Freitag, 30. Dezember 2016

Silvestergrinch

Immer dieses Jahresendzeitstimmungsdings! Während die einen im Fernseher nicht müde werden, die wichtigsten TV-Momente des Jahres à la chinesischer Reissack zu glorifizieren und für alle, die es immer noch nicht begriffen haben, die gesamtpolitische Bedeutung der Beziehung zwischen Pietro und Sarah Lombardi mit Hilfe von Baumdiagrammen aufzuarbeiten, fällt den anderen alljährlich um die Zeit plötzlich auf, dass Musiker und Schauspieler auch nur Menschen sind, die im Alter von 60 bis 100 überraschend zu verscheiden pflegen, was mit großem Wehklagen und nicht minder deutlich ausgedrückter Weltschmerzempörung zum Ausdruck gebracht wird. Wäre so ein Jahr ein Füllhorn, in das man nur fünf Tote hineintun dürfte, wäre das Gefäß bereits am 1.1.16 um 0:00:01 zerborsten. Aber das geldwerte Idol hat eben gefälligst frei zu sein von irdischen Befindnissen. Weiters möchten andere Personen, dass man eigene Jahresrückblicke verfasse, wegen sicher lustig, und dann weiß man gar nicht, wo man anfangen soll, weil eh immer alles nur so muahahaalustigischschmeißmichwegichkannnichmehr! Im letzten Jahr hab ich mich sauber aus der Affäre gemogelt und einfach so getan, als hätt ich das jahresletzte Sofa vergessen zu schreiben. Den Vorschlag, das als Tradition zu kultivieren, kann ich freilich nicht mit meiner Ehre in Übereinklang bringen, und so sitz ich da und hirne, derweil mich wie so oft eine ganz andere Sorge umtreibt: Silvesterzelebranz. Eigentlich schweb ich über diesem Ding und referiere gerne über die völlig sinnbefreite emotionale Überfrachtung eines Datums. Jetzt sieht die Sache plötzlich ein bisschen anders aus, weil so lässig daherreden kann halt nur, wer eh weiß, dass was geht. Eine kurze Umfrage bei den üblichen Verdächtigen jedoch hat eine Misssituation aufgezeigt, nämlich dass die schlauen Freunde sich längst außer Landes begeben haben, die weniger schlauen außer Reichweite anderer Natur. Nämlich fortpflanzerischer. Jetzt bin ich in meinem Dasein als Co-Schwangere und Co-Mutter äußerst duldsam bis solidarisch bis zur Selbstaufgabe, aber irgendwo muss auch einmal Schluss sein, halt auch wegen aus Prinzip. Der Silvestergrinch wirft sich also entweder auf die Couch, um James beim Trinken zu helfen, oder in die Resterampe, um zu feiern, dass das Leben schön ist, Datum hin oder her. Ich glaub fei, es wird letzteres. 

Freitag, 23. Dezember 2016

I had some money, but I spent it ...

Heute Morgen Radio. „I had some money, but I spend it“ hat es in mein anglophongeschultes Ohr gesungen, und da hab ich mir gleich denken müssen, genau mein Thema, weil hab ich am Tag zuvor nämlich eine Spendenquittung bekommen über 80 Euro. Die hab ich glaube ich einer kleinen Gemeinde zugute kommen lassen und im Gegenzug ein schönes Portrait von mir erhalten sowie einen Eintrag im Goldenen Buch der Stadt Flensburg. Was man nicht alles tut, während sich die Armadas durch die City schieben oder Paketboten der Region zu Hochleistungssportlern trainieren. Dabei sagt doch der Schweizers Jochen dauernd im von lästigen Filmen oder Dokumentationen unterbrochenen Fernsehprogramm, das wichtigste und schönste Geschenk sei gemeinsame Zeit. Da ist er übrigens früh dran mit der Erkenntnis. Meint er. Weil wir wissen ja alle schon längst, dass wer so richtig überhaupt keine Idee hat für eine Gabe zum auf den dafür gedachten Tisch oder unter einen nadelnden Baum zu legen, der schnitzt sich geschwind Gutscheine für „gemeinsame Unternehmungen“, wohlwissend, dass die eh nicht zustande kommen. Aber gut, ich bin fein raus, weil 1. GeschenkeschonlängstbeisammenStreber und 2. DenkenbeimSchenken und so kurzerhand wie naheliegend Weihnachten mit Wohltätigkeit verbunden, wenngleich nochmal anders als eingangs berichtet. Deswegen wichtige Themen: Baum. Betrifft mich nicht, weil seitdem letztes Jahr der Erbmassenverwalter mich mit der Beschaffung beauftragt hat, ich dem artig Folge leistete und dann die ganze Familie großen Spaß daran hatte, mich tagelang mit dem dürren Geäst aufzuziehen, das ich mir hatte aufschwatzen lassen und das die eine Hälfte der Nadeln beim Aufstellen, die andere, wann immer jemand näher als fünf Meter an ihm vorbeizugehen wagte, beleidigt von sich schmiss, also seitdem macht die Lichtgestalt das lieber wieder selbst. Dann: Menüfolge. Wird man seitens der Mutter Oberin, die das Abstillen nie ganz verkraftet zu haben scheint und deswegen seit Dekaden in steter Sorge lebt, eins der Ferkel könnte verhungern, erst zur Disposition gestellt. Dann wichtig: alle Vorschläge ablehnen (Gans: kein Platz. Sushi: Igitt. Schnitzel: würdelos.), dann eigenes Menü kreieren, bei dem zugegebenermaßen die Sterneköche der Region vor Neid erblassten, der Adlatus sich aber urplötzlich in einer Not sieht: „Ich mach das Hauptgericht  und jeder überlegt sich was aus der arabischen Küche als Vorspeise, das er dann entweder mitbringt oder gerne hier kochen kann.“ Also hab ich jetzt doch wieder einen Stress. Konstruktive Zuschriften werden bis Samstagvormittag gerne entgegengenommen. Ansonsten ist es so, dass ich euch allen wunder- und in allererster Linie friedvolle Weihnachten wünsche, dass ihr zusammenhalten und freundlich miteinander sein könnt und vor allem an diejenigen mindestens denkt, deren letzte Sorgen ganz sicher solche sind, wie von mir hier beschrieben. Und wenn man aus Versehen mal einen fremden Menschen anlächelt, tut’s fei gar nicht weh, versprochen. Und vielleicht reicht’s ja noch für mehr als nur ein kurzes Denken und schnell weiterwurschteln. Das wäre schön, und das wünsch ich mir von euch. So. Genug pontifiziert. Ich verbleibe panisch Rezept suchend und mit den wärmsten Weihnachtswünschen.

Freitag, 16. Dezember 2016

Body Shamewear

„Ich glaube, es ist so“, hob das Schatzi zu einem in jedem Sinne gewichtigen Referat an. „Ich bin zu fett für meinen Körper. Ich passe nicht mehr in mich selbst hinein.“ – „Und was machen wir jetzt da?“, hab ich mich besorgt erkundigt. „Weiteressen!“, sprach’s und griff beherzt in die Plätzchendose, zu deren Inhalt ich zuvor angemerkt hatte, es sei womöglich eine kalorienarme Alternative, statt Spitzbuben zu vertilgen sich lieber ein Stück Butter mit Marmelade zu bestreichen. Anlass des Leidens war der Weihnachtsmarktbesuch am Vorabend gewesen, im Zuge dessen sich in Windeseile flüssige Kalorien vom Gegenwert eines fränkischen acht-Gänge-Menüs einverleibt worden waren, was zur Folge hatte, dass der solcherart geschundene Leib sich anschickte, ähnlich eines auf die Heizung gestellten Hefeteiges prächtig aufzugehen. Jetzt wissen wir alle: Das ist nichts Neues. Böses Weihnachten, böses Essen, böses Sitzen, alles böse. Aber jetzt Akutproblematik „Festgewand“, weil man weiß zwar, dass man später am Heiligabend eh in der vorsorglich mitgebrachten Bequemhose mit weitem Bund auf dem Elternsofa brach liegt, möchte aber doch vorher wenigstens beim Eintreffen zum Fest ein bisschen ausschauen. Wegen Fotos. Das führt mich zu einem Erlebnis vor nicht allzu langer Zeit, als ich schon mal dachte „Mensch du, das Kleid ist toll für eine Hochzeit, aber halt schon auch ein bisschen Körper und so.“  Klare Sache, hab ich dann befunden, wozu gibt es „Shapewear“, der Schummelfummel für untendrunter. Reinpfriemeln, wahnsinnsausschauen, daheim wieder rausschuhlöffeln aus dem Gummischlauch, fertig. Bin ich also losgezogen und hab dann eine Demütigung sondersgleichen durchmachen müssen, die ich bis heut nicht recht verkraftet habe. Weil es geht schon damit los, dass diese Schlankmachwurstgewänder nur in Größen vorhanden sind für Frauen, wo man sagt, „wozu braucht jetzt die eine Shapewear? Aber wenn ich mir zwei von den Unterkleidern jeweils um ein Bein wickle, könnte das klappen.“ Und dann zwängt man sich hinein in das Kondom und weiß nicht ob lachen oder weinen, weil Wampe hat man immer noch, dafür aber keinen Busen mehr. Stimmt nicht ganz, weil der Busen ist irgendwie schon noch da, nur jetzt halt am Rücken, weil irgendwo muss der Speck ja hin und irgendwo muss so eine Body Shapewear ja auch aufhören, und der Körper denkt sich „Nicht mit mir!“ und schiebt den Hüftspeck kurzerhand auf die Schultern hinauf, wo er dir dann fröhlich aus dem Spiegel entgegenwinkt. Atmen auch nur noch so mittel, aber da weißt du dann schon auch, warum es früher in war für Frauen, andauernd in Ohnmacht zu fallen. Hab ich mich also wieder rausgewunden aus dem Fummel, der meines Körpers entledigt auf die Größe einer Walnuss zusammengeschrumpft ist und der Frau Fachgeschäft gesagt, dass das bitte umbenannt werden muss in „Body Shamewear“. So. Für’s gesparte Geld gibt’s jetzt erstmal Glühwein. Oder eine neue Jogginghose. 

Freitag, 9. Dezember 2016

In der Weihnachtsbäckerei

„Ja Kreuzdonnerwetter!“ hat es aus mir heraus rambazambaniert. „Meinst du, ich sag nur zum dich ärgern die ganze Zeit, dass du jetzt einmal ein bisschen Gas geben und dich von deiner romantisch verklärten Vorstellung vom gemütlich-fröhlichen Plätzchenbacken gefälligst verabschieden sollst? Es wird sich hier nicht süß Mehl auf die Nase gestäubt, sondern schwerst gearbeitet, zefix!“ hab ich weiterschimpfen müssen und auf einen Knopf drücken, der den Zuckowskis Rolf ausgestellt hat, weil der seit knapp zwei Stunden dauerschleifend von der Weihnachtsbäckerei gesülzt und mir die Ohren zum Bluten gebracht hat. Ob man gemeinsam backen möchte, hatte ich die Knaben befragt und dabei mich kopfschüttelnd selbst betrachtet. „Jaa juhu!“ haben diese nämlich ausgerufen und dann schon bei der Aufforderung, Wunschkekse zu äußern, Verzweiflung in mir geweckt. Wo man jetzt Rezepte herbekäme, ob man da extra ins Elternhaus fahren müsse, man sei ja eher so der Salatesser und hätte aber gerne am Sonntag so drei, vier Stündchen Zeit. Ob es sein könne, dass keiner der beiden jemals Plätzchen gebacken hätte, hab ich gefragt und geantwortet bekommen, dochdoch, man habe hier und da schonmal was ausgestanzt. Nun denn, hab ich geseufzt und eine gute Fee bestellt sowie eine Kompanie Heinzelmännchen, die dann ein paar Stunden für uns vorbereitet haben. Rezepte suchen und Zutaten besorgen und vermengen und kalt stellen und was man halt so macht am Samstagabend und Sonntagmorgen. „Ich weiß auch nicht, was das ist, aber ich bekomm ja vom Backen immer so eine Gänsehaut“, hat dann eins direkt zum Arbeitsantritt verkündet, als es des mehligen Schlachtfeldes ersichtig wurde, und wollte schon davonspazieren. Hab ich ihn am Schlaffitchen gepackt und zum Kipferlrollen verdonnert, was jedoch zur Folge hatte, dass der Inschenör meine Arbeitsanweisungen infrage stellen und erst einmal den Workflow optimieren hat müssen. Derweil der andere Spezialist seine Energie darauf verwendet hat, Ausstechformen möglichst adrett auf einem Teigfladen zu drapieren, Lampen umeinanderzuverstellen und akribisch einen followerkompatiblen Insta-Post zu komponieren. Hab ich meine Konditorenhaube zurechtgerückt, zum 17. Mal die „Weihnachtsbäckerei“ zum Schweigen gebracht, mich kurz ins klebrige Küchenbodenbett fallen lassen und durchgeatmet. „Weißt“, hab ich mir gedacht, „eigentlich ist’s ja gleich, dass du bis heut Nacht noch allein alles fertig machen wirst. Alle sind wir beieinander, noch niemand hat sich gestritten oder gar verprügelt, und das ist doch die Hauptsache“, bin ich direkt wieder aufgesprungen und hab röstaromatisierte Lebkuchen aus dem qualmenden Backofen gerettet, was von den Knaben nicht bemerkt wurde wegen gegenseitig Mehl auf die Nase stupsen ... Und jetzt entzünd’ ich dann ein drittes Kerzlein und bewundere in glänzenden Dosen lagernde Kilojoule, mit denen man eine Kleinstadt eine Woche lang weihnachtlich erleuchten könnte. Das wird schön! 

