt nicht, und es ist ihm schnuppe, ob er hernach klatschnass oder in Mehl getunkt ist, Hauptsach, der Belohnungskinderriegel schmeckt. Beim Altmenschen hingegen, mein lieber Scholli! Der Gedanke an einen Haufen sogenannter Erwachsener beim Kinderquatsch bereitet mir so großes Freude, dass ich kurz ein Tränchen des Glücks wegdrücken muss. Stell dir vor, du lädst, sagen wir mal so 20 bis 30 schön mit beiden Beinen im Leben stehenden honorige Personen ein, und dann so an der Tür „Schön dass du da bist!“ und dann Clownsnase und Partyhut und ich hab da mal was vorbereitet und ab geht die Luzi, weil was ich leider versäumt hab auf die Einladung zu schreiben ist dass das Motto „Kindergeburtstag“ ist. Und dann schaust du zu, wie die Amtspersonen als Blinde Kuh auf dem Boden umeinanderkriechen und Füße statt Töpfe schlagen, Würstel schnappen, einen Apfel aus einem Wasserbad nur mit dem Mund herauszufischen versuchen, mit kompletter Wintersportausstattung Schokolade aus einer zentimeterdicken Verpackung rauswerken und sich beim Sackhüpfen einer nach dem anderen auf die Schnauze elegantet. Man müsst nur ganz vielleicht gleich zu Beginn eine große Runde mit sehr viel Wodka versetzter Götterspeise reichen, dann seh ich da überhaupt keine Probleme. Nur halt ganz vielleicht hernach die Notwendigkeit einer Grundsanierung. Haha! Das ist so saugut, ich muss sofort feiern! 

Freitag, 8. September 2017

Kanapee

Wie der geneigte Leser möglicherweise zur Kenntnis genommen hat, verfügt die verehrte Zeitung derzeit über eine Leiharbeiterin, deren zauberhafter Charme im Schriftlichen wie auch Persönlichen möglicherweise auf den unüberhörbaren Zungenschlag ihres Herkunftslandes zurückzuführen ist. In errlichstöm Fronzösischdeutsch parliert die junge Dame, so dass du gar nicht anders kannst, als umgehend dahinzuschmelzen. Nun trug sie neulich an mich heran, dass bei aller Wunderbarkeit, die sie in und über Nürnberg erführe, auch die Wunderlichkeit sich daruntermische, dass der Einwohner sich französischer Wörter bediene, und das habe sie, nein wirklich, so nicht erwartet, dass da andauernd ein „Merci!“ in sie hineintrötet. Hab ich gleich einmal sagen müssen, dass die von ihr gewählte Betonung selbstverständlich völlig falsch ist und bitte statt eines fließenden „Mörsieee!“ ein gemütliches „Mersse!“ zu wählen sei, mit stampfender Betonung auf der ersten Silbe. Nachdem wir das ein paar Mal und unter großer Beachtung des Außenrums geübt hatten, hab ich angehoben zu einem umfassenden Referat über die Verbreitung des Französischen im Bairischen und dass da aber ein Nord-Süd-Gefälle herrsche, das zum einen auf den Neid des absolutistischen Münchners auf den Sonnenkönig zurückzuführen ist, dessen Glanz halt schon auch gern in der Hauptstadt hätt gesehen werden wollen, und ein bisserl mehr glänzen kann man hier und dort, wenn man sich der jeweils hippsten Sprache bedient (vgl. heute: Denglisch, das). Im nächsten Schub brach ein Männlein von kleiner Statur, doch größtem Ego in die blauweißen Landen und gab ihm schnell den Rest. Seither trägt der Bayer und auch, obgleich bedauerlich wenig, der Franke den Franzosen ganz tief in sich, zumindest, was die Linguistik angeht. Aus einer Zeit, aus der der Franzose auch sonst gern in eine Deutsche eingedrungen wär, stammt möglicherweise das Wort „Fisimatenten“ – in solche nämlich ward am End gebracht, wer der abendlichen Einladung des charmanten Besatzers ins Zelt folgte: „Visitez ma tente!“ Seitdem blamieren, schikanieren oder tratzen wir uns, fluchen „Sakradi!“, kaufen ein Billet, laufen auf dem Trottoir, holen ein Kuvert aus dem Portemonnaie, rufen den Gendarm und manchmal, da pressiert’s uns sauber. Mir jetzt beispielsweise pressiert’s runter vom Sofa – das ab sofort bitte sehr royal „Kanapee“ genannt werden möchte. Auf welches ich mich jetzt lege, mich dabei, um alsgleich ein neues Wort falsch einzuführen, von Decke, Ingwertee und womöglich dem saisonersten Kürbisgericht akkompagnieren zu lassen und dem Wochenende ein fröhliches „En garde!“ entgegenzuschmettern. Hätt ich jetzt gern noch ein schlaues frankophones Schlusswort dahergezaubert, doch fühl ich mich von all der Schlaumeierei schon ganz malad, und schlepp ich mich besser leis zurück aufs Kanapee. Au revoir und habe die Ehre! 

