Freitag, 28. Dezember 2018

Resümee

Mir wird gern einmal unterstellt, ich würde diese Zeilen hier mit nichts als blühender Fantasie füllen, was man schon allein daran erkenne, dass man nie erfahre, wie bestimmte Dinge weiter- oder zu Ende gegangen sind. Ich hab mir gedacht, das können wir ja zum Jahresabschluss einmal ändern. Also: Ich lebe immer noch und finde, man sollte mehr über Verdauung sprechen. Es gibt mittlerweile sogar Klosteine mit Granatapfelduft, dafür immer noch kein Bärlauchdeo. Jeden einzelnen Morgen und Winter ärgere ich mich über meine praktische Kurzhaarfrisur, zum Wachsen lassen reichts dann aber trotzdem nicht, dafür ist jetzt aus der Mützen- eine Stirnbandthematik geworden. Hübsch übers Weihnachten habe ich mir einen Mordsinfekt eingefangen, aber wohl doch keine Superkräfte, nieste und hustete es doch in den mir umliegenden Wohnungen ganz ohne mein Zutun schon vorher herum. Der Rokoko hat immer noch nicht in die Damenmode zurückgefunden, weswegen ältere Damen jetzt aufblasbare Sitzpolster besitzen. Ob ich in Wahrheit multipel oder geklont bin, hab ich noch nicht herausfinden können, entsprechend würd ich euch bitten, dass ihr mal eine von den anderen fragt und mir dann erzählt, was sie gesagt haben. Im Zuge dessen bitte auch gerne weiter schönes Grüßen üben. Auf dem Volksfest halt ich immer noch am liebsten Abstand und die Jacken; die Nahtoderfahrung in der Schwerelosigkeitstonne hat daran nicht unbedingt was geändert. Für die Geranien hab ich mich oft verhämen lassen müssen, dafür hab ich jetzt immer noch Sommer am Balkon. Ich hab oft versucht, mit der „einfach losschreiben“-Methode das Sofa zu befüllen, was meistens in Heulkrämpfen und dröhnenden Kopfschmerzen geendet hat; lieber wird die Wohnung sauber. Bislang kam es zu keinem neuen Einsatz der Tiernotrettung; möglicherweise liegt der Grund in der Einsicht, dass Kois einfach nicht für fränkische Gartenteiche gemacht sind. Der Motorradscheinneuerwerb wurde von Hitze torpediert und fürs kommende Frühjahr geplant, Stress hab ich insofern nicht als das Pubertier das nicht-verdiente Geld lieber in Frisörbesuche investiert. Ende Juli dacht ich, heißer kann’s nicht werden … Den Rest kennt ihr. Der Hinterhofflohmarkttag war prima, allerdings auch recht intim; am Ende haben wir uns gegenseitig unsere Sachen geschenkt und eine Hinterhofprivatparty veranstaltet. Der Opa macht jetzt für immer Nickerchen. Die Großfamilienreise brachte sowohl Freude als auch meine unverhoffte Premiere als Poetry-Slammer; mehr dazu im neuen Jahr. Dank euch konnte ich drei Hermanns ansetzen, dank mir drei ermorden. Jetzt Besinnungspause und groß eingestiegen ins Avocadokernaufzuchtgewerbe; nächstes Projekt: Bonsaiansaat. Ein Blaulicht hab ich nicht gefunden, aber ich lass jetzt einfach immer das Auto mit Warnblinker vorm Haus stehen und spare mir so auch noch die lästige Parkplatzsuche. Die Lösung war B) … Ihr Lieben und Liebenden, jetzt überstehen wir noch die meistüberschätzte Nacht des Jahres mit ihrem reichhaltigen Aktivitäten- und Fernsehprogramm, richten dann unser Krönchen wieder anstatt uns weiter zugrunde und schauen nicht mehr zurück, sondern nach vorne in ein neues Jahre voller Erlebnissen und Erkenntnissen und Wunderlichkeiten und Wunderbarkeiten. Ich freu mich, wenn wir’s wieder zusammen durchlaufen. Ab mit euch in ein schönes Wochenende und vor allem einen vergnügten Rutsch in ein vergnügliches neues Jahr! 


