Freitag, 29. Mai 2020

(Kär)Wahrheiten

Ich bin ja großer Forscher, gell, der Armin und der Christof mit dem grünen Gewand und auch der Latzhosenpeter haben mich dazu erzogen. In jüngster Zeit forscht es sich wieder prima auf dem Felde, und zwar qualitativ, also im Gespräch und dann deduktiv, also ableiten aus dem was du hörst. Und jetzt hörst du durch die Bank, dass der Mensch halt nunmal eher so ein energetisch optimiertes Wesen ist und wenn er eine Sache nicht gleich versteht dann strebt er in der Tendenz dazu, sich eine leichte Erklärung zu basteln, was supersinnvoll ist, weil du musst dir vorstellen: Wenn du eh schon nicht so arg viel Gehirn und Denkerei aktivieren kannst, ja dann schaust du doch, dass du mit dem bisserl Rest möglich gut haushaltest, sprich Energie sparen, sprich nicht so viel denken, nachlesen und verstehen wollen, das kostet eine Mordskraft, sondern eher was Leichtes zum Anfassen. Fürchtet er sich also vor einer Sache, zum Beispiel, dass der Himmel vielleicht auf den Kopf fallen könnte, dann erklärst du nicht Gewitter, Erdumdrehung, Atlantikwind und Niederschlag, sondern sagst „Teutates“ und „Zorn“ und schon sind die Gallier beruhigt, weil mit so einem Zorn, da weiß man eben umzugehen und kann sich in der Zeit viel besser mit einer schönen Prügelei beschäftigen. Also: Leichte Erklärung von oben macht große Ruhe im Unten. Das ist jetzt überhaupt nichts Neues (vgl. Religion, die), es wird aber halt auch nicht einfacher mit der Zeit, weil die leichte Erklärung halt gar nicht immer die ganz richtige ist und oftmals die richtige plötzlich falsch erscheint und umgekehrt weil die falsche richtige Erklärung nicht so gern gehört wird wie die richtige im Falschen, und dann nachher kennt sich gar keiner mehr aus. So jetzt veranschaulichendes Beispiel: Fragst du einmal im weiteren Umfeld herum „Was feiern wir an Pfingsten?“ dann blökt’s zufrieden unisono: „KÄRWA!“ Dann verdrehst du als aufgeklärtes Humanistentier natürlich protokollgemäß die Augen und setzt dir deinen Kneifer auf die hagere Nase und beginnst mit ausgestrecktem Belehrungsfinger deine Rede: „In Wahrheit ist es natürlich so, dass wir in der Tradition der christlichen Lehre und Welt den 50. Tag feiern, der vergangen ist, nachdem eine männliche Person, die ungefähr 35 Jahre zuvor durch kontaktlose Geisterbefruchtung einer Jungfrau gezeugt und unter Zeugenschaft einer Kuh und eines Esels in einem Stall geboren wurde und sich bis zu ihrem verfrühten Ableben aufgrund eines krähenden Hahnes und großen Missverständnisses die Zeit damit vertrieben hat, Wasser in Wein zu verwandeln, Fische exponentiell zu vermehren und Blinde sehend zu machen, nach dreitägiger Totstellung aus dem Grab geflohen und stattdessen lieber in den Himmel gefahren ist, um dort zur Rechten Gottes zu sitzen und auf seinen Einsatz als Richter über Leben und Tot zu warten, und an eben jenem 50. Tag der bereits erwähnte Geist die Kumpels des Hallodri über die neusten Entwicklungen in Kenntnis gesetzt hat, ‚über sie ausgeschüttet‘, sagt man. DAS ist Pfingsten!“ Und dann schnaubst du noch „Du Depp!“ und machst empört auf dem Absatz kehrt. Und bist traurig, weil überhaupt gar keine Kärwa ist. Fuckcorona!

