Freitag, 26. Januar 2024

Altpapier

 Wenn mich jemand fragen würde „Auf einer Skala von eins bis zehn: Als wie faul schätzt du dich derzeit selbst ein?“ täte ich folgende Geschichte erzählen: Wie jeder brave Bürger habe ich in meiner Küche eine Müll-S(i)t(u)ation. In preußischer Ordnung stehen verschiedene Behältnisse bereit, mit verschiedenem Müll befüllt und von Zeit zu Zeit in große Tonnen entleert zu werden. Also nenne ich eine Altglassammelstelle mein Eigen sowie eine kleine Kompostieranlage, die wegen Dings erst dann zur grünen Tonne verbracht wird, wenn sie eigenständig dorthin zu laufen droht. Außerdem einen Gelben Sack, der keiner mehr sein darf und deswegen jetzt ein großer Müllbeutel ist. Und dann wär da noch das Altpapier, um dessen Entsorgung sich eine klitzekleine Unsitte eingebürgert hat. Weil es mit Mühen verbunden ist, die Box mit Werbemitteln, Rechnungen und Parteiflyern regelmäßig zu schultern, ein volles Stockwerk nach, zur blauen Tonne und das Ganze wieder retour zu wandern, wird Altpapier seit einiger Zeit klug in Behältnissen gesammelt, die ohnehin auch zum Wegwurf bestimmt sind, z. B. eine Papiertüte. Die Idee ist also: Wenn ich dann einmal das Haus verlass, nehm ich den ganzen Klumpatsch einfach locker untern Arm geklemmt mit hinunter, entledige mich des Altpapiers samt Behältnis und gehe pfeifend meiner Wege, anstatt die schreckliche Tortour des nochmal-Raufgehens zu durchleiden. Nach einem ganz ähnlich ausgeklügelten System funktioniert übrigens auch die Entsorgung des Altglases: Man stelle leeres Marmeladenglas & Co. möglichst störend neben die Wohnungstür, um immer dann, wenn man das Haus verlässt, die Recyclingware mitzunehmen und sie in den nächstgelegenen Container zu entsorgen. So die Theorie. In der Praxis verlässt man (ich) das Haus immer derart auf den letzten Drücker, dass ein einsekündiges Innehalten am Altglascontainer (ich hab es einmal versucht mit elegantem Einwurf im Vorbeilaufen, danach hab ich gehofft dass mich niemand gesehen hat und die Idee eilig begraben) absolut außerhalb des Machbaren liegt. Das gilt vor allem bei der Reise mit dem Fahrrad, wo im Korb – wie praktisch! – viele Gläser auf einmal transportiert und entsorgt werden können. Wenn man dran denkt. Wenn man nicht dran denkt, zum Beispiel, weil man so beschäftigt ist damit, sich ein Thema für eine Kolumne zu überlegen, fährt man gern einmal tagelang leere Honig-, Gurken- oder Weingefäße von A nach B und macht dabei lustige Geräusche … Nach einigen Tagen Thrill (Wie lang wird sie halten?) mit der Papiertüte ist diese soeben unter dem Druck eines winzigen Teebeutelpapierchens geborsten und hat sich auf den Küchenboden entleert. Ich hab mir gedacht „Jetzt ist’s eh auch wurscht“ und hab das nächste Papierl direkt einfach dazugeschmissen … Ob’s die Antwort auf die Frage auch in kurz gibt? Ja: 15.