Freitag, 21. Dezember 2018

Weihnachtswunderrätsel

Ihr Herren und Frauen, ich sag mal so: Das ging jetzt alles doch ein bisschen plätz- nein: plötzlich! Da bist du grade eben erst noch hemdsärmelig im Biergarten umeinandergesessen und hast mit einem Auge die schlimmen Folgen der Erderwärmung diskutiert, mit dem anderen aber halt auch schon irgendwie ganz geil gefunden, und dann hat jemand an einer großen Uhr gedreht und statt nur auf Winter- direkt auf Weihnachtszeit umgestellt. Sogleich Doppeltunddreifachstress wegen gleichzeitig vom Endlossommer erholen und Couch und Suppe und Steuererklärung und dazu aber auch noch Adveniat! und FeuZaBo@CKM und ja mei du, wirklich sauschön dass du auch noch einmal auf Heimatbesuch kommst vorm Weihnachten, freu ich mich echt, aber macht’s dir was aus wenn wir uns nicht exklusiv sondern zusammen mit allen anderen 37 Besuchern treffen könnten? und dazu noch Denken beim Schenken und Basteln statt Hasteln und das alles auch noch immer mit in einer Hand die Wetter-App und in der anderen das allzeit-bereit-Paket aus Schirm, Tasse und Notizpapier. Selbstverständlich aber hab ich diese Unbill mit dieser ganz speziellen Effizienz bewältigt, die ich am besten anhand des sich soeben ereigneten Vorfalls skizziere, dank dessen meine bislang von jeglicher Weihnachtsatmosphäre verschonte Wohnung sich im Bruchteil einer Sekunde in eine olfaktorische Adventswolke verwandelt hat, weil ich ganz vielleicht beim Umeinandereffizienten aus Versehen ein klitzekleinesbisschen an eine Orangenöl-Duftsache hinangehutzt bin. Atemlos durch die Weihnacht, und schwindlig auch, dabei hab ich doch noch eine Geschichte vorbereitet, bei der ihr euch das Ende aussuchen könnt: Letzte Woche Einkaufshölle, angemessene Überfüllung, Stimmung & Ausbeute, Rückfahrt nach knapp vier Stunden, Fahrrad im Eisregen, innige Sehnsucht nach warmem Zuhause. Plötzlich Schikanensituation, sprich alte Dame mittig im Weg und dank Einkaufstaschen links und rechts kein zügiges Vorbeikommen möglich. Jetzt Rätsel: Was habe ich gemacht? A) Ich klingele hektisch und drängele mich, weil keine prompte Reaktion erfolgt, zwischen lahmer alter Tatterin und Blumenkasten vorbei, wobei ich ihr einen Taschenhenkel aus der Hand sowie die halbe Pflanze umreiße. Kein Grund zur Aufregung, die Alte steht schließlich noch und soll halt gefälligst morgens einkaufen gehen statt wenn arbeitendes Volk unterwegs ist, oder sich was bringen lassen, vom Alten oder Kindern oder Caritas oder so. Fünf Minuten später bin ich daheim und kann endlich vor die Glotze, darin empörende Scripted-Reality-Reportage über Gesellschaftsverrohung. B) Ich sehe, dass die Dame hinkt und die Hände blau sind, wegen schwerer Taschen und Kälte. Wenn ich ehrlich bin hab ich keine Eile. Auf meine Frage, ob ich helfen kann, sagt sie „Das kann ich nicht verlangen.“ Ich sage „Tun Sie ja auch gar nicht“, und auf dem 15-minütigen Weg zu ihrer Wohnung berichtet sie mir nicht nur freundlich von ihrem langen Leben, von Flucht, vom Beinbruch, von den Kindern, die immer noch arbeiten, wenn sie anruft, von der einsamen Wohnung, vom Nichtzurlastfallenwollen, sondern bleibt gelegentlich stehen. Um das Bein auszuruhen. Und um Sachen zu sagen wie „Dass es so jemanden wie Sie noch gibt!“, „Sind Sie ein Weihnachtsengel?“ oder „Ich hätte nicht gedacht dass ich so etwas noch einmal erlebe!“, was mich gleichsam zutiefst rührt wie beschämt. Die Dame möchte sich erkenntlich zeigen, doch ich nehme nur das warme Gefühl mit nach Hause und deck mich damit zu. Also: A oder B – was hab ich gemacht? Und: Was hättet ihr getan? Mit diesem kleinen Rätsel entlasse ich euch fürs erste. In eine weitestgehend friedliche, freundliche, freudige, warme, vergnügliche, zufriedene und achtsame Vor- und dann auch noch Weihnachtszeit. Von der mir mal jemand erzählt hat, dass es da gar nicht immer schon nur um teure Geschenke und opulente Speisen ging, sondern um irgendwas anderes; ich glaub auch, dass das was mit diesem seltsamen „Christentum“ zu tun hat, von dem neuerdings immer alle so wichtig reden. Was war das nur gleich wieder? Hm … Ich muss mal raus und atmen gehen, mir ist ganz blümerant. Frohes Fest!  

