Freitag, 27. April 2018

Jugendkonventionen

Neues. Vom. Pubertier! Falls ihr jetzt kurz erschrocken seid, macht euch nichts draus – ich bin auch ganz überrascht. Es ist nicht so, dass ich die kleine Miss Sunshine endlich in die Obhut einer Kloster- oder Militärschule übergeben hab können und es deswegen in letzter Zeit so ruhig war. Sondern man verfällt halt in eine gewisse abgestumpfte Lethargie. Weil man muss ja auch an sich selbst denken und deswegen lieber nicht mehr jedesmal vom vorbeiziehenden Hormontornado in einen emotionalen Ausnahmezustand versetzt werden. Wutanfälle, Türenschlagen, Brülllamento – weiter geht es nach der nächsten Maus. Im ganzen Gehirnzirkus ist aber zu beobachten, dass unter der oftmals laut geäußerten Verzweiflung und Verwirrtheit ob dieses schwierigen Lebens und den unsäglichen Zumutungen, die andauernd an einen adressiert werden, während man doch einfach nur einmal in Ruhe vor sich hin instagrammen möchte, sich diffizile Schwierigkeiten entwickeln. Die drehen sich meist um diese wundersamen Regeln, die ein gesellschaftliches Zusammenleben ermöglichen, in so einem Zirkusgehirn aber nicht oder nur rudimentär angelegt sind. So wird beispielsweise wochenlang beeindruckend luzid auf einen gemeinsamen Zoobesuch insistiert, mit Gschpusi und Autoritäten und allem Pipapo. Freilich misstrauisch, weil der „Wir brauchen eigentlich nur jemanden, der uns hinfährt und auch wieder zurück, weil ÖPNV ist würdelos“-Braten riecht meilenweit, stimmt man also zu, um dann am Vorabend der Exkursion mit der Nebeninformation versorgt zu werden, man sei völlig überraschend seit Monaten auf einen wichtigen Schwiegeromageburtstag geladen und sehe sich außerstande, beide Terminlichkeiten unter einen Hut zu bringen. Meine Pläne fallen zusammen wie ein angeniestes Kartenhaus, ich schweige und meditiere. Der Folgetermin „Zoo“ war dann übrigens direkt ohne mich anberaumt und beinahe erneut gescheitert, sahen beide Pubertäter es doch als unbewältigbare Einheit der Bundesjugendspiele an, durch das Gelände zu spazieren. Weniger anstrengend erschien den Schlaubergern eine Shoppingtour, und – die Sonne lachte, alle Welt drängte hinaus – als dann die Frage kam, ob man nicht auch ein schönes, geschlossenes Einkaufszentrum besuchen könne, hab ich gesagt, dass ich fei eh schon den Tränen nahe bin, und dass wenn ich jetzt noch ein Wort hör ich alle beide höchstpersönlich ins Frankeneinkaufszentrum transportiere, um sie dort in der Tiefgarage vor einen Auspuff zu binden. Ein anderes Thema ist das der höflichen Konversation. Hat es mir ein Buch geschenkt. Ich: „Mensch das ist ja toll, wie bist du denn ausgerechnet auf dieses eine gekommen?“ Antwortmöglichkeiten: a) Ich habe den Klappentext gelesen und Bewertungen im Internet recherchiert und das Thema als gleichwohl literarisch gelungen wie für dich interessant erachtet. b) Ich habe dich und deine belletristischen Präferenzen der Fachangestellten skizziert und mit ihr gemeinsam dieses Werk für dich gewählt. c) Es war das dickste was es gab, und du hast viele dicke Bücher! Ratet mal … Die Jugend war dann übrigens tatsächlich im Zoo. Ob sie wirklich durch das ganze Gelände gewandert ist oder auf der ersten bereitstehenden Bank die Zeit abgesessen hat, ist bis heute nicht bekannt. 