Freitag, 19. Januar 2024

Glatteis

 Ok Leute, ich war echt vorbereitet an diesem 17. Januar. Ich hatte kleine Carepakete mit Streusalz geschnürt, um sie Passanten in misslicher Lage zuzuschussern. War dick eingesalbt mit Gesichtsschutzcreme (die Barriere!), hatte Taue und Seilzüge um meine Schultern geschwungen, um Menschen, Autos und Busse aus dem Stadtgraben zu befördern sowie Kinderwägen und Rollatoren den Burgberg hochzuziehen. Hatte meterweise Schleifpapier (CAMI 12) in den Taschen, um vorbeischlitternde Ledersohlen den notwendigen Grip zu verleihen. Das Abendessen vom Lieferdienst war weise schon am Vorabend bestellt, damit der rechtzeitig losfahren konnte. Es fehlten einzig meine Schneeketten an den Wanderschuhen und: das Jahrhundertglatteis, das mir versprochen war … Vor vielen Jahren war ich mal auf einer Kaffeefahrt. Ok, in Wahrheit war es eine Restalkohol-und-Glühwein-Fahrt, aber das soll nur der Ehrlichkeit halber Erwähnung finden. Mit dem Verlauf des Ausflugs hatte das nämlich nur marginal zu tun. Der Ausflug begann am frühen Vormittag mit einer Person (ich), die sich mit dem Verlassen der Haustür unversehens auf ihren vier Buchstaben wiederfand und aus dieser bequemen Lage heraus einer zweiten Person dabei zusah, wie diese gemächlich, doch unstopable den minimal abschüssigen Gehsteig entlangglitt, unkontrolliert mit den Armen ruderte, dabei zufällig nach einigen Metern einen Ampelmast zu greifen bekam, um welchen sie eilig ihre Extremitäten wickelte und sich verdutzt die Augen rieb ... Da hingen die zwei Eislaufprinzessinnen also, verstanden die Welt nicht mehr, tapsten dann in Pinguinhaltung (Oberkörper voraus) gen U-Bahn und staunten, während eine Freundin, so erfuhr ich später, grade erst zu Hause angekommen war, nachdem sie Stunden zuvor ein Tanzlokal verlassen und den vermeintlich kurzen, doch burgbergversperrten Heimweg nurmehr auf allen Vieren und unter dem Einsatz ihrer Stilettos als Steigeisen bewältigt hatte ... Auf dem Weg zur U-Bahn, den wir nur hangelnd zurücklegen konnten, kreuzten wir querstehende Busse, rückwärts schlitternde Autos und Käfermenschen, und wie genau wir’s damals zum Bahnhof geschafft haben, kann ich nicht mehr rekonstruieren. Der Ausflug ging in die Annalen ein, was einerseits der weltbeeindruckendsten Eisschicht zu verdanken war, mit der ganz Franken an diesem 6. Januar überzogen war wie mit Fondant, andererseits der vollständigen Abwesenheit irgendeiner Art von letzte Woche bereits angesprochener Outdoor-Ausrüstung, da der Mensch damals noch jung, eitel und ignorant war und sich im Gegensatz zu heute sehr gut mit Indoor-Ausstattung auskannte, nur dass die damals aus Stöckelschuhen, Glitzertäschchen und Lippenstiften bestand anstatt wie heut aus Plüschonesie und portablen Heizdecken. Dahin hab ich mich dann wieder verkrochen. „Wetter“ ist auch nicht mehr das, was es mal war.

Freitag, 12. Januar 2024

Indoor-Ausrüstung

 Der Bayerische Wald und ich. Eine Liebe, die vor einigen Jahren als ironisches Statement geistiger Frühverrentung begann. Während andere in Tirol und dem Wallis herumstapften und die Vorzüge der weiten Bergwelt rühmten, legte ich eine Klopapierrolle auf die Hutablage und fuhr von Heimatsendungen des Bayerischen Rundfunks begleitet gen Osten, um im Anschluss über „genau so schön“, „viel näher“ und „so günstig“ zu referieren, zudem Sprachbarriere hüben wie drüben zwar gleich, doch heimatliche Gefühle zum Waldgebell wegen emotionaler Nähe zum bayerischen, weil familiären Idiom. Dann bin ich da einfach hängengeblieben, was mittlerweile zumindest hinsichtlich der geistigen Frühverrentung nicht mehr weiter auffällt. Dementsprechend habe ich in der ersten Jahreswoche, während der Pöbel noch erdrückt von der Last seiner eigenen Neujahrsvorsätze (oder eines veritablen Katers) daheim brachlag, meine 120 Pferdestärken gesattelt und bin in den geliebten Wald gesaust, um mitsamt allen Geschwistern nebst Kind und Kegeln nicht nur meine Nerven, sondern vor allem auch sämtlich vorhandene Outdoor-Ausrüstung auf eine schwere Probe zu stellen. Das war so nicht geplant. Versprochen waren mir Poolentspannung, Saunagänge und Winterwonderland. Ersterer jedoch fand sich nach langer Suche auf dem Herbergsgelände zusammengefaltet in einer Gartenecke wieder, um dort auf den Einsatz im Sommer zu warten. Zweitere stellte sich als wenig liebevoll und vor allem wenig beheizte Installation im Herbergskeller heraus, und der Genuss von drittens wurde empfindlich gestört von Tief Annelie, das mit vollen Regenbacken über uns zum Stehen kam, um sich dort anhaltend zu entleeren. Die gute Nachricht: Ich weiß jetzt, dass meine Outdoor-Ausrüstung mich für alles von -10° Tiefschnee über orkanartigen Sturm mit Überschwemmung bis horizontalen Starkregen auch über längere Zeit bestens imprägniert und kann mich fortan einem Thema widmen, das nicht minder wichtig, doch bislang schmerzlich vernachlässigt ist: der Indoor-Ausrüstung, zu der es vergleichsweise wenig Literatur, dafür jedoch größten Bedarf gibt. Mögliche zu verhandelnde Sujets könnten hier sein „Hüttenschuh oder Lammfellsocke – dein perfektes Fußklima auf der Couch“, „Die Häutung der Riesenboa – effizient, doch elegant beim Toilettengang trotz Plüsch-Onesie“, „Wärmflasche vs. Zimmerbrand: Wir entdecken Vor- und Nachteile“, „Kinetik Grundkurs I.: Wie viel Wärme erzeuge ich im Liegen?“ oder „Endlich Heimwerken – Fußbodenheizung nachrüsten mit Heizdecken aus dem Discounter“ und „Spieglein, Spieglein: Effektives Isolieren mit Alufolie“. Fröhliches neues Jahr!