Freitag, 14. Dezember 2018

Blaulichtumzug

Gestern hab ich mir eine Lichterkette kaufen wollen. Um ehrlich zu sein ein bisschen wegen Gruppenzwang, weil wenn du bei mir in die Straße kommst dann denkst du, du bist auf einem Open-Air-Rave gelandet und gleich wellenhandet dir eine Love Parade entgegen, und so ganz in der Mitte von der Balkonfront ist dann so ein finsteres Loch, wo der Flaneur unten sagt „Ach schau, da wohnt also der Grinch!“ Tut er aber gar nicht, sondern es bin nur ich, und ich tu mich ein bisschen schwer damit zu verstehen, warum Menschen, die sagen wir mal sonst unterm Jahr täglich bei der Stadtverwaltung anrufen weil die Straßenlaterne flackert und das den Schlaf empfindlich stört, und die am liebsten noch der Feuerwehr das Blaulicht beim Nachteinsatz verbieten möchten, also warum die eigentlich plötzlich vier Wochen vorm Weihnachten meinen, ein Stroboskop wär die entspannendste Erfindung die die Welt überhaupt je einmal gesehen hat. Und weil es dann gar so besinnlich ist, wenn’s in zwölf Farben und halbsekundentaktlich umeinanderblinkt, muss man das nicht vielleicht so installieren, dass man sich ganz allein und nur für sich selbst, also quasi richtig vorweihnachtlich innere Einkehr, daran erfreuen kann und die Diskothekenanlage schön geizig vielleicht ein bisschen direkt unter der Bettstatt drapieren oder man könnte damit auch den Backofen auskleiden oder womöglich ja sogar den Kühlschrank, und dann am besten auch noch gleich so eine Last-Christmas-Melodie dazu wie in den Grußkarten zum Aufklappen, oder vielleicht hast du ja auch einen Safe daheim, so einen ganz superdicken ganz tief drin im Mauerwerk, und jetzt stell dir vor: Das wär dann nur deins, ganz allein! Aber nein, man muss raus damit in die Welt. Ich versteh das ja wirklich gut mit den Lichtern an sich, ich mag auch Lichter. So ein grindiger November oder Dezember, der wird schon wirklich gleich viel schöner mit Lichtern und Moosen und Zeug, die weisen dir den Weg durch Nebelschwade und Schnürlregen hin zum Glühmarkt und wenn’s dann später ein Tässchen zu viel geworden ist weisen sie ihn dir vielleicht auch wieder zurück nach Hause, und wenn du dich im Stadtpark verlaufen hast am stockfinsteren Nachmittag, dann freust du dich auch wenn du in der Ferne ein Kerzlein siehst oder vielleicht auch eine Zigarettenglut und weißt, du bist gar nicht allein. Und auch Adventskranz, ganz feine Sache, wobei mit Konfliktpotenzial und Gruppenspaltung, nämlich in diejenigen, die brav so wie sich das gehört eine Kerze nach der anderen anzünden und dann solchene, die, das musst du dir mal vorstellen, alle vier anzünden „damit die gleichmäßig abbrennen“, wo kommen wir denn da dahin? Das ist ja fast so schlimm wie „Ich hab schon meinen ganzen Adventskalender aufgemacht weil ich wollt ja wissen was drin ist!“ Naja also jedenfalls hab ich mir dann keine Lichterkette gekauft sondern überlegt, im Feuerwehrzubehörfachgeschäft ein Blaulicht zu erstehen, wegen glaub ich größerer Reichweite. Bis dahin freu ich mich leise und entspannt über meine zwei Kerzlein. Und dann bald auch schon über drei. Jessas wie die Zeit rennt … Also jetzt hab ich nochmal nachgeschaut, es heißt: „Advent Advent, ein Lichtlein brennt, erst eins dann zwei dann drei dann vier, dann steht das Christkind vor der Tür.“ Und nicht: „Advent Advent, ich mach ein Mordstohuwabohu und wenn dann bei mir daheim ein Flugzeug an die Terrassentür klopft wegen Landebahnverwirrung dann schrei ich umeinander wegen Sicherheitslücke und Belästigung.“ 

