Freitag, 28. Juni 2019

Brandgefahr

Letzte Woche hab ich doch erzählt von dieser Stimme, die mich als Depp beschimpft und dann zum Bodenputz gezwungen hat, gell? Also, genau eben jene Stimme hat diese Woche, nämlich am Dienstag, genau in dem Moment, in dem ich eine Haustür geöffnet und einen würdevollen Schritt ins gleißende Nachmittagslicht getan hatte, laut und vernehmlich ins Straßenweit gebrüllt: „Oooch du dumme Kuh!“ Es verstummten kurz die Vögel, ein Hündchen unterbrach den Strahl, die Welt stand still. Wär ich auch gern, hab ich aber nicht, sondern, also das war so: Ich ja bekanntlich immer überallhin Fahrrad. Und natürlich Fahrrad so nah wie möglich an Zielort abstellen, weil sonst Laufen, und Laufen = Zeitverschwendung. Jetzt muss man leider feststellen, dass aktuell manche Plätze eine bislang unbekannte Perfiderie entwickeln, nämlich wegen dieser Sonne, und so wie die mancherorts Straßenlaternen in Brenngläser verwandelt und damit schöne Muster auf Rasen malt, so verwandelt sie auch bequeme Gelsättel in flammende Inferni. Du also schön rauf mit dem Hintern und los, und genau so wie wenn man sich mit der flachen Hand auf der heißen Herdplatte abstützt dauert das dann scheint’s ein paar Sekunden bis der Schmerzreiz die obersten, sofort abgestorbenen Hautschichten durch- und tief ins Fleisch eindringt. Ergo ich nach fünf Metern undamenhafte Reaktion, sofortige Brandblasenentwicklung, daraufhin sehr, wirklich sehr mühsames Standradeln sowie verzweifelte Versuche, sich in den Schatten von Ampelanlagen zu krümmen. Hier sogleich nächste Gefahr, denn wenn so ein Ampel- oder auch ein Laternen- oder Schildermast ersteinmal schön zehn Stunden Sonnenschein erhalten hat, dann steht er kurz vor der Kernschmelze. Leider nur kurz davor, deswegen siehst du’s ihm nicht an, sondern lehnst dich lässig mit dem Handballen dagegen, anstatt geschwind in der Wartephase ein Hufeneisen oder Kunst zu schmieden. Jetzt Stigmata links. Solcherart gebrandmarkt und versehrt kennst du genau eine Lösung: Hinein in ein kühles Gewässer, mit Zisch und Dampf und Getöse, eben halt wie das erwähnte Hufeisen, musst du auch abkühlen wenn’s in Form gebracht ist. In Form, will sagen: Shape hab ich mich zwar nicht gefühlt, aber egal, weil Abkühlung, und so bin ich also mit dem Fahrrad – dem Auto hab ich im Vorbeiradeln einen vernichtenden Blick zugeworfen, speziell einen Blick aufs Lenkrad, weil da wissen wir auch, dass du lieber Kühlakkuhandschuhe anhaben willst grade – ins Bad geeilt. Das war wundervoll. Ich schön vor mich hin gezischt und Bahnen geschwommen wie eine Große, und trinken muss man auch sehr viel, und vor lauter Wasser und Abkühlung hab ich dann austreten müssen. Hinein in die Schlappen, und loselegantet – nicht, weil schwarze Flipflops und Sonne … naja. Ganzkörperbrandblase die ich bin, hab ich daheim heilige Schwüre der Verhaltensänderung und Fehlermemorierung geleistet, mich in Buttermilch gewälzt und auf feuchten Handtüchern gewunden. Und jetzt ratet, wer am Tag darauf sein Fahrrad wieder exakt an der selben Stelle parkiert hat …  