Freitag, 22. Mai 2020

Sonntwoch

„Stell dir vor“, hat die Freundin grad geschrieben, „ich war bis eben ganz in Ruhe und alleine einkaufen, ich fühl mich wie neugeboren!“ Hab ich gelächelt und genickt und verständig und versonnen weiter in die Auslegeware geblickt. Weil zufällig war ich auch grad in Ruhe und alleine einkaufen und hab daher gut nachfühlen können. Weil noch am Vortag war ich genau bei eben jener Freundin in, nuja, „Unruhe“ möcht ich gar nicht sagen, aber doch eher so in nicht dass man danach pfeilgrad vom Radl fällt vor lauter Entspannung statt sportiv in die Pedale zu treten. „Au weh!“ ist’s mir aus Versehen rausgerutscht gewesen beim Freundinnenwohnung betreten. „Hast jetzt aufgegeben?“ Weil ich sag einmal so, neulich, da hat es in der Wohnung noch so ausgeschaut als wär grad „Schöner Wohnen“ zum Shooting dagewesen, alles fein und dekoriert und an seinem Platz und hinter einer unauffälligen kleinen Tür ein Kinderzimmer mit vielleicht einem klitzekleinen Sauställchen, ganz beruhigend war das da. Und dann ist jetzt irgendwas passiert in den letzten Wochen, und plötzlich ist die Situation folgende, dass also das ganze Kinderzimmer war leer, picobello wie einmal durchgeschleckt und aber der ganze Inhalt vom Kinderzimmer hat sich in die Wohnung verteilt, Spielzeugausbruch quasi, und da wo einmal ein edles Desingersofa war hat’s jetzt eine Räuberhöhle, mehrere Etagen, eh klar, und unterkellert und innendrin noch ganz mittig einen Schatz, und wo einmal Fenster, da jetzt Gemälde, und wo einmal ein Balkon war, da hat’s jetzt eine feine Hütte mit Fenstern und Liegestuhl und lustig ist dass wenn man nicht aufpasst dann rollt man statt zu laufen weil da wo ein Boden war da hat es Autos und Züge, die singen Weihnachtslieder, wenn man drauftritt, und dann rutscht man aus und latscht rückwärts mit links in einen Klebegummikäfer und rechts in ein Küchle, das man auch noch selbst mitgebracht hat, und dann schreit der Kleine, wegen Küchle weg, und der Große, weil der Kleine, und aus dem Babyfon schreit toujours der Kindsvater, wegen statt Schlafzimmer jetzt Homeoffice. Haben wir uns erst einmal einen Wein aufgemacht und grad als ich fragen wollt, warum jetzt das eigentlich so ist, dass am Muttertag muss man zur Mama heim und ihr auf den Geist gehen, am Vatertag rotten sich Väter und alle die es noch und niemals werden wollen zusammen und feiern fern des Haushalts ihre Herrlichkeit, also in dem Moment bringt der Große (3) eine Gerätschaft. Die war so rosa und länglich, ein bisschen wie ein Mikrofon so groß, aber schmaler und ein bisschen bauchig und tailliert und abgerundet an den Enden und sehr schmeichelnd in der Hand mit einem An-aus-Knopf, und natürlich hab ich sogleich erkannt dass es sich hierbei nicht um ein ausgebüchstes Produkt vom Amorelie handelt sondern die berühmte Spielzeugverschwindelampe, die Dinge erst wieder herausrückt wenn man sehr lang sehr leise ist … So, also ich jedenfalls superentspannt mit dem Gesicht im Grillfleisch, und dann hat’s geschnackelt und Beschwerde aus der Redaktion: „Ein Sofa kommt schon noch, ja?“ Das war’s dann mit der Ruhe. Aber zum Glück ist morgen Feiertag. Oder Sonntwoch. So wie jeden Tag.

