Freitag, 23. November 2018

InTeam

Naturgemäß ist mit man mit manchen Menschen intimer als mit anderen. Also intim im Sinne von vertraut und so, gell, nicht dass ihr denkt ich mach mir was aus Dings, pfui Deifi! Vielleicht ist es leichter, wenn man lieber „in-team“ schreibt, weil man wird dann schon ein rechtes Team so mit dem ein oder anderen Menschen. Ein sehr besonderes In-Team bin ich mit meinem Zahnarzt. Ich mein, das muss einen jetzt nicht weiter wundern, es gibt halt wirklich nicht so superviele Menschen, bei deren Anblick mir direkt erstens der kalte Schweiß ausbricht und dann zweitens ich in Sekundenschnelle zu einem wirklich sehr scheußlich wimmernden Schrumpelwurm zusammenschrumple. Da denkst du in der einen Sekunde noch „Mensch, plauder ich mal ein Ründchen über Kreidezähne und dass ja immer mehr Kinder, vielleicht vergisst er dann warum ich eigentlich da bin …“ und so schnell schaust du gar nicht wirst du in die Horizontale gekippt, was man ja nicht prinzipiell ablehnt, aber für gewöhnlich kann man dann Freude, Zustimmung, Ungemach oder Wünsche äußern, vielleicht auch einfach einmal kurz Politik und Weltgeschehen thematisieren. Zahnarzt so: Mund auf, Klappe halten – eine besondere Kombination, die sonst auch eher nicht so oft funktioniert, merk ich grad. Dann schauen und Routine und plötzlich Ernstfall, weil „das wundert mich nicht dass du gelegentlich einen Bissschmerz hast, da ist ja die halbe Füllung rausgebröselt und ein Mordskaries drunter, das machen wir jetzt gleich einmal neu“, und du kannst dich nicht wehren, dafür sogleich in Tränen und Winseln ausbrechen und heiß wird’s dir dann und du denkst, vielleicht hätt ich doch einmal das mit dem Autogenen Training ein bisschen besser üben sollen. Es folgen erniedrigende Minuten, die ich gern lieber nicht erzählen möchte, und dann sagt der böse Schinder, der es ja nur gut mit dir meint, ich darf überhaupt jetzt ersteinmal sehr lang nicht essen. Ich, wieder vertikal und darob Oberwasser: „Ja du, da hab ich letztes Mal schon gedacht, ich bin schlauer als du“, hab ich halbseitig gesabbert, „und dann hab ich mir mordsmäßig den Mund verbrannt beim Essen, wegen der Betäubung.“ War ich also jetzt wirklich schlauer, und deswegen hab ich gar nicht mehr so richtig hingehört beim nächsten Rat. Freilich hab ich mir daheim ein Tapferkeitsbelohnungsmahl bereitet, schön leicht auf Abend Carbonara, und dann abkühlen lassen, quasi Nudelsalat, also fein raus. Beim Essen hab ich mich gewundert: Der Speck ist aber widerspenstig, dauernd hab ich da so ein festes Teil am einen Zahn, aber das hab ich freilich einfach durchgemalmt. Erst als dann im Salat plötzlich auch Speck war, den ich durchmalmen hätt müssen, hab ich mich gewundert. Geistesdurchblitzt hab ich den Spiegel geschaut und da ist mir dann eingefallen, was der zweite Rat war, nämlich „… Gefahr groß dass du dich schlimm beißt.“ Sagen wir mal so: Der Rest des Tages verlief vergleichsweise asketisch. Der Tag darauf auch. Lieber Zahnarzt, ich bin blöd, du hast recht! Nächstes Mal bin ich gleich demütig und so still wie der sonntägliche Feiertag! 

