Freitag, 27. Januar 2017

How to 90s

Jetzt kann man natürlich sagen: Wasmeierin, wennst schon nicht zufrieden bist mit unseren vergeblichen Versuchen, uns modisch einer Zeit zu verschreiben, die so großartige Gewächse wie dich hervorgebracht hat, dann belass es doch bitte nicht bei der Destruktion, sondern führe uns mithilfe konstruktiver Kritik auf den rechten Weg! Dann wind ich mich ein bisschen und winke ab und werd ein bisschen rot wegen hachz zu viel der Ehre, aber freilich knick ich ein und sag: Hucheissa, wenn ihr mich so dringend darum bittet, dann will ich mal nicht so sein! Also: Wir beginnen exemplarisch und unten. Gehen Schuhe kaufen, und trotz dessen wir eigentlich kein Geld haben, holen wir uns das Teuerste, was der Markt hergibt: Docs oder Superstars. Die aber umhüllen wir jetzt nicht mit Watte und Folie, um sie möglichst lang möglichst neu aussehen zu lassen, sondern beginnen alsgleich, damit gegen Mauern, Pfosten und Mülltonnen zu treten, um die Latschen möglichst schnell möglichst runtergeratzt zu haben, damit nicht der Verdacht aufkommt, wir wären irgendwie wohlhabend. Dann Hose: Es gibt nicht 58493 Varianten, sondern exakt eine, und die heißt „Levi’s 501“. Die ist freilich auch viel zu teuer, aber mit Glück finden wir eine für 100 Mark im K&L und belästigen unsere Eltern tagelang mit diesem einzigen Wunsch auf Erden, bis der Widerstand bricht und diese unfassbar teure Hose zu Geburtstag, Weihnachten oder Konfirmation erstanden werden darf. Jetzt kommt das wichtigste: Wir nehmen das gute Stück sowie eine Schere und, wohlwissend, damit einem Hausarrest- oder Enterbungsszenario wieder einen Schritt näher zu kommen, schneiden die Hose, die wir extra zu diesem Zweck drei Längen zu groß erworben haben, entlang der Naht unten auf. Achtung, wichtig: Es sind ausschließlich die Innenseiten zu öffnen und hierbei darauf zu achten, hinter der Naht zu arbeiten und nicht davor. Alles andere identifiziert dich umgehend als Trottel. Sinn und Zweck des Ganzen ist es, hernach von den Schuhen, und das wird jetzt schwierig für euch, möglichst nichts außer vielleicht der Spitze mehr zu sehen. Das hintenüberhängende Stück latscht sich mit der Zeit in Fetzen hängend ab. So. Nach Absitzen des Hausarrestes holt ihr euch einen farblosen Kapuzenpulli, trennt den einzigen Hinweis auf die Marke, nämlich elend buntes Obst, sorgsam hinaus und tragt darunter Shirts mit denselben schwachsinnigen Sprüchen, die ihr euch heute quer über den haarlosen Leib tätowiert. Vorteil: Ihr müsst euch später nur noch über Fotos schämen und nicht bei jedem Blick in den Spiegel. Das wären also jetzt mal die Basics. Viel Erfolg beim Üben! 