Freitag, 15. Mai 2020

Coronare Herzkrankheit

Jetzt wir alle so auch grad nach den jüngsten gesellschaftlichen Entwicklungen ja unbedingt und fröhlich: Glaube, Liebe, Hoffnung, wenngleich irgendwie zähneknirschend. Also eher so dass man halt mit dem Finger links und rechts in die Mundwinkel sich einhakt, also in die eigenen, eh klar, und sich dann mit leichtem, doch beherztem Zug ein freundliches Lächeln ins Gesicht zaubert. Kollateralschaden, dass das eher klingt wie Glauwe, Liewe, Hochnung, aber mei, so is das grad, man muss Abstriche machen. Hihi, „Abstrich“. Musste ein Spezl letztens auch machen, deswegen ich dann so am Telefon „Hey du, geht’s eigentlich wieder oder kotzt du noch?“ und er „Geht wieder total gut – und ich bin vier fucking Coronakilo losgeworden!“ Die mehrtägige intestinale Unpässlichkeit habe sich also sozusagen gelohnt, man fühle sich gleich viel leichter, also weniger beschwert, also halt wegen der erdrückenden Last des schlechten Gewissens, dass man vor lauter Artigkeit und Regelbefolgerei im Daheimsein einer kollektiven Schwangerschaft ausgesetzt, nachgerade hilflos ausgeliefert ist, weil ins Fitness hast nicht dürfen und raus bloß ein bisschen zur Flanage und Promenur und aber wegen Solidarität, Suffort Your Locals und Ofhhawereitschaft (Lächeln!!) tagtäglich mehrfach ein üppiges Mahl bestellt anstatt einfach wie’s ja auch gegangen wäre, und zwar sehr gut, möcht ich sagen, mangels der allgegenwärtigen Verlockung und Versuchung opulenter Buffets, durchhängender Grillbanketttafeln und um die Nase summender Flyingfingerfoods, also einfach daheim jeden Tag schön eine Möhre und eine Prise vom Salat und zur Leibesertüchtigung einmal übers Feld gepflügt und dann wieder ab zurück ins Körbchen, nein, gespiesen haben wir gar königlich, und jetzt ab Montag müssen wir auch noch trinken aus Gründen der Kulturerrettung, und jetzt stell dir vor: An manchen Orten musst du sogar essen um kulturrettungstrinken zu dürfen, da soll sich noch eins auskennen! Ich hab grad einmal nachgerechnet, also wegen der Schwangerschaft: 0,375 Kilo macht die so pro Woche, und jetzt sitzen wir seit acht Wochen daheim: drei Kilo – bämm, Oida! Easy! Ich bin jetzt deswegen unter die Heimtrainer gegangen. Jeden Morgen stülp ich mich schön in meinen Aerobicdress hinein, zum Glück sitzen die Handgriffe von der engen Winterstrumpfhosenzeit noch 1a, da gerät das Umziehen gleich zur Aufwärmübung, nur das mit dem fließenden Atmen klappt noch nicht so gut. Dann also jedenfalls leg ich mich superentspannt auf meine Matte und schau 27:58 Minuten der netten Dame im Fernsehen zu, wie sie gar unappetitlich schwitzt, und immer wenn sie sagt „Bauchnabel einziehen bis er vom Boden abhebt“, dann kichere ich kurz hysterisch und schnips mit noch ein kleines Osterküken vom Saisonabschlussausverkauf zwischen die Kiemen, Foodsaving und so, essen gegen Kükenschreddern! Danach bin ich schwer. Also schwer erschöpft. Und tät direkt einmal mutig wieder eine Prognose wagen, nämlich dass das mit den Coronaren Herzkrankheiten künftig nocheinmal eine ganz neue Bedeutung erfährt. Wohlsein! 

Freitag, 8. Mai 2020

Unlockdown

Virus ade, scheiden tut weh! Gehst du nicht bald nahach Haus lacht dich der Lohockdown aus, Virus ade, scheiden tut weh … Ja naja komm, doch, ist schon wahr! Jetzt hast du dich grad so schön eingerichtet in deinem Lockdown und dann soll das grad alles wieder vorbei sein – dabei gibt es doch noch so viel zu tun! „Der Trend geht eindeutig zum Distant Socializing!“ hat die Freundin bei der Abstandsséance letzte Woche noch erkannt, während sie versucht hat, sich mit dem Radl schnell um die eigene Achse zu wirbeln und gleichzeitig vorwärts zu schieben, quasi Windhose, um so einen breiten Korridor durchs Menschengewühl im Naherholungsbiet zu schneisen, und das ist wirklich gar nicht so einfach, weil der Gegenmensch weicht nicht gern aus, weil es ist ja schließlich jedem sein öffentlicher Raum, nicht immer nur der vom andern, nicht wahr! Es tippt sich übrigens grad auch beschwerlich, ist mir doch vorhin akkurat aufgefallen, dass im Zoom schlau mitschreiben simulieren und dabei unterm Kameraauge heimlich Nägel signalrot lackieren genau so lange heimlich bleibt bis man sich leuchtend an der Nase kratzt, das hab ich jetzt also nachholen müssen, weil bei aller Natürlichkeit: cave völlige Verwahrlosung! Insofern kann ich also schon auch verstehen dass in allererster Amtshandlung kaum dass man’s hat dürfen in die Shoppingmall hineingesaust hat werden müssen und sich mit wichtigen Grundnahrungsmitteln ausgestattet, Sneaker zum Beispiel und ein Billy und … Moment, der Marckus ruft an. Was, ach so? Nur wegen der Langeweile war das? Ja pardon, das tut mir leid, da denk ich immer nicht so gut mit. Ja, versteh schon, erst Langeweile und dann ist Frust und Zorn und dann gleich Schlägerei, und dann muss die Polizei wieder … Ja … Mhm … dabei soll die wirklich besser … Ja … Ja … Ah ja, Muttertag, da hast du recht, das wär nichts gewesen da mit ohne besuchen dürfen, und das im GottmitdirduLandderBayern, stell dir vor, sonst Aufstand im Wastl, das geht freilich nicht, wo man doch eh schon nur einmal im Jahr die Oma … Hm … mhm … Genau … Und wegen dem Fußball, da hast du dir wahrscheinlich auch überlegt, dass … Wie meinst du, wegen den Arbeitslosen und der Beschäftigung, die hätten doch Spargel und … ah, nicht zumutbar, verstehe … Ja, ja richtig, Vorbildfunktion, das hat der Kalle Rummenigge dir beim Golffrühshoppen schon erklärt, denk ich, dass der Fußballer als solcher doch eh als umsichtiges und reflektiertes W… Videobeweis, genau, den habt ihr ja zum Glück eh längst eingeführt. Du, aber vielleicht wär das eh besser wenn die Bundesliga ganz prinzipiell nur noch in Zorbing-Bällen … unwürdig, verstehe … Ja … Kinder eh im Biergarten … mit Abstand, da geb ich dir recht, mit … ah, mit Abstand die beste Lösung für alle, Mensch du, vergelt’s Gott, ich immer mit dem Nichtausredenlassen, gell. Aber du, ich müsst jetzt eh mal hier weitermachen, der Nagellack ist jetzt fertig und dann könnt ich noch schnell einkaufen gehen für den nächsten Lockdown. Ja … ja, genau, man lernt ja, gell! Also dann, tschüssadeservustschüss! 

