Freitag, 27. Mai 2022

Unkraut vergeht nicht

Letzte Woche war bei uns im Hof mal wieder so eine Gartenpflegesituation. Ich möchte hierbei explizit von einer „Situation“ sprechen, um die Dramatik des Einsatzes zu betonen, der sich in regelmäßiger Unregelmäßigkeit ereignet und mich aufs Empfindlichste belästigt. Weil olfaktorisch (Benzinqualm), auditiv (RRRRÄÄÄÄMDÄDÄDÄÄDÄDRÄÄÄÄMÄÄMMM!!) als auch emotional. „Ja hä, aber die räumen doch voll schön auf und dann voll schön Ordnung und so?“ mag ein Einwand sein, den ich entschieden ablehne, da es sich im Ergebnis wenn schon um Ordnung dann um eine handelt, die den Einrichtungsvorschlägen rot-gelb-belogoter Möbelhäuser frappierend ähnelt: sauber, steril, symmetrisch und in seiner verzweifelt bunt betupften Behighlightung seelenlos. Also Gartenpflegesituation, und da musst du hilflos zuschauen, wie ein Mensch ohne Herz wilde Rosen kappt und sprießende Wildblumen rasiert, goldgelbe Felder umpflügt und Kräuterbüsche ausreißt, um hernach eine akkurat gestutzte, doch verwundete Fläche zu hinterlassen, auf der man das Gras nicht wachsen, wohl aber weinen hört. Ich kann mich damit gut identifizieren da ich der Meinung bin, auch Pflanzen verfügen über Charaktere, denen der Phänotyp lediglich Ausdruck verleiht. Rose (hinterfotzig): „Ja ich bin total schön und dufte, jeder liebt mich, aber kommst du mir zu nah, zerstech ich dir die Augen!“ Klatschmohn (beleidigt): „Upsiwupsi, das hast du dir so gedacht dass ich in der Vase hübsch wäre aber BÄM nicht mit mir, ich lass einfach alle Blätter fallen ÄTSCH!“ Gänseblümchen (devot): „Nee du is voll okee dass du mich dauernd zerlatschst, macht mir voll gar nichts aus, schau wir sind eh so viele und huch jetzt hast du mich jemand versehentlich ausgerissen das ist vielleicht ein bisschen AUI nicht die Haare menno …“ Oder Brennnessel (verschlagen): „Komm nur her du Wicht, trau dich ruhig, komm komm dir zeig ich’s, wag dich nur noch einen Schritt vor und dann PENG sprüh ich meine Geheimwaffe auf dich und du wirst LEIDEN, muahhahaa!“ Und dann gibt es: Löwenzahn. Jeder (gute) Mensch liebt Löwenzahn, obwohl der eigentlich nichts dafür tut. Löwenzahn ist so „Hey yo, du auch hier? Cool ich auch, ich hoff ich stör nicht, meld dich einfach, ich kann easy auch noch ein bisschen rutschen und mach’s uns schön bunt. Sag halt Bescheid worauf du Bock hast, Bro! Oha jetzt hast du versehentlich Zement / Teer / ein Haus auf mich geschüttet, fuck ey tut mir leid für dich das kann echt mal passieren mach dir keinen Kopf, ich krieg das schon wieder hin …“ Und dann stemmt sich der kleine Löwenzahn mit aller Kraft gegen die Welt einfach so und drückt ganz fest und feste und dann PLOPP! wo grad noch graubraunes Ödland war schießt ein gelber Kopf hervor und noch dreiachtsiebzehn mehr! Ist das nicht wunderbar? Schöne Grüße an den Gartenpfleger: Es sieht schon wieder genau so schön aus wie vorher. Opa hatte recht: Unkraut vergeht nicht! Ätsch!