Samstag, 22. Juni 2019

Wachkoma

Gestern bin ich nach Haus gekommen und dort von einem feinen Kaffeeduft empfangen worden. „Ach Gottle“, denkt ihr jetzt und neidet, „hat sie endlich eins gefunden, das daheim auf sie wartet und sie hegt und pflegt und Kaffee kocht und einen Kuchen wird’s schon auch dazu geben!“ und seht wie ich von starken Armen empfangen und in eine Seligkeitsdecke gehüllt von den Mühen des Tagwerks mich erholen kann. So ungefähr hab ich’s mir nämlich auch gedacht und mich aufs Kanapee geschmissen und Füße hoch und Augen zu und man reiche mir die Tasse! „Du Depp!“ hat’s plötzlich laut durchs Anwesen gemault, und voller Schreck hab ich erkennen müssen, dass die lieblichen Worte meiner selbst entsprungen waren. „Hast doch nicht alles erwischt beim Putzen!“ und tatsächlich hab ich dann eilig mich unter den Tisch gebeugt und krustig-braune Pfützen entdeckt. So manch ein Hundebesitzer mag jetzt spontan ein Mitgefühl entwickeln, aber leider hab ich dann mich erinnern müssen, dass ich höchstselbst schuld war an einem kleinen Malheur. Weil man ist ja manchmal morgens. Also eigentlich ist man immer morgens, aber manchmal ist man morgenserer als an anderen Tagen, und da kann dann einmal passieren, dass nach außen sichtbar so ein Körper durchaus patent tut und aufstehen und Leibhygiene und Mund auch und wundersamerweise alle Farbtöpfe und -tupfer richtig im Gesicht verteilt anstatt Rot auf die Lider und Schwarz auf den Mund, auch wenn man wenn ich’s mir recht überleg heutzutage gar nicht allzu unangenehm damit … Naja, jedenfalls nach außen patent, innen jedoch problematisch, ich würd fast sagen, es handelt sich hierbei um eine spezielle Art des Wachkomas, bei dem man erst aufwacht wenn man dann doch einmal dabei ist, sich die Föhnlotion unter die Arme und das Deo in die Frisur zu sprühen oder manchmal sich später am Tag fragt, ob überhaupt eins von beidem stattgefunden hat, oder man dabei ist, Kaffee in eine Suppenschüssel zu gießen. Dann erfolgt geschwind und kopfschüttelnd ein Tausch, doch die Gefahr ist damit nicht gebannt, weil es geht mit dem Wachkoma auch manchmal eine motorische Unsicherheit einher, und so hab ich unlängst erst einmal so eine sehr große, sehr volle Tasse, mit einem Telefonhörer verwechselt und dann sehr viel später waren der Schreibtisch sauber und der Boden, der Computer auch, und viel weniger Schmierpapier ist noch herumgelegen, dafür hat’s schön geduftet. An dem besagten Morgen jetzt hab ich im Wachkoma scheint’s von der bayerischen Tradition geträumt, leere Krüge zum Zeichen des Wunsches nach Wiederbefüllung längs auf den Tisch zu legen. Aufgewacht bin ich dann als ungefähr ein Liter Kaffee in meine Tasche geronnen ist und von der aufs Stuhlpolster und bodenwärts, während auf der anderen Seite des Tischs die Brühe sich angeschickt hat, ihren Platz auf der weißen Tapete zu erobern. Jetzt riecht es also auch abends nach morgens. Ich weiß noch nicht, ob das so gut ist. 