Freitag, 2. Dezember 2016

Männergrippe

Hab ich neulich hier behauptet, die „Wie geht’s dir?“ sei die verbotenste Frage der Welt, ich weiß schon. Aber wie das so ist mit charakterlich gefestigten Persönlichkeiten hat sich zwischenzeitlich die Windrichtung gedreht, und geschwind hab ich mein Fähnchen dort hinein gestellt und lass es munter flattern. Und hoffe, dass mich jemand fragt. Wie es mir geht. Weil dann großer Auftritt. „Wie geht’s dir denn?“, sagt eins, und wenn ich vorher mimisch alles richtig gemacht hab, dann schwingt da schon der Zauber der Sorge mit. „Frage nicht!“, sag ich dann, oder je nach Laune, Frühstück oder Publikum auch „mittel“, „selten besser“ oder „ja wie sieht’s denn aus?!“, wobei ich mich vor letzterer Antwort gern nochmal spiegelblickschnell versichere, dass meine Nase möglichst dick eingesalbt im Lampenschein glänzt. „Was ist denn los?“ erklingt sogleich die Weiterfrage, „erkältet?“ Jetzt kommt meine Stunde. „Schlimmer!“, sag ich mit bedeutungsschwanger gesenkten Lidern, unter denen hervor ich mich ungeteilter Aufmerksamkeit versichere, und dann: „Männergrippe.“ Was dann folgt, macht mir so große Freude, dass ich am liebsten nie wieder gesund sein möcht. Weil Erkältungsvermeldung macht Achselzucken und Abwinkerei und Stelldichnichtsoan. Männergrippenvermeldung jedoch, ja der Wahnsinn! Jetzt könntest du meinen, dass männerseitig da eher ein Abwehrverhalten zutage tritt wegen „Gar nicht lustig fei, blöde Kuh!“, aber weit gefehlt. „Musik in meinen Ohren“ tät ich sagen, wenn stattdessen dort nicht von innen eingestöpselte Pfropfen säßen, doch was ich durch diese hindurch dumpf vernehme, freut mich immer noch genug, weil: aufrichtiges Mitgefühl! „Genieße den Abend, es kann sein, dass du morgen nicht mehr aufwachst!“ heißt es da, oder „Lass dich drücken, womöglich sehen wir uns heute zum letzten Mal!“ oder „Wenn du ein Licht siehst, bleib bitte stehen!“ Auch die Damen zeigen Mordsbestürzung, wenn ich meine Malaise verkünde. Manchmal zuckt es bei den darauffolgenden Kondulationen auch um die Mundwinkel herum. Wegen der Emphase, glaub ich, und wegen Weinen in der Öffentlichkeit nicht so gern gesehen hierzulande. Einzig ein Mann, nämlichst akkurat eins der allzeit schlimmsten Opfer des Infekts und darob mehrmals jährlich knapp dem Tod entrinnend, schimpfte unwirsch, ich würde aller Wahrscheinlichkeit nach überleben, und ich sprach „Jawohl natürlich, weil ich bin eine Frau und stark und tapfer, doch ich kann nicht versprechen, dass ich danach noch die Selbe bin.“ Grade Rüffel bekommen: Darf keine Männergrippe haben weil womit dann sonst künftig Männer verhohnepipeln! Naja, und wenn die Mama das sagt … Tut mir leid! 

Freitag, 25. November 2016

FeuZaBo@CKM

Große Aufregung hier im Allgemeinen seit Wochen so wie sich zuspitzenderweise um mich herum im Speziellen. „FeuZaBo@CKM!“, ruft eins aus, „da fieber ich schon das ganze Jahr drauf hin und regle alle Termine danach! Du MUSST mitkommen.“ Weiß ich natürlich sofort, was gemeint ist, weil pass auf: Wird heut später am Nachmittag nämlich eine Weibsperson mit Frisur und Kleid einen Balkon betreten, um von dort zum Volk zu sprechen. Großes Geheimnis, von dem ich so viel bereits verraten kann: Diese Person werde schon wieder nicht ich sein, weil obwohl ich mich seit Unzeiten für den Job anpreise, weil Kleid hab ich und Frisur erst recht, und zum Volk sprechen kann ich wie eine Große, werd ich einfach nicht gehört. Aber gut, ich bin ja seltsamerweise auch noch nicht auf der Straße von einer Modelagentur entdeckt worden und auch noch nicht vom Herrmanns Thomas nach Berlin eingeladen. Aber wie der Herr Cator Senior stampf ich einfach weiter zornig mit dem Stöckel auf den Boden, „ceterum censeo Katharinem esse eligendam“ oder so, wohlwissend, dass der Kelch an mir vorbeigehen wird, schon wegen Altersdiskriminierung. Also jedenfalls stehen wir dann um halb sechs alle da und recken die Hälse und sehen nichts außer Smartphones und von Elternschultern herabbaumelnde Gummistiefel  und hoffen, dass endlich mal ein kleiner, nur ein klitzekleiner Versprecher ins Volk hineinprologisiert wird, und dann passiert eh wieder nichts und dann fertig und Lichter an und tja. Und jetzt? Weil wo der Pöbel sich sogleich gegenseitig durch die gestreiften Reihen schiebt oder eigenständig hindurchschlachtschifft, ertönt um mich herum vergleichsweise selten der Wunsch nach dem siebenundreissigsten Edelsteinamulett und auch das Verlangen nach dem siebzehnten „Schau wie süß der Keramikdrache dem wo man mit Dochten in den Nüstern Feuer anzünden kann!“ ist überschaubar. Früher vielleicht noch Mütze oder Lammfellsohle, aber heut auch nicht mehr nötig wegen eh zu warm. Und wegen genereller weil mainstreamiger Mainstreamverachtung natürlich auch indiskutabel, sich an einen Großglühweinproduzentenstand zu begeben weil da der Ekelstiefel zu dreifuffzich statt im Laden der Liter zu 1,33 Euro, und außerdem mittlerweile Vorglühfacebookveranstaltungen für am Ausschank und dann muss es halt Feuerzangenbowle, aber halt bloß nicht die ballermännische eine da, sondern natürlich die coole. Weil was nämlich kaum jemand weiß, deswegen auch großes Geheimnis jetzt, der viel schönere und viel nettere und viel besseresgewissenere Weihnachtsmarkt, der ist ganz dolle versteckt ganz woanders, deswegen findet da auch kaum einer hin sondern bloß die Eingeweihten stehen da und connaissieren vor sich hin und prosten den anderen fünftausend auf dem Platzerl kuschelnden verschwörerisch zu. Weil: hier cool, drüben uncool. So, und jetzt noch ein Rätsel, und wer’s löst, darf mir einen Tiroler ausgeben. „Das Christkind lädt zu seinem Markte ein, und wer da kommt, der soll … ?“ Hosianna!

Freitag, 18. November 2016

Smalltalk

Der Brudermensch war sommers einmal auf einem Geburtstag eingeladen. An sich nichts besonderes, wär’s nicht der Jubeltag des Vorgesetzten gewesen, und zwar jetzt nicht mit einem solchen, wo man dauernd sagt, eh Schorsch, servus, karteln später?, grüßt mir die Uschi, gell! Deswegen also Unsicherheit, Kollegenangst, Etikettensorge. Also beim Small Talk, hab ich ihm in den auf der schwesterlichen Schulter weinenden Schädel getröstet, ist eh am einfachsten, wenn du dich an simple Regeln hältst. Politik ist immer gut, gern auch mit ein bisschen Lokalkolorit und aktuellen Ereignissen der Szene, Hauptsache positionieren! Wosd jetzt auch kaum was falsch machen kannst, ist freilich Religion, weißt schon, Abendland versus Atheismus, Aufnahme der Apokryphen in den Kanon, fünfmal täglich beten nach Westen, da hat eh jeder eine Meinung, kriegst das Gespräch easy zum Laufen. Ansonsten halt auch Krankheiten, weil jetzt ist man eh in einem Alter, wo da auch ein jeder was beizumtragen hat, und dann ein Prost aufs baldige Ableben und dann noch ein JetztistehschonegalSchnaperl und juheissa! „Echt?“ blickten mich tränennasse Augen dankbar an. „Echt“, hab ich ihm den Rotz der Verzweiflung liebevoll aus dem Gesicht gewischt. „Alles ist erlaubt. Hauptsache, du stellst nie, also wirklich nienieniemals die eine, die schreckliche, die verbotenste Small-Talk-Frage der Welt.“ – „Und welche ist das?“ – „Wie geht’s.“ Diese Frage, hab ich dann nämlich weiters ausführen müssen, zieht Situationen von größtmöglicher Unsäglichkeit nach sich und bugsiert den solcherart Angesprochenen in einen Stress. Und in Folge dessen je nach Ausgang den Ansprecher. Weil was sollst denn antworten auf so eine Frage, die man vielleicht am besten noch von einem entfernten Bekannten auf der Ubahnrolltreppe gestellt bekommt? Man kann a) Lügen, knapp das eigene natürlich beste Wohlergehen kundtun, die Frage zurückgeben und hoffen, dass der Mensch auch lügt, um sich dann unter dem Vorwand eines im Ofen vergessenen Kuchens oder spontanen Todesfalls in der Familie aus der Misere schummeln. Wenn man Pech hat, hat der andere Mensch ein Redebedürfnis und berichtet in epischer Länge von allen Zipperlein und Wohlstandssorgen, die ihn so umtreiben. Oder man antwortet b) ehrlich, aber in dem Wissen, dass das Gegenüber es so genau eigentlich gar nicht hören wollte. Oder aber man hält’s amerikanisch und betrachtet das „Wie geht’s?“ als Synonym für „Hallo“, lächelt und geht weiter. Hat auch den Vorteil, dass wenn das Gegenüber nichts von dieser Unsitte weiß, man dessen verstörtes Gesicht nicht mehr anschauen muss. Mit einem Klaps hab ich den Brudermenschen in die große Welt entlassen, zum Erproben des Erlernten. Am Samstag eignet sich als Smalltalkthema ganz hervorragend die Impertinenz des Stillen Feiertages, eine damiteinhergehende Einschränkung der persönlichen Entfaltungsmöglichkeiten, und ob man im Zuge der Abschaffung derselben nicht auch eh alle Feiertage ausradieren und stattdessen sich in der Arbeit frei entfalten möchte.

Freitag, 11. November 2016

Schnutz!

Nachdem uns die Bekleidungshändler aller Klassen seit Juli darauf vorbereitet haben, kam er diese Woche für alle überraschend auf eine Stippvisite vorbeigeschneit: der Winter. Folge: völliger Verkehrszusammenbruch wegen lustiger Kombination aus „ach, dieses ‚von O bis O‘ ist schon eine tolle Eselsbrücke, um sich endlich mal merken zu können, dass hierzulande Sommerreifen ganzjährig draufbleiben können, von Ostern bis Ostern, haha, das ist lustig“ und „OGOTTOGOTTOGOTT ein Kristallgeriesel auf der Windschutzscheibe, wie war das gleich wieder in der Fahrschule mit der Glätte und dem Aquaplaning und dem Gegenlenken und ogottogott ich fahr einfach nur 20, sicher ist sicher, notfalls schieb ich das Auto!“ Gut, jetzt muss man freilich schon auch zugestehen, dass hier eher nicht die Gegend ist, also im Nürnberg schon gleich dreimal nicht, wegen Wetterinsel, wo man sagt, da lernt der Nachwuchs schon noch vor dem Kindergarten, die Schneeketten locker im Vorbeigehen aus dem Handgelenk drüberzuzaubern.
Eher so die Gegend, wo man sich fragt, wieso das Wort „Schnee“ überhaupt im aktiven Wortschatz vor sich hin lebt. Ich mein, der Eskimo, den man nicht mehr so nennen darf glaub ich wegen pc, aber da stellt sich so ein bisschen eine Unsicherheit ein wie beim Zigeunerschnitzel, hab ich jetzt auch noch nicht mitbekommen, dass einer ein Sinitiundromaschnitzelbittedanke bestellt hat, bleiben wir also beim Eskimo. Oder beim Angehörigen eines indigenen Volkes im nördlichen Polargebiet. Mich treibt grad eher die Frage um, warum es eigentlich eine „warme Jacke“ gibt aber keine „kalte Jacke“. Dass die da oben jedenfalls haufenweise Schneewörter haben, das versteht man dann schon eher.
Haben sie aber übrigens gar nicht weltweit die meisten, große Lüge, hat der Herr Boas uns sauber aufs Glatteis geführt. Weil nämlich die Schotten, weiß man heut, die haben viel mehr Schneewörter, über 400, stell dir mal vor! Wegen der vielen Landwirtschaft haben die’s nämlich genaugenommen mit dem Wetter. Aber ich glaub, gewissermaßen stehen wir denen in nichts nach, nur halt in anders. Weil bei uns kommen halt andere Sachen vom Himmel, die der übersichtliche Mensch vielleicht als „Schnee“ bezeichnen würde, der differenziert denkende weiß sich anders zu behelfen. Was es da die Woche gab beispielsweise, das war eindeutig ein Schniesel, der zwischendurch in einen Schnegen übergegangen ist. Wenn’s dann mal ein bisschen kälter wird, bleibt mit viel Glück was liegen, was dann als Schnatsch prima umeinanderspritzt, weswegen man dann sehr schnell voller Schnutz ist. Schnischnaschnappi, wie komm ich jetzt aus dem Text raus? Keine Ahnung.
Hauptsache, wir betrauern am Sonntag alle das Volk. Welches, sei jedem selbst überlassen.