So geht Festival

Für alle Menschen, die tatsächlich noch nie auf einem Festival waren, erfolgt hier noch einmal aus gegebenem Anlass ein vorausschauender Rückblick der besucherdurchschnittlichen Geschehnisse auf Basis langjähriger und vielfältiger Erzählungen, um sie entweder darin zu bestätigen, dem Event weiterhin fernzubleiben, oder höchst motiviert noch eilig sich nach Tickets umzutun ... Tag 1: Motivation so mittel; tiefsitzende Erinnerung an vorausgegangenes Leid, unvorstellbare Erschöpfungszustände, schlimmen Ekel; in weiser Voraussicht Präparation zur Schadensbegrenzung; Großeinkauf: isotonische Getränke, Obst, Gemüse, Alka Selzer, Desinfektionsspray, Regenschutz, Sonnenschutz, diverses Leichtgepäck; Vorkochen von nahrhaften, vitamin- und mineralstoffhaltigen Speisen zur täglichen Wiederbelebung; Gummistiefel polieren; Kleidung raussuchen, die gleichsam festival-leger doch auch distinguiert wirkt, um sich vom campierenden Pöbel abzuheben; Bargeldabhebung von höchsten 20 Euro tätigen wegen FSK; 16 Uhr: entspannte Busanreise; spontaner Ekel wegen Mitfahrern, die sicher nicht die erste Bierdose schwenken; 16.22: Ankunft; spontaner Neid auf alkoholische Getränke jedweder Art; Aufsuchen des nächstbesten Kiosk in Treffpunktnähe; Treffzeit auf eine Stunde ausweiten wegen Kioskbier lecker und zudem günstig, außerdem sehr viel „Hallo“; 18.07: Einmarsch aufs Gelände in ausgesprochen fröhlichem Zustand; juhu endlich Festival! 20.39: zwei Konzerte verpassen wegen Anstehen am Geldautomaten; egal, alle sind meine Freunde; 22.13: Tanzanstehen am Dixie; welche Konzerte?! 00.27: spontanes Chorsingen im Nachtbus; 01.15: Verzehr des Gesamtlebensmittelvorrats fürs Wochenende. Tag 2: alles sehr schwierig, aber was muss, das muss; Rucksäcke ausräumen oder gleich daheim lassen, kein Mensch braucht Regenschutz oder Desinfektionsmittel, leger schlägt distinguiert, Campingpöbel ist eh viel geiler, wo ist eigentlich die Pippi-Langstrumpf-Perücke vom letzten Fasching, wenn man den Schnaps mit Kaffee mischt geht’s eigentlich; 13.00: sofortige Wiederaufwärmung des Vortagsrauschs; 13.14: Vertiefung desselbigen wegen das hält doch sonst kein Mensch aus; 13.15: Wiederholung des Vorabends, Gepäckerweiterung um aufblasbare Maßkrüge, Sternchensonnenbrillen, Whiskeyturnbeutel, Hennatattoos etc.pp. unbekannten Ursprungs; Sparkonto räumen; Fotosession mit Polizeistaffel wegen gute Laune; Ankunft daheim irgendwann, sofortiger Tiefschlaf auf der Türschwelle. Tag 3, 11.00: Welthass, Selbstekel; 14.30: Welthass, Selbstekel; 17.00: Beginn der Restaurierungsmaßnahmen; Kleidung möglichst distinguiert wegen Abhebung vom Campingpöbel; offensichtlich am Vorabend um 100€ bestohlen worden, alles scheiße; 19.00: Ankunft, Ekel, Widerwillen; 19.07: Longdrink oder heim? Longdrink! 19.15: Londrink! 20.03: blöde Frage! 20.47: Warum zur Hölle bin ich erst so spät gekommen? 22.21: Juhu Riesenrad, Liebestaumel, scheißdrauf, nureinmaljung; 00.40: Cuba-Bestellung beim Busfahrer. Unmut serviert bekommen. Ihn trotzdem lieben …

 

 

