Freitag, 19. August 2016

Helferfest

„Warum“, maß das Schatzi gestrengen Schrittes wie Blickes mein neues Habitat ab, „stehen da noch drei unausgepackte Kisten?“ – „Weil da nur noch Dekokram drin ist.“ – „Und warum räumen wir das nicht aus?“, zeigte es sich bestürzt und tauchte alsgleich schultertief ein in das sorgsam eingezeitungte Sammelsurium aus Vasen, Lüstern, Kerzenständern, Bildern und haufenweise Schischi, für das mir selbst bei intensivem Nachdenken einfach kein Name einfallen will. So wie ich nicht dekorieren will, auch wenn meine persönliche Tine Wittler längst mit den Hufen scharrt, um es dem RTL’schen Deko-Oger gleich zu tun und jede noch so kleine freie Fläche dramatischen Gestus mit zufällig herumliegenden Brotscheiben und im Wald gesammelten Eicheln zu verfüllen. Ich will nicht. Ich will an weiße Wände starren und deren Jungfräulichkeit adorieren, anstatt ihnen mit deflorativem Genagle Bilder aufzuzwängen. Ich will tagaus, tagein meinen Boden von jedem noch so kleinen Krumen, von jedem Härchen, jeder Birkensaat befreien und ihn streicheln und beschützen. Ich will in den lichten Weiten des Ostflügels wandeln und einen unverstellten Blick in den Westflügel hinüber haben. Ob meine neue Wohnung jetzt erwachsen sei, wollte man wissen. Erst zuckte ich reaktiv zusammen, „erwachsen“, das heißt „spießig“, und wer will schon Spießer sein, Establishment, pfui Deifi! Doch dann sprach „Ja“, von seliger Wärme erfüllt. Ob es da jetzt echt immer noch so aufgeräumt sei, wollte man wissen, und ich sprach, ja, und dass das auch so bleibe. „NIX!“ schreien die Saboteure, „Ich besorg dir meterhohe Wackelkittys, sprechende Glitzerhirsche, singende Kunstpalmen, und dann machen wir ein Dekofest und räumen alle Kisten aus, das wird super!“ Dekofest? Helferfest? muss ich milde lächeln angesichts solch entzückender Naivität und die Pfoten zur Merkelraute puzzeln, während sich aus meinem tiefsten Inneren ein Glucken den Weg nach außen bahnt. „HELFERFEST??“ winde ich mich kurz darauf schenkelklopfend vor Lachen brüllend auf dem Boden und greife blind vor Tränen nach einem Tempo. „Das könnt ihr haben! Mit Abstandshaltern an den Wänden, Plastiktüten an den Sockenfüßen, Gummihandschuhen und Duschhauben! Oder besser: Erst dann, wenn ein unsichtbares Schienensystem an den Decken installiert ist und ihr in Ethan Hunt’scher Manier auf von mir definierten Strecken über dem Boden schweben könnt. Ich reiche dann Getränke aus Schnabeltassen nach oben.“ Jetzt mach ich erstmal zwei Wochen Urlaub, um die Wohnung nicht unnötig vollzuleben. 

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