Freitag, 4. November 2016

Käsekuchenvorfall

Neues vom Pubertier! Von einer geleiteten Experimentsituation hab ich ja Abstand nehmen müssen wegen Genfer Konvention im Allgemeinen und Erziehungsberechtigten im Speziellen, aber das brauch ich auch überhaupt nicht, weil: Das Pubertier zeigt mir alles, was ich sehen möchte, ganz von allein. „Schaumalschaumalschaumalwasichhab!“ überfiel es mich neulich und hielt mir einen Gegenstand so dicht vor die Nase, dass ich die Form einer Deoflasche nur erraten konnte. „Riech!“ befahl es, und ehe ich’s mich versah, befand ich mich in einer Masse klebrig süßen Irgendwas, das den Raum um mich gelbrosawolkig und irgendwie zähflüssig erscheinen ließ. Es handle sich, wurde mir auseinandergesetzt, um ein Deodorant in der, pardon, Geruchsrichtung „Vanillacheescake“, dessen exakte Beschreibung leider nicht rekonstruierbar ist, da das ganze Internet sich in unschuldiger Unwissenheit ob dieses Produktes präsentiert, was ich nur zu gut verstehen kann, wenn man das so interpretiert, als habe der Erfinder dieses Opus seinen fatalen Irrtum nicht nur erkannt sondern sich derart geschämt, dass er hurtig weltweit alle Spuren zu vernichten sich beeilen hat müssen. Vielleicht so ein bisschen wie der Herr Hahn und der Herr Strassmann, die ja, glaub ich, hernach auch nicht mehr so arg begeistert waren von ihrer Entdeckung. Jedenfalls war dann leider meine Spreche schneller als die Denke, und hab ich blind vor Augentränen durch die klebrige Wolke geschnappatmet, dass diese Geruchsrichtung durchwegs diskutabel sei und es mich nicht Wunder nähme, wenn in Verbindung mit Transpirat ein olfaktorisches Debakel sich ereigne. Das Pubertier verschwand empört und ich blieb zurück als unsensible Mistsau, wenngleich süß umwölkt. Dabei hab ich grad angesetzt gehabt, Verständnis zu demonstrieren. Weiß ich nämlich schon noch, dass seiner- oder besser: meinerzeit auch spezialwichtig: möglichst viel Auftrag von möglichst mit Schmetterlingen und Blumen bedrucktem Produkt, das übrigens, grad nachgeschaut, entsetzlicherweise auch heut noch wirbt mit „angesagte Frische (sic!) für junge Mädels“. Und dann haben Vatermenschen lautschweigend Räume verlassen oder im Auto alle Fenster aufgerissen, auch wenn draußen Minus hundert Grad. Dass der Lehrkörper nicht prinzipiell mit Gasmaske nur den Lehrraum betreten hat, mir völlig schleierhaft. Hab ich dann Abbitte leisten wollen und zur Versöhnung gemeinsam einen Käsekuchen backen. Hat’s mich sauber ausgeschmiert, das Pubertier, weil überraschend Konfi-Unterricht. Hat mir gescheit recht geschehen.Jetzt hab ich gedacht, vielleicht ein Fünferpack Vanillebackaroma zu schenken als günstige Alternative und wegen gibt’s ja grad wieder überall. Ist das fei prompt doppelt so teuer! Muss ich wohl die Waffen strecken. 

Freitag, 28. Oktober 2016

Smashing Pumpkins

Unter weitestgehendem Ausschluss der Öffentlichkeit hab ich letzte Woche eine Bombe entschärft. Huch, Bombe, Rasterfahndung! Dabei wär hier eher die Rastafahndung angesprochen, weil ich glaub, wenn mir die Bombe runtergefallen wär bei der Entschärfsorgung, dann hätt’s am nächsten Tag geheißen in der Zeitung „Ein Viertel ist high – Unbekannte versetzen Anwohner in Drogenrausch“. Ist aber nichts passiert, keine Sorge, muss ich vielleicht höchstens noch einen Zettel an die Tonne kleben für die Müllabfuhr, „bitte nicht schütteln“ oder so. Bei dem Gefahrengut handelte es sich um eine zentnerschwere Honigmelone, wo man sagt, ja, die hätt man gern noch essen mögen als man sie gekauft hat, so ungefähr im August muss das gewesen sein, die aber aus unerfindlichen Gründen nie angeschnitten wurde Dafür in der Obstschale einen äußerst hübschen Eindruck gemacht hat neben den zahlreichen Kürbissen, die da kamen und gingen seitdem, so dass die Melone ihre Eigenschaft als Lebensmittel gegen eine solche als Dekorationsgegenstand einbüßen und folglich damit Leben hat müssen. Bis zu dem Tag, an dem mir aufgefallen ist, hoppla, hab ich mir gedacht, das ist ja fei in Wahrheit gar keine Wachsmelone! Dann hab ich’s mit der Angst zu tun bekommen. Um den Tisch mit der darauf befindlichen Obstschale bin ich nur mehr geschlichen, Erschütterungen galt es zu vermeiden, dem Forscherdrang nachzugeben und das Objekt mit Augen- und Atemschutzgerätschaft aufzuschneiden, um das Innere zu erkunden, allerdings vorsichtshalber auch, weil Wände ja bekanntlich frisch geweißelt und Gelb eher nicht so meine Farbe. Und so wie ein Huhn, das nicht weiß, soll ich davonlaufen vor dem Fuchs oder lieber gleich tot umfallen, dann lieber gemütlich nach Körnern pickt, hab ich einfach auch weiter so getan, als wär’s ein unlebendiger Einrichtungsgegenstand, die Melone. In der Zwischenzeit hohe Fluktuation an ehrlich-hinterfotzigem Gewächs: Weintrauben kaufen, hinstellen, drei Tage später oben hui, unten pfui und Schimmelsoßensee. Birne kaufen, hindekorieren wegen steinhart, optisch tagelang keine Veränderung, dann hinlangen und Birnenmusgatsch an der Hand wegen heimlicher Zersetzung. Salat in den Kühlschrank, kaum fünf Tage keine Zeit zum Anmachen, zack! Kühlschrank voller Schleim. Auf Daumenlänge zerschrumpelte Gurken, beleidigt schimmelfrisierte Rüben, verzweifelt aus dem Netz oktopussierende Kartoffeln – ist nicht schön, vor allem olfaktorisch, aber wenigstens irgendwie authentisch. Die Melone hingegen – eine fiese Sau! Dass das ganz ähnlich übrigens in Wahrheit mit Kürbissen funktioniert, vor allem mit solchen, die man wegen Kunstschnitzerei ein bisschen zu lang den Nachbarn präsentiert: viel Spaß beim Entdecken! Und wenn wir das dann alles gemacht haben, haben wir in dem Moment, in dem wir am Sonntag in den Spiegel schauen, eh genug Grusel für ein ganzes Jahr. Und wer noch Birnen hat, hebt die halt für Montagabend auf. Wenn’s klingelt. 

Freitag, 21. Oktober 2016

Brennereitag

Hab ich doch erzählt neulich vom Unfall mit dem Fußball und dem Bier, gell? Jaa, jetzt Anschluss verloren, schnell nochmal zurückgeblättert im Devotionalienordner mit den Zeitungsausschnitten und Erinnerung aufgefrischt. Das war ja so: Man wollte eigentlich Sport, hatte aber irgendwie plötzlich Alkohol. Um mich aber in meiner buddhistisch angehauchten Lebensführung zu bestärken, hat das Karma jetzt zurückgeschlagen und sich gedacht: Da zeigen wir ihr jetzt einmal, dass das auch andersrum geht. „Tag der offenen Brennereien“ stand mordsumringelt im Kalender. Hinaus aufs Land, Stamperl um den Hals gehängt, von Schnaps zu Schnaps wallfahrten, hier ein Spottpreisschäufele, dort einen Charlesmagner, je weiter der Tag, desto lauter die Lieder, Rache am Landbewohner für alle verkaufsoffenen Sonntage, später grölende Verbrüderung, gemeinsam ins Jagdhorn stoßen und so weiter und so fort. Theoretisch. Wär da nicht die (und das ist jetzt schon ein bisschen lustig weil völligst die Unwahrheit) Schnaps(!)idee hineingesprungen, man könnte das alles ja per Fahrrad, weil Wege zu weit zum Laufen und Shuttlebus zu voll zum Stehen. Supergut, so machen wir’s! Das Fahrer-Schnickschnackschnuck entfiel zu meinen Gunsten, und da muss ich jetzt schon sagen: so ein Glück! Aber nicht wegen Schnaps. Sondern wegen Pudding. Nämlich in den Beinen. Jetzt hat ja so eine Fränkische die Angewohnheit, aus ganz malerischen kleinen Anhöhen zu bestehen. Also aus Autofahrersicht. Die sich in überraschend fiese Anstiege verwandeln, wenn man meint, sie mit dem Radl besuchen zu müssen – und dabei nicht ein E-Bike sein eigen nennt, so wie die Rentnertruppe, die fröhlich winkend an mir vorbeigesegelt ist, derweil ich in die Papiertüte atmen hab müssen und nach der ADAC-Bergrettung verlangen, weil das vom Tourguide vermeldete „da geht’s dann kurz ein bisschen rauf“ sich als ungefähr zehnfacher Burgberg herausgestellt hat, und den fährt man ja schon eh nicht auch nur einmal rauf, wenn man nicht irgendwie ein bisschen gaga. Auch ungünstig: zum Einstieg direkt drei Radler und drei Schlehe, weil da hängt dir der Wasserbauch sauber am zitternden Knie umeinander. Folge: Rest des Ausflugs in Askese, stetes Bangen vor dem HinterdernächstenKurve, wildes Querackerein wegen „oh das sah auf der Karte ganz anders aus“ und den meisten Alkohol hab ich aus dem Nachwuchsbrenner herauswinken sehen, der mit blutrotem Kennerblick und all dem Wissen seiner zwölf Lenze die Vorzüge von Willi vs. Fassgereift erläutert hat. Das Beste wird wohl sein, man bleibt künftig daheim und schützt sich vor Erlebnissen.

Freitag, 14. Oktober 2016

Promiversehen

Unlängst trug es sich zu, dass zwei ältere Herren, die in meinem Leben beide unterschiedliche doch nicht unbedeutende Rollen spielen, unverhofft aufeinandertrafen. Da ich es für erstens der Höflichkeit geschuldet und zweitens unumgänglich hielt, sie einander vorzustellen, schritt ich alsgleich zur Tat, ums hinter mich zu bringen. „Darf ich vorstellen, das ist der W.“, sprach ich, und weiter: „Und das hier, das ist mein P.“ Und noch bevor die aufeinanderzustrebenden haarigen Pranken sich berühren konnten, erhellte sich das Antlitz des W., und er rief aus: „Ach, SIE sind das? Von Ihnen liest man ja ständig in der Zeitung, ich weiß alles von Ihnen! Wie schön, Sie endlich mal persönlich kennenzulernen, Sie sind ja sozusagen eine Berühmtheit.“
Der P. errötete bescheiden kichernd, und ich tat’s ihm gleich, allerdings aus anderen Gründen. Und ohne Kichern. Eher mit Verschluckhusten. „Momenteinmal“, stieg die Rebellion in mir auf, „was ist jetzt das? Hat er da grad ‚Berühmtheit‘ gesagt? Jetzt langt’s aber! Da rackerst dich ab seit Wochen und Jahren und schreibst und machst und kehrst dein Innerstes nach außen, mühst dich um Witz und Inspiration und schreckst auf im Schlaf, weil ein Geistesblitz nach Niederschrift verlangt, beobachtest deine Außenwelt mit niedagewesenem Scharfsinn und ebensolcher Züngigkeit, aber ER ist die Berühmtheit? Da schlägt‘s aber 13!
Anstatt dass es heißt, ‚Ah, Sie sind das, die die arme K. immer so drangsaliert und drillt und ihr das Leben arg vergräzt, schämen Sie sich nicht?‘ heißt es ‚Juhu‘ und ‚fein‘ und bald dann ‚Kann ich vielleicht ein Autogramm von Ihnen haben?‘ und dann werden rote Teppiche ausgerollt, auf denen gewandelt und in Wurfrosen gebadet wird, und der arme Ghostwriter, namentlich meine unwürdige Person, darf froh sein, wenn er im pompösen Schatten nebenher schleichen darf, aber ach was soll’s, das tu ich doch mein Lebtag schon, jahaa mei, da simmer doch nicht so, da bau ich doch vielleicht noch einen Altar irgendwo auf, da kann der Fan dann die Devotionalien ablegen und in ein goldenes Fanbuch hineinschreiben, und dann bereit ich Bühnen vor und Signaturkarten und winde Lorbeerkränze, die halt ich dann von hinten ans weiße Haupt und souffliere ‚Wisse, auch du bist nur ein Mensch!‘, und dann …“ … hab ich nur in mich hineingeschmunzelt. Und alsgleich Beschwerden von anderen Artverwandten entgegengenommen, dass SIE ja schließlich NOCH NIE hier durch die Druckertinte gezogen worden sind. Euer Wunsch sei mir Befehl …

Freitag, 7. Oktober 2016

Kamm-Shot

Letztens hatte der Maître Coiffeur meines Vertrauens sich geweigert, meine Haarfarbe auf Platin zu renaturieren. Wegen keine Zeit, hat er gesagt. Wusste ich dann auch gleich warum, weil hat er die Zeit nämlich gebraucht, um zwischen zwei Scherenschnitten fünfminütige Schwänke aus seinem Leben zu rapportieren. Und da heißt es immer, Frisöre seien die Beichtschwestern ihrer Kunden! Von wegen, weil umgekehrt! War ich also urplötzlich in einer Notsituation, weil Urlaubsfrisur in großer Gefahr. Komisch, hatte dann auch Freitagnachmittag kein anderer der durchtelefonierten Salongs spontan zwei Stunden Zeit. Hab ich dann aber doch einen gefunden, und das war fein, weil die dort beschäftigten Damen so rüstig, dass ich zusätzlich positiv überrascht war, dass sie wussten, was ich wollte, und nicht versehentlich Dauerwelle gelegt haben.Nach dem ausgedehnten kopfhautblubbernden Wohlfühlprogramm hab ich draußen das Frisörnamenschild gelesen und mich direkt nachträglich noch wohler gefühlt. Weil: „Vorname Nachname Frisör“. Ich mein, wo gibt’s denn sowas noch? Tipp ich in die Gelben Seiten hinein „Frisör Nürnberg“, erscheinen spezialviele Ergebnisse, wo man sagt, ja, da hat aber jemand wohl seinen Beruf verfehlt, da wär ein großer Texter draußen geworden: Haargenau, Atmosphair, Methaarmorphose, Hairtreff, O’Haara, Keiserschnitt, Haupt-Sache, Hairinova, Haardrock, Bel-Hair, Verlockungen, Haarmonie, Hair-Force, Haarlekin, Wellkamm, ganz groß auch: Kamm-In. Der Asso Friseur bildet da schon eher so eine charmante Ausnahme, und der Cayenne Toy auch, aber weil man halt irgendwie immer meint, dabei handelt sich‘s um ein Geschäft für eher nicht so jugendfrei. Der Capillus ist derweil wohl der fürs Bildungsbürgertum, und dass die Swetlana Schamschur sich extra noch einen Salongnamen ausgedacht hat statt ihren eigenen zu nehmen, bedauerlich. Vom Besuch des Hairkillers würd ich in der Tendenz eher abraten, rein lautlich, und auf Seite ungefährsiebenundachtzig muss ich jetzt aufhören zu stöbern, weil sonst Schluckauf. Ich hab aber da noch ein paar Varianten so schmerzlich vermisst wie jetzt zum Vorschlag, falls sich grad ein Jungcoiffeur nachts im Bettchen wälzt wegen keine zündende Namensidee für den neuen Salong: Günthair und Hairmann wären scheint’s noch zu vergeben, ebenso wie Hairmaphrodit und Hairoin, Hairmeneutik und Hairkules (Bildung!), Hairpes gefällt mir gut, und warum es den Kamm-Shot noch nicht gibt, ist mir ein Rätsel. So. Bei Interesse gern PN, wie’s so schön heißt. Ich hab schon noch ein paar auf Laghair. 
Oh. Am Sonntag ist Tiergarten-Hairbstfest! Da könnten sich doch vielleicht alle Frisöre ein bisschen treffen und mit dreiwettertaftgestählter Sturmfrisur gegenseitig auf die Schulter klopfen.

