Freitag, 25. Mai 2018

Küchennazi

Wie wir schon öfter lesen durften, bin ich in den generellen Tätigkeiten des Lebens auf Effizienz getrimmt. Spezialeffektiv verrichte ich mit großem Körpereinsatz am liebsten acht Handgriffe gleichzeitig, nur um dann festzustellen, dass ich ja gar nicht acht Hände habe, was sich unterm Strich gern als spezialuneffektiv erweist. Was dann, wir erinnern uns, zu Situationen führt, dass ich bereits während des Zähneputzens den Wohnungsboden einmal durchfeudeln muss, anstatt dass ich einfach ins Waschbecken hineingesabbert hab wie jeder vernünftige Mensch. Wobei man jetzt sagen kann, dass ein gelegentliches Bodenfeudeln ja auch noch keinem geschadet hat, also hab ich schon wieder recht. Besonders spezialeffektiv bin ich in Küchenverrichtungen, sprich Nahrungszubereitung. Das hat zwei Gründe. Erstens bin ich sehr, sehr viele Jahre bei einer Dame in die Lehre gegangen, die auf dem Papier zwar eine niederbayerische Pädagogin ist, im Herzen aber eine sehr unpädagogische Chinesin. Da wenn du einmal zu lang überlegt hast, welche Abmessungen genau mit „mundgerecht“ gemeint sein könnten, oder vielleicht dich mal eine Sekunde verloren hast in der Ergötzung einer vor sich hin bratenden Sache, dann hat sogleich eine Peitsche sauknapp am Ohrwaschl vorbeigeknallt und du bist entweder sofort rausgeschmissen worden aus dem Hoheitsgebiet und mit Liebes- oder noch schlimmer Nahrungsentzug gestraft oder dir ist das Küchenwerkzeug entrissen worden wegen „da mach ich’s lieber gleich selber“. Meinen Meister hab ich dann hernach noch ein paar Jahre machen können in einer Küche, die ungefähr so groß war wie eine durchschnittliche Umkleidekabine, nur nicht ganz so gut ausgeleuchtet, mit einer winzigen Arbeitsfläche, auf der immer sehr viele andere sehr wichtige Dinge gelegen sind wie Handtascheninhalte, Behördenbriefe oder Partyzubehör, und da lernst du halt, zur Geschwindigkeit auch noch mit einer minimalistischen Eleganz zu arbeiten, wo du sagst, Ronaldo auf dem Bierdeckel ist nichts dagegen. Am liebsten würd ich alles nur mit einem kleinen Schweizer Taschenmesser machen. Und ich gebe zu, dass das zu einem problematischen Gesamtergebnis im Heute führt. Vor allem im Miteinander. Mit mir alleine in der Küche komm ich weitestgehend ganz gut zurecht. Aber es gibt da, sagen wir mal: eine Person, die 1. lieber nacheinander tätig wird und zwischendurch gern Kontemplationspausen und dabei versonnen auf anbratende Sachen und überkochende Töpfe blicken; 2. muss sie ihre undomestizierte Urtümlichkeit unter Beweis stellen, indem für egal welche Verrichtung Hauptsache das weltallergrößte Brett sowie das weltallergrößte Messer genommen wird, vermutlich um sich seiner Identität zu versichern und auch mit Kochschürze bekleidet das Gefühl zu behalten, man würde gerade mindestens ein Land heroisch von einem Schurkenstaat befreien oder mit schwerstem Gerät einer Ruine zu Leibe rücken, um daraus ein Kinderheim zu basteln. Ich geh dann aus der Küche und lass es ihn lieber gleich selber machen. Soll mir keiner nachsagen können, ich hätte über die Generationen hinweg nichts gelernt. 
So. Schlusssatz. Haben wir nicht. Weil ist 1. eh viel effizienter ohne und 2. muss ich jetzt lieber mal in meine Küche schauen. Oder in den Spiegel, ob mir wieder jemand heimlich einen „Küchennazi“-Zettel auf den Rücken gepappt hat.