Freitag, 1. September 2017

Puberliebe

Neues vom Pubertier! Dem ja mittlerweile, ich bedauere das irgendwie, sogar ein Film gewidmet ist, doch davon ahnt es genau so wenig wie von seiner Zeitungsprominenz, sind ja keine Emojis auf dem Plakat. Zum 18., hab ich mir gedacht, ist vielleicht ein guter Anlass, um die gesammelten Werke zu übergeben. Bis dahin darf es ruhig und vermeintlich unbeobachtet vor sich hin gehirnbaustellen, weil alles andere würde womöglich den Versuchsaufbau beeinflussen. Und das kann ja keiner wollen. So. A propos ruhig. War’s ja gewissermaßen zuletzt um den Halbling. Besorgte Nachfragen um sein Wohlergehen konnte ich stets beschwichtigen, so auch jetzt, haben wir doch seit nunmehr einem halben Jahr einen Freund. Ich sage bewusst „wir“, weil der Freund nicht von der Seite des Tierchens weicht, was freilich schön ist, gewissermaßen aber auch langweilt, ergibt sich doch aus diesem Umstand nach langjährigem Scheitern jedweder Maßregelungsversuche endlich eine probate Repressalie. Nach „Handyverbot? Mir doch egal.“, „Fernsehverbot? Wen juckt‘s?“, „Hausarrest? Dein Pech!“ zeigt allein die Androhung einer Kontaktsperre mit dem Burschen meist ganz erstaunliche Wirkung statt Tobsuchtsanfall, was neben dem überraschenden Erreichen des Klassenziels („Entweder du reißt dich jetzt zusammen oder gehst über die Sommerferien in Klausur.“) auch allerlei andere Wunderlichkeiten nach sich zieht. Die Pubertiere nämlich sind sich selbst genug. Verlangte das Kind früher dauernd nach Bespaßung und Partizipation, so stellt nun ein gemeinsames Abendessen eine ausgesprochen lästige Unterbrechung des Ganztagstelefonats dar – das übrigens in Form eines Austausches von Voicemails statt eines profanen Dialogs stattfindet. Wenn nicht miteinander gehandyt wird, so wird etwas unternommen. So zumindest heißt es im Jargon. Denn die dem Pubertier zueigene Faulheit, pardon: Dauerschwäche potenziert sich. Man liegt gemeinsam auf der Couch, gemeinsam im Bett, gemeinsam auf dem Boden, vereint im Weltschmerz der allgemeinen Gesamtungerechtigkeit, die sich in empörenden Aufforderungen wie „Kommt ihr zum essen?“ manifestiert. Hab ich sie damals auf die Blaue Nacht mitgenommen. Gesagt: Los, rumräubern, Sachen entdecken, Mist bauen, was auch immer! In drei Stunden wieder hier. Hättest von mir früher höchstens noch eine Staubwolke gesehen. Also: gesagt, getan? Denkste! Das junge Elend verbrachte den Abend in Demutshaltung, nämlich zu unseren Füßen liegend, schweigend leidend unter der Zumutung der Aufforderung, etwas zu erleben, womöglich gar ein Abenteuer. Unerhört! Zum Glück geht die Schule bald wieder los, das gibt Struktur und man muss schon nur noch den halben Tag gegen schlimmen Freizeitzwang von außen kämpfen.