Freitag, 30. Juni 2017

Radlerliebe

So. Wetter. Haben wir grade und irgendwie immer, und irgendwie immer wird schon irgendwas damit nicht passen. Jetzt grad beispielsweise. Oder letzte Woche. Seitdem wir aber ein Wetter haben, über das zumindest in einigen Teilen der Bevölkerung ein weitestgehend positiver Konsens herrscht, haben wir noch was anderes, und zwar nämlich Liebe und Harmonie im Straßenverkehr, weil jetzt sind wieder mehr Vertreter aller Parteien unterwegs und verbreiten untereinander gute Laune. Auto, Fußgang oder Rollstuhl ist egal, es wird kreuz und quer durcheinandergeherzt. Quasi heterogene Multiphilanthropie. Aber auch innerhalb der Peergroups spezialviel Liebe, zum Beispiel: Fahrradfahrer. Gibt’s ja solche, die fahren andauernd, und solche, die nicht so oft. Selbstverständlich ein mordsrücksichtsvoller Umgang jeweils miteinander. Kaum Klassenunterschiede, nein wirklich, das ist so eine feine Melange, eine Emulsion nachgerade, da merkst du keine Differenzen raus. Als Unbeteiligter. So aus dem Auto heraus, zum Beispiel. Da sitzt du nämlich in deiner Kiste und sprichst groß auf über den Fahrradfahrer als solchen, der eh klar zum Autofahrererzfeind erklärt wird, und machst dir gar nicht bewusst, dass da untereinander auch nicht alles Liebe was radelt. Gut zu beobachten ist das auf der Fahrradautobahn Wöhrder See – Meistersingerhalle, zum Beispiel. Da mischt sich alles, was zwei Räder hat, um sich inbrünstig zu verachten. Es gibt den Berufsradler, Kuriere beispielsweise, denen sind eh alle immer zu langsam, und wenn so einer auf dich zugerast kommt von hinten, machst du am besten die Augen zu stoßgebetest. Der hasst alle, wegen zu alles. Leicht zu erkennen an der Montur. Eben so leicht zu erkennen an der Montur ist der Sonntagsradler. Meist um die 65, ausgestattet mit dem feinsten, was der Stadler zu bieten hat, sowie einem „E“, radelt er eifrig umeinander und muss andere Personen belehren über Ein- und Zweispurigkeiten, düst an der grünen Ampel e-betrieben davon, produziert aber Auffahrunfälle an der nächsten Kreuzung, weil er ausgerechnet hat, dass hier gleich Rot ist, ergo Vollbremsung. Dann gibt’s die Spätzünder und Angstfahrer, die vom Radl springen, wenn man sie von hinten behutsam anklingelt oder den Überholmindestabstand von fünf Metern unterschreitet. Kindschauffeure, die um ihre Anhänger gern einen Stacheldraht und Dolche bauen täten, diesen Mangel dann durch Blicke ersetzen. Und noch viele mehr. Und dann freilich mich, die sich stets korrekt verhält und artig bedankt beim von hinten behutsam angeklingelten Fußgänger, der im Schrecksprung auf die Seite hechtet, um dort ein bisschen zu atmen. Ein Glück: Nachts sind alle Radler grau! Und jetzt hab ich wieder meinen Einsatz mit der „Internationalen Orgelwoche“ verpasst, zefixnocheins. Gut, dann halt nächste Woche irgendwas mit Vögeln. 