Freitag, 30. September 2016

Herbstsommer

Ja sag einmal, hab ich nicht unlängst gesagt, so, jetzt Sommerausendebasta? Und dann prompt so aufgewacht am nächsten Tag und alle so yeah geil, Superregen, Supergrau, Superluft, Superherbst! Schnell alle Fenster aufgerissen, die böse Sommerluft rausgescheucht und die schöne kalte Herbstluft hinein, durch den ganzen Palast gerannt, Sommerschlappen weg, Matschstiefel her, Kleidchen weg, Rollis raus, Leinenkaftan in den Schrank, Daunenweste stattdessen raus. Sämtliche Bücher vom Kanon bestellt, vorsichtshalber doppelt als in Papier und dann noch für in digital, sowie große Listen „To do: Filme und Serien“ nicht nur angelegt, sondern direkt Sicherheitskopien besorgt. Melone aus dem Kühlschrank gerissen, mit Kürbis ersetzt, Weißweinvorrat durch Glühwein und Grillbesteck durch das für Rumtopferstellung. So. Und dann gleich noch große, stolze Regenausflüge machen, bis die Outdoorjacke trieft und die Latschen sowieso, damit man einen Grund hat, sofort diese süüüßen Gummistiefelettelchen zu kaufen, die man eh schon dauernd haben wollte, und dann heim mit der Beute und aaaaah endlich hinauf aufs Kanapee und Decke bis zur Nase und Glotze zum Vorschein archäologisiert und geh mir weg mit dem Prosecco, ich möchte Tee. War das eine schöne Zeit! So für halt ungefähr siebeneinhalb Stunden. In den folgenden 168 Stunden alles noch schlimmer als vorher, weil Altweibersommerstress weil jetzt, wo der Herbst einmal kräftig ans Türl geklopft hat, natürlich unter keinen Umständen akzeptabel, nicht jede einzelne Sonnensekunde in irgendeiner Form ausnutzen. Mutmaßlich haben der Sommer und der Herbst da noch eine Rechnung offen gehabt. Du Herbst, kannst nicht mal kurz dich aufmandeln und dein Servus reinhauen, wird der Sommer gesagt haben, weil irgendwie glaub ich haben die Leute jetzt ein bisschen die Schnauze voll gehabt von mir zuletzt, hab ichs scheints übertrieben mit der Afrikahitze, und mit so einem schlechten Gefühl mag ich jetzt dann doch nicht in den Urlaub gehen, verstehst, das verträgt mein sensibles Gemüt dann wieder nicht. Hat der Herbst seinem Kumpel auf die Schulter gefrotztelt und ja freilich, mach ich eh. Jetzt sitzt der Sommer wieder zufrieden umeinander und denkt sich, so, denkt er sich, ihr werdet’s schon sehen, was ihr davon habt, wenn ich dann wirklich fort bin. Aber weißt was, lieber Sommer? Da tun wir jetzt ganz dankbar und demütig, also rein vornerum, versteht sich, weil hintenrum wissen wir eh: Spätestens an Weihnachten sitzen wir ganz ohne deine Hilfe wieder vergnügt bei 20 Grad im Sonnengarten. 

Freitag, 23. September 2016

Festbierunfall

Manchmal herrscht in so einem Gehirn eine rechte Leere. Spezialleer, wenn am Vorabend eine rechte Völle geherrscht hat, aber die dann weniger im Hirn als eher im Leib, will sagen: Blut, beispielsweise, weil man unvorhergesehen verunglückt ist und das Unglück alkoholischer Natur war. Kann passieren, muss man gar nicht um den heißen Hirnbrei herumreden. Dann ist’s auf einmal ausgezeichnet bunt und disko in so einem Gehirn, und dann am nächsten Tag ist nichts mehr übrig von der bunten Disko, weil die hat man ja nämlich zuvor flächendeckend und mit viel Liebe versehen um sich herum ausgeschüttet. Zum Beispiel, wenn man in so eine Grundigmaxmorlockhochtieffrankenstadionbrezenkolbarena gewallfahrtet ist, also die außenrum sind gewallfahrtet, man selbst ist eher so mitgesaugt worden von der Meute wegen ja puh, der Club, och naja. Und wegen man fällt ja dann eh optisch wegen keine adäquate Tracht auf versucht man sich chamäleonartig zu assimilieren, indem man wie alle anderen dauernd mindestens ein Bier mittelfest umklammert hält. Aber weil man muss ja aus dem 1) manchmal durstig trinken und 2) wegen Jubel- oder besser: Zornesgestik nebenan viel verschüttet bekommen, ist so ein lumpert-gatschiger Plastikbecher dann oft vergleichsweise schnell wieder leer, und wegen Assimilation muss er also geschwind wieder aufgefüllt werden. Aber macht ja nichts, denkt man sich, war ja neulich glaub ich erst wieder groß zu lesen, dass ja eh nur noch quasi Alkoholfreies. Nach dem ersten listigen weil vorpausigen Zwischentoilettieren dann Verlaufen im Block, der in der Zwischenzeit heimlich in A und B unterteilt worden war, den man also unter großer Anteilnahme und Hilfsbereitschaft reihenweise absuchen und dann ebensolchem Gejohle nach nebenan wieder verlassen muss, beschleicht einen dann schon so ein Gefühl von „Ja lustig, dieser Placebo-Effekt mit dem Quasialkoholfreien“, das sich nach darauffolgenden Verbrüderungsmaßnahmen mit Sicherheits- und Bratwurstpersonal sowie Gruppenfotos mit den Fremdmenschen außenrum gewissermaßen verstärkt, bei einer kurzen Überlegung hinsichtlich Flitzer-Chancen Halt macht, sich dann doch lieber in einer Herkunfts- und Bildungsdebatte mit seinen neuen Kumpels am Imbiss ergeht und spätestens in dem Moment, in dem man dem Fahrer des in Superhelden-Pose betretenen Busses gönnerhaft auf die Schulter trommelt und nachdrücklich das Einverständnis zum Losfahren erteilt, obwohl der Fahrplan noch 13 Minuten Wartezeit verkündet, also spätestens dann wandelt sich dieses Gefühl zur unverrückbaren Erkenntnis, nämlich: Das alkoholreduzierte muss heimlich gegen Festbier ausgetauscht worden sein. Und schon ist aus der leeren Spalte eine volle geworden, juhu!

Freitag, 16. September 2016

Endlich Herbst!

Entspannt schloss ich die Augen, lauschte dem Stimmengemurmel um mich herum und ließ mich hinforttragen von der beruhigenden Geräuschkulisse und den sanft ruckelnden Bewegungen des Fließbandes, auf das ich mich ermattet hatte sinken lassen, nachdem ich ein kurzes Erfrischungsbad in der Käsetheke genommen hatte und meinen Jutebeutel befüllt mit frischem Obst und Gemüse, dessen Halbwertszeit bei ungefähr 47 Minuten liegt, als Brutstätte für allerlei Geziefer jedoch bestens geeignet ist, um erst selbiges im schwarzgrauen Bett aufzubahren und mich gleich hinterher, um mit letzter Kraft nach dem Warentrenner zu greifen und mich von ihm hinfortziehen zu lassen, ganz nach Art des Delfinschwimmens, nur ungleich weniger jauchzend.

„Kann nicht“, atmete ich schwer in Richtung der Hochgeschwindigkeitswarenscannerin meines Vertrauens, während ich geschmeidig wie eine Seegurke die Schlange der übrigen Einkäufer überholte, „dieses ‚Sommer‘ bitte endlich vorbei sein?“ – „Ja“, schrie sie mit aller Gewalt in den auf ihr Gesicht gerichteten 800-Watt-Ventilator an, „es reicht jetzt wirklich mal!“ Von soviel Zuspruch beseelt wollte ich grade wieder die Augen schließen, um weitere zwei Meter in einer kurzen Siesta zu verleben, als an mir vorbei erregte Stimmen dümpelten. „Also wirklich!“, empörte es sich, „Wie kann man denn sowas nur sagen? Da soll man doch lieber mal froh sein, dass endlich mal einer ist, also ein Sommer, wo’s doch sonst immer nur so kalt ist bei uns!“ Widerstrebend öffnete ich meine zentnerschweren Lider und blickte in zwei mittelalte Antlitze, so weiß wie der Mozzarella, auf dem mein Haupt ruhte, und so wenig vom Wetter gegerbt wie der Schustersmann, der seit Dekaden im Keller eines Einkaufszentrum sein kellerasseliges Dasein fristet.

„Ja freilich! So schaut ihr mir aus, als hättet ihr auch seit Wochen nur damit zu tun, noch vor Sonnenaufgang das Haus ins Draußen zu verlassen und erst kurz vor Sonnenaufgang wieder zu betreten. Als könntet ihr euch zwar dunkel erinnern, dass die Staubfänger in eurem Wohnzimmer so ähnlich heißen wie Kanapee und Fernsehgerät, nicht aber, wofür man sie gleich wieder braucht. Als wärt ihr die ersten Monate des Sommers nur damit beschäftigt gewesen, die ‚wenigen schönen Tage‘ zu nutzen um im weiteren Verlauf bis heute ‚die letzten schönen Tage‘. Als müsstet ihr immerzu auf allen das-müssen-wir-ausnutzen-dass-das-Wetter-so-schön-ist-Draußenhochzeiten gleichzeitig tanzen, siebzehn wer-weiß-wann-das-wieder-geht-Grillveranstaltungen pro Woche besuchen, alle Biergärten-und-draußen-sitz-wegen-schön-Örtlichkeiten der Stadt möglichst an einem Abend zu frequentieren. GENAU SO SEHT IHR MIR AUS!!“ Dachte ich, während mich das Fließband unbeirrbar über den Barcodescanner schob und von dort aus in den Einkaufswagen, aus dem ich schweigend meine Münzen nach oben streckte. Und kurz darauf höchst beglückt die Wetteraussichten für ab jetzt dann bald zur Kenntnis nahm. Endlich wieder Herbst, endlich wieder drinnen!

Freitag, 9. September 2016

Gelbwurstradl

Manchmal ist eine Einkehr in einem Fleischereifachverkauf allem veganen Gewese zum Trotz zwingend erforderlich. Nach so einer ausgedehnten körperlichen Betätigung beispielsweise, weil so eine schöne dicke Jagdwurstsemmel, die erfrischt halt einfach nach fünf argen Stunden Gärtnerei mehr als ein kleines Seitanstangerl zum dran Lutschen mit einem Glaserl Haferdrink. Jedenfalls stand ich da also und schäkerte mit der Fleischereifachverkäuferin und unvermittelt greift die zu einem dicken Trum Gelbwurst und sägt einen amtlichen Ranken davon hinab. Sofort hab ich mich gefreut, yeah, Supergelbwurst, so muss das sein, hab ich gedacht und dann dabei zuschauen müssen, wie das Gelbwurstradl über die Theke hinweg an mir vorbei auf den Boden geworfen wird. Schau ich hin. Steht da nicht urplötzlich ein Zwergenmensch im Metzger? Also so ein fünfjähriger laufender Meter? Der strahlt und stopft sich das Radl in beide Backen, dass es nur so knietscht, derweil ich ähnliche Geräusche mit den Zähnen erzeuge. Kinder, tuts in mir, immer nur die blöden Kinder, immer kriegen die alles und dürfen die alles und anstatt das meine wunde Seele mit dem Gelbwurstradl gestreichelt und mein Einkauf belohnt wird, NEIN, da kommt so ein Meter reingestolpert der noch nicht mal einen Auftrag hat im Leben außer der Frau Mama den Rockzipfel einspeicheln, und DER kriegt das Radl dann, ich mein, wozu kriegt man das überhaupt so hineinsozialisiert als Kind mit der Gelbwurst, wenn dann der ganze erwachsene Mensch, und das dauert fei lang, gell, also wenn der dann andauernd nur noch zuschauen muss, wie andere als er selbst die antrainierte Gelbwurst übers Metzgersgatter gereicht bekommt? Aber gut, so ein Kind, das wird eh immer nur noch bevorzugt, damit’s dann später auf Studentenwohnheimdächern stehen und „Mir gehört die Welt“-umeinanderschreien kann in aller Herrgottsfrüh, und im Zoo, da wird der Hubschraubermutterblick ausgefahren, wennst nicht sofort am Aquarium auf die Seite trittst, damit der Nachwuchs seine Rotznasen und Gelbwurstfinger ans Glas schmieren und „FISCHIS!“ plärren kann, derweil der Hubschrauber stolz ist auf die Brut und selig lächelt anstatt zu sagen „Du Dummbatz“, müsst man direkt sagen, „das ist kein Fisch, sondern ein Delfin, das kannst jetzt schon mal wissen mit drei!“ aber nein, da wird bekräftigt und gelobt und ich steh da und hab nix gesehen, gar nix, obwohl ich 17,50 gezahlt hab und nicht einfach im Buggy reingeschmuggelt worden bin, aber das interessiert ja niemanden und … Hab ich mir dann meine Gelbwurst einfach selber gekauft. Und zwar nicht nur ein Radl! Ätsch! 