Freitag, 7. Dezember 2018

Digitalisierungsnot

Man hat ja jetzt neuerdings eine rechte Digitalisierungsnot. Ich kann das sehr gut verstehen, weil die hab ich auch. Nämlich seitdem ich mich in einem kleinen, vielleicht ein bisschen impulsiven Wutanfall von meinem Telefon- und halt auch Digitalisierungsanbieter getrennt hab und dann wegen beleidigt auch gar nicht eingesehen hab, dass ich jetzt auf einmal springen soll, nur weil der Anbieter wochenlang fünfmal täglich versucht, mich anzurufen. Gestern dann Milde, und dann erfahren, dass in vier Wochen alles abgestellt wird. Jetzt also Not. Neulich hatte auch jemand anderes eine Digitalisierungsnot, weil nämlich ist die adoleszierende Puberdame in die große Stadt gereist, wegen Shopping und Cool und Gang und Yolo, und dann hat sich wegen der Durchdigitalisierung ein kleiner Vorfall ereignet, nämlich dass dann, so geht das Gerücht, auf der Heimfahrt nach dem beschwerlichen Ausflug vor lauter Insta-Flow der erforderliche Zug-Halt etwas überraschend kam, weswegen das Kind dann nicht nur vom Lebensabschnittsgefährten durch grausam sich schließende Türen getrennt sondern auch noch ein bisschen weiter in den Norden gereist worden ist. Dramatische Szenen, Tränen, gar nicht mehr erwachsen. Jetzt kannst du sagen, vielleicht tät es ja auch nicht schaden, statt der Digitalisierung ein bisschen eher so Grundsätzliches in einer Schule voranzutreiben, sprich Lebensfähigkeit vermitteln. Unterrichtseinheiten könnten also heißen „Die Toilettenpapierrolle – Wechselt sie sich selbst?“, „Der Weg des benutzten Geschirrs zur Spüle – Ist Telepathie eine Option?“, „Anleitung zum Auffinden von Gegenständen – Wie suche ich an den richtigen Stellen ohne das Haus auf den Kopf zu stellen und dabei rumzubrüllen?“, ergänzend dazu vielleicht noch „Mein Smartphone – mehr als nur Accessoire“ sowie den Aufbaukurs „ÖPNV-Plan und Straßenschilder – Überleben im Großstadtdschungel“. Damit das alles nicht zu viel wird, könnten gelegentliche Praxiseinheiten aus den Segmenten „Ernährung“, „Zwischenmenschliche Umgangsformeln“ sowie „Manieren“ eingestreut werden, in denen beispielsweise durchgenommen wird „Die Angst nehmen – Warum Bitte, Danke und Grüß Gott nicht schmerzen“, „Das Taschentuch: So benutzen wir es nicht nur richtig, sondern überhaupt“ oder „Tomate oder Ketchup – Identifizierung von Lebensmitteln leicht gemacht“. Da mir bislang keine solche Unterrichtsplanung bekannt ist, lege ich große Hoffnung in die Entwicklung der künstlichen Intelligenz, wenn’s mit der natürlichen schon hapert. Da kannst du dann das Kind morgens in den Ausflug verabschieden und an der Tür gibst du ihm ein schön in Butterbrotpapier eingeschlagenes Päckchen und sagst „Schau, mein Schatz, da ist deine Extraportion künstliche Intelligenz für heut, mach dir einen schönen Tag!“ oder zu Weihnachten gibt’s statt Lebkuchen eine schöne Ration künstliche Intelligenz. Oder du kannst auch, jetzt stell dir vor, mal aus Versehen vielleicht sagen wir im Feierabendverkehr ein bisschen eine kleine Phiole voller künstlicher Intelligenz auf den Boden fallen lassen und schwups muss man überhaupt gar nicht mehr so supersauviel hupen oder grindig dreinschauen weil sind nämlich plötzlich alle in der Lage, ein bisschen mehr miteinander zu denken statt dagegen. Ich wart einmal das Wochenende ab, vielleicht ist der Nikolaus ja schon weiter gewesen als die Angela. 