Freitag, 23. Juni 2017

Pubertanten

Als Tochter vergesse man gern einmal, dass die Mutter ja auch nur eine Tochter sei – so steht es in dem wunderbaren Buch „Altes Land“, das sich um die Generationenkonflikte vorgenannten Umstandes dreht. Was aber passiert, wenn die Tochter plötzlich zur Erziehungsperson der eigentlichen Erziehungsperson avanciert, nicht. Wie geschehen in Extremsituationen. Wie einer gemeinsamen Städtereise. Angetreten von einer offiziellen Tochter und zwei inoffiziellen „Nornen“, wie ich liebevoll zu sagen pflege in Anlehnung an die mystischen Hexengestalten, die kichernd Schicksalsfäden weben. Da findet man sich also unversehens sowohl in einer wildfremden Metropole als auch der unbekannten Situation wieder, sich Sätze sagen zu hören wie „Jetzt tu halt amal das Handy weg und schau aus dem Fenster!“, sich gleichzeitig über iPad-Fotografie der einen zu amüsieren und der anderen die Bedienung einer 20 Jahre alten Digicam zu erklären. Man überredet mit sanftem Nachdruck zwei spätabends vor Müdigkeit vom Stuhl fallende Damen zu einer Heimkehr, um sie dann dabei zu erwischen, wie sie im auf dem Weg liegenden Spätkauf statt der Flasche Wasser lieber eine solche mit Rotwein erstehen. Man geht nachtschreiend ins Bett und wird morgenschreiend davon aufgeweckt, dass sich dringend in aller Herrgottsfrüh über Haarstyling ausgetauscht werden muss. Man frühstückt figurbewusst nur ein Ei und drei Brotkrumen, begibt sich mit dieser kompakten Grundlage auf eine Wanderung über acht Stunden und 1500 Höhenmeter, lässt sich dann auseinandersetzen, dass Bier schon seit jeher in Bayern als Grundnahrungsmittel angesehen wird, deswegen drei davon eine Tagesmahlzeit vorzüglich ersetzen und der Wasserhaushalt damit einwandfrei in Gleichklang gebracht würde. Man lotst Damen mit Bierzeltstimmung klassenlehrergleich durchs fremde Straßenlabyrinth, bekommt dabei andauernd beschienen, dass man 1. vor Hunger sterbe und aber 2. eine Einkehr in ein Döner-Restaurant unter der damenhaften Würde sei und man 3. ausschließlich gourmetzuspeisen gedenke.  Man erwischt die wandelnden Renitenzen dabei, wie sie angereichte Wasserflaschen heimlich in Blumenkübel entleeren. Wie sie in der Pizzeria um 22.30 Uhr erst einmal eine Flasche Wein bestellen. Man spricht mit Engelszungen über Abflug- und damit einhergehende Aufstehzeiten, wird dann aber von fröhlicher Meute zum Wachbleiben bis kurz vor Reisezeit gezwungen. Man fühlt sich sehr alt. „Je oller, je doller“, so das Wiktionary, „drückt aus, dass manche Menschen mit zunehmendem Alter unvernünftiger werden.“ Ich sage dazu: „Und es ward geboren ein neues Wort: die Pubertante.“ Hältste nich aus. Also los! Die Nacht ist jung – im Gegensatz zu … mir. 

Samstag, 17. Juni 2017

Kindlewälzer

Gestern habe ich ein neues Buch zu lesen begonnen. Nicht dass das etwas allzu ausgefallenes wäre, geschieht nämlich ungefähr alle ein bis zwei Wochen, wegen weitestgehender Fernsehverweigerung wegen sonst Gefahr von Ausschlag, Epilepsie oder Weltschmerz. Buch also. Dass dieses Buch mich unversehens in eine Extremsituation katapultiert hat, in der ich mich erstmal zurechtfinden muss, hab ich mir beim Kauf so nicht vorstellen können, jetzt jedoch sah ich mich unversehens in der wundersamen Lage wieder, während des Lesens gleichzeitig Sport betreiben zu müssen, und das mögen jetzt vielleicht Leute wenig sonderbar finden, die auf Hometrainern Netflix gucken, ich für meinen Teil halt’s da aber wie mit der Trennkost: entweder-oder. Stolze 966 Gramm bringt der Wälzer auf die Küchenwaage, bei einer Dicke von sechs Zentimetern für meine Begriffe ein beachtliches Trum. Jetzt Haltungsprobleme. Hat schon mal jemand versucht, einen fastvollen Maßkrug auf dem Rücken liegend mit einer Hand im 45°-Winkel nach oben zu halten? „Mit Zittern“ güldet nicht und wär ja eh also wirklich, wer soll denn da lesen? Auf dem Bauch geht auch nicht, weil kein Mensch, also doch, vielleicht schon, aber ich nicht meinen Hals dauernd so weit nach oben umeinanderrecken kann, um auf die Spitze des Buchbergs schielen zu können, dass da nicht in kürzester Zeit ein bis sieben Wirbel einen Veitstanz aufführen. Freilich hab ich alte Amazone mich dem Kampf gestellt, um dann direkt am Morgen danach mit aus den Haltungsproblemen resultierenden Haltungsschäden schief und krumm in ein Rückenschulungsprogramm zu hatschen und dem schmerzverzerrten Gesicht im Spiegel dabei zu assistieren, die Rückseite wieder in ein einigermaßenes Gleichgewicht zu bringen. „Ich versteh beim besten Willen nicht“, merkt ein Brudermensch regelmäßig an, „warum du und deine Mutter euch nicht einfach ein Kindle zulegt.“ Alle Bücher der Welt auf 207 Gramm verteilt, ist ein Werk ausgelesen, beamt ein Klick drei neue hinein, die ganze Bibliothek stets in der Hosentasche. Da geht’s jedoch schon los mit der Crux: Ich will keine Bibliothek in der Hosentasche, sondern Papier um mich herum. Regale voll Erinnerungen, Stapel voll Gefühl, zärtliches Streichen über hunderte von Buchrücken, ein Vermögen voller Glück. Inmitten dieser Buchstabenarmada steht der Beweis: Seit gut einem Jahr besitze ich ein digitales Lesegerät. Einmal aus und an hab ich’s geschaltet, für später aufgeladen, ins Buchregal gestellt und dann gleich noch wieder in den Lieferkarton hinein, damit der glatte Kunststoff nicht so stört in der papierenen Optik. Und vergessen. Gestern ist’s mir kurz wieder eingefallen: Der Wälzer, der von Seite zu Seite immer schwerer wurde, den könnte man doch vielleicht ausnahmsweise mal … NEIN!! hab ich alle Artgenossen aus den Regalen schreien hören, das lässt du schön bleiben und kämpfst dich da durch. Du weißt genau, danach fühlst du dich gut! Wie Sport halt. So denn … Braucht jemand ein Kindle? Was ich allerdings schon verstehen könnte, wäre, wenn jemand meine gesammelten Werke als eBook … Naja. 