Freitag, 2. September 2016

Kidnapping

„Sagt“, investigierte ich eifrig im vertrauten Urwald, „habt ihr eigentlich nicht ununterbrochen lachen müssen?“ – „Also um ehrlich zu sein“, schüttelte es traurig aus zwei Köpfen, „nein. Eher war es eigentlich so, dass ich mir tagtäglich geschworen habe, nienieniemalswieder mit dir in einen Urlaub zu fahren.“ Nach einem kurzen Moment der Erschütterung – ich mein, das muss man erstmal verkraften, so ein Geständnis – gewann meine Wissbegier Oberhand und ich wollte alles hören. Dass so ein Familienurlaub im kritischen Kindesalter sich keineswegs nach Erholung, sondern in eklektischer Manier nach Entführung anfühlt, daran war meine Erinnerung recht klar. Bitte, man wird gezwungen, gegen seinen ausdrücklich geäußerten Willen mit Menschen, die man kaum kennt und die man meistens abgrundtief verabscheut, weil sie einem ausschließlich das Leben vergällen und nichts gönnen, erst in einem Auto eingesperrt zu sein und dann ungefähr sieben Monate lang an einer zwar unsichtbaren und langen, doch durchaus vorhandenen Leine durch einen Urlaub geführt zu werden, was soll das anderes sein als Entführung? Freiheitsberaubung, wird man schließlich weiterhin gezwungen, durch fremde Landen zu latschen und die Einheimischen durch seine blanke Existenz als Tourist zu belästigen, weil die Entführer müssen sich ja per entsprechender Standardausrüstung (Bauchtaschen, Bequemschuhe, Sonnenschirmhauben) als solche zu erkennen geben, und da hilft auch ein sorgsam eingehaltener Sicherheitsabstand von fünf Metern nichts, denn während man diskret den Blick nach unten gerichtet hält, glotzen die Entführer ja durch glänzende Linsen um jede Ecke, um beim Anblick eines jeden einheimischen Hundstrümmerls laut aufzujauchzen. Wahlweise die Tarnung als desinteressierte Coolness durch wahnwitzige Fragen à la „HAST DU JETZT EIGENTLICH DEINE LATEINSACHEN DABEI?“ auffliegen zu lassen. Ich mein, das ist doch klar, dass man im Anschluss an solche Demütigungen „… und dann den ganzen Tag von Kopf bis Fuß in Schwarz gehüllt mit diesem depperten Kapuzenpulli sogar am Strand, und nur mit Leidensmiene mit deinem scheiß Walkman und Tagebuchbriefe schreiben an die Dings, aaah geht’s mir schlecht, aaaah ist das furchtbar, während alle Welt ausschließlich damit beschäftigt war, die ein Mordsfreizeitprogramm zu basteln, Töchterchen!“ Ja, was soll man da noch sagen, außer beschämt zu verstummen und demütig anzubieten, den Altvorderen die Füße zu waschen? Ach so, naja, alternativ auch: Bin ich froh, mich nicht selbst erlebt zu haben! 

Freitag, 26. August 2016

Urlaubsgepäck

„Es würde halt schon alles ein bisschen besser gehen“, hatte der Erbmassenverwalter pontifiziert, „wenn man sich auf ein mittelgroßes Gepäckstück beschränken würde anstatt die ganze Karre bis obenhin mit Klamotten vollzuladen, gell?“, was ihm verständnislose Blicke aus einer Vielzahl von Augenpaaren eintrug. „Ich“, protestierte es aus einem, „kann doch nichts dafür, wenn meine Unterhosen alle fünfmal so groß sind wie die von meiner Freundin!“ Selbige lachte sich ins Fäustchen, wohlwissend, dass trotz der übersichtlichen Konfektionsgröße hernach locker zwei bis drei besagter mittelgroßer Reisetaschen in den Süden gereist sein werden. Dafür habe ich selbstverständlich ein volles Verständnis, das den Anhängern von „Zwei Hemden und Febreeze“ im Speziellen so wie solchen männlichen Geschlechts im Allgemeinen zur Gänze fehlt. Wie oft hab ich schon versucht, das zu erklären? Also schaut’s her, es ist nicht so, dass wir nicht im tiefsten Inneren unseres Herzens wüssten, dass auch wir Damen im Zuge einer Urlauberei lediglich ein überschaubares Equipment an Bekleidung benötigen würden. Eins zum Ausflugen („Ja, da zieh ich jetzt das selbe an wie vorgestern, weil schwitz ich eh nur wieder voll“), eins zum Stranden („Wechselbikini mitnehmen? Oh nö, den Platz im Tascherl brauch ich für … Sachen“), eins zum Abhängen („Ey, ich bin fei hier im Urlaub und net auf der Modenschau, und dann erkennt der Nachbar mich wenigstens schnell, wenn ich täglich im gleichen Fetzen herumliege“) und eins zum Schickessengehen („Wo isn dein Febreeze?“). Soweit die Praxis. In der prävakationalen Theorie ist es aber so, dass eine große Furcht ausbricht bei dem Gedanken, es könnte ja vielleicht möglich sein, dass es mich an Tag XY nach exakt genau diesem einen Gewand verlangt. Da steckt man nicht drin. Und selbst wenn man den Super-GAU jetzt ausschließt, es befände sich genau dieses Gewand nicht im Urlaubsgepäck, wovon eine maximale Krise ausgelöst wird, weil man einfach weiß, dass man in nur exakt diesem einen Gewand zu diesem Anlass existieren kann und sonst nicht, weil man in allem anderen fett und hässlich und absolut unzumutbar aussieht, weswegen man dann weinend in einem Unterschlupf liegen muss, während andere sich verlustieren. Wenn man das also mal ausschließt, weil man sämtliche 17 Gewänder mitgenommen hat, dann besteht ja immer noch die Gefahr, dass das OUTFIT nicht stimmen könnte. Wozu sorgsam in Farbe und Stil aufeinander abgestimmte Schuhe, Stolen, Schmucke, Schals und Haargummis gehören. Wenn man also die 17 Gewänder mit den jeweils möglichen Restzutaten nach welcher mathematischen Regel auch immer kombiniert, so erschließt sich doch auch dem Mann, dass es schlichtweg nicht möglich ist, einen friedlichen Urlaub verbringen zu können, ohne ausreichend Klamotte dabei haben zu dürfen. 

Freitag, 19. August 2016

Helferfest

„Warum“, maß das Schatzi gestrengen Schrittes wie Blickes mein neues Habitat ab, „stehen da noch drei unausgepackte Kisten?“ – „Weil da nur noch Dekokram drin ist.“ – „Und warum räumen wir das nicht aus?“, zeigte es sich bestürzt und tauchte alsgleich schultertief ein in das sorgsam eingezeitungte Sammelsurium aus Vasen, Lüstern, Kerzenständern, Bildern und haufenweise Schischi, für das mir selbst bei intensivem Nachdenken einfach kein Name einfallen will. So wie ich nicht dekorieren will, auch wenn meine persönliche Tine Wittler längst mit den Hufen scharrt, um es dem RTL’schen Deko-Oger gleich zu tun und jede noch so kleine freie Fläche dramatischen Gestus mit zufällig herumliegenden Brotscheiben und im Wald gesammelten Eicheln zu verfüllen. Ich will nicht. Ich will an weiße Wände starren und deren Jungfräulichkeit adorieren, anstatt ihnen mit deflorativem Genagle Bilder aufzuzwängen. Ich will tagaus, tagein meinen Boden von jedem noch so kleinen Krumen, von jedem Härchen, jeder Birkensaat befreien und ihn streicheln und beschützen. Ich will in den lichten Weiten des Ostflügels wandeln und einen unverstellten Blick in den Westflügel hinüber haben. Ob meine neue Wohnung jetzt erwachsen sei, wollte man wissen. Erst zuckte ich reaktiv zusammen, „erwachsen“, das heißt „spießig“, und wer will schon Spießer sein, Establishment, pfui Deifi! Doch dann sprach „Ja“, von seliger Wärme erfüllt. Ob es da jetzt echt immer noch so aufgeräumt sei, wollte man wissen, und ich sprach, ja, und dass das auch so bleibe. „NIX!“ schreien die Saboteure, „Ich besorg dir meterhohe Wackelkittys, sprechende Glitzerhirsche, singende Kunstpalmen, und dann machen wir ein Dekofest und räumen alle Kisten aus, das wird super!“ Dekofest? Helferfest? muss ich milde lächeln angesichts solch entzückender Naivität und die Pfoten zur Merkelraute puzzeln, während sich aus meinem tiefsten Inneren ein Glucken den Weg nach außen bahnt. „HELFERFEST??“ winde ich mich kurz darauf schenkelklopfend vor Lachen brüllend auf dem Boden und greife blind vor Tränen nach einem Tempo. „Das könnt ihr haben! Mit Abstandshaltern an den Wänden, Plastiktüten an den Sockenfüßen, Gummihandschuhen und Duschhauben! Oder besser: Erst dann, wenn ein unsichtbares Schienensystem an den Decken installiert ist und ihr in Ethan Hunt’scher Manier auf von mir definierten Strecken über dem Boden schweben könnt. Ich reiche dann Getränke aus Schnabeltassen nach oben.“ Jetzt mach ich erstmal zwei Wochen Urlaub, um die Wohnung nicht unnötig vollzuleben. 

Freitag, 12. August 2016

Autobahnadrenalin

In ihrer Freizeit machen Menschen die seltsamsten Dinge, um ihrem lahmen Alltag irgendwas möglichst Spritziges entgegenzusetzen. Zu den mutmaßlich spritzigsten Dingen gehören Extremsportarten verschiedenster Couleur, die einzig dazu dienen, den rostigen Adrenalinpegel auf ein möglichst pathologisches Level zu jagen. Fallschirmspringen, Freeclimben, Kundenhotlines oder als erster in der Reihe zu stehen, wenn Feinkost Albrecht die Türen zur Amerika-Woche öffnet. Ich für meinen Teil halte davon wenig und mich lieber an eine gleichwohl niederschwellige wie abwechslungsreiche Beschäftigung: Autobahnbaustellen befahren. Die Vorteile liegen auf der Hand: Man kommt rum, sieht was von der Landschaft und besucht bestenfalls am Ende der Reise eine liebe Person. Der Zugang ist denkbar einfach, hat sich doch, während alle Welt die wildesten Salti vollführt, um Grenzen gegen Fremdvolk zu schließen, der Freistaat einer simplen List bedient und seine Autobahnen pünktlich zur Ausflugs- und Ferienzeit in einen lustigen Baustellenteppich verwandelt, um dem Preußen oder noch üblerem Pack die An- und Durchreise per KfZ gründlich zu vermiesen. Da lacht der Horst und nimmt einen kräftigen Schluck vom Hefe, während der Bayern-3-Verkehrsbericht voraussichtliche Ankunftszeiten und Unfallwarnungen mit Flachwitzen und Italopop garniert. Jedenfalls gehöre ich zu der so vernünftigen wie spärlich gesäten Sorte Mensch, die rotumrandete Zahlen an Straßenrändern als wohlmeinenden Vorschlag im Toleranzbereich Plusminuszwanzig betrachtet und diesen zugunsten des Verkehrsflusses auch in kilometerlangen Baustellenstrecken beherzigt, deren Abmessungen ähnlich der meisten Tiefgaragen auf Automaßen basieren, die vielleicht 1965, nicht aber mehr der heutigen Realität entsprechen. Derweil also der Pöbel auf der rechten Spur bei Jokke Herrmann antichambriert, kann ich als alter Punk ein solches Verhalten freilich nicht tolerieren und habe ja außerdem keine Zeit. Leider muss ich erkennen, dass ich im Gegensatz zum Jahre 2001 auch keine Nerven aus Drahtseil mehr habe. Während ich als Führerscheinneuling im weißen 2er Golf fehlende PS durch Wahnsinn kompensiert und mein Weg von Schweißausbruch und Infarktnähe gepflastert habe, widerfährt mir all der Stress, den ich annodazumal den anderen eingebrockt habe, heute selbst. Nur in eigenverschuldet. Doch ich habe bereits in der Fahrschule gelernt, dass man immer heile durchkommt, wenn man bei Herannahen eines Busses einfach die Augen schließt und stur geradeaus weiterfährt, und so halte ich’s auch heute, derweil ich in christsozialer Tradition Stoßgebete murmle, den Rosenkranz knete und daheim ein neues Dankeskerzlein im bereits bestehenden Lichtermeer entzünde. Et hätt noch emmer joot jejange. 

Freitag, 5. August 2016

Verstaubt

Guten Morgen mitaranand! Heute schon Staub gewischt? Nein? Ich sag euch was: Das hätt‘ mich auch gewundert. Weil bei euch kann ja nämlich überhaupt kein Staub liegen. Weiß ich. Weil es ist nämlich erwiesenermaßen so, dass aller Staub der Welt bei mir daheim liegt. Ich hab das grad nochmal überprüft. Überall da, wo ich, ich schwöre!, erst allerneulichst und mit großer Umsicht gewedelt habe, sieht nach einem Wimpernschlag jedes gesäuberte Möbel wieder so aus, als wär nie was gewesen, als könne es also  kein Wässerchen trüben, Stäube dafür umso mehr. Was ist Staub, wo kommt das her, und warum in Dreiteufelsnamen so viel davon? Kommt der durchs Fenster, darf ich nie wieder lüften? Das wäre aber schade insofern, als mir dann diese wunderbaren Szenen wie aus einem fernen Cowboyland entgingen: Den knistertrockenen Heubüscheln in der verlassenen texanischen Geisterstadt gleich wehen Staubwehen durch die Wohnung, wann immer man mehr als ein Fenster aufreißt, und schon fühlt man sich ein bisschen wie im Urlaub, das hat ja auch was. Warum liebt Staub ein Möbel umso mehr, je heller es daherkommt? So ein Badezimmer beispielsweise. Da schrubbt man und saugt und wischt, und alles glänzt ganz meisterpropperlich, und dann geht man duschen und schwups ist alles von dunklen Fusseln überzogen. Oder so ein Bett beispielsweise. Achtsam entstaubt man alle Rahmen, Ecken und Ritzen, und dann legt man sich nach der schweren Arbeit kurz aufs Ohr, und schlägt man dieses nach zwei Minuten Natz wieder auf, so liegt man inmitten der schönsten Staubwolke. Oder so ein Boden beispielsweise. Saugen und machen und tun, und dann prüft man das Makeup nochmal kurz in der spiegelnden Holzdiele, und kehrt man wenig später wieder zurück und streift die Schuhe von den flaniermüden Füßen und die Socken gleich dazu, so hat man nach kürzester Zeit das wohlige Gefühl, auf Wolken zu wandeln und stellt nach einem kurzen Blick auf die Fußsohlen fest, dass der Eindruck gar nicht trog. Und warum sammeln sich die schlimmsten Stäube immer in den unzugänglichsten Ecken? Ich  meine, wer schaut denn schon dauernd hinter den Schrank und zwischen die Regale und unter den Schreibtisch? Und wenn man’s dann doch tut, wünscht man sich, man hätte es einfach gelassen, und schiebt schnell die Leitzordner wieder an Ort und Stelle. Aus den Augen, aus dem Sinn. Funktioniert leider nur so mittelgut an und um technische(n) Geräte(n), wo sich ebenfalls der Staub spezialgern sammelt, was man spätestens dann nicht mehr ignorieren kann, wenn der Laptop, an dem man grade arbeitet in heißen weil lüftungsverstopften Flammen aufgeeeeeeeehscheiße!! 

