Freitag, 20. April 2018

Arbeitsethos

Eine junge Dame, die quasi hauptberuflich Wörter umeinanderschubst, hat mir neulich referiert, wie sie einer Schreibblockade begegnet. Nämlich, hat sie gesagt, kann man freilich sehr wohl Dinge tun, von denen man meint, dass sie den „Stream of Conciousness“, also die „ungeregelte Folge von Bewusstseinsinhalten“ auslösen und darauf hoffen, dass grad während man hingebungsvoll Laubblätter im Hof nach Größe und Farbe ordnet oder auch die allerletzte unsichtbare Augenbraue mit einer Mordslupe aus dem Gesicht operiert der Wahnsinnsgeistesblitz in einen hineinfährt. Sie aber bevorzuge eine Variante, die (mich) schwer an protestantische Arbeitsethik erinnert, nämlich sich einfach hinzusetzen und zu arbeiten zu beginnen mit dem Effekt, dass man dann nach vielen Stunden zwar reichlich Ausschussware, unter Umständen aber auch den großen Treffer produziert hat. Interessiert hab ich gelauscht und genickt und gelauscht und genickt und gespürt, wie der Stream of Conciousness in mir zu fließen beginnt und sich ein so großer wie wichtiger Gedanke breitgemacht hat: „Ja und wann bitteschön tät ich denn dann bei der Methode meinen Haushalt erledigen?“ hab ich mir gedacht und alsgleich beschlossen, dass die erläuterte Arbeitshaltung die meine wohl eher nicht werden wird. Weil der wahre Ethos in mir drin sagt: Erledige so viele Dinge wie möglich gleichzeitig und also mit der größtmöglichen Effizienz, dann hast du hernach mehr Zeit für angenehme Sachen. Auf einer Speisekarte stünde das vermutlich unter „Varianten von Faulheit“. Ein hervorragendes Beispiel hierfür ist das Zähneputzen. Weil’s mir da so superspeziallangweilig wird weil jeden Tag und immer wieder weil es hat immer noch keiner eine Maschine erfunden, die man sich morgens in den Mund hineintut und abends auch und die dann so wie ein Staubsaugerroboter leise vor sich hin verrichtet ohne meine Kreise zu stören, und am besten hat’s dann unten dran noch so einen Kinderlatz mit Schale dran wegen Auffangbehältnis, also deswegen lauf ich immer beim Zähneputzen im Anwesen kreuz und quer und räum umeinander. Einhändig, versteht sich, deswegen kommt es ab und an zu Komplikationen, beispielsweise beim Versuch, Wasserkocher oder Kaffeemaschinen zu befüllen oder den Wäscheständer zu entleeren, was gelegentliche Schlaubergerei zur Folge hat. „Meinst nicht, dass du unterm Strich effizienter wärst, wenn du nicht gleichzeitig Zähne und den Boden putzen müsstest?“ lauten solch wohlmeinende Kommentare, und dann erwidere ich geistreich „Babababababa!“ und spratzle dabei noch ein, zwei Zahnputzschaumtropfen auf einen Spiegel, der kurz darauf auch wieder sauber blitzt. Deswegen schaut’s jetzt so aus: Es ist 9 Uhr 20, ich habe abgespült, Wäsche gemacht, aufgeräumt, Geranien gestreichelt, gestaubsaugt, Kultur an mich gebracht und an euch auch sowie exakt einen Text produziert, den ich so garantiert nie hatte schreiben wollen. Und was hab ich davon? Freizeit! Juhu! 

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