Freitag, 27. September 2019

Urlaubssport

Ich hab mich grad ein bisschen umständlich hinter den Schreibtisch geklemmt. Also ich möchte fast eher von einer Art Einhaken sprechen, wegen der mitschwingenden Steifheit. Weil so ein Haken, der geschmeidigt sich ja auch eher nicht mal in die eine Form und dann in eine andere, sondern muss halt schauen wie er klarkommt. Muss ich auch. Das liegt zum einen an dem Exoskelett, in das ich mich eingeklinkt hab. Sagst du: Hey prima, Exoskelett, das würd mir den Kieser ersparen und eh überhaupt jede Ertüchtigung, weil wenn du so ein schönes Exoskelett hast, dann flutschst du deinen Gallertkörper da morgens hinein und schon bist du in Shape und abends gießt du dich selbst auf die Couch hinauf statt ins Fitness! So weit, so richtig, nur handelt es sich im vorliegenden Fall nicht direkt um eine futuristische Rüstung, sondern lediglich um eine profane Jeanshose. Ja babababaurlaubdolcevitapfft! In erster Linie ist die frisch gewaschen. Deswegen muss man jetzt eigentlich ein bisschen flach atmen und liegen. Wenn man dann eine Stunde später feststellt, dass sich am Beklemmungsgefühl nichts geändert hat, kann man immer noch in Wehklagen ausbrechen. Oder halt Prophylaxe, so wie ich, und das ist jetzt der zweite Grund für die relative Steifheit, weil ich gestern – eine Frau, ein Wort! – meine großspurigen Ankündigungen in die Tat umgesetzt hab, meine Fördermitgliedschaft im Fitnessstudio in eine aktive rückzuverwandeln. Weil es ist ja so, dass man im Sommer eh dauernd sich so viel mehr bewegt als in einem Winter oder Herbst und Frühling. Man fährt ja andauernd Fahrrad, man geht ständig mit einem Schläger auf einen Ball hinaufdreschen, man schwimmt unzählige Kilometer, und nicht zu vergessen die Unterarmkräftigung beim Grillkohlewedeln. Wo man bei genauerer Betrachtung sagen muss, dass das eigentlich der Hauptsport war, weil für alles andere war’s bekanntlich zu heiß. Um nicht vollends zu verschrumpeln hab ich im Urlaub tapfer die tägliche Teilnahme am Aqua-Gym verkündet, schön vormittags eine halbe Stunde planschen, dann hat man sich den restlichen Tag Pizzapastaprofiterol schon wieder verdient, das machen sicher alle so! Zehn Minuten später bin ich im Krebsgang heimlich aus dem Spaßpool getürmt und hab die fünf älteren Damen, die in der Mitte behäbig geturnt haben, während vorne Modelmädchen ihre Instaskills gezeigt haben und außenrum 300 kleine und große Menschen schenkelklopfend Handyfilme gedreht, zurückgelassen. Ob es später erniedrigender war, mangels Badehaube aus dem Schwimmerbecken gebademeistert zu werden oder anschließend mit einer frisch erworbenen solchen – signalblau und drei Größen zu klein – Bahnen zu ziehen, weiß ich gar nicht so genau, möchte mir aber nicht nachsagen lassen, ich hätte es nicht versucht! Die Jeanshose spannt übrigens immer noch gewaltig. Ist schon verrückt, wie schnell sich so eine Muskulatur wieder aufbaut, nach nur einmal wieder ein bisschen Pilates. 