Freitag, 29. Juli 2016

Söderstrand

Seit einiger Zeit fahre ich mehrmals in der Woche frühmorgens zur Leibesertüchtigung mit dem Fahrrad. Das ist so doppelsinnig gemeint wie es geschrieben ist, schließlich erwarten mich am Ende der Reise viele fleißige Helfer, die mich darin unterstützen, zu einem vollwertigen Mitglied der arbeitenden Bevölkerung zu renaturieren und deren Anweisungen ich artig Folge leiste, derweil um mich herum viel ehemalige arbeitende Bevölkerung damit beschäftigt ist, ein Schwätzchen zu halten und soziale Kontakte zu pflegen. Jedenfalls beansprucht mich diese Fahrradreise nicht nur körperlich, sondern auch geistig, macht doch der zu beschreitende Pfad ein Höchstmaß an Konzentration erforderlich, da er sich als heiteres Labyrinth aus Vogeldefäkat präsentiert. Dieser Umstand ist seit längerem bekannt, doch äußerte sich der zuständige Obere unlängst dazu in einer Weise, dass ich nicht umhinkomme, ihm ein gewisses Talent zum Amateurkomödianten zuzugestehen. Das Gänseproblem am Söderstrand, verlautbarte er, habe man dank Umzäunung im Griff, einzig der Enten müsse man noch Herr werden, denn die zeichneten Verantwortlich für das großflächig camouflierte Erscheinungsbild der Gehwege. Während ich mir das in Erinnerung rufe, beobachte ich einen großen Gänseschwarm dabei, wie er gemächlich auf der Wiese weidet, die er angeblich nicht mehr erreichen kann, vorne Hellgrünes hinein tut und hinten Dunkelgrünes wieder hinaus, und sich angeregt darüber unterhält, wie praktisch es doch sei, jetzt ein eigenes Reservat zu haben, wo zwar zwischendurch Menschen die Idylle, im Großen und Ganzen aber nicht weiter stören, und man die Grenzen gegen verfeindete Schwärme durch gelegentliches patrouillieren entlang des Zaunes gemütlich verteidigen kann. Drei Enten lassen sich derweil auf dem Zaun nieder und finden es prima, von hier oben viel besser überblicken zu können, wo noch Platz ist zum Reviermarkieren zwischen all den Fladen, die die Vermutung nahelegen, der Söderstrand würde nächstens heimlich von wilden Kühen besucht. Doch da haben sie die Rechnung ohne eine bis dato anonyme mobile Einsatztruppe gemacht. Die nämlich macht sich Nacht für Nacht auf, um der bösen Schweineente Einhalt zu gebieten. Die angewandte und unübersehbarer Strategie lautet hierbei, jedes noch so kleine unbescholtene Fleckchen Weg und Wiese mit so großen Müll- und Scherbenhaufen zu verfüllen, dass der bösen Ente nichts anderes übrigbleibt, als ihre Notdurft anderswo zu verrichten. Beispielsweise in dem Tümpelwasser, in dem die Schweinekinder tagsüber planschen, um ihr Immunsystem zu stabilisieren. So schließt sich der biologische Kreis und alle sind zufrieden. Allen voran ich, wegen der ausgebauten Kompetenzen im Negativ-Twister und daraus resultierender neuer Formen des Diskotanzes. 

Freitag, 22. Juli 2016

Prepper

Prepper sind „Personen, die sich mittels individueller Maßnahmen auf jedwede Art von Katastrophe vorbereiten: durch Einlagerung von Lebensmittelvorräten, die Errichtung von Schutzbauten […] das Vorhalten von […] Werkzeug […] und anderem. Dabei ist es unwichtig, durch welches Ereignis oder wann eine Katastrophe ausgelöst wird.“ Diese Definition, auf die ich nach der Suche nach mir selbst gestoßen bin, erscheint mir vergleichsweise hart, und ich würde wirklich nicht so weit gehen wollen, mich als „Prepper“ zu bezeichnen, aber – ich bin ein Prepper. Zu dieser Erkenntnis führt mich der steinige Weg der Ausmisterei, über den ich mich gleichwohl gewissenhaft wie blutenden Herzens geißele, und der zu meinem aufrichtigen Bedauern ausgesprochen lückenhaft gesäumt ist von Bewunderern, die „Tapfer!“ rufen und „Weiter so!“-Transparente in die strenge Brise halten, durch die ich mich wühle. Um genau zu sein kreischen die sogenannten Unterstützer in der Tendenz eher ein entsetztes „WAAAS? DAS willst du WEGTUN?! Aber da kann man doch SO gut DINGE reinmachen!“ Kurzerhand dreh ich den Spieß um und binde den Saboteuren das Gerümpel ans Bein, auf dass sie selbst ganz viele Dinge so gut irgendwo reinmachen können. Edelmut tut Umzug gut. Aber darum geht’s eigentlich nicht. Sondern darum, dass ich mir selbst eingestehen muss, an irgendeiner obskuren Form der Hamsterei oder Hirnlosigkeit zu leiden, wobei mir letzteres eigentlich besser gefällt. Öffne ich zum Beispiel so diverse Schubladen vor mich hin und entdecke, dass ich in meinem ganzen Leben nie wieder Stifte (egal, welche) / Musterbeutelklammern (gold) / Tesa-Produkte (alle) zu kaufen brauche. Die Erklärungen hierfür sind mir durchaus bekannt: Magnetismus / „Oh, hab ich schon wieder falsch gedacht, dass so ein Postschalter für eine einzige kleine Büchersendung bestimmt eine einzelne Musterbeutelklammer bereitstellt, muss ich zum Vorzugspreis von 4,99 eine ganze Packung erwerben.“ / „Ui, der Feinkost Albrecht hat Kleber im Angebot, den nehm ich lieber mal mit weil den kann man immer brauchen.“ Weil ich so ein passionierter Hobbybastler bin und ständig irgendwas kleben muss. Nicht. Doch genau bei diesem Fallbeispiel zeigt sich der Prepper. Der Prepper nimmt auch lieber mal bei jedem Einkauf eine Packung Salz mit, weil es könnte ja sein, dass das alte grade ausgeht, und stellt das Salz dann in die (Vorrats-)Kammer des Schreckens zu den anderen fünf Packungen. Aber man weiß ja nie, ob nicht doch vielleicht mal eine Katastrophe … naja. 

Freitag, 15. Juli 2016

Bastelbiber

Es gibt viele Gemütszustände, die nicht zu meinen liebsten gehören. Durstig beispielsweise, frierend, eine Nahtoderfahrung absolviert. Muss nicht sein. Neuerdings hab ich aber einen weiteren auf dieser Liste, und zwar sehr, sehr weit oben. Der Zustand heißt „fachfremd und überberaten“. Ich hatte ja nicht gescherzt, als ich verlautbarte, mein Habitat zu wechseln, um fürderhin die Sperenzchen der Außenrumbewohner (FKKler, Bonzen, Terroristen) niederschreiben zu können, ohne um mein eigen Leib und Wohl fürchten zu müssen. Ist ja ein stetes Leben am Limit, so. Weiß man nie, wer mit einem Auge Zeitung und mit dem anderen Klingelschilder liest. Behält man die besten Geschichten vorsichtshalber mal für sich, hortet dabei also Stoff für 17 Jahre. Das geht aber auch schneller, lerne ich gerade, nämlich, indem man einer heiteren, spezialspeziellen Einrichtung den ein oder anderen Besuch abstattet: „Baumarkt“ heißt der lastregalgewordene Schrecken. Yippiejaja-yippie-yippie-jessasmariaundakloansstückerljosef, was hab ich nur getan? Als die magischen Worte „Entrümpeln“, „Kisten packen“ und vor allem „Renovieren“ fielen, reagierte mein Körper spontan und unkompliziert, indem er sich in Embryonalhaltung unters Bett warf, sich dort selbst im Arm hielt und mit aus Micky-Maus-Kopfhörern erklingenden Pumuckl-Mären darauf wartete, dass der Gottvater vom Olymp herabsteigen und alles regeln würde. Nach zwei Wochen in dieser gemütlichen Position musste der Körper jedoch einsehen, dass die Reaktion womöglich gewissermaßen realitätsfremd war, und so stieg statt des Vaters er selbst hinab in den Höllenschlund der Heimwerkerei, um sich dem Kampf der dort lauernden Kerberusse zu stellen. Und als genau so vielköpfig wie die mythologische Töle erweist sich dasjenige, was unter dem Tarnnamen „Fachberater“ in den Baumärkten der Region herumtrödelt. „Wie, wo, was“ weiß nämlich vielleicht der Bastelbieber, nicht aber seine Adlaten. Moment, ich korrigiere: Wissen sie schon, aber jeder halt was anderes. Eine gar nicht kurze, sondern in ihrer Dezidiertheit beeindruckende Umfrage zum Thema „PVC verlegen“ ergibt beispielsweise bei drei Versuchspersonen fünf unterschiedliche Aussagen, auf deren Zenit man sich dabei beobachtet, wie man den Fachberatungsauszubildenden im 1. Lehrjahr selbst in der Kunst der Verlegerei unterrichtet und ihm nebenbei noch charakterliche Grundzüge des Polyveniylchlorids und dessen Derivaten vermittelt. Plötzlich erscheinen einem 70 Jahre alte, leimverschmierte, braun-orange-karierte Plastikfließen aus einer trendigen Vintage-Perspektive gar nicht mehr so übel. „Freu dich doch“, sagte eins, „da sammelst du Stoff für locker drei Monate Glosse.“ So sei es! Und dann geht’s den Nachbarn an den Kragen. Halt – den Ex-Nachbarn! Darauf ein Prosit der Ungemütlichkeit! 

Freitag, 8. Juli 2016

Sonnenverbräunt

Ich bin ja immer bestrebt, das dunkle Tal des Unwissens, durch das meine Mitmenschen zu wandern verdammt sind, mit Fleiß und Hingabe zu erhellen. Mit wie großer Hingabe und unter welch großem Einsatz meines Lebens, das konnte ich jetzt erst wieder demonstrieren. Falsch: Kann ich immer noch. Seitdem ich denken kann, fühlen Menschen sich dazu animiert oder gar verpflichtet, mich auf meinen Teint anzusprechen. Bedauerlicherweise aber weniger in der Form „Ui, siehst du aber rosig, glatt und gesund aus!“ Ganz im Gegenteil. Was geistreich mit „Ich dachte, du warst im Urlaub. Wo denn? In Sibirien?“ beginnt,  geht über in ein besorgtes „Du, ich glaub, du musst dich mal einschmieren“ und endet gern in einem überzeugten „Boah hast du einen Sonnenbrand.“ Es gibt solche, die nennen mich „Pommes Schranke“, weil sie meinen, mein natürliches Platinblond konkurriere empfindlich mit meinem Hautton. Es gibt solche, die, wann immer sie mich sehen, mir auf dem Dekolleté herumpieken und sich über das Farbspiel diebisch zu freuen. Auch nach über zehn Jahren noch. Wie auch immer sich die Anteilnahme auch gestaltet – es gibt garantiert immer irgendwas zu kommentieren. Einen vorläufigen Höhepunkt erreichte dieses Mitteilungsbedürfnis in einem Drogeriefachgeschäft, dessen Kosmetikabteilungsfachverkaufsangestellte ich um eine Kriegsbemalungszutat ersuchte. Anstatt mir das gewünschte folgsam auszuhändigen, verzog sie im Übermaß erschrocken das Makeup und rief „Sie müssen aus der Sonne!“ Ich blickte aus dem Fenster: weit und breit ein dichter Wolkenteppich, aus dem Wasser sprudelte. Wie seit Wochen. „Das ist kein Sonnenbrand, das ist …“ wollte ich sagen, doch die Fachfrau wusste es besser, beriet sich absichernd mit der anderen Fachfrau in Gestalt irgendeiner Kundin und kam zu dem Schluss, ich habe schwere Verbrennungen erlitten und könne nur gerettet werden mit einer Spezialcreme. Schicksalsergeben nahm ich die entgegen, las „extended thirst relief“ und fühlte mich alsgleich befleißigt, mein knappes Überleben mit einer hübschen Weinschorle zu feiern. Wie es der Zufall will, war ich aber neulich mal in einer Freibadeanstalt. Nach drei Stunden Wind und Wolken durfte ich in einem Spiegel ein großes Ungemach in Form eines weißen Bikinioberteils auf karmesinrotem Grund entdecken. Seitdem trage ich stolz und weit ausgeschnitten meine Trophäe mit mir herum und sage jedem Menschen, dem ich begegne: „Sieh genau hin! DAS ist ein Sonnenbrand! Und NUR das!“ SO! Und ja, es tut schweineweh. Muss thirst und pain reliefen. 