Freitag, 20. April 2018

Arbeitsethos

Eine junge Dame, die quasi hauptberuflich Wörter umeinanderschubst, hat mir neulich referiert, wie sie einer Schreibblockade begegnet. Nämlich, hat sie gesagt, kann man freilich sehr wohl Dinge tun, von denen man meint, dass sie den „Stream of Conciousness“, also die „ungeregelte Folge von Bewusstseinsinhalten“ auslösen und darauf hoffen, dass grad während man hingebungsvoll Laubblätter im Hof nach Größe und Farbe ordnet oder auch die allerletzte unsichtbare Augenbraue mit einer Mordslupe aus dem Gesicht operiert der Wahnsinnsgeistesblitz in einen hineinfährt. Sie aber bevorzuge eine Variante, die (mich) schwer an protestantische Arbeitsethik erinnert, nämlich sich einfach hinzusetzen und zu arbeiten zu beginnen mit dem Effekt, dass man dann nach vielen Stunden zwar reichlich Ausschussware, unter Umständen aber auch den großen Treffer produziert hat. Interessiert hab ich gelauscht und genickt und gelauscht und genickt und gespürt, wie der Stream of Conciousness in mir zu fließen beginnt und sich ein so großer wie wichtiger Gedanke breitgemacht hat: „Ja und wann bitteschön tät ich denn dann bei der Methode meinen Haushalt erledigen?“ hab ich mir gedacht und alsgleich beschlossen, dass die erläuterte Arbeitshaltung die meine wohl eher nicht werden wird. Weil der wahre Ethos in mir drin sagt: Erledige so viele Dinge wie möglich gleichzeitig und also mit der größtmöglichen Effizienz, dann hast du hernach mehr Zeit für angenehme Sachen. Auf einer Speisekarte stünde das vermutlich unter „Varianten von Faulheit“. Ein hervorragendes Beispiel hierfür ist das Zähneputzen. Weil’s mir da so superspeziallangweilig wird weil jeden Tag und immer wieder weil es hat immer noch keiner eine Maschine erfunden, die man sich morgens in den Mund hineintut und abends auch und die dann so wie ein Staubsaugerroboter leise vor sich hin verrichtet ohne meine Kreise zu stören, und am besten hat’s dann unten dran noch so einen Kinderlatz mit Schale dran wegen Auffangbehältnis, also deswegen lauf ich immer beim Zähneputzen im Anwesen kreuz und quer und räum umeinander. Einhändig, versteht sich, deswegen kommt es ab und an zu Komplikationen, beispielsweise beim Versuch, Wasserkocher oder Kaffeemaschinen zu befüllen oder den Wäscheständer zu entleeren, was gelegentliche Schlaubergerei zur Folge hat. „Meinst nicht, dass du unterm Strich effizienter wärst, wenn du nicht gleichzeitig Zähne und den Boden putzen müsstest?“ lauten solch wohlmeinende Kommentare, und dann erwidere ich geistreich „Babababababa!“ und spratzle dabei noch ein, zwei Zahnputzschaumtropfen auf einen Spiegel, der kurz darauf auch wieder sauber blitzt. Deswegen schaut’s jetzt so aus: Es ist 9 Uhr 20, ich habe abgespült, Wäsche gemacht, aufgeräumt, Geranien gestreichelt, gestaubsaugt, Kultur an mich gebracht und an euch auch sowie exakt einen Text produziert, den ich so garantiert nie hatte schreiben wollen. Und was hab ich davon? Freizeit! Juhu! 

Freitag, 13. April 2018

Geranien

„Du Spießer!“, „Hää spinnst du?“, „Was hast du dir dabei bitte gedacht?“ und „Naja, du wirst halt auch langsam alt …“ – Sätze dieser Art bekomme ich seit ziemlich genau einer Woche mit einer relativ gesteigerten Häufigkeit zu hören. Ich lehn mich altersgemäß zurück und lächle milde und lass alles wie einen angelutschten Sahnebonbon sauber an mir abschmieren. Der Grund der bestürzten Aufregung ist weiß und rot und grün, und nein, ich mache keinen Pizza-Imbiss auf, sondern habe es gewagt, die bürgerlichste aller schrecklichen Taten zu begehen: Ich habe Geranien gepflanzt. Im schönsten Bunt verströmen die einen wunderbaren Hauch von altbaierischer Beschaulichkeit, den Hirsch kann ich quasi röhren hören, und demnächst pack ich mir noch ein paar Wackersteine auf die Markise, für wegen Flähr. Und bitte, ich hab mir keinen Vorwurf zu machen, war mein zugegebenermaßen noch recht junger Aufstieg als vielversprechende Erfolgsbalkoniere doch ein kometenhafter. Da wäre zum einen: das Tomatendesaster, wir erinnern uns. Nachdem ich den Gegenwert von circa einer Zehnjahresration bester Bio-Tomaten in stinkende Erde, gilbende Gefäße und Pools voller Wasser investieren, Babysitter bezahlen und meteorologische Studien vornehmen hab müssen, war der Ertrag dann ja nur eher so mäßig, weswegen ich gefunden hab, dass sich um Wollmäuse zu kümmern fei auch irgendwie entspannt. Die Sektion „frische Kräuter“ fiel a) einer Läuseplage b) dem zentralafrikanischen Balkonklima zum Opfer oder fühlte sich in eben diesem dermaßen wohl, dass man sagt, ja gut, also irgendwann ist die Gier nach Rosmarinkartoffel halt auch gestillt, und so spezialviele primagemischte Trendgetränke, in denen die Beigabe eines sorgsam abgerupften Kräuterzweigleins unabdinglich ist, hat’s dann wider Erwarten auch nicht gegeben. A propos Getränke: Bei der großen Gala zur Feier des Wunders meiner Geburt (Ja Mama, ich weiß, der Dank gebührt einzig dir!) hab ich groß auftrumpfen können. Naja, und für Amüsemeng sorgen vielleicht auch ein bisschen. Weil es ist so, dass mein Gefrierdings bis zum Rand voller wirklich sehr arg besonders hübscher Eiswürfel ist, in deren Mitte eine sehr arg besonders hübsche Blüte schwimmt. Das weiß nur ich, sehen kann man die nicht, weil selber Eiswürfel macht bläsriges statt klares Eis. Mit viel Sorgfalt hab ich die im letzten Jahr gebastelt aus der schönen Essbareblütenhecke, mit denen ich mir die Balkonaussicht verbaut hab. Weil man ja dauernd Gäste hat und denen dauernd eine frische Sommerbowle kredenzt. Deswegen hab ich jetzt noch genau so viel Eis übrig wie zu Beginn der Manufaktur, und deswegen hab ich die sogleich in eine Wasserkaraffe hineinpräsentiert, wegen ich habs ja. Sagen wir mal so: Eine Gurkenscheibe tut’s vielleicht künftig auch, weil die fällt eher nicht zu einem braunen Häuflein Elend zusammen, das man dann mit dem Gewürzsieb wieder rausreusen muss, sobald der Eispanzer geschmolzen ist. Deswegen jetzt: Geranien. Außerdem waren die günstig. Und jetzt möcht ich nichts mehr hören! Ach so, außer natürlich die altersgemäße Schunkelmusik aus dem Radio. Aber dazu ein andermal mehr. 