Freitag, 14. Juni 2019

Der Berg rief

Seit zwei Wochen ruft der Berg. Alles rennet, rennet kotzet, der Mensch schwankt – erst zwischen Abscheu und Sehnsucht, später stehend auf einer Bank, holleradidudeldö. Auch mich hatte unlängst der Berg gerufen, und Prophet, der ich bin, folgte ich sogleich. Allerdings nicht nach Norden, sondern tief nach Süden, mit dem Finger auf der Landkarte abwärts, topographisch jedoch ging’s rauf. Nämlich auf die Alm. Da gibt’s koa Sünd, wohl aber den Pfad der Erkenntnis, und wurd‘ sogleich beschritten. So ähnlich jedenfalls. Man kennt das: „Bergretter verunglückt!“, wird gelegentlich vermeldet, man liest dann kopfschüttelnd von irgendwelchen Gruppen, die aus einer Stadt gekommen und umeinandergekraxelt sind und dann Knöchelbruch und Absturz und auweh. Hab ich mich immer erinnert gefühlt an Menschen, die aus Bussen gespuckt am Burgberg stöckeln, und gefunden, dass das eh saudumm ist. Aber eine o.g. hochalpine Verunfallung, hab ich gefunden, das ist schon also wirklich Darwinismus par exzellohs. Jetzt sagen wir einmal so: Ich weiß jetzt vielleicht doch, wie das geht. Nämlich so: Stadtmenschen haben Geburtstag und darum Hütte. Weil. Sie sind voller Liebe, Wein und Gesang, doch auch voller Tatendrang, und so folgen sie dem „Sonnenweg“, weil die Almfrau hat gesagt „Nette kleine Wanderung, 90 Minuten, Einkehr oben möglich“, und was willst du mehr, also schön Turnschuh an und vielleicht einen Apfel und ein Keks hinein ins Tascherl, weil bist du eh gleich wieder zurück. Bist du dann noch gleicher zurück, weil Sonnenweg geht in zwei Richtungen, aber rechts war’s auch schön und wenn schon zurück an der Basis, so vielleicht doch lieber Wanderschuh und kleines Wasser – Glück auf! Bergauf zwar, doch es ist Sonne, Wiese, Wetter, und du eine Gams, eine kurzatmige zwar, doch es ist ja nicht mehr weit, denkst du an der zweiten Rast beim dritten Wasserlauf nach 90 Minuten. Doch siehe da, ein Schild verkündet „Abkürzung“, im für Bergwanderungen sehr geeigneten Google Maps siehst du dich in der Wahl bestätigt. Nach weiteren zwei Stunden bist du keine Gruppe mehr, sondern nur noch Einzelkämpfer. Du setzt einen Fuß vor den anderen, nach jeder Kurve kommt die nächste Steigung, von einem Gipfel keine Spur, von den Mitläufern findest du Kekskrumen und Schweiß am Boden; gefangen in der ewigen Step-Aerobic. Du hast großen Zorn. Auf Natur im Allgemeinen und Berg im Speziellen, auf Abkürzungen und unbefestigte Klettersteige, und während du über dem Abgrund an einer Wurzel entlang dich hangelst, sagst du im Wahn der Verzweiflung dein Mantra auf: Einkehr. Einkehr. Schnitzel. Weißbier. Einkehr. Mit letzter Kraft robbst du auf allen Vieren eine erdige Steilwand hinauf, die letzte Abkürzung, endlich winkt der Lohn nach fünf Stunden hartem Kampf. Du rennst, fliegst den festen Weg entlang. Eine weitere Stunde später bemerkst du klug, dass Bergalmen selten unten, meistens oben – und sämtliche Teilnehmer der Wanderung kurz vor dem Ziel falsch abgebogen sind. Du wirfst dich auf den Boden und weinst. Wie es weiterging, erfahrt ihr nach der nächsten: Maus. Aber nicht der Wilden! 

Freitag, 7. Juni 2019

Ruheprävention

„Du kannst“, hat der Erbmassenherumträger unlängst gesprochen und das Kaffeehaferl schön mittig auf der Erbmasse parkiert, „mir vielleicht irgendwann einmal erklären, warum du da immer und immer und immer wieder hingehst. Weil sagen wir einmal so: Ich versteh das nicht.“ Wortreich hatte ich die Minuten zuvor sorgfältig dargelegt, warum möglicherweise einer gemeinsamen Aktivität am Pfingstmontag eine kleine Schwäche entgegenstehen könnte, auch ein abendlicher Besuch auf der Heimatkirchweih war mir in all meiner Weisheit vorauseilend als unzumutbar erschienen. Ich sprach von einer provisorisch empfundenen großen Sehnsucht nach Räumen der Stille und Einsamkeit, möglicherweise solchen, die sich in einem eierkartonumklebten Raum in einem Keller befänden. Von einem tiefen Wunsch nach gedankenlosem Dahintreiben ganz in der Mitte ganz auf einem großen Wasser vielleicht, von nichts begleitet als dem algigen Rauschen im Gehörgang, in der linken Hand vielleicht eine knackige Gurke, in der rechten den Karottenschnitz, dazwischen ein Schluck Detoxschorle, und während ich so sprach, konnte ich sie schon fühlen, diese Schwäche, die ein jeder kennt, der schon einmal auf einer großen und mehrtätigen internationalen Tagung war – oder auf einem Festival. „Bleibst du halt einfach einmal daheim, Tochter, wie wär denn das?“ – „Ja“, hab ich gesagt, „du hast schon recht. Ich mein, was soll das denn auch alles? Es ist so laut dort draußen und es stinkt immer so sehr, und so viel Mensch hat’s überall, und dann wird es so heiß und von oben ist die Sonne und von unten stehst du auf Herdplatten und einen Schatten hast du auch nirgends, und dann kommt wieder so ein arger Regen und dann stinkts hernach noch mehr und nass bist du dann auch und kleben tut eh auch alles und immer wenn du heimkommst abends, also wenn du es geschafft hast, irgendwie heimzukommen, weil es ist nicht so leicht, weil die Tram ist weg und der Bus so voll, dann stellst du fest, dass du doch wieder was verloren hast, einen Pulli beispielsweise, oder ein Geld, oftmals verliert man Geld, vorzugsweise große Scheine, manchmal auch Personen, die verliert man wirklich oft, und dafür findest du dann aber im Überlebenssackerl lauter neue schiefe Brillen und Unrat eh zuhauf, und auf den ganzen Unrat hat dir jemand einen Glitzer hineingetan und den hast du aber freilich erst gemerkt daheim, als du das Sackerl ausgeleert hast, und dann schneidest du die Füße aus der Gummistiefelform, in die du dich den ganzen Tag hineingebacken hast, und wie der schönste Hefeteig sind die Füße in der Form auch artig aufgegangen, und so hefeteigst du dich ins Bett und wirst sogleich bewusstlos und dann am nächsten Tag weißt du: Es kommen noch einmal zwei Einheiten …“ – „Was schlussfolgern wir daraus?“, frug der weise alte Mann. „Ja was glaubst denn du?“, sprach ich salomonisch. „Ich freu mich sakrisch!“ 

