Freitag, 30. Dezember 2016

Silvestergrinch

Immer dieses Jahresendzeitstimmungsdings! Während die einen im Fernseher nicht müde werden, die wichtigsten TV-Momente des Jahres à la chinesischer Reissack zu glorifizieren und für alle, die es immer noch nicht begriffen haben, die gesamtpolitische Bedeutung der Beziehung zwischen Pietro und Sarah Lombardi mit Hilfe von Baumdiagrammen aufzuarbeiten, fällt den anderen alljährlich um die Zeit plötzlich auf, dass Musiker und Schauspieler auch nur Menschen sind, die im Alter von 60 bis 100 überraschend zu verscheiden pflegen, was mit großem Wehklagen und nicht minder deutlich ausgedrückter Weltschmerzempörung zum Ausdruck gebracht wird. Wäre so ein Jahr ein Füllhorn, in das man nur fünf Tote hineintun dürfte, wäre das Gefäß bereits am 1.1.16 um 0:00:01 zerborsten. Aber das geldwerte Idol hat eben gefälligst frei zu sein von irdischen Befindnissen. Weiters möchten andere Personen, dass man eigene Jahresrückblicke verfasse, wegen sicher lustig, und dann weiß man gar nicht, wo man anfangen soll, weil eh immer alles nur so muahahaalustigischschmeißmichwegichkannnichmehr! Im letzten Jahr hab ich mich sauber aus der Affäre gemogelt und einfach so getan, als hätt ich das jahresletzte Sofa vergessen zu schreiben. Den Vorschlag, das als Tradition zu kultivieren, kann ich freilich nicht mit meiner Ehre in Übereinklang bringen, und so sitz ich da und hirne, derweil mich wie so oft eine ganz andere Sorge umtreibt: Silvesterzelebranz. Eigentlich schweb ich über diesem Ding und referiere gerne über die völlig sinnbefreite emotionale Überfrachtung eines Datums. Jetzt sieht die Sache plötzlich ein bisschen anders aus, weil so lässig daherreden kann halt nur, wer eh weiß, dass was geht. Eine kurze Umfrage bei den üblichen Verdächtigen jedoch hat eine Misssituation aufgezeigt, nämlich dass die schlauen Freunde sich längst außer Landes begeben haben, die weniger schlauen außer Reichweite anderer Natur. Nämlich fortpflanzerischer. Jetzt bin ich in meinem Dasein als Co-Schwangere und Co-Mutter äußerst duldsam bis solidarisch bis zur Selbstaufgabe, aber irgendwo muss auch einmal Schluss sein, halt auch wegen aus Prinzip. Der Silvestergrinch wirft sich also entweder auf die Couch, um James beim Trinken zu helfen, oder in die Resterampe, um zu feiern, dass das Leben schön ist, Datum hin oder her. Ich glaub fei, es wird letzteres. 

Freitag, 23. Dezember 2016

I had some money, but I spent it ...

