Samstag, 25. Januar 2014

Umkleidekabinen

Ich blinzele in grelles Neonlicht, kann mich kaum rühren, schwitze ein bisschen und, ja, doch, leide irgendwie. Wo bin ich? Nein, nicht auf dem kieferchirurgischen Behandlungsstuhl. Sondern: in einer herkömmlichen Umkleidekabine. Und jetzt, liebe Ladeneinrichter und Kabinenbauer, müssen wir dringend mal eine Daunenjacke miteinander rupfen. Eure Aufgabe, sollte man meinen, ist doch eine relativ einfache. Ihr sollt machen, dass ich mich in der Zeit, in der ich mich auf euren, sagen wir, bestenfalls einskommafünf Quadratmetern befinde, ausnehmend wohlfühle. Dass ich den Vorhang aufreißen und aller Welt mein unfassbares neues Selbst zeigen möchte. Dass ich die Klamotten armeweise aus eurem Geschäft trage und höchstens hinterher daheim feststelle, dass irgendwas vielleicht doch nicht so toll war, das aber auf eine ungünstige Mondphase und ergo Selbstverschuldung schieben kann. 
Das einzige aber, was ihr bewerkstelligt – das aber zugegebenermaßen sehr erfolgreich und konsequent, dem muss man ja auch einen gewissen Respekt zollen – ist, dass ich dringende Bedürfnisse entwickele, die mit Shopping Queen so viel zu tun haben wie gutes Fernsehen. Die sogenannte „indirekte Beleuchtung“ (mangels Platz stopfen wir die Neonröhre hinter den Spiegel, statt sie sinnvoll zu platzieren) von unten erzielt neben viel anderer Unbill den Haupteffekt, dass ich mich dringend nach einer Pinzette sowie einem Peeling nebst (porenverengender) Maske sehne, die ich am besten direkt drauflassen kann, auch nach dem Verlassen des Geschäftes, weil den Anblick kann man ja niemandem zumuten. 
Darüberhinaus, liebe Raumgestalter, Schreiner und Innenarchitekten, mag es ja in EURER Welt zu höchstem Ansehen gereichen, wenn, sagen wir, Fußballer XY auf dem Bierfilz schwanzen kann. Das bedeutet aber nicht, dass ein Aktionsradius eben dieser Größe dem Wohlgefühl beim Kleiderkauf zuträglich ist, wenn man sich beim Versuch, einen Reißverschluss zu betätigen, die Ellenbogen an der Pressspanwand aufschlägt. Um einem möglichen neunmalklugen Einwand zuvorzukommen: Nein, es ist keine Option, sich so larifari ins potentielle neue Gewand zu schnitzen, um dann darin die Kabine zu verlassen und sich im großen Vorraumspiegel zu prüfen. Der mag zwar zuweilen gnädiger sein, aber ganz ehrlich: Ich kenne keine Frau, die es für zwingend notwendig erachtet, sich strumpfsockig und mit herumflatterndem Etikett einer unbekannten Öffentlichkeit zu präsentieren, nachdem sie beim ersten Blick in den Kabinenspiegel der dringende Verdacht ereilt hat, das einzig tragbare Textil der Saison sei, mit Verlaub, ein Kaftan oder sonstiger zeltartiger Überwurf. Legt ihr euch doch einfach mal auf einen grell ausgeleuchteten OP-Tisch und versucht, dort mit Würde, Stolz und Wohlbefinden eine nagelneue Jeans anzuziehen, ohne herunterzufallen. 
Und während ihr, werte Planungsbeauftragte, das übt (und scheitern werdet, verdammtnochmaleins!) saus‘ ich mit dem Rest der Bagage ins Nachtleben. Da ist nämlich Platz! Also, vergleichsweise zumindest gilt das für die Rakete (Vogelweiherstraße) und den „Superklub“, „Orchid“ im Zentralcafé (Königstraße) und, ebenfalls, schräg, „Querbeat“ ein Stockwerk tiefer. Treppab geht’s auch zu den „Goodtimes“ im Mach (Kaiserstraße) und „Rhythm&Booze“ im Stereo (Klaragasse), während „Rotblau“ in der Mitte (Hallplatz), „Lui loves HipHop“ (Luitpoldstraße) sowie „Die dunkle Seite der Nacht“, die neue Anlaufstelle für lichtscheue Gewächse in Resis Nachtklub (Klingenhofstraße) weitgehend barrierefrei zu erreichen sind. Bequem treppauf geht es in den Festsaal des KuKuQ, wo der kleine Herr Hantel mal wieder am Leierkasten dreht, treppauf zu fallen liefert in der Indabahn (Bahnhofsplatz , „Dein Samstag“) eine Primashow, die man per Rolltreppenfahrt zur „80er/90er Party“ Terminal (Flughafenstraße) elegant vermeiden kann. Sehr viele Stufen zu bezwingen haben Besucher der wie immer rosa Großen Liebe (Engelhardsgasse), aber sollten Probleme beim Betreten der MUZ (Fürther Straße, „Muckibude“), Desi (Brückenstraße, „Tune in“) oder (Achtung, phonetische Verwechslungsgefahr!) neuen Resi (Klingenhofstraße, „Indie, Jack & Rock’n’Roll“) auftreten, sind bestimmt die anderen schuld. Genau so wie in den Umkleiden. 