Bräsigsein

So, zum Glück ist das jetzt ersteinmal ausgestanden mit diesem Sommer. Also freilich weiß man natürlich das stimmt eh nicht weil jetzt herbstelts halt ein bisschen und dann sagt der Herbst zu seinen Spezln „Boah eh, viel zu anstrengend, mir langt’s!“, weil das ist so ein dicker kastanienrunder, der Herbst, so ein gemütlicher, der eh viel lieber selbst am Federweißen nuckeln möchte und Zwiebelkuchen, und dann schauen sich der Sommer und der Winter an und seufzen und dann gibt’s wieder Doppelschicht. So. Ich find das super, weil ich war ja auf der Jagd nach Bräsigkeit, und da liest du einmal genau und denkst spitzfindig: Das klingt schwierig. War es auch. Hängst du bräsig am Poolrand und hast grad bequem den Bauch auf die Knie abgelegt krault’s hektisch an dir vorbei und atmet Vorwurf und schlechtes Gewissen bei jedem dritten Kraul. Hockst du bräsig im Biergarten muss da unbedingt vorbeigejoggt werden, einszwei einszwei, und du so: oanszwoagsuffa, und schlimmstenfalls kennt dich der Vorwurfsblickwerfer dann auch noch. Also Flucht in nördliche Gefilde und Parkanlage und so ein schöner Kiosk und so gemütlich und dann auf einmal kommen gleich ganze Schwadrone angejoggt und nerven dich im Fünfminutentakt weil im Park die Runde nicht mehr hergibt. Aber wollt ich ja eh sehr viel lieber am See umeinanderbräsen. Das ist sehr augustlich, hab ich ja gedacht, und wenn ich nur weit genug hinaus fahr und dann weitab vom Trimmdichpfad, dann joggt dich auch keiner voll. Tja … „Der Sommer hat ein neues Geräusch!“, hab ich nach dem dritten Seeversuch konstatiert. Das klingt ungefähr so, als würde man auf einem Großparkplatz stehen, auf dem lustige Kinder alle prallgefüllten Reifen zerstechen. „PFRÖÖÖÖÖÖT … PFFFFFFFFFFFRIIIIIIIIIIIEEE … PFUUUUUUUUUUUUUUUH …“ So. Sind aber keine Reifen, sondern aufblasbare Stehpaddelbretter, kurz SUPs. Mit denen der Zwangsaktive jetzt eine weitere letzte Bastion der Faulheit erobert hat, nämlich den Badesee. Weil während hinter dir gejoggt wird, wird jetzt vor dir nicht mehr gefläzt, geluftmatrazt, geplanscht und getotermannt, sondern: gesuppt. Es durchkreuzen das Gewässer unzählige Bretter, auf ihnen die menschgewordene Galionsfigur in Konzentration, Würde und freilich Körperstahl zementiert, von links nach rechts und kreuz und quer und ja, es gibt den Verdacht, dass die so schauen wegen der Runterfallangst und dass sie heimlich aufsteigen hinterm Gebüsch, aber es tut schon sehr olympionique. Du so: Ah ok, lockerer Brustschwumm zu gefährlich, rasierklingt dir noch eins den Kopf ab vor lauter Pflug. Klarer Fall für Luftmatratze! Sagen wir mal so: Im Fortfolgenden spielen sich Szenen größtmöglicher Würdelosigkeit ab, in denen du gemeint hast, dass weit weg vom Ufer ja weniger Menschen beobachten können wie du deinen LSF-30-griffigen Leib aufs Luftbett hinaufgallertest und dann wie ein ausgebüxtes Geleestück darauf herumwaberst wegen Gleichgewicht. Und dann schaust du einmal auf und um dich rum und dann sind da überall um dich herum … naja. Ich hab mich dann einfach sanft von der Luftmatratze glitschen lassen. Bald kann man ja wieder Couch. 

Freitag, 13. September 2019

Aussperrkarma

Ich glaub ja nicht an viel so Esofirlefanz, aber an Karma glaub ich ganz feste. Dass man da so ein Punktekonto hat und wenn man nett ist wird das voller und dann hat man manchmal Guthaben und dann kommt wieder was zurück von einem anderen Karma oder so. Und deswegen glaub ich auch daran, dass das Karma schon alles richten wird. Menschen, die blöd sind, werden schon gerichtet. Also nicht hin. Aber halt: Die kriegen es eh immer zurück, man muss nur einfach sich entspannen und abwarten und dann kommt die Karmastrafe. Das gilt natürlich auch für Menschen, die zu mir blöd sind. Blöderweise gilt das – ja, nur fair – auch für mich, wenn ich zu Menschen blöd bin. Und so muss ich jetzt leider öffentlich Abbitte leisten auf den Knien, in die mich das Karma gezwungen hat, just nachdem ich mit feisten Backen mit der Ausführung über Adoleszenz und Vaterratschläge abgeschlossen hatte. Weil genau eine Stunde später bin ich 15 Kilometer von meinem Schreibtisch entfernt auf einem Parkplatz gestanden und hab gerufen. „Ja!“, hab ich gerufen, „Ist gut jetzt, ich hab verstanden!!“ und dabei dem Karma mit der Faust gewinkt. Eben jener selben, mit der ich eine Sekunde vorher grad noch mit einem Wahnsinnstaucheinsatz wo du sagst: brennender Tiger durch Zirkusreifen ist nichts dagegen, in mein Auto hineingehechtet bin und mit der Handbremse freundlich ihm erklärt hab dass wir vielleicht lieber doch nicht ohne Gang, dafür aber schön Schwung weiter versuchen, in die Besucherparkplatzschranke einzudringen, sondern einfach kurz warten, bis geöffnet wird. Gestanden bin ich auf dem Besucherparkplatz umeinander, weil – da schon ein kleines Vorschussdanke ans Karma – mein Autoschlüssel in der Hosentasche war. Nicht in der Hosentasche war jedoch der Wohnungsschlüssel, stattdessen aber der vom Keller, und deswegen bin ich vorher im Verschlag gestanden, hab aufs Kistl altes Bier geblickt und mich gefragt, ob eine Option sein könnte, einfach mich aufs Bierkistl zu legen, zu schauen, wie weit es her ist mit dem Verfallsdatum, und dort ein bisschen zu weinen. Weil in die Wohnung hinein hab ich nicht können und auch sonst nichts tun. Das war um ehrlich zu sein schon auch mal mein Ursprungsplan, „gar nichts machst du heut Nachmittag, das wird wunderbar“, und ein bisschen hab ich mir die Ohren zugehalten dabei, damit ich die freilich übrige Arbeit nicht so laut rufen hab hören müssen. Aber schau: Wünsche ans Universum funktioniert auch. Aber wie man’s macht macht man’s falsch. Jetzt ist man freilich doch ein bisschen erwachsen geworden und hat darum natürlich Wohnungsersatznotschlüssel um sich herum verteilt, also zumindest einen, und aber den schön grad über die Straße drüber, wenn’s einmal pressiert. Nur wenn’s einmal pressiert dann sind Wohnungsersatznotschlüsselinhaber leider sehr weit weg, also um genau zu sein einer von beiden in Hamburg zufällig, da hab ich also noch Glück gehabt mit den 15 Kilometern nur im Süden. Jetzt jedenfalls bin ich ganz verschwitzt. Vielleicht sollt ich mich doch einfach im Keller aufs Bierkistl kringeln und Helm tragen und abwarten, was noch so passiert. Schlimmstenfalls findet man mich dereinst als Axolotl wieder.

