Mittwoch, 27. Januar 2016

Lupenspiegel

Dass es immer wieder an ein Wunder grenzt, dass diese Glosse Woche für Woche pünktlich erscheint, ist eigentlich müßig zu erwähnen, versetzt mich selbst jedoch stets in so großes Staunen, dass ich mich dann eben doch wieder mitteilen muss. An dieser Stelle grüße ich meinen Zahnarzt, der unlängst kundtat, ihm seien meine Sätze morgens um 7 viel zu lang. Hallo Jürgen! Jedenfalls ist es so, dass ich mich grad sauber selbst in eine Fisimatente hineinmanövriert habe, nämlich, indem ich mir eine Gerätschaft zulegte, die direkt aus der Hölle, oder: dem Paradies der Prokrastination entsprungen ist. Seitdem bin ich kaum mehr lebensfähig, steh morgens auf und dann ist schon wieder abends, und ich habe nichts getan. Na stimmt nicht, hab ich schon, aber halt mit dem Gerät. Es handelt sich hierbei um eine wahre Büchse der Pandora: einmal geöffnet, kommen ununterbrochen lauter Übel zum Vorschein.

Das kam so, dass ich im Drogeriefachgeschäft lustwandelte, und dann flanierte ich am Zubehörregal vorbei und an den Handspiegeln und dann dachte ich mir „Mensch“, dachte ich, „deiner daheim, der ist schon gescheit dreckig“, und schon lag ein neuer im Körbchen. Was ich aber nicht bedacht hatte, war die miterworbene Spezialfunktion, winzig vermerkt als Aufkleber. „10x“, steht da. Jetzt ist es so, dass ich bislang durchs Leben ging und mich meines Antlitzes in der Tendenz mehr erfreute als grämte. Hier und da ein bisschen tricksen, ansonsten Wasser, Kernseife und Nivea, fertig. „Poren“, was soll das sein, wunderte ich mich immer, und das Problem des Gesichtsplissés, das haben bei Gott wirklich nur die anderen, und Augenbrauen hab ich von Natur aus zwei wohlgeformte statt nur eine über dem Nasenrücken thronende Haarwurst. Doch weh, welch ein Irrtum, ach! Plötzlich liegt meine Haut in Falten, die einen jeden Origamikünstler vor Neid erblassen ließen. Plötzlich schreien mich Poren an, in denen eine halbe Grundschulklasse locker Platz fände.

Und am allerschlimmsten ist: Plötzlich lerne ich, dass ich einen ganzen Tag ganz wunderbar damit verbringen kann, Augenbrauen zu zupfen. Kaum schaut man mal zwei Minuten nicht hin, schon sprießen baumstammdicke Borsten aus Gesichtsstellen, die man bislang haar- und einwandfrei erachtet hatte. „Den Spiegel“, schrie ich nach einem zerzupften Tag, „den bring ich sofort wieder zurück!“, und wendete mich wieder meinem neuen Hobby zu. Ein Gutes hat das aber, bringt es mich doch einen gewaltigen Schritt näher an eine meiner ohnehin längst besten Freundinnen. Die nämlich zeichnet sich seit Jahren dadurch aus, mit einem solchen Lupenspiegel + einer taschenbelampten (!) Pinzette verwachsen zu sein, um in jeder möglichen wie unmöglichen Situation (eine meiner liebsten: bei 180 auf der Autobahn) in der Augenfrisurgegend nach dem Rechten zu sehen. Ich hingegen werde das Hexenwerk demnächst rituell verbrennen, um fürderhin faltenlos und glücklich durch die Welt zu hüpfen.

Freitag, 15. Januar 2016

Duschmützen

Neulich hatte ich mal wie so selten ein heiteres Erlebnis. Ich war im Innerstädtischen unterwegs und hatte meine kecke Frisur zum Schutze vor Niederschlag in mitteleuropäisch wintertypischem Aggregatszustand (vgl. Monsun, der: heftiger, langanhaltender Regen in tropischen Gebieten) unter einer eher nicht so kecken Strickware verstaut. Das war einerseits vollkommen schwachsinnig, weil die Strickware freilich kein Gore-Tex ist und darob nach kürzester Zeit zentnerschwer der Bademode heutiger Jugend gleich, bei der man sich immer fragt: Wenn die alle gleichzeitig aus dem Wasser gehen, ist dann im Pool noch eins drin?, von meiner Stirne hing.

Andererseits war das vollkommen schlau, entpuppte sich die Hauptbedeckung doch als eine Tarnkappe. Kurzum: Menschen, die mich sonst zielsicher bei Wind und Wetter, Tag und Nacht, beim Festival wie Schwimmbadbesuch erkennen und mir freudig um den Hals fallen, flanierten so nah an mir vorbei, dass ich ihnen hätt ins Ohr pusten können, ohne mich auch nur annähernd wahrzunehmen. Das war gleichsam verwunderlich wie traumhaft. Es waren derer nämlich viele. Menschen. Kicherte ich mir ins Fäustchen und packte gleich ein alkoholisches Heißgetränk dazu. Ohne mein loreley’sches Haargewand bin ich offensichtlich gar nicht da. Wer mir sonst auf 17 Kilometer Entfernung Grüße zuschreit und beleidigt ist, wenn ich diese nicht erwidere, für den erlischt die Freundschaft scheint‘s mit der Frisur.