Samstag, 18. Januar 2014

Überwachung

Also das mit dem Überwachungsskandal. Das war schon nicht schön. Oder ist, besser gesagt. Aber eigentlich kann ich darüber nur müde lächeln. Es gibt da nämlich einen Verein, angesichts dessen orangenem Heiligenschein überm blauen Gewand NSA, Mossad und die Stasi zu einem Häufchen Elend degenerieren. Denn besagter Verein weiß nicht nur jederzeit zu einhundert Prozent, was ich gerade will und brauche, sondern: Er weiß es, noch bevor ich auch nur daran gedacht habe. Und das treibt mich erstens in den Wahnsinn und zweitens in den Ruin. Ich nehm ein Wagerl und schieb‘ es vor mir her, nichts anderes im Sinn als es mit Lebensmitteln zu befüllen. Brot, Apfel, Wodka, was man halt so braucht. 

Das funktioniert hervorragend bis zur ersten, scharf genommenen Rechtskurve. Wie die Pilze aus dem dampfenden Waldboden schießen sie alle vor mir auf, die Begehrlichkeiten, die Wunderbarkeiten, die Mussichhabens. Automatisch verlangsame ich mein Tempo, um das Auge über die artig und mit großen Hundeaugen auf mich wartenden Waren schweifen zu lassen, ohne die bislang gelebt haben zu können sich mir urplötzlich und gänzlich meinem Verständnis entzieht. Hier steht endlich die Erlösung im quadratischen Eisengitter bereit. Ein chromblitzendes Schüsselset? Toll, ich wollte die bunten ja eh eigentlich nicht mehr haben. Eine Präventionsbandage für Sehnenscheidenentzündung? Mensch, mich hat’s doch kürzlich so gezwickt. Eine Winter-Fitnesshose? Super, ich war zwar seit 20 Jahren nicht mehr joggen, geschweige denn im Schneeregen, aber dann fang ich doch jetzt wieder damit an. So eine Unterlagenmatte für Fitnessgeräte, die wär‘ doch was, und – nein, wie praktisch! – das Heimfitnessgerät gibt’s direkt daneben, und wenn ich’s mir recht überlege, wäre diese wahnsinnig hübsche elektrische Pfeffer-Salz-Mühlen-Kombination mit Ambilight sowie Aufweckfunktion und integriertem WLAN doch auch genau das richtige, dann muss ich auch die alte Mühle daheim nicht umständlich säubern. 

Ich freue mich über Bettschuhe, die kein Mensch braucht, und Holzschnitzel für den Kamin, den ich nicht habe. Lade Saatgut in den Warenkorb, weil kommendes Frühjahr könnt‘ ich doch vielleicht endlich mal die Verkehrsinsel, und das tolle automatische Zwiebelhackdings, was das einem an Arbeit … ach nein, das steht ja bereits seit Jahren ungenutzt im Regal daheim. Ich besitze Unmengen an Bastelkram, obwohl ich mich nicht erinnern kann, wann ich zuletzt die Muße hatte, das zu verarbeiten, doch wenn der kreative Schub mal kommt, dann muss ich schließlich vorbereitet sein, habe Badezusätze in 17 Variationen, obwohl ich niemals bade, und ausreichend Stumpenkerzen und Grablichter, um einen zweiwöchigen Einschluss im ABC-Bunker zu illuminieren. 

Oder einen Tanzkeller. Da freuen die sich bestimmt. In der KK (Königstraße) beim „Tonkonzum“ zum Beispiel oder nebenan im reanimierten Nano bei den „Swing Ding Masters“. Außerdem (streng geheime LoQation) „Warehouse“, „Winterfest“ im Terminal (Flughafen), „F**K Forever“ im Stereo (Klaragasse), „High Five“ in der Bar77 (Luitpoldstraße), zweitägig Posen beim königlichen Nachbarn sowie zweitägig rosa Elefanten in der Großen Liebe (Engelhardsgasse), die aber am Samstag mit „14 Jahre Rosa Hirsch“ (Vogelweiherstraße) konkurriert. Halb so alt, aber nicht weniger bunt: die MUZ (Fürther Straße) feiert Geburtstag. Neugeburt hingegen im Klingenhof: „Indie, Jack & Rock’n’Roll“ in Resis Nachtklub“, und während die Desi (Brückenstraße) in den „Dubgrund“ taucht, ist für die Ü30er Parks (Stadtpark) und Löwensaal (Schmausenbuck) im Angebot. Ah genau, Angebot. Bin schon gespannt, was ich als nächstes endlich gebraucht haben werde …