Freitag, 18. Mai 2018

Rentiere

Neulich wurde ich zu einem Notfall gerufen. Im wahrsten Sinne aller Worte, schallte es mir doch in Allerherrgottsfrühe panisch entgegen und kommandierte mich zur sofortigen Einleitung intensiver Erste-Hilfe-Maßnahmen ab. Hab ich natürlich alles stehen und liegen gelassen und bin hinfortgeeilt zum Ort, der, wie sich sogleich herausstellte, Tragödie. Alles umsonst, alles zu spät, der Patient war tot. Requiescat in pace, ruhe in Frieden und vor allem in fünf Plastiktüten gehüllt im Kühlschrank. Weil sagen wir mal so: So einen Mordstrummkarpfen, den schmeißt man halt, nachdem man ihn vom Rückenschwimmen befreit und äußerst unwürdig aus dem Wasser gereust hat, dann doch nicht einfach so auf einen Kompost, wenn man nicht vorhatte, Feldstudien an Nagern vorzunehmen, und in eine Mülltonne auch nicht, wenn die erst Tage später geleert wird und sich entsprechend in der Sauhitze in einen Schnellkochtopf verwandelt. Gekröseexplosion, will kein Mensch. Gottlob war das Herrchen, das, so hat es mir mitgeteilt, gerne anonym bleiben möchte, bereits in Kenntnis gesetzt über einen überraschenden Schwächeanfall des goldenen Lieblings, andernfalls hätt man sich überlegen müssen, ob man vielleicht stattdessen ein Brathendl ins Gewässer aussetzt und dann so tut, als hätte man von nichts gewusst. Im Gegensatz zur Loriot’schen Annahme, es befänden sich überall in Kellern Herren im Ruhestand, ist es nämlich in Wahrheit ganz anders. Herren im Ruhestand sitzen nicht mehr brav daheim und lösen Kreuzworträtsel, erringen olympische Fähigkeiten im Gemüseakkuratschneiden, lustwandeln durch selbstgezüchtete Rosenhaine oder platzwarten gar ihr Wohngebiet zu Zucht und Ordnung, nein, Herren im Ruhestand sind erstens dauernd im Freizeitstress und entdecken zweitens ihre späte Liebe zu möglichst behandlungsintensiven Lebewesen. So hat mir eine Dame berichtet vom Hühnerhobby ihres Vaters und wie sie gleichsam gerührt wie verwundert zur Kenntnis nehme, dass wann immer sie das Elternhaus besuche dieses zwar nach und nach verfalle, im Garten aber von Mal zu Mal ein neues Hühnerhaus zu finden sei, das in Design und Architektur seinesgleichen suche. Eine andere Dame rapportiert gelegentlich von der Notwendigkeit des „Taubenwürgens“ in väterlicher Abwesenheit, was irgendeinen ornithologischen Hintergrund hat, vordergründig aber einfach nur absurd ist. Denn eine andere Eigenschaft des tierischen Ruhestands scheint sein zu müssen, dass sich akkurat diejenigen dieses Hobby zulegen, die gern die Hälfte des Jahres mit Reisen ins Ausland verbringen. Und dann steht man da und muss Tauben würgen oder ein gänzlich undurchsichtiges Wirrwarr kilometerlanger Schlauchkonstruktionen, mit denen die Ingeniöre im Unruhestand umeinanderexperimentieren, zu domptieren versuchen. Quo vadis, Modelleisenbahn?  Und wem jetzt die Puste ausgeht, der sucht sich vielleicht für den Montag eine besinnliche Betätigung. Ich tät mich auch für Vermittlerdienste im RenTier-Segment zur Verfügung stellen. 

Samstag, 12. Mai 2018

Reproduktionsgesinnung

„Ich habe Fenster geputzt.“ Dieser Satz ist wahr. „Ich habe geputzte Fenster“ hingegen eine große Lüge, muss es doch qua grammatischer Definition des Plusquamperfektes als einer in der Vergangenheit abgeschlossenen Handlung heißen: „Ich hatte geputzte Fenster gehabt.“ Für ungefähr … sagen wir … fünf Stunden. Seitdem habe ich milchglasig gelbe Fenster. Das passt insofern gut, als sich die sehr harmonisch einfügen in meinen ganzen Rest. Ich habe einen gelben Schreibtisch, auf dem ein gelbes Telefon steht und auch ein gelbes Notebook. Meine früherschwarzen Hosen sind gelb und meine weißen Shirts auch, mein Fußboden ist gelb und die Tapser ebenfalls, auf dem Sofa sind gelbe Fußabdrücke, die ich feinsäuberlich dort hinterlasse, nachdem ich auf meinem gelben Balkon war und dort mit jedem Schritt einen Zentimeter Gelbheit mehr unter die Sohlen gepappt habe. Ich hab gelbes Basilikum und eine gelbe Gießkanne und gelbe Geranien, ich finde das Wort „gelb“ unerhört, je öfter man es schreibt und sagt, desto seltsamer wird es. Gelbgelbgelb. Leg ich mein Handy auf einen Draußentisch und schau ganz kurz woanders hin, so ist das Gerät im nächsten Moment verschwunden, und erst nach einigen panischen Anfällen hab ich begriffen, dass es hilfreich ist, einmal beherzt über die vermutete Aufenthaltsstelle zu pusten, auf dass sich die Wogen teilen und das Gerät wieder freigeben wollen. Angeblich sind die Fichten schuld an allem. Allerdings wenn ich mich auch noch so weit aus dem Fenster lehne und den Hals ganz arg hinausstrecke – keine Fichte weit und breit, sondern nur ganz viel Nichtfichte, und dabei hat man schon eher das Gefühl, dass einem andauernd eine Fichte hinterherläuft und sich grad so schüttelt vor Lachen und dabei säckeweise Gelb über einen auskippt. Aber: Immer wenn ich mich ganz spezialschnell umdreh, dann ist da einfach gar keine Fichte. Trotzdem Fichtenmasterjahr. Heißt so. Weil bei den Bäumen setzt eine „Gesinnung nach Reproduktion“ ein, angeblich, und da muss ich jetzt schon einmal sagen: Pfui Deifi! Wenn das jeder so machen tät! „Ooooh, ich hab so eine Gesinnung nach Reproduktion, geh ich doch einmal hinaus und dann dings ich umeinander, irgendwen wird’s schon treffen, und wenn nicht, dann latscht sicher einer hinein ins Dings und verteilt’s wo’s hingehört, quasi Riesenbiene.“ Also gut, füg ich mich halt in mein Schicksal. Vielleicht wenn ich mir die Wadeln noch mit ein bisschen Kleb einschmier, Bodylotion oder so, dann hält das alles besser, und dann kann ich mit großen Pollenpaketen an den Beinen über Wiesen springen und ganz nebenbei ein bisschen vor mich hin befruchten. Den Rest erledigt die gelbgefüllte Nase und hier und da ein beherztes Niesen. Nur halt lieber vorher schauen, dass da nicht grad das Handy … Naja. Vielleicht ist’s auch alles nur Söderstrandstaubschallundrauch. Wär aber auch irgendwie eklig. 