Freitag, 1. Juli 2016

Apokalypse

Die Zeichen der Apokalypse zu erkennen , ist eine Sache. Sie auch richtig zu deuten, eine ganze andere. Doch wie schon Janet Jackson, oder für die (noch) älteren Semester unter euch, Joni Mitchell sang: „Don’t it always seem to go that you don’t know what you got till it’s gone” In diesem Fall ist sie aber nicht gegangen, die Situation, sondern da. Hörbar. Sie kam auf chromglänzenden Rappen und sagte: „Hallo, hier bin ich, die Welt gehört mir, und ihr Narren, ihr unterwerft euch, und wenn nicht, dann werd ich euch schon Mores lehren. Das haben mir mein Papa und meine Mama nämlich so beigebracht, dass ich mich immer durchsetzen soll und ausleben und nur so komm ich da hin, wo ich möchte, nämlich ganz nach oben.“ Dieses „Oben“ stellt beispielsweise eine repräsentative Dachterrasse dar. Die eignet sich, befindet der Survival-of-the-Fittest-Sproß, zum einen freilich ganz vorzüglich für spätabendliche Konferenzen, und weil der Nachwuchs zwar scheint’s in BWL, nicht aber in Physik gut aufgepasst hat, lässt er allsämtliche Menschen außenrum an seinen erkenntnisschwangeren Diskursen werktagnachts gleich teilhaben. Wie auch an den Leibesertüchtigungen, die sonntagmorgens um acht stattzufinden haben, und die erst dann richtig Spaß machen, wenn dazu die Mukke, die grad noch in der After Hour lief, ertönt (und über die hinweg man sich mit dem drei Stockwerke drunter schräg gegenüber befindlichen Kompagnon über den Fortschritt des Erfolgs auszutauschen hat). Die aber auch gut klingt, wenn man nicht grade damit beschäftigt ist, lautschreiende Telefonate zum Thema „Weh und Ach der (weiblichen) Adoleszenz“ zu führen und sich dabei regelmäßig seines Expektorats zu entledigen. It’s good to own land, und Niveau sieht nur von unten aus wie Arroganz. Die nachdrückliche Besetzung der ökologischen Nische verdeutlichte sich unlängst in einer ersprießlichen Situation, in der ich mich unversehens im alltäglichen Abenteuer „Prekäre Parksituation und ich“ befand. Nämlich empfing mich die Heimstraße mit einer Autophalanx, in der ich eine Lücke just vor meinem Haus erspähte. Jedoch befand sich hierin ein Platzhalterchen in Gestalt einer Jungfrau, welche mein erst freundliches und dann aufforderndes Hupen mit einem weltmännischen Fortwinken bedachte. Auf meine interessierte Nachfrage, ob man taub sei oder lahm, erfuhr ich, es sei ja so problematisch mit Parken, deswegen sitze man nach Art des deutschen Urlaubers jetzt hier und warte auf den Freund, der „demnächst“ nach Hause käme. Auf das nachfolgende „Pech gehabt!“ unterdrückte ich mein Angebot, ihr bei ihrem offenkundigen Todeswunsch gerne behilflich zu sein, und dachte mir, der Darwin wird’s schon richten, und er richtete in Form eines Alteingesessenen, der das Kind kurzerhand aus seiner Handtuchhaltung aufscheuchte und in den Parkplatz fuhr. Survival of the Fittest eben. Oder: Der Klügere gibt nach – ich zieh aus. 

Freitag, 24. Juni 2016

Pubertier

Ich befinde mich seit einiger Zeit in der auch für mich etwas überraschenden Position eines Behaviouristen. Und zwar nicht der landläufigen, nachgerade öden, die sich mit den spaßigen Eigenheiten der Menschheit im Allgemeinen beschäftigt, sondern sich der Erforschung einer ganz speziellen Gattung widmet: dem Pubertier. Seitdem verspüre ich in regelmäßigen, obgleich kürzer werdenden Abständen das zwingende Bedürfnis, meine eigenen Eltern aufzusuchen, mich vor ihnen auf den Boden zu werfen und inständig um Verzeihung zu bitten. Zu Beginn der Forschungen war das Pubertier noch ein süßes kleines Irgendwas. Doch schickte es sich von einem Tag auf den anderen an, dem Wahnsinn anheimzufallen, der einen urplötzlich verstehen lässt, worin sich das mit der Praktik des Exorzismus mutmaßlich begründet. Vielleicht auch des Waterboa… ach, nein. Jetzt ist es freilich so, dass ich eine eigens neueingerichtete Wochenspalte mit den ersprießlichen Erlebnissen füllen könnte, doch wird das zum einen dem vom Taifun der Hormone gebeutelten Kind nicht gerecht, zum anderen ist es, um bei der Wahrheit zu bleiben, bei genauerer Betrachtung in situ furoris weniger zum Lachen als viel mehr zum Allesandere angetan – wenngleich ich durchaus geneigt bin, ein Experiment zu starten, um zu erkunden, was wohl passiert, wenn ich im Moment größtmöglicher Seelenpein des Pubertiers in adäquat schallendes Gelächter ausbreche. Wenn ich mich nämlich erinnere an und unterhalte über meine eigene Umbauphase, muss ich mich schon fragen, wie meine Eltern das 1. überhaupt und 2. ohne permanentes Michauslachen überstanden haben. Wobei ich nicht sicher bin, ob es sich nicht in Wahrheit so zugetragen hat, dass sie sich tatsächlich ständig über mich totgelacht haben, ich aber nichts davon bemerkt habe, weil ich voller Qual über mein eigenes grausames Dasein als hauseigener Putzsklave, gefesselt an schmerzende Ketten der Reglements und Unterdrückung in der Teeniehöhle schmorte, zwischen medizini-Postern und an die Wand gepinselten Anarchie- und Revolutionsaphorismen hinter trotz strahlenden Sonnenscheins zugezogenen Vorhängen im dramatischen Kerzenschein Kuschelrock 2 hörte und die hier versammelte, all meinen Weltschmerz erkennenden Poesie sorgsam und unter Zuhilfenahme aller Farben der Stabilo Point 88-Reihe auf Papier übertrug als niemals abzusendenden Brief an meine einzig wahre Liebe, die am Tag zuvor in Gestalt eines neuen Referendars erschien und mich den Schmerz über die nichterwiderte Liebe des vorherigen Referendars vergessen ließ. Man sieht schon: Auch ich hatte es nicht leicht. Vielleicht doch eine neue Reihe: „Memoiren einer Verrückten“. Wie unbeschwert es sich doch 20 Jahre später durchs Leben tanzt. 

Freitag, 17. Juni 2016

Ü30

Letzthin von einem Plakat angefallen worden. Knatschschreiendneongelblaut biss es mich von links ins Gesicht: „DIE LEGENDÄRE Ü30 PARTY!“, und kurz machte mein junges Herz einen freudigen Hüpfer. Supergeil, dachte es sich, da gehst mal wieder hin, das war schon immer arg lustig. Liebevoll „Resterampe“ genannt, hatten wir einen Heidenspaß auf dieser Veranstaltung, die Zeit meines Erinnerns mit diesen sagenhaft simplen, sagenhaft aufdringlichen Plakaten wirbt. Gingen wir da also hin und waren strahlend schön, feierten unser eigenes Fest. Lachten uns kringelig über die spießigen, dämlichen, gestrigen Klamotten der anderen, konnten uns kaum halten vor Freude über die peinlichen Tanzschritte von Annodazumal, wurden von Stunde zu Stunde böser und fieser, ließen uns anbetteln von Männern, uns einen Drink spendieren zu dürfen, sagten „Meinetwegen, aber dann lass ich dich auch schon wieder stehen“, und taten genau das. Kokettierten mit den Einsamen und feierten unsere Unverwundbarkeit, badeten in den sehnsuchtsvollen Blicken der ewigen Singles mit den hohen Stirnen, rieben uns in nicht enden wollendem Schabernack die Hände, ließen uns erobern und die Eroberer sofort wieder fallen und jägermeisterten auf die große Erfindung der Botschaftentafeln, die uns befähigte, Männern, die wir gar zu armselig fanden in ihrer bloßen Existenz, Zettel zu hinterlassen, um dann aus einem gar nicht mal so guten Versteck heraus zu beobachten, wie der Bezettelte in ungläubig freudiger Erregung die Botschaft abzuholen eilte, an deren Ende auf Seite zwei stets von uns das Feld „… dass das natürlich alles nur ein Scherz war“ angekreuzt war, um uns sofort dem nächsten Opfer zuzuwenden, den faltigen Frauen, denen die Torschlusspanik im Gesicht im Takt der Stroboskope fluoreszierte. Und fielen raus im Morgengrauen und waren fix und alle und wunderschön. Ja. Das war prima, damals vor 15 Jahren, dachte ich, und verwarf spontan die Idee, die legendäre Ü30 Party nochmal zu besuchen, deren Plakatierung aus fünf Kilometern Entfernung „Verzweiflung“ schreit. Weil jetzt auf einmal und von mir völlig unbemerkt tät ich da erstmals rechtmäßig hingehören, und da muss man sich mal vorstellen, es gäbe vielleicht genau solche Kackbratzen, wie wir damals waren, heut auch noch, und die kämen dann da hin und führten sich auf als gehörte ihnen die Welt, obwohl sie nichts, aber auch gar nichts wissen von dieser, und schlawanzeln lästig um uns herum und nerven mit ihrem Kleinmädchengekicher und ihren lächerlichen Modeopferklamotten und kreischen laut die Lieder mit, die sie höchsten in der fünften Coverversion von David Guetta kennen. An den Ohrwascheln tät ich die da rausziehen. Nein, also – wirklich nicht. 

Freitag, 10. Juni 2016

Z. n. RiP

Schönen guten Tag, heute ist Tag fünf der neuen Zeitrechnung, und man kann jetzt zwar nicht direkt von einer Wiedergeburt sprechen, doch langsam aber sicher hat der Körper die Rückeroberungsschlacht über den Zustand gewonnen, den man ihm neulich aufzwang. Eine feindliche Übernahme des Geistes über das Fleisch, sozusagen, wenngleich dasjenige, dem meine Füße bis vor kurzem glichen, eher als Teig zu bezeichnen war. Teig, der in eine viel zu enge Form gepresst ausreichend Zeit hatte, darin hefegleich aufzugehen – das feuchtwarme Klima war ja schließlich eh da. Aber was soll man machen? Wo eine Schlammschlacht, da ein Gummistiefel.
„Tag 3“, schrieb ich einer ins Hessische verzogenen Freundin am Sonntag auf ihre Frage nach meinem Wohlergehen, „du erinnerst dich?“ – „Ja klar!“, antwortete sie prompt. „Man ist ein Wrack, jeder einzelne Muskel tut weh, du hängst bis nachmittags im Bett rum und verfluchst alle Konzerte im Allgemeinen und dich im Speziellen, quälst dich dann mit letzter Kraft aufs Gelände raus, wo du alsgleich einen Hörsturz und Menschenhass erleidest, auf den hin man dir hilfsbereit zwei Bier aufdrängt, das du mit viel Grimasse, Gezeter und Magenrebellion trinkst – und eine Stunde später stehst du in der ersten Reihe beim lautesten Beat und ärgerst dich, dass du nicht schon vormittags rausgefahren ist.“ An und für sich habe ich dem nichts hinzuzufügen, was mir ganz recht wäre, weil meine mühsam zusammengekratzte Energie durch die vorangegangene Niederschrift schon wieder aufgebraucht ist, aber leider gilt es, noch viel Platz zu füllen. Also jedenfalls rief an Tag 2 der Unaussprechliche an, um sich nach dem Status Quo zu erkunden.
Nachdem der rapportiert war, durchsetzt mit vielen Lauten des Leids, sprach er weise: „Nun, Töchterlein, du verzeihst, wenn sich mein Mitleid in Grenzen hält, oder willst du mir sagen, du hast dir das nicht genau so ausgesucht?“ – „Ja, schon“, sprach ich, „Äh: nein! Weil es ist so: Wenn sich die Mühlen des Schicksals erstmal in Bewegung gesetzt haben, dann hat man keine Chance mehr zu entkommen.“ Weil man trifft ja so viele Menschen. Und man freut sich ja dann dauernd so. Und dann hat man dauernd so viel Durst. Und dann ist das Schmuggelwasser leer und die Tränke so weit weg, und dann muss man Bier. Und dann trifft man noch mehr Menschen und dann wird’s noch lustiger und dann muss der Schwarm dauernd von einem besten Konzert der Welt zum nächsten, wo man dann lauthals den weisen Satz „Ich bin aber nicht in meinem Alter!“ in den Schlamm tanzt. Um dann am Folgetag völlig überraschend festzustellen, dass man eben sehr wohl in seinem Alter ist. Ergo leisten wir den heiligen Schwur, dass das jetzt wirklich, also wirklich das letzte Mal war. Und das schlimme ist: Wir meinen das auch noch ernst …

Freitag, 3. Juni 2016

150x Danke

Bis grade eben stand an dieser Stelle ein Opus beachtlicher Qualität. Es ging um Toilettenpapier, Konservendosen und von mit Totenköpfen und ACAB-Poemen bemalte Wohnwagen, vor die ein Q7 gespannt ist. Das Werk war spritzig, pfiffig, ausgefeilt und versehen mit deliziösen Ergebnissen gewaltsamer Sprachverdrehungen. Dann jedoch fiel mir eine Zahl ins Auge: 150. „150?!“ rief ich aus und erstellte eine rasche und vornehmlich von Gefühlen geleitete Kopfrechnung mit dem Ergebnis 2,88. Jahre. Vielleicht auch doch eher drei, wenn man berücksichtigt, dass ich ein, zwei winzigkleine Male aufgrund eines feiertagsinduzierten kommunikativen Fehlgriffs zugunsten einer wichtigen Meldung gönnerhaft von meinem Stammplatz zurückgetreten bin. Das ist jetzt nicht direkt ein Grund zum Feiern, wohl aber diese herrlich runde Zahl, die besagt, dass ich soeben dabei bin, das 150. von meinen redaktionseigenen Lieblingssklaventreiberinnen liebevoll „Sofa“ genannte Textlein sorgsam wieder auszuradieren und stattdessen eine feinziselierte Dankesrede zu verfassen. An mich selbst.
Na gut, und vielleicht auch an ein, zwei weitere. Sachen. Im Gegensatz zu anderen Personen nicht näher zu definierender Couleur bin ja ich nämlich weder im Besitz eines Kindes noch eines Hundes oder einer, sagen wir mal frei ins Blaue hinein erfunden: Katze, die mich tagaus, tagein, Woche für Woche mit Absonderlichkeiten versorgt, so dass ich mich entspannt zurücklehnen kann und mich drauf verlassen, dass der Mitbewohner schon irgendeinen Schabernack treiben wird, den ich dann zu Papier bringe. Bin ich also angewiesen auf die Spirenzchen des Lebens oder meiner selbst, und beiden Positionen spreche ich hiermit meinen größten Dank aus.
Danke an die Fruchtfliege und die Anflutungsphase, an den Grüßaugust und die Forsüzie, an Gute-Laune-Feen und Naziferkel, an Angsttanz und Herzschmerz, an Parship und Ohrwürmer. Danke an meine Freunde, die mich zu Tode nervend inspirieren und danke an meine Nichtfreunde, die eigentlich das gleiche tun. Moment, Taschentuch … So. Danke an alle Menschen, denen „Diskretion“, „Anstand“ und „Freundlichkeit“ ein Fremdwort ist. Danke an alle Spießer, Streber, Kleingeister und unerzogenen Köter. Danke an das Leben und die Liebe sowie die dazugehörigen Briefe, die meist voller Freude, oft auch voller Empörung mich erheitern und mittels wüster Beschimpfungen und Beschwerden zum weitermachen zu animieren wissen. Ja, ich bin „eine frustrierende Mittvierzigerin“ und nein, ich möchte nicht „auch mal morgens um 4 am Großmarkt stehen“. Danke. Und danke an die weltbesten Rabeneltern, natürlich.
Jetzt schnür ich mein Regenbündel und such mir neue Spaßmenschen. Und ihr? Weitermachen, bitte!