Jetzt ist das halt grade so eine Witterung, wo man vom Grund her sagt: Ja, Mütze. Und da hab ich schon oft gestanden und Menschen angeschaut, wo halt die meisten doch eher nicht ausschauen wie ein A-Klasse-Modell mit dem Kopfzeug, und noch viel weniger, weil man den Identitätsstifter Numero Uno jetzt nicht mehr erkennen kann. Nicht umsonst wird ja landauf, landab, von Guantanamo Bay bis Heidis Magermädchensendung der Mensch bis auf die blanke Haut seiner Frisur beraubt. Und dann hatter den Salat. Und dann sieht nämlich keiner mehr den trendig-teuren Laufsteghaarschnitt, unter so einer Mütze. Um dem entgegenzuwirken versieht der Mensch die Kopfbedeckung mit identitätsstiftenden Merkmalen. Süße Bommel. Coole Stripes. Wilde Fratzen. Hahalustigeirgendwasdingens. Schon fühlt der Mensch sich besser, sieht dafür aber noch bescheuerter aus. Ich habe da einen ganz tollen Vorschlag zu machen: Statt dieser elenden Mützen doch vielleicht einfach künftig Duschhauben aufgesetzt! Die bewahren 1. die Trendfrisur in Form, 2. selbige für alle sichtbar, 3. besteht eine wärmende Funktion dank atmungsinaktivem Plastik und 4. ist das Haupt naturgemäß geschützt vor Niederschlägen jedweder Couleur.

Freitag, 8. Januar 2016

Schlechte Vorsätze

Hahahabt ihr gedacht, ich würde aufhören hier, he? Einfach verschwinden mit dem alten Jahr, nur Schmauchspuren und Müll zurücklassend? Aber nicht doch! Herzlich willkommen zurück in unserer kleinen wöchentlichen Therapierunde, herzlich willkommen zurück auf meinem Sofa (von dem ich euch freilich alsbald nachdrücklich wieder hinunter und hinaus in die Welt scheuchen werde). Ich wollte letzte Woche nur gucken, ob euch was auffällt, ein Test sozusagen, so wie ihn früher Lehrkörper vollzogen haben, wenn auf den vermeintlichen Fehler in der Tafelanschrift hinwies. Eine versaute Generalprobe also, doch wie der geneigte Kulturinteressierte weiß, ist eine eben solche Garant für eine großartige Spielzeit. Here we go! Sitzen wir also wieder da, wegen jährlichem Murmeltier, mit unsren guten Vorsätzen und unserer schlechten Laune.

Was darf’s denn diesmal sein? Mit dem Rauchen aufhören, weniger Alkohol trinken, endlich mal dieses „vegan“ ausprobieren, das Abo im Fitnessstudio nicht nur als Ablasshandel auf dem Kontoauszug betrachten, sondern zumindest auf dem Stadtplan endlich mal den Weg raussuchen. Mehr gesund, weniger alles! An dieser Stelle möchte ich eine Parabel einfügen: Ich habe lange, lange Jahre versucht, Tagebuch zu schreiben. Ich bin in höchstem Maße beeindruckt von Menschen, die kistenweise ihr Leben notieren, mehr noch: Die nicht Tagebücher, sondern Tagekunstwerke bauen, Zettel einkleben und Fotos, Notizen und Zeichnungen mischen, bis das Moleskine zu einer Erinnerungskugel anschwillt.

„Das will ich auch!“, befand ich, und erwarb Jahr im Jahr hübsche dicke Kalenderbücher, die ich stets zu sagenhafter Erinnerungskunst gestalten wollte. Das ist mir insofern gelungen, als dabei eine sehr anschauliche Kunst des Versagens entstanden ist. Die Kalender eint, dass die erste Seite säuberlich befüllt ist mit persönlichen Daten. Dass die kommenden, also ersten Tage säuberlich befüllt sind mit spannenden Erlebnissen und literaturpreisverdächtigen Notizen. Dann folgen einzelne freigelassene Tage. Dann Wochen. Dann findet sich alle paar Monate mal ein Arzttermin. Aus. Ich kann’s einfach nicht, war darob zornig und irgendwann hab’s aber eingesehen. Zurück also zu den sogenannten „guten Vorsätzen“.

Können wir uns hier in ein paar Wochen oder Monaten wieder treffen, grau und grün vor Frust, und besprechen, was wir alles dann doch wieder nicht hinbekommen haben, wegen bla, bla und bla. Und dann das gleiche Spiel Silvester 2016, ‘17, ‘18 usw. spielen. Können wir uns aber auch einfach künftig Sachen vornehmen, die ausgewiesenermaßen Spaß machen! Mehr singen! Mehr auf Dächer klettern! Endlich tanzen lernen! Mehr ohne Ziel weit weg fahren! Viel lauter Musik hören! Viel viel öfter viel viel freundlicher zu Fremden sein! Überhaupt: immer viel mehr lächeln! Ich glaub, das kann man schaffen. Probiert’s aus! Und sollte das nicht gleich beim ersten Mal klappen: dabeibleiben! Ich garantier euch – das wird toll!