Freitag, 4. Mai 2018

Jubeljahre


Man ist ja manchmal schon ein bisschen selber überrascht, wie lang man eine bestimmte Sache durchgehalten hat entgegen seiner eigenen und vor allem der Annahme verschiedener Dritter. Vielleicht ist das ein bisschen der Grund, warum man ständig seltsame Geburtstage feiert. Eine neue Dings ist plötzlich „schon 1 Jahr alt“. Kinder beispielsweise, wo man dann schon kurz überlegen muss, ob das Kind jetzt wirklich dringend eine Party feiern möchte oder nicht vielleicht in Wahrheit lieber die Eltern, derweil dem Kind eigentlich egal ist, ob es unter Bäumen oder Girlanden an einer Kaugummidose lutscht oder einer Geburtstagsrassel, aber solang das Ergebnis das gleiche ist, nämlich fröhliche Erwachsene und Kinder, meinetwegen. Dann muss man „drittes Jubiläum“ feiern und dann fünftes, weil das ist schon fast zehn und so eine tolle Zahl wie auch die „7“, weil die bringt Glück sowie verschiedene andere Zahlen auch, in irgendeinem Land auf der Welt wird’s schon ein gutes Zeichen sein, neun oder acht oder sechs. Dann ist man zehn, superrund, eh klar, bei der 11, da muss geschnapselt werden, zur Zwölf kann man auch „Dutzend“ sagen, wie toll, 13 ist wie Pentagramm, für die einen heilig, die anderen nich so. Für 14, 15, 16 bedarf’s dann schon einer gewissen Kreativität, und beim 18. hab ich früher immer gedacht, ist es schon eine größere Leistung für zum Beispiel einen Verein oder sonstirgendeine Einrichtung, so lang überlebt zu haben, als für einen Menschen, aber seit dem Pubertier bin ich da nicht mehr so sicher. Jedenfalls: So geht das immer weiter, nach oben dünnt’s dann aus, der Mensch scheint einsichtig zu werden, dass nicht jede Jährung des Wunders seiner Geburt eines Galadinners mit Orchester, Rede und Stargast bedarf. Also, öhm, en gros, sagen wir mal. Aber ab und an muss man schon einmal sagen „Aufgemerkt!“, sagt man dann, ich bin fei schon ein bisschen selber verwundert, dass ich mich immer noch nicht derennt, dersoffen, dergrämt oder sonstwie derhutzt hab. Oder man tippt die magische Zahl 250 in ein Verzeichnis hinein. Dann geht man zu seiner Lieblingssklaventreiberin und sagt, du, Susanne, sagt man dann, gehst du mit mir am Freitag 250. Sofa feiern?, und ist ganz schüchtern in der Fragestellung. „Ich glaub du spinnst!“, lautet die unerwartet liebreizende Antwort. „Natürlich nicht!“, weil ehe man sich’s versähe feiere man dann 275. und dann 300. und dann 333. und dann am besten gleich jede Woche. Und das sei selbstverständlich unerträglich. Also was mich angeht fändete ich das dem Anlass durchaus angemessen, aber gut. Entsprechend würde ich vorschlagen, dass ich mich vom einzigen Menschen, der die Mühsal zu würdigen weiß, feiern lasse, nämlich mir selbst, und begehe das sich jubilierende wöchentliche Wunder heute Abend an einem geheimen Ort namens „Balkon“. Wer sich dazuverirren möchte – gerne. Sagen wir: 18 Uhr?