Freitag, 16. November 2018

Hexenborste

Donnerstag ist immer ein sehr guter Tag, um einmal ein bisschen im Augenbrauensegment nach dem Rechten zu sehen und bei gegebenem Anlass für Ordnung zu sorgen. Also eigentlich immer. Gut ist das deswegen, weil das hebt und klärt den Blick, sagt die Brigitte, und hernach kann man gleich wieder viel besser bescheiden Komplimente für den so natürlich gewachsenen Augenbrauenschwung entgegennehmen. Und außerdem kann man nicht ausschließen, dass während man den Blick so in den Zehnfachvergrößerungsspiegel schweifen lässt sich irgendwo eine gute Fee mit Hacker-Skills in den Computer hineineinwählt weil sie sich denkt, Mensch, heut hab ich einmal so richtig Lust, ein außerordentlich gutes Sofa zu schreiben, und dann drehst du dich nach drei Stunden Renovierungsarbeit wieder zum Bildschirm und plötzlich ist da ein wunderbarer Text und der ist auch schon weggeschickt und die gute Fee hat auch noch einen Zettel an den Bildschirm gezaubert auf dem steht „Mensch Wasmeierin, ich hab mir gedacht, heut genießt du einmal ein bisschen die Sonne, also ab mit dir!“ und dahinter hat sie dann noch so in ganz süß wie früher ein zärtliches *klaps* gemalt. Das passiert jetzt aber gar nicht so oft wie man meinen könnte, gute Feen sind anscheinend recht beschäftigt, also anderweitig. Aber man kann wie gesagt nicht sicher sein, und deswegen lieber sehr akribisch mit eineindreiviertel Augen im Spiegel und das übrige Viertel linst aufmerksam-verstohlen auf den Bildschirm, quasi Schneckenteleskopauge, so kann man sich das also grad bei mir vorstellen. Jetzt ist dann aber irgendwann auch der wirklich allerletzte unsichtbare Augenbalkenstoppel ausgemerzt und das Stielauge ermüdet und dann purzelt der Blick ein bisschen umeinander und jetzt stellst du dir nicht vor, was ich da entdeckt hab! Erst so: Jessas, da hat aber der neue Schal wieder eine Mordsfaser verloren, die du dir da ans Kinn geschmiert hast!, und dann plötzlich ist das aber überhaupts gar keine Wolle sondern hast du einfach spontan über Nacht sozusagen einen Rauschebart bekommen. Sofort natürlich Panik, Chlorbleiche, Flammenwerfer, Atemübung, weil beinahe wär man mit dem Mordsmakel aus dem Haus gegangen! Da fragt man sich auch schon, wie das eigentlich geht, so rein körperbiologisch. Weil da verbringst du täglich ja mehrere Stunden vor einem Spiegel mit allen ausleuchterischen Raffinessen, und dann plötzlich von einem Tag auf den anderen hat sich ein schwarzes Haar zum Beispiel auch schön mittig auf dein Dekolletee hinaufexplodiert, und das winkt dir dann zu und sagt „Verleugne deine Gene nicht!“ und du sagst „Doch!“ und musst es ausreißen. Die meisten Menschen. Manche, hört man, kultivieren sowas dann und Haaröl und Streicheln und nennen es zärtlich „Mein Glückshaar!“ Aber so weit bin ich noch nicht. Ach schau, schon ist das Blatt voll. Dieses Sofa wurde geschrieben, während Frau W. vorsichtshalber noch akribisch die Nägel gefeilt hat. Herzlichen Dank und ein schönes Wochenende, Ihre gute Fee! 

Freitag, 9. November 2018

Laubrächer

Unversehens werden die zuletzt bearbeiteten Themengebiete „Lüften“ und „Laubhaufen“ zu einem großen Ganzen zusammengefügt. Denn ich tät gern seit Tagen einmal lüften, doch gelingt es mir nicht, ein geeignetes Zeitfenster dafür zu finden, werden doch vor dem gläsernen jenen welchen taugaus, tagein Laubhaufen gebildet. Ich hab das neulich auch gemacht, also mach ich eh immer schon herbstens, aber jetzt war’s halt wieder einmal so weit, da bin ich in die familieninterne Seniorenresidenz – Ausgedinge ist’s noch nicht, denn das würde ja bedeuten, die Alten machten Platz für die Jungen und beziehen artig die Garage anstatt sich saugnapfgleich im Hauptgehöft zu vergnügen – gereist und hab gemeinsam mit einem entfernten Verwandten mich angeschickt, die rituellen Grabungen zu tätigen, an deren Ende angeblich irgendwann einmal ein Rasen zum Vorschein kommen soll. Während ich das alles vorschriftsmäßig mit dem Rechen erledigt hab, wo man dann schon immer weiß, ja gut, morgen gibt’s dann einen sakrischen Halbseitenmuskelkater und in der Folge dann wahrscheinlich einmal wieder einen kleinen Bandscheibenprolaps, aber was tut man nicht alles zur Erfüllung des Generationenvertrages, hat der betriebswissenschaftlich ausgebildete und darob ökonomisch denkende Anverwandte befunden, dass müsse ja auch anders gehen, sich dann eines einst zum Zwecke des Grillbeschleunigens angeschafften Flammenwerfers entsonnen und erst einmal ausgiebig auf die Suche durch die gesamte Residenz gemacht. Als dann nach sagen wir wohlwollend geschätzt zwei Stunden das Arbeitsvereinfachungsgerät gefunden und einsatzbereit war, hat der Anverwandte feststellen müssen, dass jetzt in der Zwischenzeit also wirklich etwas saublödes passiert ist und nämlich aller Rasen von meiner blasenschlagenden Arbeiterhand schon vom Laub freigerecht worden. Er hat dann noch ein bisschen Unkraut verbrannt, weil bekanntlich so ein brennendes Löwenzahnblatt eh auch immer die Wurzel mit zerstört, das weiß man. Ich also fix und fertig, und nach einer Woche Erholung wollt ich mir das Werk nocheinmal anschauen, und jetzt stell dir vor: „Das kannst du nächstes Mal fei wieder selber machen!“, hab ich dem Residenzbewohner mitgeteilt. „Zwei Stunden Arbeit, und jetzt sieht wieder alles genau so aus wie vorher!“ Ich sag eh immer schon, es wär sehr viel praktischer, alles Grünzeug rauszureißen, schön Beton auszugießen, grüne Farbe kann man beimischen, und dann noch ein Gemäuer ringsrum und Dach drauf und vielleicht noch Waldtapete und schwupps ist immer alles schön reinlich. Jedenfalls ich so: Laubrechen. Die vor dem Fenster natürlich: Laubblasen. Nervt, eh klar. Jedoch Spezialsituation: Großes Innenhofgrün wird sich geteilt in ungefähr zehn Hausverwaltungen, und weil die alle so saugern laubblasen, bläst da nicht etwa einmal pro Woche einer alles sauber, sondern teilt man das Karree schön in faire Planquadrate, so dass jeden Tag ein anderer Bläser dran ist. Und somit haben wir die einmalige Spezialsituation erlangt, in der ich gern lüften tät aber nicht kann wegen der Mietsautorität. 