Samstag, 1. Juni 2019

Minigolf Open

Während die Knaben der Welt sich am vergangenen Donnerstag mit großem Einfallsreichtum ihrer Herrlichkeit priesen, ereignete sich von der bier- und sonnenseligen Öffentlichkeit weitestgehend unbeachtet ein Event, das in der schwungvollen Geschichte Nürnbergs bislang seinesgleichen sucht. Eine Truppe so unerschrockener wie ambitionierter Recken fand sich zusammen, um sich in einer Disziplin zu messen, die ein Höchstmaß an Konzentration und Genauigkeit, mathematischen und physikalischen Verständnisses, Einzelspieler- wie Teamplayer-Qualitäten gleichermaßen, dazu Kraft, Detailkenntnis, Ausdauer und Schönheit bedarf sowie eines nicht zu vernachlässigenden Quäntchens gesunder Leidensfähigkeit, Demut und Achtung vor der höheren Gewalt und darob einzig angemessen ist, die Rückkehr des Herrn Jesus in den gottesväterlichen Schoß zu preisen. Es traten also an zu einem Kräftemessen ein Dutzend Heroen und Heroinen, mit nichts als ihrer Disziplin und unbedingtem Siegeswillen und ja, vielleicht auch dem ein oder anderen troddlig-kleinen Talisman, um unter den bewundernden Blicken der so zahlreich wie versehentlich anwesenden Zuschauer ins Kräftemessen sich zu stürzen. Bereits das außerplanmäßig erste Hindernis konnte den olympischen Willen der Teilnehmenden nicht mindern, und obwohl also bereits die Anreise zur Kampfarena eine so unerwartete wie harte Prüfung darstellte, überwanden die wackeren Renn-, Holland- und Klappräder den sich plötzlich als schwarzbuckligen und hochanspruchsvollen Single Trail zu erkennen gebenden Hinweg mit Eleganz und relativer Würde, um sich aufgepeitscht von Adrenalin und Glücksgefühl ins Turnier zu stürzen – ein erster Hinweis auf Qualität und unbedingten Willen des hochkarätig besetzen Kaders. Und so geriet es denn auch zu einem Tag voller Jubel und Entsetzen, Schweiß und Tränen, zerschundenen Händen und stechenden Rücken, vor allem aber zu einem Ereignis größter gesellschaftlicher Relevanz: das erste Nürnberger Minigolf Open, in dem sich das erwähnte Dutzend an zwei Mal 18 schikanenreichen Bahnen mit wohldosierter Konkurrenz duellierte, sich erbitterte Kämpfe mit Spielleitung und Platzwarten lieferte, die schönen Auen der Noris erkunden und dabei noch die verschiedenen Einsatzmöglichkeiten von Hopfenerzeugnissen zur Erhöhung der eigenen Zielfähigkeit oder eleganten Variante zur passiven Bekämpfung des Gegners zu erforschen. Und so goutierten die Teilnehmer das Turnier als rundum gelungenen Tag der Freundschaft, an dessen Ende sich sie Sieger der Herzen mit denen nach Punkten gleichermaßen beglückwünschten und jubelnd zwar nicht über den Platz trugen, doch zumindest in den Armen lagen mit dem Gefühl größtmöglicher Glückseligkeit und beseelt zwar weniger vom Heiligen, wohl aber vom Sportsgeist. Und so sei am Rande dieser epochalen Geburtsstunde erwähnt: Trotz mehrfachen akribischen Nachrechnens mehrerer Personen und Hilfsgeräte bleibt am Ende zu meinem großen Bedauern in die Geschichtsbücher der bahnbrechende Erfolg genau eines Teams zu notieren, das als strahlender Punktesieger das Treppchen der 1. Nürnberger Minigolf Open ganz nach oben erklimmen durfte: meins! Ätsch!