Freitag, 6. April 2018

Baumtrauma

Frühlingsfest: Während fast alle Welt sich dort draußen durch Entrichtung eines kleinen Unkostenbeitrages vergnügt in Todesangst versetzen lässt, freut sich genau diese Welt gleichzeitig darüber, dass es immer jemanden gibt, der draußen wartet und geduldig Jacken, Taschen, Handys und Steaksemmeln hält: mich. Ich hab nämlich erstens ein bisschen schlimme Höhenangst ungefähr so, dass ich beispielsweise an der Walhalla nicht allzu nah an die Kante der obersten Treppenstufe treten kann, ohne sofort das dringende Bedürfnis zu verspüren, mich umgehend auf den Boden zu werfen und rückwärts robbend das Areal zu verlassen. Zum anderen gibt es da eine frühkindliche Nahtoderinnerung, bei der ein friedlich kreiselndes Karussell, wasserspeiende Delfinfiguren sowie ein alles andere ausspeiendes Kind und eine Mutter auf der Suche nach dem Nothaltknopf eine entscheidende Rolle spielen. Seitdem gilt: Ich betrete nichts, was ich nicht von außen beobachten und auf rotierende Gefahrenlage bewerten kann. Seit einiger Zeit gesellt sich zu diesem Prinzip noch ein Weiteres hinzu, nämlich: Ich betrete nichts, was ich nicht von außen beobachten und auf irgendeine Gefahrenlage bewerten kann. Das kam so: Hab ich wegen finanzieller Unabhängigkeit endlich so ein Freizeitland besuchen können, bei dem es früher immer nur „nein!“ geheißen hat. Drin zwar nur Achterbahnen, die ich eh nicht fahr, aber egal. Dass ein disneyartiger Plastikbaum von der Größe des Eiffelturms mit Aussichtsplattform sofort geentert werden musste – eh klar. Und dann innen so: Buh, langweilige Zwergenwelt, superblöd, langweilig, buh, jetzt muss ich mich auch noch in so einem Plastikspeisesaal hinsetzen und weiterlangweilen, buh, ich schlaf gleich ein. Leider kommt halt oft der Hochmut vor dem Fall – und manchmal sogar ganz sprichwörtlich. Weil dass dann auf einmal aus dem Nichts Sicherungsbügel sich über mich gespannt und die Sitzbänke zum Schaukeln angefangen haben, das hat mir vorher keiner gesagt. Es hat dann eine arg spannende Erfahrung eingesetzt, nämlich wie sich mir der Kopf aus- und der Körper anschaltet und zwar in einen extraordinären Panikmodus wegen absoluter Sicherheit über einen bevorstehenden Tod, aus dem ich wegen Bügeln nicht hab fliehen können. In den Sitz hat’s mich gedrückt, geschaukelt und gekopfstandet hat alles, Magen und Hirn haben Purzelbäume geschlagen und ich beinahe um mich. Entsprechend lang hat’s gedauert, bis eine nicht unwichtige Information den Paniknebel durchdrungen hat. Nämlich dass es nicht sein kann, dass wenn ich über Kopf steh dem Langhaarmädchen vor mir die Frisur ganz entspannt auf den Schultern ruht. Hat sich doch also tatsächlich der Zwergenraum um mich herum gedreht und ich selbst mich keinen Zentimeter bewegt, dass muss man sich einmal vorstellen, also ich mein, ich hab gedacht, ich sterb da drin!! Moment, ich muss gleich wieder kurz in eine Tüte atmen … So, geht wieder. Wenn mich jemand sucht: Ich bin die bei Heidi’s Treff ganz oben auf dem Jackenberg. Äh nee. Darunter.