Heute Morgen Radio. „I had some money, but I spend it“ hat es in mein anglophongeschultes Ohr gesungen, und da hab ich mir gleich denken müssen, genau mein Thema, weil hab ich am Tag zuvor nämlich eine Spendenquittung bekommen über 80 Euro. Die hab ich glaube ich einer kleinen Gemeinde zugute kommen lassen und im Gegenzug ein schönes Portrait von mir erhalten sowie einen Eintrag im Goldenen Buch der Stadt Flensburg. Was man nicht alles tut, während sich die Armadas durch die City schieben oder Paketboten der Region zu Hochleistungssportlern trainieren. Dabei sagt doch der Schweizers Jochen dauernd im von lästigen Filmen oder Dokumentationen unterbrochenen Fernsehprogramm, das wichtigste und schönste Geschenk sei gemeinsame Zeit. Da ist er übrigens früh dran mit der Erkenntnis. Meint er. Weil wir wissen ja alle schon längst, dass wer so richtig überhaupt keine Idee hat für eine Gabe zum auf den dafür gedachten Tisch oder unter einen nadelnden Baum zu legen, der schnitzt sich geschwind Gutscheine für „gemeinsame Unternehmungen“, wohlwissend, dass die eh nicht zustande kommen. Aber gut, ich bin fein raus, weil 1. GeschenkeschonlängstbeisammenStreber und 2. DenkenbeimSchenken und so kurzerhand wie naheliegend Weihnachten mit Wohltätigkeit verbunden, wenngleich nochmal anders als eingangs berichtet. Deswegen wichtige Themen: Baum. Betrifft mich nicht, weil seitdem letztes Jahr der Erbmassenverwalter mich mit der Beschaffung beauftragt hat, ich dem artig Folge leistete und dann die ganze Familie großen Spaß daran hatte, mich tagelang mit dem dürren Geäst aufzuziehen, das ich mir hatte aufschwatzen lassen und das die eine Hälfte der Nadeln beim Aufstellen, die andere, wann immer jemand näher als fünf Meter an ihm vorbeizugehen wagte, beleidigt von sich schmiss, also seitdem macht die Lichtgestalt das lieber wieder selbst. Dann: Menüfolge. Wird man seitens der Mutter Oberin, die das Abstillen nie ganz verkraftet zu haben scheint und deswegen seit Dekaden in steter Sorge lebt, eins der Ferkel könnte verhungern, erst zur Disposition gestellt. Dann wichtig: alle Vorschläge ablehnen (Gans: kein Platz. Sushi: Igitt. Schnitzel: würdelos.), dann eigenes Menü kreieren, bei dem zugegebenermaßen die Sterneköche der Region vor Neid erblassten, der Adlatus sich aber urplötzlich in einer Not sieht: „Ich mach das Hauptgericht  und jeder überlegt sich was aus der arabischen Küche als Vorspeise, das er dann entweder mitbringt oder gerne hier kochen kann.“ Also hab ich jetzt doch wieder einen Stress. Konstruktive Zuschriften werden bis Samstagvormittag gerne entgegengenommen. Ansonsten ist es so, dass ich euch allen wunder- und in allererster Linie friedvolle Weihnachten wünsche, dass ihr zusammenhalten und freundlich miteinander sein könnt und vor allem an diejenigen mindestens denkt, deren letzte Sorgen ganz sicher solche sind, wie von mir hier beschrieben. Und wenn man aus Versehen mal einen fremden Menschen anlächelt, tut’s fei gar nicht weh, versprochen. Und vielleicht reicht’s ja noch für mehr als nur ein kurzes Denken und schnell weiterwurschteln. Das wäre schön, und das wünsch ich mir von euch. So. Genug pontifiziert. Ich verbleibe panisch Rezept suchend und mit den wärmsten Weihnachtswünschen.

Freitag, 16. Dezember 2016

Body Shamewear

„Ich glaube, es ist so“, hob das Schatzi zu einem in jedem Sinne gewichtigen Referat an. „Ich bin zu fett für meinen Körper. Ich passe nicht mehr in mich selbst hinein.“ – „Und was machen wir jetzt da?“, hab ich mich besorgt erkundigt. „Weiteressen!“, sprach’s und griff beherzt in die Plätzchendose, zu deren Inhalt ich zuvor angemerkt hatte, es sei womöglich eine kalorienarme Alternative, statt Spitzbuben zu vertilgen sich lieber ein Stück Butter mit Marmelade zu bestreichen. Anlass des Leidens war der Weihnachtsmarktbesuch am Vorabend gewesen, im Zuge dessen sich in Windeseile flüssige Kalorien vom Gegenwert eines fränkischen acht-Gänge-Menüs einverleibt worden waren, was zur Folge hatte, dass der solcherart geschundene Leib sich anschickte, ähnlich eines auf die Heizung gestellten Hefeteiges prächtig aufzugehen. Jetzt wissen wir alle: Das ist nichts Neues. Böses Weihnachten, böses Essen, böses Sitzen, alles böse. Aber jetzt Akutproblematik „Festgewand“, weil man weiß zwar, dass man später am Heiligabend eh in der vorsorglich mitgebrachten Bequemhose mit weitem Bund auf dem Elternsofa brach liegt, möchte aber doch vorher wenigstens beim Eintreffen zum Fest ein bisschen ausschauen. Wegen Fotos. Das führt mich zu einem Erlebnis vor nicht allzu langer Zeit, als ich schon mal dachte „Mensch du, das Kleid ist toll für eine Hochzeit, aber halt schon auch ein bisschen Körper und so.“  Klare Sache, hab ich dann befunden, wozu gibt es „Shapewear“, der Schummelfummel für untendrunter. Reinpfriemeln, wahnsinnsausschauen, daheim wieder rausschuhlöffeln aus dem Gummischlauch, fertig. Bin ich also losgezogen und hab dann eine Demütigung sondersgleichen durchmachen müssen, die ich bis heut nicht recht verkraftet habe. Weil es geht schon damit los, dass diese Schlankmachwurstgewänder nur in Größen vorhanden sind für Frauen, wo man sagt, „wozu braucht jetzt die eine Shapewear? Aber wenn ich mir zwei von den Unterkleidern jeweils um ein Bein wickle, könnte das klappen.“ Und dann zwängt man sich hinein in das Kondom und weiß nicht ob lachen oder weinen, weil Wampe hat man immer noch, dafür aber keinen Busen mehr. Stimmt nicht ganz, weil der Busen ist irgendwie schon noch da, nur jetzt halt am Rücken, weil irgendwo muss der Speck ja hin und irgendwo muss so eine Body Shapewear ja auch aufhören, und der Körper denkt sich „Nicht mit mir!“ und schiebt den Hüftspeck kurzerhand auf die Schultern hinauf, wo er dir dann fröhlich aus dem Spiegel entgegenwinkt. Atmen auch nur noch so mittel, aber da weißt du dann schon auch, warum es früher in war für Frauen, andauernd in Ohnmacht zu fallen. Hab ich mich also wieder rausgewunden aus dem Fummel, der meines Körpers entledigt auf die Größe einer Walnuss zusammengeschrumpft ist und der Frau Fachgeschäft gesagt, dass das bitte umbenannt werden muss in „Body Shamewear“. So. Für’s gesparte Geld gibt’s jetzt erstmal Glühwein. Oder eine neue Jogginghose. 