Samstag, 2. Mai 2020

How to Festival

Ich bin ganz entspannt, so entspannt bin ich, dass ich wie ein großer weicher Käse zu meinem Tischlein gewabert bin und ganz transzendent mich auf die Schäse habe gleiten lassen, und da waber ich jetzt vor mich hin und lächle versonnen in den grauen Himmel hinein, weil dem fühl ich mich grad ziemlich nah, dem Himmel, ganz hinauf hab ich mich meditiert, kein Yoga brauch ich und auch keine Achtsamkeit, sondern es reicht mir schon eine Spargelschälung. So ungefähr beim ersten Kilo hat ein Wolkenspalt sich über mir geöffnet, eine Stimme hat hinabgescholten, „Naaa, geh weida!“, hat’s gedröhnt, „du konnstas imma no niead! Jetzt losst amoi an Opa des mocha!“, eine astrale Hand hat die meine geführt und ich hab mich zurückgelehnt, so rein intellektuell. Also zumindest geistig. Also wegen denken. Zum Denken gibt’s grad viel, zum Beispiel „Wie retournier ich mein Schminkutensil oder: Taugt Make Up für dekorative Stuckarbeiten auf dem Heimbalkon?“ weil wo man bis neulich im ungeschminkten Urzustand im Licht des Laptopbildschirms fahl, doch unbehelligt vor sich hin hat glänzen können und dann nur manchmal ist eine kleine Hektik ausgebrochen, wenn man sich richtig schick gemacht hat, schön mit Frisur toupiert und sauber Smokey Eyes und verruchten Rotelippensollstduküssen, weil man geht am Nachmittag endlich einmal wieder fein aus. In den Baumarkt, zum Beispiel. Ach, da haben wir ja schon erörtert dass da alle Gegebenheiten zum Großevent von Haus aus installiert sind, und jetzt neuerdings zum noch viel besseren Festivalgefühl hat’s vor so einem Baumarkt auch hübsch mit flatterrotem Absperrband sorgfältig in Kurven gelegte Warteschlangengatter, also es fehlt nur noch ein Dosenbier oder vielleicht auch eher fünfsechs und schon ist Festivaljuchee und wie’s nach der Schlange weitergeht is’ wurscht weil das kriegst du bekanntlich eh schon nur noch Halbmast mit. Auf die Maske malst du noch eine abgerockte Mimik, alles super. Nur halt schminken nicht mehr, weil das einziges was du nachher hast ist jeden Tag ein neues Turiner Grabtuch, und ich weiß jetzt nicht wie es auf dem Reliquienmarkt grad aussieht aber auch da hat der Bedarf wahrscheinlich Grenzen. Ah, Grenzen. Muss man aufheben, doch man fragt sich, wie. Und ersinnt kreative Lösungen. Zum Beispiel eine Möglichkeit zur Vereinfachung wär wenn du dir nicht ein Joghurttelefon ans Ohr hältst sondern einmal schön hausmacher Kartoffelsalat in der Jugendherbergsgröße und dann den leeren Eimer auf den Kopf, das hat bestimmt eine Mordsakkustik und beide Hände frei für Maibowle. Und dann hab ich noch überlegt ist es sehr schön wenn man sich über Hecken, Zäune und Erdgeschossbalkongitter auf einen Ratsch verabredet, doch kaum residierst du im ersten oder höher Stock wird’s problematisch. Die Lösung steht grad ungenutzt in Freibädern und auf Tennisplätzen. Ich möchte gern einen Verleih anmelden für Bademeisterhochsitze und solche vom Referee gleich mit. Die stell ich mir gegenüber an die Hecke und empfange fortan Besuch mit Kartoffelsalateimern auf dem Kopf. An der Telefonschnur zieh ich Grillwürstel auf. Ich glaub, das geht schon.