Freitag, 20. Mai 2022

Vertretung gesucht

In einem ersprießlichen Gespräch mit einem der vielen gütigen Kollegen, die hier Woche für Woche erst dafür zuständig sind, mich mit Deadlines zu Höchstleistungen zu peitschen um dann anschließend an eben jenen zu verzweifeln, behandelten wir unlängst im launigen Diskurs das Themenfeld „Urlaubsvertretung“, denn ich sag einmal so: Selbst die lässigste aus dem Ärmel geschüttelte Glosse tät ganz prinzipiell auch einmal gern einfach so auf einem Sonnenstuhl herumliegen und nicht nur äußerlich einen mordsentspannten Eindruck machen, sondern auch innerlich wirklich und echt wahr einfach einmal nichts zu tun, zumal wenn’s außenrum gewaltig sommert. Einmal nichts zu denken – für manche friedlicher Normalzustand, für mich jedoch das leere Hirn ein unerreichter Sehnsuchtsort, an den ich zu gern einmal verreisen würde, ohne dass ich mich zuvor auf einen höchst anstrengenden Weg der Meditation und Erforschung der inneren Ruhe begeben muss. Auf meinen leichthin geäußerten Gedanken also zuckte das Gesprächsgegenüber empfindlich zusammen und schrie „WASI!“, schrie es, „das kannst du knicken. Urlaubsvertretung! Es gibt auf der ganzen Welt niemanden, der so schreibt wie du, also vergiss es!“ Ich versuchte mich in Protest: „Aber …“ – „NICHTS ABER!“, schrie’s zurück, und mein feiner Schnittlauchpony türmte sich im Gegenwind zur ondulierten Tolle auf. „Wenn du jemanden findest, der dich vertritt und ich’s nicht merk, dann geb ich einen aus! Und soll ich dir was sagen? Das wird ein billiger Abend – für mich! Und jetzt geh denken!“ Jetzt muss ich sagen: Ich bin von Haus aus eher ökonomisch veranlagt. Der Unwissende mag das mit Faulheit verwechseln, doch der Erleuchtete weiß es besser. Mit minimalem Aufwand das maximale Ergebnis erzielen – auf diese Weise bin ich schon eher versehentlich zu Latinum und Abitur gekommen – kann nicht anders als als außerordentlich strebsam und klug beurteilt werden. Gelegentlich jedoch packt mich ein großer Ehrgeiz nah am Furor und ein „Dir werd ich’s schon zeigen!“ So auch jetzt. Meine Lieben – ein Wettbewerb! Es ist ganz einfach: Sucht euch ein beliebiges Thema, saisonal, biographisch oder völlig erfunden. Formuliert lose einen Gedanken. Blast diesen bis zur Unkenntlichkeit auf, bemalt ihn, pudert ihn, behängt ihn mit Lametta, Luftschlangen und Spaghetti. Googelt im Themenfeld, streut wahllos bildungsbürgerliche Sujets ein. Lest Asterix, verwendet lateinische Wendungen nach Gusto (gustum, -o: Geschmack, der), gelegentlich englische because it’s so amazing. Ersetzt möglichst alle Punkte durch Komma, verstrickt euch in Nebensatzstrukturen fünfter Ebene, findet nonchalant wieder heraus, vertraut auf die Verwirrungstaktik. Überrascht mit lyrischen Exzessen und Onomatopoesie. Schreibt, wie ihr sprecht und nicht wie das Amtsblatt. Niemand mag Amtsblätter. Erweitert euren mickrigen Wortschatz von 200 auf 200 Millionen (Anm. d. Red.: von dieser Aussage distanzieren wir uns nachdrücklich). Lügt. Und schickt mir das Ergebnis. Dann wollen wir mal schauen, wer hier einen billigen Abend verbringt und wer nicht. Lustig wird das allemal. Auf geht’s!

Mittwoch, 18. Mai 2022

Freu mich wie Polle!