Freitag, 9. Dezember 2016

In der Weihnachtsbäckerei

„Ja Kreuzdonnerwetter!“ hat es aus mir heraus rambazambaniert. „Meinst du, ich sag nur zum dich ärgern die ganze Zeit, dass du jetzt einmal ein bisschen Gas geben und dich von deiner romantisch verklärten Vorstellung vom gemütlich-fröhlichen Plätzchenbacken gefälligst verabschieden sollst? Es wird sich hier nicht süß Mehl auf die Nase gestäubt, sondern schwerst gearbeitet, zefix!“ hab ich weiterschimpfen müssen und auf einen Knopf drücken, der den Zuckowskis Rolf ausgestellt hat, weil der seit knapp zwei Stunden dauerschleifend von der Weihnachtsbäckerei gesülzt und mir die Ohren zum Bluten gebracht hat. Ob man gemeinsam backen möchte, hatte ich die Knaben befragt und dabei mich kopfschüttelnd selbst betrachtet. „Jaa juhu!“ haben diese nämlich ausgerufen und dann schon bei der Aufforderung, Wunschkekse zu äußern, Verzweiflung in mir geweckt. Wo man jetzt Rezepte herbekäme, ob man da extra ins Elternhaus fahren müsse, man sei ja eher so der Salatesser und hätte aber gerne am Sonntag so drei, vier Stündchen Zeit. Ob es sein könne, dass keiner der beiden jemals Plätzchen gebacken hätte, hab ich gefragt und geantwortet bekommen, dochdoch, man habe hier und da schonmal was ausgestanzt. Nun denn, hab ich geseufzt und eine gute Fee bestellt sowie eine Kompanie Heinzelmännchen, die dann ein paar Stunden für uns vorbereitet haben. Rezepte suchen und Zutaten besorgen und vermengen und kalt stellen und was man halt so macht am Samstagabend und Sonntagmorgen. „Ich weiß auch nicht, was das ist, aber ich bekomm ja vom Backen immer so eine Gänsehaut“, hat dann eins direkt zum Arbeitsantritt verkündet, als es des mehligen Schlachtfeldes ersichtig wurde, und wollte schon davonspazieren. Hab ich ihn am Schlaffitchen gepackt und zum Kipferlrollen verdonnert, was jedoch zur Folge hatte, dass der Inschenör meine Arbeitsanweisungen infrage stellen und erst einmal den Workflow optimieren hat müssen. Derweil der andere Spezialist seine Energie darauf verwendet hat, Ausstechformen möglichst adrett auf einem Teigfladen zu drapieren, Lampen umeinanderzuverstellen und akribisch einen followerkompatiblen Insta-Post zu komponieren. Hab ich meine Konditorenhaube zurechtgerückt, zum 17. Mal die „Weihnachtsbäckerei“ zum Schweigen gebracht, mich kurz ins klebrige Küchenbodenbett fallen lassen und durchgeatmet. „Weißt“, hab ich mir gedacht, „eigentlich ist’s ja gleich, dass du bis heut Nacht noch allein alles fertig machen wirst. Alle sind wir beieinander, noch niemand hat sich gestritten oder gar verprügelt, und das ist doch die Hauptsache“, bin ich direkt wieder aufgesprungen und hab röstaromatisierte Lebkuchen aus dem qualmenden Backofen gerettet, was von den Knaben nicht bemerkt wurde wegen gegenseitig Mehl auf die Nase stupsen ... Und jetzt entzünd’ ich dann ein drittes Kerzlein und bewundere in glänzenden Dosen lagernde Kilojoule, mit denen man eine Kleinstadt eine Woche lang weihnachtlich erleuchten könnte. Das wird schön! 

