Gestern habe ich ein neues Buch zu lesen begonnen. Nicht
dass das etwas allzu ausgefallenes wäre, geschieht nämlich ungefähr alle ein
bis zwei Wochen, wegen weitestgehender Fernsehverweigerung wegen sonst Gefahr
von Ausschlag, Epilepsie oder Weltschmerz. Buch also. Dass dieses Buch mich
unversehens in eine Extremsituation katapultiert hat, in der ich mich erstmal
zurechtfinden muss, hab ich mir beim Kauf so nicht vorstellen können, jetzt
jedoch sah ich mich unversehens in der wundersamen Lage wieder, während des
Lesens gleichzeitig Sport betreiben zu müssen, und das mögen jetzt vielleicht
Leute wenig sonderbar finden, die auf Hometrainern Netflix gucken, ich für
meinen Teil halt’s da aber wie mit der Trennkost: entweder-oder. Stolze 966
Gramm bringt der Wälzer auf die Küchenwaage, bei einer Dicke von sechs
Zentimetern für meine Begriffe ein beachtliches Trum. Jetzt Haltungsprobleme.
Hat schon mal jemand versucht, einen fastvollen Maßkrug auf dem Rücken liegend
mit einer Hand im 45°-Winkel nach oben zu halten? „Mit Zittern“ güldet nicht
und wär ja eh also wirklich, wer soll denn da lesen? Auf dem Bauch geht auch
nicht, weil kein Mensch, also doch, vielleicht schon, aber ich nicht meinen
Hals dauernd so weit nach oben umeinanderrecken kann, um auf die Spitze des
Buchbergs schielen zu können, dass da nicht in kürzester Zeit ein bis sieben
Wirbel einen Veitstanz aufführen. Freilich hab ich alte Amazone mich dem Kampf
gestellt, um dann direkt am Morgen danach mit aus den Haltungsproblemen
resultierenden Haltungsschäden schief und krumm in ein Rückenschulungsprogramm
zu hatschen und dem schmerzverzerrten Gesicht im Spiegel dabei zu assistieren,
die Rückseite wieder in ein einigermaßenes Gleichgewicht zu bringen. „Ich
versteh beim besten Willen nicht“, merkt ein Brudermensch regelmäßig an, „warum
du und deine Mutter euch nicht einfach ein Kindle zulegt.“ Alle Bücher der Welt
auf 207 Gramm verteilt, ist ein Werk ausgelesen, beamt ein Klick drei neue
hinein, die ganze Bibliothek stets in der Hosentasche. Da geht’s jedoch schon
los mit der Crux: Ich will keine Bibliothek in der Hosentasche, sondern Papier
um mich herum. Regale voll Erinnerungen, Stapel voll Gefühl, zärtliches
Streichen über hunderte von Buchrücken, ein Vermögen voller Glück. Inmitten
dieser Buchstabenarmada steht der Beweis: Seit gut einem Jahr besitze ich ein digitales
Lesegerät. Einmal aus und an hab ich’s geschaltet, für später aufgeladen, ins
Buchregal gestellt und dann gleich noch wieder in den Lieferkarton hinein,
damit der glatte Kunststoff nicht so stört in der papierenen Optik. Und
vergessen. Gestern ist’s mir kurz wieder eingefallen: Der Wälzer, der von Seite
zu Seite immer schwerer wurde, den könnte man doch vielleicht ausnahmsweise mal
… NEIN!! hab ich alle Artgenossen aus den Regalen schreien hören, das lässt du
schön bleiben und kämpfst dich da durch. Du weißt genau, danach fühlst du dich
gut! Wie Sport halt. So denn … Braucht jemand ein Kindle? Was ich allerdings schon
verstehen könnte, wäre, wenn jemand meine gesammelten Werke als eBook … Naja.
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