 Gestern wollt ich einmal mit dem Auto wohin fahren. Mach ich gar nicht so oft – Innenstadt, Fahrradfitness, Chauffeur krank, man kennt das – und darum bin ich immer ein bisschen aufgeregt auf dem Weg zum Abstellplatz. Wird das Auto noch da sein? Hat mich jemand übel eingeparkt? Mir aus Zorn über frevelhafte Glossen die Tür zerkratzt, Lippenstiftbotschaften in Herzform hinterlassen? Man weiß es einfach nicht, und so war ich nicht übel erstaunt, als ich, Jung-Dynamikerin die ich bin, großen Schrittes zum Fahrzeug eilte und dann da einfach gar keins war. Also kein Fahrzeug. Nanu, hab ich mich gewundert, wie kann das sein, neulich erst hab ich es doch noch hier abgestellt vor so ungefähr zwei Wochen oder drei, und plötzlich ist es weg? Stattdessen: Gelbe Dünenlandschaft, soweit das Auge reicht. „Hallo!“, hab ich gerufen, „Hallo Autooo wo bist du??“ und als Antwort hat nur der Tiefbohrhammer von der Lieblingsgroßbaustelle nebenan einmal laut gewiehert und mir dabei zärtlich ein bis drei Ladungen Baustaub in die Nase gewirbelt. Ich ha… haaaa… haaaaTSCHI!! …ab dann schwer genießt. Genossen. Genesen. Also halt das mit dem plötzlichen großen Druck im Kopf wo man nachher immer erst einmal kurz prüfen muss, ob noch beide Augen dort sind, wo sie hingehören, und nicht unversehens vor den Wangen baumeln und dich von dort aus überrascht anschauen. Jedenfalls eine Mordsdruckluftfontäne und siehe da: Hat es nicht plötzlich vor mir im saharagelben Nichts braungolden geglitzert? „Autolein, da bist du ja!“ hab ich mich gefreut und eilig die 17 Tonnen Pollenstaub vom Gefährt gewedelt. Danach war zwar das Auto frei, doch ich dafür in sattes Gelb gewandet: Haare gelb, Arme gelb, Bauch auch und die Wimpern so dick mit Blütenpollen beladen, dass eine jede Hummel sich sogleich arbeitsunfähig gemeldet hätte wegen Burnout. So ist das grade. Legst du ein Handy auf den Cafétisch und schaust kurz einmal nach, ob es dich nach Decaf mit einem Schuss Hafermilch gelüstet oder doch eher Cappu doppio und dazu ein Spaghettieis, musst du das Telefon anschließend, na, exhumieren grad nicht, aber expollieren. Lüftest du daheim die Küche, so hast du zwar keinen Schnitzelgeruch mehr drin, wohl aber genug gelbe Panade auf der Anrichte für die nächste Portion. Stellst du dein Radl ab um nur ganz geschwind einmal im Schuh-Sale nach dem Rechten zu schauen und vergisst, wehe!, das Regenhauberl auf den Sattel zu ziehen, so strampelst du vielleicht noch unbescholten davon, doch beim nächsten Abstieg droht Ungemach: Auf der dunklen Chino prangt nun stolz und lüstern ein heller Sattelfleck, mit du frappierend an das fesche Hinterteil von Hasin oder Reh erinnerst und schlimmstenfalls auch ähnlich lockst … Ach was soll’s. Frühling! Diese zwei magisch grünen Wundertage zwischen Nachfrost und Tropennacht. Genießen wir sie – komme was polle! Äh: wolle! 

Montag, 9. Mai 2022

Regentänze

 Meine süßen Rotznasen, was bin ich froh, dass ich euch nicht persönlich sehen und begrüßen muss! Nicht dass ich euch nicht irre gern persönlich sehen möchte, aber begrüßen? Nein, bitte lieber nicht. Ich bin schon vollauf damit beschäftigt, um nicht zu sagen: überfordert mit meinen alltäglichen Kontakten und dem Begrüßungszeremoniell, dass sich da andauernd in aller Öffentlichkeit abspielt. Früher hast du dich gesehen und dann so „Hey!“ und dann so je nach Kontext Highfive, Bussibussi, Drückerle, Händedruck oder verhaltenes Nicken. Jetzt so: Man sieht sich aus der Ferne, zeitgleich steigt ein erstes leises Gefühl von milder Fläue bis Panik im Bauch auf. Eine Stimme schreit dir im Ohr „Dreh um! Bind dir den Schuh! Verliere etwas! Hab etwas vergessen!“ doch leider kommt sie mit dem Tipp zu spät, du hast bereits gelächelt oder zumindest irgendwo das Gesicht in Erkenntnis aufzucken lassen. Du straffst die Schultern, überwindest die letzten Meter tapfer und dann beginnt der Servus-Dance: eine Abfolge bewährter wie neuer Begrüßungsrituale, eingeleitet von einer angedeuteten Umarmung – nur leider wegen völliger Überforderungen und individueller Präferenzen in völlig unchoreographiert, weswegen die vermeintlich harmlose Begrüßung zu einer Mischung als Wrestling, Capoeira und Schuhplattler gerät. Oder Regentanz, anders kann ich mir die sintflutartigen Sturzbäche nicht erklären, die aus blauem Maihimmel derzeit über uns hereinbrechen als hätt der Niagarafall sich über Nürnberg teleportiert. Nein, es sind nur viele viele Menschen, die den ganzen Tag Begrüßungstänze aufführen und dabei froh sind, im Knäuel aus Ellbogencheck, Bro-Fist, Umarmung und Heel-Drop keine blutigen Nasen davon zu tragen. Früher, als man noch schwer maskiert auf die Straße gehen durfte, war das alles besser. In Sicherheit verborgen unter dickem Atemschutz konnte man anonym und unbehelligt durch die Ladenzeilen streifen und sich darauf verlassen, dass zwar der Aushilfskassier im Stammsupermarkt dich auf zehn Meter Entfernung nur an den Augenschlitzen erkennt, nicht aber die Ex-Chefin, der du dich wohlig schauernd auf 30 Zentimeter nähern und dann im Schutz der Maskerade schwungvoll die Zunge blecken konntest. Heute bist du zurückgeworfen auf dich, deine Reaktionsfähigkeit und soziale Kompetenz, die jedoch ohnehin zur Disposition steht, wenn du dich beispielsweise erst zwei Stunden beim Konzert schwitzend an Fremdkörpern gerieben und später von diesen per Fernfaustschlag verabschiedet hast. Ebenfalls bemerkenswert: Sich erst distanziert begrüßen und nach zwei Stunden Ratsch und Gaudi feste in den Arm nehmen weil omnia vincit amor – und corona vincit amor sowieso. 