Freitag, 2. Dezember 2016

Männergrippe

Hab ich neulich hier behauptet, die „Wie geht’s dir?“ sei die verbotenste Frage der Welt, ich weiß schon. Aber wie das so ist mit charakterlich gefestigten Persönlichkeiten hat sich zwischenzeitlich die Windrichtung gedreht, und geschwind hab ich mein Fähnchen dort hinein gestellt und lass es munter flattern. Und hoffe, dass mich jemand fragt. Wie es mir geht. Weil dann großer Auftritt. „Wie geht’s dir denn?“, sagt eins, und wenn ich vorher mimisch alles richtig gemacht hab, dann schwingt da schon der Zauber der Sorge mit. „Frage nicht!“, sag ich dann, oder je nach Laune, Frühstück oder Publikum auch „mittel“, „selten besser“ oder „ja wie sieht’s denn aus?!“, wobei ich mich vor letzterer Antwort gern nochmal spiegelblickschnell versichere, dass meine Nase möglichst dick eingesalbt im Lampenschein glänzt. „Was ist denn los?“ erklingt sogleich die Weiterfrage, „erkältet?“ Jetzt kommt meine Stunde. „Schlimmer!“, sag ich mit bedeutungsschwanger gesenkten Lidern, unter denen hervor ich mich ungeteilter Aufmerksamkeit versichere, und dann: „Männergrippe.“ Was dann folgt, macht mir so große Freude, dass ich am liebsten nie wieder gesund sein möcht. Weil Erkältungsvermeldung macht Achselzucken und Abwinkerei und Stelldichnichtsoan. Männergrippenvermeldung jedoch, ja der Wahnsinn! Jetzt könntest du meinen, dass männerseitig da eher ein Abwehrverhalten zutage tritt wegen „Gar nicht lustig fei, blöde Kuh!“, aber weit gefehlt. „Musik in meinen Ohren“ tät ich sagen, wenn stattdessen dort nicht von innen eingestöpselte Pfropfen säßen, doch was ich durch diese hindurch dumpf vernehme, freut mich immer noch genug, weil: aufrichtiges Mitgefühl! „Genieße den Abend, es kann sein, dass du morgen nicht mehr aufwachst!“ heißt es da, oder „Lass dich drücken, womöglich sehen wir uns heute zum letzten Mal!“ oder „Wenn du ein Licht siehst, bleib bitte stehen!“ Auch die Damen zeigen Mordsbestürzung, wenn ich meine Malaise verkünde. Manchmal zuckt es bei den darauffolgenden Kondulationen auch um die Mundwinkel herum. Wegen der Emphase, glaub ich, und wegen Weinen in der Öffentlichkeit nicht so gern gesehen hierzulande. Einzig ein Mann, nämlichst akkurat eins der allzeit schlimmsten Opfer des Infekts und darob mehrmals jährlich knapp dem Tod entrinnend, schimpfte unwirsch, ich würde aller Wahrscheinlichkeit nach überleben, und ich sprach „Jawohl natürlich, weil ich bin eine Frau und stark und tapfer, doch ich kann nicht versprechen, dass ich danach noch die Selbe bin.“ Grade Rüffel bekommen: Darf keine Männergrippe haben weil womit dann sonst künftig Männer verhohnepipeln! Naja, und wenn die Mama das sagt … Tut mir leid!