Samstag, 11. Januar 2014

Haustiere

Fragt ihr euch eigentlich auch ab und zu mal, wieso urplötzlich aus dem Nichts an Zimmerdecken und –wänden diese seltsam sphärischen, im Heizungswind sich wiegenden, staubsatten Spinnwebenschlieren herkommen? Und vor allem: Wo sich der Produzent derselben eigentlich so aufhält? Unlängst fand ich eine Antwort darauf, als ich das entsprechende Fach der Kaffeemaschine mit Wasser zu füllen begann und mir kurz darauf ein Getier achtbeinig entgegenkraulte. „Wie kommst jetzt du da hinein?“ fragte ich empört, während ich den Gast aus seinem Pool fischte. Eine befriedigende Aussage erhielt ich nicht, doch selbstverschuldet, da ich den Mehrbeiner der Toilette übereignete, auf dass er dort seine Schwimmübungen fortführe. Tauchend. 
Ich bin ja generell nicht so ganz verliebt in tierische Mitbewohner, und schon gar nicht in solche, die mir Begegnungen der dritten Art verschaffen. Letztes Jahr hatte ich aus dem Mittelmeerraum eine Spinne importiert. Im Seitenspiegel. Jetzt war weniger der Zoll, was mir Sorge bereitete, sondern vielmehr der nachdrückliche Versuch des Tieres, jede Nacht mein Auto komplett zu verweben. Es entbrannte ein mehrwöchiger Kampf, der unter anderem auch zu Waschstraßen und Gartenschläuchen führte. Der Heldentod blieb aus, ich erschlug das Tier mit irgendwas. Nicht mehr erschlagen musste ich, was mir einst aus Bananen entgegenfiel. Von wegen Vogelspinnen!
Eine hübsch nach Art der herbstlichen Blätterpressung und ägyptischen Mumifizierung bestens erhaltene Eidechse war es, die mir aus der Staude purzelte. Aber blöd, das kann ich schon so sagen, blöd schaust da schon auch erstmal. Ein andermal hing die Picknickdecke, die gute mit der Thermobeschichtung, mehrere Tage überm Leifheit im Wohnzimmer. Irgendwann bekam ich Lust, das aufzuräumen, und siehe da, was ist denn das? Hat sich ein kleines Büschel Blättergrasästchen wohl verfangen in der Decke und den Wasch- wie Trocknungsvorgang unbeschadet überstanden, der kleine Racker. Ich fasse hin, und wie der Blitz transformiert sich das Büschel in einen prächtigen Achtbeiner, der sich anschickt, zügig seiner Wege zu gehen, wovon ich ihn schweren Herzens, doch nachdrücklich abhalten musste. Er zierte dann noch länger die Bastsohle meiner neuen Espadrille. 
Wer hingegen sich meinetwegen gar nicht genug bewegen kann, allein, weil das schlichtweg nicht möglich ist, das ist der kleine Schneck, den ich dieses Jahr aus dem Süden importiert und beim Kofferauspacken entdeckt habe. „Oh, ein kleiner Schneck“, dachte ich. „Aber zum Glück ist er leer und muss nicht traurig sein, dass er seine Mama verloren hat.“ Den Schneck legte ich auf die Fensterbank und fand ihn Tage später 10cm weiter links an einer Gießkanne hängend. Verwundert fragte ich den Schneck, ob er ein Wiedergänger sei, und klaubte ihn wieder ab, nur, um ihn Tage später wieder an der Gießkanne zu finden. Dort ließ ich ihn jetzt lange Zeit, er tat nichts weiter als zu kleben, womöglich auch zu leben, doch das muss er mir jetzt mal beweisen, denn ich habe ihn wieder auf die Fensterbank verlegt. 
Und geh erstmal mit euch ins Wochenende. Zum „Soulflight“ ins Terminal (Flughafenstraße) oder dem „Pon Di Attack Charity Dance“ ins Nano (Königstraße) oder, auch irgendwie karitativ, „Querbeat“ in die KK nebenan. „I love House“ ist im Mach (Kaiserstraße) und in der Rakete (Vogelweiherstraße) die „Smooth Society“. Am Samstag wird es „Laut & Illegal“ in der Desi (Brückensraße), das ganze KuKuQ (Königstraße) feiert „Radio Z Winterfest“ und die Klingenhofstraße mal wieder eine Neueröffnung: Das Loop heißt jetzt „Resis Nachtclub“ und macht Indie, Jack und Rock’n’Roll. Mehr gebounct als gewackelt wird im Stereo (Klaragasse) bei „Buckshot“ , geheadbangt dafür im Hirsch (Vogelweiherstraße). So. Punkt. Reicht ja, wenn bei mir daheim irgendwas am Boden herumkriecht. 