Montag, 2. Mai 2022

Der Seeigel im Hals

 Nach dem ganzen Eierspaß, Savoir Vivre und Café Olé der letzten Tage ist es an der Zeit, sich wieder einmal mit ernsten Themen zu beschäftigen. Und wenn ich mich einmal in meinem Freundeskreis und auch in mir selbst drin so umhöre, dann lautet das aktuelle Thema „Krankheiten“, oder um im Duktus der letzten Woche zu bleiben: Malähsö. Von der Malähsö gibt es sympathischere und unsympathischere Varianten. Nämlich die komplizierten und die einfachen Sachverhalte. Zum Beispiel Beinbruch: eine eher einfachere Angelegenheit. Wachst du morgens auf, upsi Bein gebrochen, rufst du den Chef an und sagst „Du Chef, ich hab mir im Schlaf das Bein gebrochen, ich bleib die nächsten sechs Wochen daheim!“ sagt der Chef „Okido!“ und alles ist gut. Vergleichsweise einfach auch: Bindehautentzündung. Menschen schauen dich an, sagen „PFUI DEIFI du ZOMBIE bleib bloß weg von mir!“ und du sagst „Ok.“ und bleibst erst einmal weg, daheim ist auch schön. Sonst halt Sonnenbrille als modisches Statement im Kaffeehaus oder Einwohnermeldeamt, bei letzterem kannst du immer sagen „Also als ich hier angekommen bin war gleißender Sonnenschein auch innen. Entschuldigen Sie, welchen Tag haben wir heute?!“ Schön einfach auch Nagelbettenzündung („AUA AUA eine FEDER hat meinen FINGER berührt ich kann heute NICHTS mehr arbeiten und die kommenden drei Tage auch nicht machst du mir bitte den Fernseher an?“) oder auch spezialeinfach Magen-Darm-Infekt („Die sanitären Anlagen sind in den kommenden 24h besetzt, leg mir bitte ein Kniekissen vor die Türe.“) So, und dann gibt es: Halsweh. Den gordischen Knoten unter den Krankheiten, den Zitronensäurezyklus der Zipperlein, das Buch der sieben Siegel unter den Wehwehchen. Wenn du nicht schon nachts aufgewacht bist und panisch um dich geschlagen hast, weil sich ein Seeigel in deiner Kehle eingenistet hat, kollabierst du spätestens morgens beim Ertasten glühenden Schleifpapiers in deinem Rachen und weißt: Es kann alles sein – oder nichts. Habe ich gestern zu wenig getrunken oder zu heiß gegessen? Habe ich gestern Abend ausnahmsweise mal gesprochen oder gar meinen Ruf als Karaoke-Queen verteidigt – und im Rausch des Erfolgs den Abend einfach vergessen? Leide ich an einer unheilbaren Krankheit, die von mir unbemerkt in den letzten Jahren herangewachsen und gewuchert und über Nacht explodiert ist? Habe ich einfach nur mit offenem Mund geschlafen und jetzt anstelle geschmeidiger Schleimhäute die Wüste Gobi? Muss ich sofort zum Arzt um für die sich über den Tag entwickelnde Mandelentzündung mit Antibiotika gewappnet zu sein oder reicht ein beherzter Schluck Wasser? All das sind Fragen, die ich mir seit nunmehr vier Wochen allmorgendlich stelle. Und irgendwie beschleicht mich das saublöde Gefühl, dass die Antwort darauf ganz einfach lauten könnte: Heuschnupfen.