Samstag, 28. Mai 2016

Trameditation

Es gibt ja bekanntlich verschiedene weit verbreitete Methoden, um sich zu entspannen. Nicht minder bekanntlich sind die meisten davon für mich absolut untragbar und in der Tendenz eher dazu angetan, meinen Blutdruck in pathologisch zweifelhafte Höhen steigen zu lassen. Darunter fallen beispielsweise „mal ein Bad nehmen“, meditieren oder die größte weil alles vereinende Verirrung des Menschen: dieses „Wellness“ – hab ich neulich erst wieder ausprobieren müssen und all meine Vorurteile bestätigt gesehen, weil um dann letztlich mehrere Stunden in tropischem Klima ohne Sauerstoffzufuhr schwitzend und lesend zu verbringen, da kann ich mich auch im Wohnzimmer einsperren und muss nicht 400km Auto fahren und einen Betrag in gleicher Höhe hinblättern. Ach ja, Auto.
Straßenverkehr und Entspannung, das geht sich natürlich eigentlich überhaupt nicht zusammen, schließlich sind außer mir ausschließlich nervige Rentner, prollige Vollidioten und dämlich Tussen unterwegs, von denen es niemand schafft, in sportlicher Manier den Verkehrsfluss aufrechtzuerhalten und nie gelernt hat, dass ein Blinker nicht dazu da ist, niedliche Plüschmäuse dran aufzuhängen und sich zwischendurch die Fingernägel zu reinigen, sondern um eine bald erfolgende Abbiege- oder Halteaktion rechtzeitig anzukündigen, so dass der Hinterherfahrende entsprechend reagieren kann und sich nicht urplötzlich zu einer Vollbremsung und halsbrecherischen Ausweichmanövern gezwungen sieht. Menschen, die nicht blinken, sind böse Menschen. So. Jedoch bietet der hiesige Straßenverkehr eine wunderbare Möglichkeit, sich ganz auf sich selbst zu besinnen sowie auf die Tugend der Geduld und Demut.
Zu diesem Zwecke der persönlichen Erdung begebe man sich auf eine sagen wir östliche, große Ausfallstraße. Die Fahrtrichtung ist beliebig, der Zeitpunkt auch, denn egal, wann man hier entlang braust, man kann sicher sein, über kurz oder lang in den Rückspiegel oder neben sich zu blicken und sie zu entdecken: die bahngewordene Läuterung. Denn jetzt wissen wir: Wir müssen uns entscheiden. Entweder beginnt man ein Wettrennen ungewissen Ausgangs, bei dem man über hellrote Ampeln und Verkehrsinseln brettern muss, alle vorausfahrenden Lahmärsche hassen, hupen, was das Zeug hält und verächtliche Blicke nach links und rechts werfen, derweil der Tramfahrer ganz entspannt seines Weges fährt und sich ins Fäustchen lacht darüber, dass wann immer er in Sichtweite einer Ampelanlage gerät, diese umgehend auf Rot schaltet. Oder man nimmt den Schicksalswink demütig an, schleicht mit gemütlichen 17 km/h neben der Straßenbahn her, macht hier und da ein Päuschen und genießt die Umgebung und gelangt zwar gefühlte 43 Minuten später, dafür aber ganz entspannt und von Beseeltheit durchdrungen am Ziel an. Mit einer Streckenlänge von 36 Kilometern und darauf verteilten 74 Haltestellen ist das Verkehrsnetz also eigentlich ein Ausbund an Entspannung.

Freitag, 20. Mai 2016

Grantlitz

Gell gell, dem Franken, dem wird doch immer nachgesagt, er sei so unfreundlich und so, gell? Hab ich nie verstanden, weil, ich mein‘, ich kenn ja mich, den Urfranken sozusagen, wie soll da irgendein gleichverwurzeltes Geschöpf auch nur in die Nähe eines Unfreundlichkeitsverdachts geraten?! Wir sind gesellig, fröhlich, offenherzig, jawoll! Ich hab jetzt aber rausgefunden, woher das kommt! Und zwar bitte ich jetzt mal alle, sich vor einen Spiegel zu begeben und folgende Standardmittelfränkischlernworte zu deklamieren: Riodscha. Wallbollidschella. Binogriddscho. Mondepuldschano. Dschiandi. Habt ihr drauf? Fein. Dann machen wir das jetzt, wo uns das flüssig und automatisch übers prälabiale Waffel-L flutscht, nochmal, und achten derweil aufmerksam auf unsere Mimik. Was wir sehen, ist des Rätsels Lösung.

Die korrekte Aussprache der zugegebenermaßen melodisch zweifelhaften Varianz macht es zwingend erforderlich, den Unterkiefer weitestmöglich von sich wegzuschieben, wodurch sich automatisch ein Herabziehen der Mundwinkel ergibt. Das ist ganz natürlich und dem Umstand ähnlich, dass korrektes Sächsisch oder Schwäbisch nur durch eine Verkrampfung der Halsmuskulatur gebildet werden kann, die sonst nur herbeigeführt wird, wenn ein Vogel Strauß eines seiner eigenen Eier zu schlucken versucht. Mit dieser gemeinen Unterstellung bezüglich seiner Wesensart ist der Franke aber in bester Gesellschaft. Derjenigen nämlich, die sich eines sogenannten „Resting Bitch Faces“ erfreuen dürfen. Müssen. Im Hiesigen gern auch „Grantlitz“ genannt.

Wer sich dauernd mit Sätzen wie „Ey, was guckstn du so komisch?“, „Wieso hastn du so schlechte Laune?“ oder „Oh Mann, was ist denn schon wieder?“ konfrontiert sieht, derweil er einfach nur froh- bis neutralgelaunt in die Ferne oder Nähe blickt, der kann sich ziemlich sicher sein, dass er Eigentümer einer solchen Gesichtscharakteristik ist. Die Crux an der Geschichte ist jedoch, dass eine solche Dauerfragerei und Motzigkeitsunterstellung wohl oder vor allem übel zu einem Missmut führt, weil wem ständig nachgesagt wird, er ziehe eine Fresse, der ist jetzt halt auch nicht grad dazu angetan, sich darüber in Fröhlichkeit zu felgaufschwingen. Ähnlich klar wie beim Franken ist hier die Unschuldsfrage: Das Grantlitz hat, wem in entspannter Mimik die Mundwinkel nach unten zeigen. Ich dachte immer, von diesem Unheil sei ich verschont, musste den Irrtum aber einsehen und überkompensiere das seitdem mit einem permanenten debilen Dauergrinsen. Meistens. Manchmal, ganz manchmal hab ich aber wirklich schlechte Laune. Wie der Franke eben auch. Am besten hilft hier: immer freundlich sein.

Freitag, 13. Mai 2016

Gute Freunde

Ich sehe und höre "Isch 'abä gar kein Auto!" und "... die Bier, die so schön 'at göprickölt in mein' Bauchnaböl".„STOP!“ schrie ich und hob zum Zwecke der gestischen Unterstreichung meiner Bitte mit der Faust auf den Esstisch ein. „Ein für alle Mal: Ich möchte das Wort ‚Urlaub‘ in dem Zusammenhang nicht mehr hören. Nach dem letzten solchen ‚Urlaub‘ musste ich mich in mehrwöchige seelsorgerische Supervision begeben, und ich bin bester Dinge, dass das auch dieses Mal so sein wird!“ führte ich die Echauffage weiter aus, drohte mit der Grillfackel und atmete. Es ist so: Ich befinde mich seit circa 25 Jahren in einer ausgesprochen intensiven eheähnlichen Beziehung. Teilnehmner sind neben mir drei weitere Damen, und bevor jetzt eins die Moralpolizei anruft: Es handelt sich hierbei selbstverständlich um ein rein platonisches Arrangement, dem ich aber das Prädikat „eheähnlich“ ganz bewusst verleihe, ähneln viele Aspekte unserer Liebe doch stark demjenigen, was ich mir unter einer lebenslangen Ehe vorstelle – und dass die Damen und ich bis zum Rest unserer Tage verbunden sind, steht außer Zweifel.

Das aber funktioniert nicht zuletzt aus einem einzigen Grund: Wir sehen uns vergleichsweise selten. Während eine Hälfte frühzeitig emigriert ist, hat die andere Hälfte einen intensiven Aufwand an Reifungsprozess und Beziehungsarbeit betreiben müssen, um es schon so lange in der selben Stadt auszuhalten. Man sieht sich hier und dort mal in verschiedenen Konstellationen, alles fein, man kennt sich lang und die Macken der anderen besser als sie selbst – eine Tatsache, deren Existenz allein schon zur Vorsicht gemahnt; man mag’s halt nicht so gern, wenn man unaufgefordert den Spiegel vorgehalten bekommt. Einmal jährlich jedoch droht die Apokalypse, und ich kann die dazugehörigen Gäule schon mit den Hufen scharren hören. Nämlich: Treffen wir uns alle.

Was so locker unter „Mädelsurlaub“ propagiert wird, ist aber in Wahrheit ein drei- bis fünftägiges Psychocamp. Ohne ins Detail zu gehen: Es muss alles besprochen werden, was sich in den letzten Monaten ereignet hat (erstmalig) sowie alles von vor und aus 25 Jahren (erneut). Es muss übermäßig viel gelacht und unter Umständen auch geweint werden, möglicherweise auch gestritten, niemals jedoch sich entzweit. Und für gewöhnlich muss ausgesprochen wenig geschlafen werden, was in der Regel dazu führt, dass man als körperliches Wrack in den Schoß der Heimat zurückkehrt und die Frage, ob’s schön war im Urlaub, mit einem nervösen Augenzucken beantwortet. Vielleicht versuch’s ich mal mit präventiver Meditation. Gute Freunde kann nieeemand trenneeen ...

Samstag, 7. Mai 2016

Studentenheime

Ich weiß überhaupt nicht, was immer alle haben mit diesen Flüchtlingsheimen. Die Wohnqualität sinke, die Immobilienpreise auch, das Viertel überfremde, die marodierenden Horden brandschatzen, die Lärmbelästigung steige ins Unermessliche, keine Jungfrau sei mehr sicher et cetera. Ich mein, die Argumentationskette als solche ist schon korrekt, so ist das ja nicht. Jeden einzelnen Punkt der Sorge kann ich in vollem Umfang nachvollziehen. Allein sie bezieht sich auf das falsche Sujet. Der wahre Feind einer jeden Gegend nämlich kommt in einem gänzlich unschuldigen Gewand daher und zeigt seine Teufelshörner erst, wenn sich alle in Sicherheit wähnen: das Studentenwohnheim. Und zwar das neu gebaute.
Mit schreckgeweiteten Augen darf ich seit rund einem Jahr Zeuge dieser Begebenheit werden. Eigentlich sind die Augen eher blutunterlaufen und die Ohren schreckgeweitet, beginnt der gemeine Handwerker sein Tagwerke doch gern mitten in der Nacht und schert sich nicht darum, ob anständige Leute vielleicht am Vorabend schwere Netzwerkarbeit geleistet haben. Gewissermaßen kann man hierfür aber dankbar sein, hat das Gewerk mich doch zu einem feinen Frühaufsteher erzogen, der auch als Fünfstundenschlafzombie halbwegs patent durchs Leben schlurft. Zu Beginn der Bauarbeiten hab ich noch gewitzelt: Haha, da wird der Student sich aber umschauen, wenn die alte Frau von Gegenüber ihm den wichtigen Studierschlaf raubt, weil sie nächtelang feiert und hämisch mit dem Rotweinglaserl ins Studierzimmer winkt! Je näher der Zeitpunkt des Einzuges rückt, desto kleiner wird die Häme.
„Wir ziehen aus“, sprach jüngst ein Alteingesessener nebenan. „Solltest du auch tun. Allein schon diese ständigen Grillpartys – boah …“ Da ging ich in mich. Und auf die Suche: 41 1- und 2-Zimmer-Appartements, steht zu lesen, würden künftig mein Seelenheil bedrohen, und schlimmer noch: „Den Studenten werden … ein großzügiger Gemeinschaftsbereich im Dachgeschoss mit Dachterrasse sowie ein attraktiver gemeinschaftlich nutzbarer Grünbereich geboten.“ Passend hierzu wirbt der Anbieter mit dem Slogan „In 60 Sekunden aus dem Bett in die Uni“! Sodom und Gomorrha, da kannst dir aber vorstellen, was los ist. Der Student, ausgestattet mit Vollmöblierung, Tiefgarage und, so lassen es die neuerdings umherschwirrenden Porschemakler vermuten, ordentlich Taschengeld, wird hier marodieren bis zum Morgenrot und dann in die Uni torkeln. Er wird das Viertel überfremden und mit schwieriger Kultur überziehen, keine Jungfrau ist mehr sicher, die Lebensqualität sinkt, alles wird ganz fürchterlich. Wo doch jeder weiß, dass der Student hedonistisch, stinkendfaul, egoistisch und überhaupt ein gänzlich unheilvolles Gewächs ist. Ich glaub, ich schau schnell, ob ich eine andere Wohnung finde. Vielleicht ja in der Rettystraße.