Samstag, 4. Januar 2014

Bauch, Beine, Po

War in den vergangenen Wochen mehrfach gezwungen, mich mit Heimkehrern und Heimflüchtlingen über deren Nachwüchse zu unterhalten. Erfuhr im Zuge dessen von einer Epidemie namens „Maul- und Klauen-Seuche“, die ich bislang nur bei Rindviechern verortet hatte, aber man lernt ja nie aus. Die Seuche, hörte ich, sei hochgradig ansteckend, so dass ich dringend den Vorschlag äußern musste, ob nicht darüber nachgedacht werden müsse, vor kindergärtnerischen Türen hohe Wannen mit desinfektiösem Mittel aufzustellen, durch die die Eltern nicht nur ihre Schuhe, sondern hintenraus auch gleich das ganze Kinde mit Effet kräftig durchziehen könnten. Der Vorschlag wurde leider nicht so ernsthaft angenommen, wie er von mir gemeint war, aber so geht’s ja öfter mal. 

Die Seuche, schlug ich nach, heißt eigentlich Hand-Mund-Fuß-Exanthem, wird von einer virulenten Nervensäge übertragen, verläuft jedoch im Großteil der Fälle inapparent (ähnlich wie oftmals menschliche Intelligenz: Ist zwar theoretisch da, tritt aber nie in Erscheinung). Die Übertragung von Mensch zu Mensch ist sehr präzise ausdarwinisiert auf Kleinkind-Eltern-Umgang, wobei der Austausch oraler Körperflüssigkeiten nur ein druckfähiges Beispiel sein kann. Im Großen und Ganzen nicht weiter aufregend und nach einer Woche wieder vorbei, dieses „Hand-Mund-Fuß“. Jedoch kann die Krankheit in einem sehr viel späteren Stadium menschlicher Entwicklung wieder auftauchen, nämlich so ungefähr 20 Jahre später, und da auch nur noch beim weiblichen Geschlecht. Sorgt aber nicht minder für Furore, und wenn’s mit einem Bad im Sagrotan-Reindel getan wäre, ja, ach mein Gott! 

Die Krankheit, von der der Großteil der Frauen ab 25 befallen werden, heißt statt „Hand-Mund-Fuß“ jetzt „Bauch-Beine-Po“, und wie auch beim kleinkindlichen Vorgänger ist in der ausgereiften Variante eine Vorbeugung außer durch eine strikte Beachtung gewisser Vorschriften besonders in den Epidemiegebieten nicht möglich, da es gegen auch diese Erkrankung derzeit keinen Impfstoff gibt und eine Therapie nicht oder nur symptomatisch erfolgen kann. Man erkennt die zertifizierten Behandlungsorte an mehrmals wöchentlich angebotenen und der Einfachheit halber mit dem Krankheitsnamen „Bauch-Beine-Po“- gekennzeichneten Therapieeinheiten, deren Patientinnenfrequenz üblicherweise zu Anfang des Jahres rapide ansteigt, was vermutlich auf die vorausgegangene Zeit jahresbedingter Entbehrungen und daraus resultierender Schwäche des Immunsystems zurückzuführen ist. 

Als begleitende oder vorbeugend begünstigende Maßnahme darf die Tanztherapie betrachtet werden, und deswegen legen wir damit gleich mal los. Mit „Fette Henne“ im Cult (Dooser Straße) vielleicht besser nicht. Lieber unterwegs als „Discotouristen“ in der Mitte (Hallplatz) oder zur „Großen Schlagernacht“ ins Marquee (Klingenhofstraße). In der Bar77 (Luitpoldstraße) ist „We love 90s“ angesagt, in der KK (Königstraße) gibt’s „N-Dorphin!“ und im Stereo (Klaragasse) „Boom!“. Am Samstag steigt die „Maximum Rock Night“ im Hirsch (Vogelweiherstraße) und der Raketen-Nachbar ist „Rigorös“, „Orchid“ ist zu Gast im KuKuQ (Königstraße), das King Lui (Luitpoldstraße) bounct beim „Kings Clubbing“, und alles, was einen Hang zu fazialen Bröselbesen hat, tummelt sich bei „Circus Beretton“ im Stereo. Wer alles richtig gemacht hat, hat dann am Sonntag unabhängig von der Geschlechtszugehörigkeit im Zweifel nur noch „Kopf“.