Freitag, 20. Januar 2017

Kasperltheater

Obgleich es viel zu sagen gäbe zu dem Umstand, dass der modisch versierte Zeitgenosse sich auch von arktischen Verhältnissen nicht davon abhalten lässt, den Fußknöchel im Zuge eines Balzrituals, das sich dem Uneingeweihten nicht recht erschließen mag, als neues Dekolleté zu deklarieren und sich zwar allen Stoff der Welt um den Hals zu winden, dafür aber mit so mageren wie blanken Fesseln durch den Schnee zu stolpern, gibt es eine andere modische Erscheinung, die mich weniger achselzucken, dafür aber ins Grübeln stürzen lässt. Nämlich: Möchte nicht bitte endlich jemand Mitleid und ein Einsehen haben und den ganzen verwirrten fancy Kids da draußen sagen, dass es sich mitnichten so verhält, dass sie als ehrvolle Reminiszenz an die von ihnen scheints romantisch verklärte „Erinnerung“ einer goldenen Ära der 80er und 90er durch die Straßen wandeln, sondern schlichtweg aussehen wie die Vollidioten dieser Zeit, weswegen ungefähr zehn Generationen permanent damit konfrontiert sind, sich entweder vor Schreck und Ekel oder wiehernd vor Lachen abwenden zu müssen? Beispiel: Bomberjacke, Klorixhose, Springerstiefel. Während hier der Herztakt aller Ü30 kurz ins Stocken gerät, jauchzt ein kleiner Teil der Leserschaft heiser auf (oder halt nicht, ich weiß schon, weil die kommen gar nicht auf Seite 39, sondern wischen immer noch auf Seite 1 umeinander) und ist schon auf dem Weg zu einem dieser besagten Läden, die „Store“ heißen und in denen die Sachen aus der Altkleidersammlung als „Neuware“ teuer an den Modedepp verscherbelt werden. Mit einem gewissen Neid nehme ich zur Kenntnis, dass Teile, die selbst uns damals zu scheußlich war, von findigen Trendsettern heut neu aufgelegt, als heißer Scheiß angepriesen und den armen Trotteln untergejubelt werden. Ich mein, allein Schuhe! Da gibt’s was vom Nike, das sieht aus wie eine Mischung aus einem über eine Gummisohle gespannten Ballon, dem man die Luft ausgelassen hat, und Reptil. Hamse uns damals nicht andrehen können, geht jetzt weg wie warme Semmeln. Oder die Weibsen, wo unterm bis zum Busen hochgezogenen Pannesamt schwarze Gummiklötze rausschauen, wo sich irgendein Baumarktartikelhersteller gedacht hat „Du Gerd, wir haben noch so viel Verschnitt von den Waschmaschinenunterlegmatten, da machen wir jetzt was draus!“ Ich weiß, ich weiß, ich bin einfach nur alt und versteh das alles nicht. Und beschwer‘ mich auch nicht eigentlich. Weil schließlich fühle ich für meinen Teil mich bestens unterhalten von den unschuldigen Parodien. Und außerdem ist bald Fasching, und selten war es leichter, sich die tollsten Kostüme zu besorgen, ohne einen Karnevalistenladen betreten zu müssen.  Ach und: Ja, ich weiß. Unsere Eltern haben das gleiche gesagt, als wir mit unserer ersten gebatikten Schlaghose heimgekommen sind. 

Freitag, 13. Januar 2017

Panne? Samt!

Juhu! Neues vom Pubertier! Dieses wand sich zwischen den Jahren vor einem Spiegel, den Blick gebannt auf das darin zu Sehende gerichtet, schier überwältigt vom eigenen Anblick. Mir ging es ähnlich, obgleich vom Anblick desjenigen Stoffes, der sich um des Kindes sprießenden Leib spannte. Wegen frappierender Ähnlichkeit zu dem, worauf man die Oma vielleicht zum letzten Geleit im Sarg bettet, wenn man möglicherweise aus den 90er Jahren verbliebene Reste des Gewebes nicht längst mit einem großen Ekel in den Müll geworfen hat. Rechtzeitig bevor ich diese Assoziation hätte äußern können, wurde mir strahlend mitgeteilt, das schimmernde Objekt undefinierbaren Farbtons habe man beim letzten weihnachtsgeldsubventionierten Raubzug ergattert, im holyshitfancy Laden Irgendwas. Hab ich dann nicht gesagt, dass die ihre Ware vermutlich aus meinem Müll geholt haben. (Wenn man den Namen des Stoffes kennt, ist’s jedoch schon wieder lustig: Pannesamt.) Sondern: „Ja Mensch, du, man darf echt nichts mehr wegwerfen, wenn ich das gewusst hätte, dass das wieder … dann hätt ich nicht beim Umzug erst … Tops und Röcke … hätte dir auch alles gepasst … weil das kannst du dir jetzt nicht mehr vorstellen, aber damals … also weil ich war ja auch mal … naja …“ – „OOOOOOOOOOOOOOH!“ warf sich das Pubertier an meine Brust, den Blick voller mittelhilfreichem Mitleid und ehrlich versuchtem Verständnis. Es ist ja kein schlechter Mensch, das Pubertier, ganz im Gegenteil hat es ein medizinballgroßes Herz, doch schaukelt dieses zuweilen nussschalengleich auf der stürmischen See der Emotionen. Kennt ihr dieses Spiel, was zumal Kleinstgemüse in großes Gelächter versetzt? Hand vor dem eigenen Gesicht rauf unter runter bewegen und stets mit einem neuen Gesichtsausdruck auftauchen. In etwa so geht auch das Spiel, das das Pubertier derzeit am meisten liebt. Nur andersrum. In der einen Sekunde betritt es den Raum lachend und jauchzend und sprudelnd wie eine explodierte Fantadose. Verlässt den Raum, kehrt eine Minute später zurück. Schweigen. Mundwinkel bis zum Bauchnabel. Nachfragen? Vergebens. Achselzucken. Türenknallen. Erneutes Erscheinen, um freudestrahlend dieselbe Welt zu umarmen, die weitere drei Minuten später keines mauligen Blickes mehr gewürdigt wird. Der in sich ruhende alte Mensch bleibt gleichsam verwirrt wie vorsichtig zurück, beginnt aber, Wetten abzuschließen, welche Laune als nächstes hinter der lustigen Herzblatt-Wand erscheint. Und singt: Das kann doch einen Seemann nicht erschüttern, keine Angst, keine Angst, Pubertier! Wir lassen uns das Leben nicht verbittern, keine Angst, keine Angst, Pubertier! Alt sein? Einfach großartig! 