Freitag, 9. Juni 2017

Trennungsschmerz

Ich bin furchtbar aufgeregt. Mein Herz klopft, ich schlafe schlecht. Man darf intensive emotionale Bindungen einfach nicht eingehen, das hab ich schon immer gewusst, sonst droht über kurz oder lang ein großer Schmerz. Und obwohl ich mir das schon dauernd vormantraisiere, kann ich einfach nichts dagegen tun, dass mich die bevorstehende Trennung von meinen Babys aufs Äußerste beutelt. Eigens hab ich eine Pflegerin installiert, die muss sogar zum Probekümmern kommen und ist eigentlich eine Vertrauensperson, aber es hilft nicht, sie ist halt nicht ich. Nicht die Mama. Als winzige kleine, hilf- und schutzlose Würmchen hatte ich vor vier Wochen sechs zarte Pflänzlein zu mir nach Hause transportiert. Schon länger bin ich hauptberuflich Balkonière, habe ein karges Rechteck in einen grünen Dschungel verwandelt, auf dem alles wächst und gedeiht, was gleißende Hitze mag. Die Auswahl an Kräutern und „Ich pflanz einfach mal alles ein, was ich so finde, und gucke, was passiert“, wird ergänzt von meiner eigenen Minihecke, für die ich im festen Glauben, darüber, dass das eh nichts wird, und nach dem Motto „Viel hilft viel“ in einen Pflanzkasten Sämereien für circa 30 Quadratmeter Wiesenfläche ausgebracht habe und nun nicht nur einen sehr hübschen, einmeterhohen Sichtschutz, sondern bald auch einen Nebenverdienst als Floristin habe und meine eigenen Blumen zu pittoresken Sträußen winde. Und als wär ich nicht eh schon genug beschäftigt mit der Gärtnerei hab ich jetzt also auch noch eine Gemüseplantage: Tomaten und Paprika leben an der Stelle, an der vormals ein Besucherstuhl stand. Den ich aber nicht mehr brauche, weil ich keine Zeit mehr habe für Besuch. Muss nämlich pflegen. Und hätte ohnehin keine finanziellen Möglichkeiten mehr, den Gast zu verköstigen, geht doch alles Geld jetzt in die Pflege derjenigen Pflanzen, die ich dereinst in Gold aufzuwiegen gedenke. Allein der Ankauf aller Töpfe und Untertöpfe hat fast mich ein Monatsgehalt gekostet, mindestens jedenfalls so viel, dass ich mir dafür zwei Jahre lang fertige Tomaten hätte kaufen können. Dazu nur feinste Bio-Erde, eh klar, die so öko ist, dass es mich wundert, dass noch kein olfaktorisch aufmerksamer Nachbar die Polizei geschickt hat, um sich nach meinem Wohlergehen zu erkunden. Mein erster Gedanke morgens gilt den Kindern – haben sie die Nacht gut überstanden? – abends bring ich sie ins Bett. Singend. Meine Nebenkostenabrechnung hat sich mutmaßlich verzehnfacht im letzten Monat – für das, was die Kleinen saufen, nehmen andere dreimal täglich ein Vollbad. Ich hingegen dusche – einmal wöchentlich mit dem Wasser, das die Süßen übriglassen. Aber gell, es geht ja um das Erlebnis statt Ergebnis. Und jetzt erstmal das Überlebnis meiner Abwesenheit. Puh … „Tanz.Indie.Nacht“ (Stereo, Klaragasse), „Querbeat“ (KK, Königstraße), „Xylotrip W/Perel“ (Z-Bau, Frankenstraße), „Offset“ (Rakete, Vogelweiherstraße) und am Samstag „MUZ Sommerfest“ (Fürther Straße), „Scratch BBQ Open Air“ (Hirsch, Vogelweiherstraße), „4 Jahre Singleparty“ (T90, Flughafen), „Next Generation Bass“ (KK), „Not Another Saxo Beat“ (Desi, Brückenstraße), „King Kong Kicks“ (Stereo). Wenn’s von einem Balkon herzzerreißend runterschluchzt, bitte stehenbleiben und trösten. Im Zweifel ist’s ein Trennungsschmerz.

