Freitag, 28. Oktober 2022

Frag Mutti

 „Wünsche ans Universum“ kennen wir, aber ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass Momentan eher das Universum mir was sagen will. Nämlich auf Werbeplakaten, Fernsehkanälen und Instagram. „So bist du gut auf die Krise vorbereitet“, „Mit dieser Einkaufsliste kommen Sie sicher durch den Winter“ oder „Diese Lebensmittel solltest du daheim haben“ fordern mich Katastrophenschutz, Öffentlich-Rechtliche und regionale Onlineplattformen diskret zum bevorratenden Einkauf von Nudeln (Juhu!) und Dosenobst (Pfui Deifi!) auf. Ok, was ein „Prepper“ ist, haben wir schätze ich alle verstanden, seitdem vor gut zwei Jahren urplötzlich alle Welt erst in die industrielle Hefezopf- und Bananenbrotfertigung eingestiegen ist, dann Klopapiermumie und Gummitwist gespielt und jetzt im Sommer ausgedehnte Sonnenblumenölbäder genommen hat. Damals schon wie auch heute lächle ich milde angesichts der Bemühungen der süßen Prepper-Babys und möchte ihnen sanft übers lockige Haar streicheln und sagen: „Das wird schon, übe noch ein bisschen. Und wenn du Fragen hast, dann komm zu Mutti.“ Also mir. Das Preppertum hat bei uns in der Familie Tradition, nur nennt man es da „angebotsorientierte Einkaufsoptimierung“ (nicht, nennt man nicht so. Nur ich.), weswegen ich schon als Kind gelernt habe: Man kann ALLES bevorraten, auch Schuhe, Hosen oder Motorenöl. Wenn Menschen mich auslachen, weil ich vom allerliebsten Lieblingssneaker immer ein fabrikneues Ersatzpaar zu Hause habe, sage ich: „Und ich lach dich aus, wenn du den Schuh als Impulskauf für den doppelten Preis tätigst statt wie ich vorausschauend im Angebot.“ Dieses Verhalten kombiniere ich geschickt mit einem anderen. Wie wir neulich gelernt haben, gibt es in meinem Haushalt zwei dominierende Persönlichkeiten. Die unkreativ-planend-strukturierte sowie die impulsiv-farbenfroh-schillernde: mich. Diese zweite tätigt Einkäufe im Lebensmittel- und Drogeriesegment niemals mit Hilfe schnöder Listen, sondern spontan anhand einer bauchgefühlten Bedürftigkeit. Soll meinen: sobald ein Produktnotstand theoretisch demnächst drohen könnte, speichere ich diese Sorge in den Eingeweiden und behalte sie dort über mehrere Einkaufszyklen hinaus. Auf diese Weise bringe ich beispielsweise von jedem Einkauf zwei Dosen Tomaten, Toilettenreiniger (im Angebot!), Butter (ANGEBOT!) oder Zwiebeln mit, um daheim am sich durchbiegenden Vorratsregal oder einer Gefriertruhe voller Butter meinen Irrtum zu erkennen. So letzte Woche: „KREISCH! Spülmaschinentabs sind im Angebot, dasistsuperweilbrauchenwireh!!!“ Daheim durfte ich feststellen, dass die leere Packung noch 15 Tabs beinhaltete – was in etwa dem Verbrauch von sechs Wochen entspricht. Aber was soll’s: Was man hat, hat man. Und was ihr nicht habt, hab ich. Mein Name ist Lohse, ich kaufe hier ein. 