Freitag, 6. Januar 2017

Stärke!

Traditionell geht der Jahreswechsel ja mit allerlei öhm Dings einher. Traditionen halt. Eine dieser ist die der unverrückbar fest gesetzten Vorsätze. Frei nach dem Motto „Mein Ziel für 2017 ist es, die Ziele von 2016 zu erreichen, die ich mir 2015 gesetzt habe, weil ich mir 2014 vorgenommen habe, das zu erledigen, was ich 2013 geplant habe, weil ich es 2012 nicht geschafft habe, die Ziele von 2011 umzusetzen“ werden heilige Eide geschworen, feierlich letzte, wirklich allerletzte Zigaretten geraucht, zum wiederholten Male die Fördermitgliedschaft im Sportverein (eine Institution, um die sich übrigens so viele Sagen wie kluge Sprüche ranken. Beispiele? „Ich  möchte mich zum Fitness anmelden. – „Vorsatz zum Jahreswechsel?“ – „Ja.“ – „Wir haben da einen 1-Tages-Kurs mit 4 Selfies im Angebot.“ Oder „Seit ich jeden Morgen Liegestütze mache, fühle ich mich wie neugeboren. Ich liege hilflos herum und weine viel.“ Oder „Fitnessstudio. 90 Minuten Schwitzen, Anstrengung und Quälerei. Dann hab ich die Kopfhörer endlich entknotet.“ Oder … ) in eine aktive umgewandelt und zum 17. Mal endlich ein ordentlich zu führender Kalender gekauft. Die Oberfranken haben eine Tradition zum „Öberschder“, also 6. Januar, die hier aus mir unerfindlichen Gründen weitestgehend unbekannt ist, aber gut, kann man sagen, Oberfranken, die müssen halt auch schauen, wo sie bleiben da in ihrem bayerisch‘ Sibirien, der Finne macht ja auch allerlei Wunderliches, und wennst erstmal dahockst in deiner eingeschneiten Ödnis, da wirst halt erfinderisch. Und wegen dann halt doch eher ländlich einfallslos erfindest du halt Sachen mit Schnaps. Wird Zeit, dass das hier auch Einzug hält. Eine zwengs der Nachbarschaft begrüßenswerte Weihnachtstradition ist bereits das „Christbaumloben“: Hin zum Nachbarn, Baum super finden, Schnaps bekommen, gehen. Das machen wir dann in elf Monaten. Jetzt aber müssen wir uns einer anderen Tradition widmen, nämlich dem „Stärk‘ antrinken“. Der Verein zur Förderung Fränkischer Braukultur e. V. weiß hierzu: „Da der Franke an sich in seinen Traditionen verwurzelt ist und er gerne Bier trinkt, wappnet er sich gegen alles Unheil des neuen Jahres, indem man sich in geselliger Runde Kraft und Gesundheit, im Volksmund ‚Stärk‘, antrinkt.“ Soll heißen: pro Monat des anstehenden Jahres einen Bock. Jetzt kann der geneigte Leser sich schon ausmalen, warum man an und für sich gut daran beraten ist, sich am Vorabend des 6.1. um Stärke zu bemühen – vor Jahren hat mal eine heitere Truppe rausfinden müssen, dass man sonst an einem 7.1. ausgesprochen schwach sein kann – doch wie es der Zufall will, hängen jetzt nicht nur einer, sondern direkt zwei Rekonvaleszenztage hintendran. Beste Gelegenheit also, sich dieser Tradition anzunehmen. U