Freitag, 2. Juni 2017

Hummelnase

Hab ich neulich mein Auto gesucht. Wegen alte Dame und gelegentlich bewegen müssen wegen der Gelenke, ihr wisst schon. Also das Auto. Nicht mich. Hab ich das Auto lang gesucht. Weil muss man wissen, dass ich nicht in einer Gegend wohne, wo man sagt, ja schau, wie im Hollywoodfilm: immer ein Platzerl frei vor der Haustür, sondern eher so, dass man jedes Mal ein Kerzlein entzünden möchte, wenn man im Anwohnerareal auf einem Hektar überhaupt sich im Konkurrenzkampf „17 Parkplätze auf 784 Autos“ hat behaupten können. Bin ich also durch die Straßen geirrt und schier verzweifelt, weil hat mir einfach nirgendwo mein strahlend blaues Gefährt zugewinkt, und da kann man dann schon mal stutzig werden, weiß man ja nie, wo der Pole grad sein Unwesen treibt. Schließlich hab ich’s doch gefunden: Beim fünften Vorbeilatschen hat mein Hirn die wohlbekannte Form registriert, die jedoch in sattem Gelb sich präsentierte. Mit dem für Notfälle solcher Art neben mehreren Litern Frostschutz im Kofferraum lagernden Besen hab ich die Kiste dann ausgraben können und mit Hilfe von Spritzwasser auch die Frontscheibe erst in ein gelbes, gatschiges Massaker und schließlich halbwegs sichtfrei verwandeln. Mei, hab ich mir gedacht, dieses „Natur“, das ist schon eine schöne Sache. Einmal im Jahr wird uns gezeigt, was wir über den Rest der Tage gar nicht bemerken würden, nämlich, wie schön ein Leben ohne Pollenflug ist. Leg ich das Handy grad für zwei Minuten ab, muss es danach unter den Hochdruckreiniger sowie auch die Hand, die es umfasste. Die Sonnenbrille ist stets mit dem UV-Schutz „plus“ bezogen, in aller Klamotte hängt ein feiner Gelbstich und nicht nur auf meinem Balkontisch wogen sich sanft die gelben Dünen, sondern auch in meiner Wohnung, sprich unter meinen Fußsohlen, sprich kommst mit dem Saubermachen nicht mehr hinterher. Jetzt muss ich sagen: Gottseisgedankt gehör ich nicht zur Fraktion „Heuschnupfen“, diese armen Menschlein, die jetzt statt freudig auf der Frühlingswiese balgend sich im Keller verschanzen und auf den November warten. Jedoch muss ich sagen, auch meine weitestgehend gesunde Nase droht zuweilen einzubrechen, wie eine in den Aalzug gestellte Reuse schaufelt sie die Pollen nur so in sich hinein, dass ich mir vorstell, dass es innen in meiner Nase grad so aussieht wie am feisten Hummelhintern: Pul‘ ich ein bisschen dran herum, kann ich mir frischen Honig auf die Semmel schmieren. Ach, machen Hummeln ja gar nicht. Dann doch lieber Nutella.