Samstag, 3. November 2018

Frisches Lüft(ch)en

Ein sehr wichtiges Thema, das Mieter im Allgemeinen und Eigentümer im Speziellen jetzt wieder umtreibt, hat mich selbst grad angefallen, deswegen hochaktueller Anlass: Lüften. „Du kannst jetzt fei das nicht mehr so haben wie die letzten Monate“, hat eins geschlaumeiert und mir sämtliche gekippten Fenster fest verschlossen, wo ich doch grad munter Pantoffeln und Wolldecken an Besucher in Funktionsjacken verteilt hatte und beschieden, man müsse sich vielleicht gar nicht so anstellen von wegen Kälte, 17 Grad sei doch durchaus noch als Raumtemperatur definiert, und anstatt sich schlotternd in die Ecken zu kauern brauche man doch bittschön bloß gymnastische Übungen am Esstisch vollziehen oder halt wenigstens ein bisschen mehr Gestik beim Gespräch. Wurde ich dann leider überstimmt und stattdessen über die gängige Praxis des Stoßlüftens belehrt. Ich: fügsam. Man lernt ja dazu. Im Früher, da hab ich gern so gelüftet, dass auch immer ein Fenster gekippt war, dazu aber die darunter befindliche Heizung auf höchster Stufe, also eine vorzüglich angenehme Mischung, die aber leider eine Beinaheenterbung oder doch mindestens akribische Gegenrechnung Taschengeld vs. Energiekosten zur Folge hatte, als der Hausverwalter das einmal spitzgekriegt hat. Dann hab ich beleidigt lieber gar nicht mehr gelüftet, was sich in den folgenden Jahren im teenageresken im Mantra „Lieber erstunken als erfroren“ manifestiert hat. Dann später war das so, dass ich mir überhaupt gar nie Gedanken hab machen müssen übers Lüften, weil die Fenster quasi eine Lüftungsautomatik eingebaut gehabt haben, wo man auch gar nicht mehr sich hat aufhalten und anstrengen müssen zum Beispiel beim Kerzen auspusten, weil die hat man einfach kurz an den Fensterrahmen gehalten und schwupps – Kerze auspustet. Dann gab’s neue Fenster und mit denen eine Lüftungsbedienungsanleitung, an die ich mich zwar streng gehalten hab, durch die aber auch eine spontane Amnesie verursacht worden ist beim Vermieter, der plötzlich wusste, dass der ewige Badezimmerschimmel überhaupt gar nicht beim Einzug schon vor sich hin geschwärzelt hat, sondern selbstverständlich alles nur durch mein missliches Lüftungsverhalten ausgelöst worden ist. Also Streit und Chlorbleiche. Danach auch gleich wieder viel Lüften. Jetzt heut ist man ja saumäßig gereift und voller Lebenserfahrung, und deswegen hat man halt einfach keine Lust mehr auf Schimmel-Ex und hoppla wie ist es jetzt plötzlich so schwarz geworden, da an der Wand hinterm Bett. Und außerdem sieht man die Nebennutzen, weil: Eine schöne Durchluft bläst dir erst den Balkonboden sauber, dann alles einmal quer durch die Wohnung und unterm Kanapee durch und unter allen Regalen auch, dabei Umfangsvermehrung wie Lawine, und dann am Ende kanapeest du einfach ganz entspannt und saugst locker aus der einen Hand den Haushaltsbelohnungscocktail und in die andere den Unrat. Bei so viel schöner Situation kann man doch schon einmal vergessen, das Fenster wieder zu schließen, erlaube mal! Die Schlappen sind in der untersten Schublade rechts.