Freitag, 21. Oktober 2022

Jetzt wie Oma

 Angeblich ist es ja so, dass je älter ein Mensch wird desto mehr Ähnlichkeit mit seinen Eltern bekommt man. Ich habe diese Phase offenbar übersprungen: Vor einer Woche habe ich einen evolutionären Schub erlitten, mit dem ich so nicht gerechnet hatte. Wann immer ich mein Spiegelbild irgendwo erhasche – und zugegebenermaßen erhasche ich es seit eben dieser Woche vergleichsweise häufig – denke ich mir nicht etwa: „Jetzt siehst du aus wie deine Mutter.“ sondern vielmehr: „Jetzt siehst du aus wie deine Oma.“ Geschuldet ist der Umstand einer neuen Brille (oder Nasenfahrrad, wie der Witzbold sagt), die es gibt, weil die alte doch nicht so bruchfest war wie gedacht. Wohlwissend, damit mal wieder einem Trend drei Jahre hinterherzuhinken, habe ich mich für ein goldrahmiges Gestell entschieden und damit eine weitreichende Veränderung von cool-mafiös hin zu omamäßig-soft an mir vollzogen. Weg mit dem schwarzen 20er Jahre Gangster-Gestell, das mir in den letzten Jahren einen angeblich etwas strengen Ausdruck ins Gesicht kalligraphiert hat – her mit dem blitzenden Geschmeide, das mich nur mehr schmückt statt dominiert. Irgendwie so war der Gedanke. Ich möchte nicht direkt von einer Wesensveränderung sprechen, bin aber doch täglich mehrmals überrascht und auch erleichtert, dass die Gesichtserkennung vom Handy noch funktioniert. So wie auch in der Herrenmode der Grat zwischen „Hipster“ und „verlotterter alter Mann“ ein ausgesprochen schmaler ist, scheint es mit den goldenen Brillen eine unsichtbare Altersgrenze zu geben, an der entlang Frauen nach links ins „coole It-Girl“ kippen oder eben rechts ins „vorzeitig gealtert“. Ich balanciere jetzt auf dem schmalen Seil dazwischen, während Omas Goldkette auf meiner Brust wogt statt auf der ihren, und überlege dabei, ob ich mir jetzt auch Nagellack in Perlmutt-Rosé und blaue Wimperntusche zulegen oder doch besser bei Knallrot und Tiefschwarz bleiben sollte und wann wohl der Zeitpunkt gekommen sein wird, an dem „Leoprint“ wieder nur mir und dem Seniorenheim gehört und wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass „ich“ und „Seniorenheim“ dann eine Liaison eingegangen sein werden. Immerhin: das passende Outfit hätt ich schon, man muss die Modetrends nur aussitzen, und das kann ich ziemlich gut, doch fühl mich mittlerweile ausgesprochen alt dabei, während ich andere (jüngere?) Frauen für ihren nonchalanten Chic bewundere, Oma-Look (Gold) mit Punk (5cm-Tunnels) zu kombinieren. Eine Sache hatte mir Oma allemal voraus: Bis ins hohe Alter ist sie auf Pfennigabsätzen durchs Leben gestöckelt. Ich bin seit zehn Jahren froh, wenn die Sohle vom Sneaker nicht dicker ist als einen Zentimeter. Immerhin damit komm ich doch ganz nach meiner Mutter.

Freitag, 14. Oktober 2022

Ihr Warmduscher!

 Jede Zeit bringt ihre Helden hervor, und so gibt es aktuell neben vielen still vor sich hin superkräftenden Menschen, die sich aufopfernd kümmern, wahnsinniges leisten und großherzigst arbeiten neuerdings einen ganz besonderen Wettbewerb, von dem ich ahne, dass er trotz eifrigst geäußerter Teilnahmebekundungen erst in den Startlöchern steht: die „Wer friert am besten“-Challenge. Menschen treffen sich an der Ampel und sagen „Ich habe mir fest vorgenommen, die Heizung nicht vor November anzuschalten.“ statt „Wie geht’s?“, sie begegnen sich beim Einkaufen und bemerken „Also ich kann ja frisch gebrühten Ingwer-Tee nur empfehlen, der wärmt so schön von innen.“ statt „Ey hast du gesehen, der 7er Havana ist im Angebot.“ Sie spazieren nebeneinander im Park und referieren „Ich hab mir überlegt ich könnt ja stricken anfangen weil dann bleib ich abends quasi eh immer in Bewegung und hab dann auch gleich noch was Warmes zum Anziehen.“ statt „Ich hab noch einen 40%-Gutschein bei XY, soll ich dir den Code schicken?“ und dealen abends in der Kneipe Herrschaftswissen („Mir hat mal eine Marktfrau erzählt, dass sie sich im Winter Chilischoten zwischen die Zehen steckt und dann immer warme Füße hat, sollen wir das mal ausprobieren?“), und schmieden ausgefuchste Pläne („Wir können uns ja abends dann immer reihum bei einem von uns treffen, dann muss man nur ein Wohnzimmer warm machen.“) wobei die besonders gewitzten sich manchmal als in Wahrheit vielleicht nur etwas bauernschlau erweisen („Haha, ich dusch jetzt halt einfach nur noch im Fitnessstudio und dafür extra lang, weil kostet mich ja nichts.“) Die alles beherrschende Schlagzahl, das finale Totschlagargument im Kampf um die härteste Sau ist hierbei selbstverständlich die über alles und jeden und ganz vor allem persönliche Empfindlichkeiten erhabene Raumtemperatur. „Bitte WIE VIEL Grad hat es bei dir zu Hause noch? ZWANZIG?! Du heizt doch heimlich schon? Nein? Also komm, dann brauch ich mit dir ja wirklich nicht mehr weiterreden, bei mir sind es 16 und der Herbst hat noch nicht mal ANGFANGEN!“ Bedauerlicherweise muss auch ich derzeit an diesem Punkt der Competition aussteigen, verfügt mein Loft doch über eine viele Meter breite Fensterfront nach Süden, der zur Folge mir just in diesem Augenblick die Oktobersonne die rechte Schulter wie mit einem Brennglas versengt und den dunklen Boden mit Wärme betankt. Noch bin ich also fein raus. In der Zwischenzeit hätte ich eine für weniger dyskalkulatorische Menschen als mich eine kleine Rechenaufgabe mit der Bitte um Lösung bis kommende Woche: Wie groß muss die Bildschirmdiagonale eines ultraflach HD-TVs sein, um bei wie langem Betrieb wie viel Wärme abzustrahlen, um dabei Heizkosten in welcher Höhe zu sparen? Antworten bitte per Mail. Codewort: Warmduscher.