Freitag, 6. September 2019

Seetag

Ich hatte ja nach Ende der Festivalsaison angekündigt, in ein tiefes Loch der Beschäftigungslosigkeit zu fallen, weil plötzlich soll man nicht mehr einfach mit der Schafsherde in Innenstädten, Fußballstadien und Flussbetten umeinanderlatschen und Musik lieben, sondern sich selbst um eine Freizeitgestaltung kümmern. Kurz hab ich nachdenken müssen und dem Gefühl von augustlicher Bräsigkeit nachspüren, das war irgendwo tief noch drin in mir, und dann ist mir eingefallen dass man ja unbedingt mit dieser Bräsigkeit an Badeseen fahren muss und dort genau eins tun: bräsig sein. Mit Buch und riesigen Paketen mit Reissalat und Schinkensemmeln und Melone und Ballspielen für Bewegung beziehungsweise fürs Gewissen. Und los! Meinem Wunsch, im Morgengrauen schon zu starten wurde allerdings weitestgehend nicht entsprochen, und schon war’s vorbei mit der Bräsigkeit. „DANN LOHNT SICH DAS DOCH ÜBERHAUPT NICHT!!“ hab ich gezürnt und Taschen wieder ausgepackt und Reissalate in den Ausguss und Krawall weil alles kacke und zu kurz und gleich zu Hause bleiben. Es war 12 Uhr, die Reaktionen irritiert: „Es ist fei erst 12 Uhr“, hieß es, „was willst denn du da machen bis zum Abend?“ – „BRÄSIG SEIN!“, hab ich getobt und Tränenrotz verschmiert und dann erzählt: Vom Omageburtstag im August und dass da deswegen das ganze Rudel. Vom Hasenstall und Streicheln und plötzlich Hasenbraten und Böhmische Knödel. Von Pergola und Kamin und grünem Veltliner in Zweiliterflaschen und undichter Korken offenbar wegen zügiger Verdunstung. Vom Weingut im Nachbarland und dass wegen Nachschubbeschaffung die Erwachsenen zum Vorwand Badetage anberaumen. Dass Kinder dann mitten in der Nacht (7 Uhr) aufstehen müssen und ohne Frühstück („Das gibt’s wenn wir da sind.“) unfassbare Strecken (60 Minuten) grenzüberwindend (manchmal mit, manchmal ohne Pass) vorbei an Marktl (Papst), Burghausen (Mauer), Fucking (hihi) reisen an den See. Dass Gäste dort beobachten, wie aus drei Autos 20 Personen, zwei Liegestühle (für Opa und Oma!), 100qm² Decken und Handtücher (für die anderen), Sonnenschirmebadmintonluftmatratzenbälledreiräderkinderwägen UND mehrere Kühlboxen quellen, auf die sich das ganze Rudel sogleich unter größtmöglichem südländischen Gezeter stürzt und völlig ausgehungert das komplette Tagesmahl verschlingt, weswegen später unter der strengen Omaregie ein Teller Pommes für alle reichen muss, weil es gibt ja dann nach Seedurchquerungbadmintonschwimmtrainingsonnenbadentirolernussölweißbieruno erst Veltlinerkisten auf Kinderschöße und dann im unter anderem für seine idyllische Inn-Lage bekannten Braunau Schnitzel und Kaiserschmarrn. Um dann später, viel später in einer Pergola am Lagerfeuer zu sitzen und dem Veltliner beim Verdunsten zuzusehen … „… und das ist meine Lebensschablone für ‚Seetag‘“, hab ich referiert, „Und bräsig muss man doch auch noch sein. Wie soll das gehen in nur zwei Stunden oder drei?“ Sagen wir mal so: Überzeugung kann ich. Schüssi!