Samstag, 1. Oktober 2022

Ab in die Botswana

 Eine alte Bekannte von mir war fit in Wortspielen. Wenn sie sagte „Heut Abend geh ich nach Botswana“ hieß das, sie würde später ein Bad nehmen statt sich in der Kneipe zu treffen. Mir fällt das grade ein, weil gestern war ich nämlich auch in Botswana. Eine für die meisten von euch vermutlich nicht weiter spannende Information, sondern vielmehr alltägliche Handlung der Reinigung, Wellness und Entspannung. Für mich problematisch, weil Badewanne bedeutet Zwangsstillegung, Unbequemheit und Stress und kann deswegen nur in Ausnahmesituationen als ultima ratio herangezogen werden. So zum Beispiel „Ich hab Halsweh und mir ist arschsaukalt schon den ganzen Tag. Ich glaub ich muss in die Badewanne.“ Wenn ich gewusst hätte, welch sagenhafte Handlungskette größter Betriebsamkeit diese nebensächliche Information auslöste – ich hätt’ sie mir verkniffen. „Mir war nicht klar, dass ‚Badewanne‘ ein Codewort für ‚Wohnungsputz‘ ist!“ hab ich gejammert und den Toilettenrand dick mit Reinigungsschaum ausgekleidet, während im Arbeitszimmer Aufbewahrungsschachteln durcheinandergewürfelt wurden und im Waschbecken Wanderschuhe eingeweicht sowie im Flur großformatig Kabel einer Schlagbohrmaschine zu den selben Mandalas ausgefächert lagen, die ich eigentlich in einem Bett aus wohlduftenden Blubberblasen längst gern gemalt hätte. Doch es kam anders. Weil ich lediglich die ungeliebte Wanne (zu kurz, zu eng, zu wenig Kissen) wenigstens kurz wischen wollte, kam mir der Gedanke, dass wenn Lappen und Reiniger schon in der Hand sind, damit auch geschwind das Waschbecken durchgefeudelt werden könnte und weil’s ja nur ein Handgriff mehr ist auch das Klo. In der Zwischenzeit trug der Mann („Gell, du möchtest einfach nur, dass es mir möglichst gut geht. Und nicht etwa, dass ich möglichst lange in der Wanne bleibe, damit du möglichst lange Ruhe vor mir hast?“) beflissen Hocker, Tee und Kerzenschein ins Badezimmer und frug, wonach ich mich noch sehnte. „Nichts weiter, und bei dem Licht hier lauf ich auch nicht Gefahr, einzuschlafen und zu ertrinken“, bemerkte ich mit Blick aufs gleißende Halogen. Weswegen eine Klemmlampe im Vorratsraum abgebaut wurde. Weswegen ein Verlängerungskabel fürs Bad gesucht wurde. Weswegen eine Mehrfachsteckdose gesucht wurde. Weswegen dabei eine Aufbewahrungsschachtel gefunden wurde. Weswegen darin Festplatten („Die müsste man mal durchschauen!“), Handyschutzfolien („Das Handy gibt’s ja gar nicht mehr. Die stell ich schnell bei Ebay ein.“), Smartphonehalterungen („Das hast DU unbedingt haben wollen und jetzt liegt’s originalverpackt nur rum!“) gefunden wurden. Weswegen Platz für einen Klemmspot geschaffen wurde. Weswegen eine dabei entdeckte Pflanze dringend umgetopft werden musste. Weswegen man doch eigentlich das neue Schuhregal … Ich sag mal so: Halsweh ist jetzt weg, ich fühl mich pumperlgesund. Nach Botswana muss ich erstmal nicht mehr.