Freitag, 23. November 2018

InTeam

Naturgemäß ist mit man mit manchen Menschen intimer als mit anderen. Also intim im Sinne von vertraut und so, gell, nicht dass ihr denkt ich mach mir was aus Dings, pfui Deifi! Vielleicht ist es leichter, wenn man lieber „in-team“ schreibt, weil man wird dann schon ein rechtes Team so mit dem ein oder anderen Menschen. Ein sehr besonderes In-Team bin ich mit meinem Zahnarzt. Ich mein, das muss einen jetzt nicht weiter wundern, es gibt halt wirklich nicht so superviele Menschen, bei deren Anblick mir direkt erstens der kalte Schweiß ausbricht und dann zweitens ich in Sekundenschnelle zu einem wirklich sehr scheußlich wimmernden Schrumpelwurm zusammenschrumple. Da denkst du in der einen Sekunde noch „Mensch, plauder ich mal ein Ründchen über Kreidezähne und dass ja immer mehr Kinder, vielleicht vergisst er dann warum ich eigentlich da bin …“ und so schnell schaust du gar nicht wirst du in die Horizontale gekippt, was man ja nicht prinzipiell ablehnt, aber für gewöhnlich kann man dann Freude, Zustimmung, Ungemach oder Wünsche äußern, vielleicht auch einfach einmal kurz Politik und Weltgeschehen thematisieren. Zahnarzt so: Mund auf, Klappe halten – eine besondere Kombination, die sonst auch eher nicht so oft funktioniert, merk ich grad. Dann schauen und Routine und plötzlich Ernstfall, weil „das wundert mich nicht dass du gelegentlich einen Bissschmerz hast, da ist ja die halbe Füllung rausgebröselt und ein Mordskaries drunter, das machen wir jetzt gleich einmal neu“, und du kannst dich nicht wehren, dafür sogleich in Tränen und Winseln ausbrechen und heiß wird’s dir dann und du denkst, vielleicht hätt ich doch einmal das mit dem Autogenen Training ein bisschen besser üben sollen. Es folgen erniedrigende Minuten, die ich gern lieber nicht erzählen möchte, und dann sagt der böse Schinder, der es ja nur gut mit dir meint, ich darf überhaupt jetzt ersteinmal sehr lang nicht essen. Ich, wieder vertikal und darob Oberwasser: „Ja du, da hab ich letztes Mal schon gedacht, ich bin schlauer als du“, hab ich halbseitig gesabbert, „und dann hab ich mir mordsmäßig den Mund verbrannt beim Essen, wegen der Betäubung.“ War ich also jetzt wirklich schlauer, und deswegen hab ich gar nicht mehr so richtig hingehört beim nächsten Rat. Freilich hab ich mir daheim ein Tapferkeitsbelohnungsmahl bereitet, schön leicht auf Abend Carbonara, und dann abkühlen lassen, quasi Nudelsalat, also fein raus. Beim Essen hab ich mich gewundert: Der Speck ist aber widerspenstig, dauernd hab ich da so ein festes Teil am einen Zahn, aber das hab ich freilich einfach durchgemalmt. Erst als dann im Salat plötzlich auch Speck war, den ich durchmalmen hätt müssen, hab ich mich gewundert. Geistesdurchblitzt hab ich den Spiegel geschaut und da ist mir dann eingefallen, was der zweite Rat war, nämlich „… Gefahr groß dass du dich schlimm beißt.“ Sagen wir mal so: Der Rest des Tages verlief vergleichsweise asketisch. Der Tag darauf auch. Lieber Zahnarzt, ich bin blöd, du hast recht! Nächstes Mal bin ich gleich demütig und so still wie der sonntägliche Feiertag! 

Freitag, 16. November 2018

Hexenborste

Donnerstag ist immer ein sehr guter Tag, um einmal ein bisschen im Augenbrauensegment nach dem Rechten zu sehen und bei gegebenem Anlass für Ordnung zu sorgen. Also eigentlich immer. Gut ist das deswegen, weil das hebt und klärt den Blick, sagt die Brigitte, und hernach kann man gleich wieder viel besser bescheiden Komplimente für den so natürlich gewachsenen Augenbrauenschwung entgegennehmen. Und außerdem kann man nicht ausschließen, dass während man den Blick so in den Zehnfachvergrößerungsspiegel schweifen lässt sich irgendwo eine gute Fee mit Hacker-Skills in den Computer hineineinwählt weil sie sich denkt, Mensch, heut hab ich einmal so richtig Lust, ein außerordentlich gutes Sofa zu schreiben, und dann drehst du dich nach drei Stunden Renovierungsarbeit wieder zum Bildschirm und plötzlich ist da ein wunderbarer Text und der ist auch schon weggeschickt und die gute Fee hat auch noch einen Zettel an den Bildschirm gezaubert auf dem steht „Mensch Wasmeierin, ich hab mir gedacht, heut genießt du einmal ein bisschen die Sonne, also ab mit dir!“ und dahinter hat sie dann noch so in ganz süß wie früher ein zärtliches *klaps* gemalt. Das passiert jetzt aber gar nicht so oft wie man meinen könnte, gute Feen sind anscheinend recht beschäftigt, also anderweitig. Aber man kann wie gesagt nicht sicher sein, und deswegen lieber sehr akribisch mit eineindreiviertel Augen im Spiegel und das übrige Viertel linst aufmerksam-verstohlen auf den Bildschirm, quasi Schneckenteleskopauge, so kann man sich das also grad bei mir vorstellen. Jetzt ist dann aber irgendwann auch der wirklich allerletzte unsichtbare Augenbalkenstoppel ausgemerzt und das Stielauge ermüdet und dann purzelt der Blick ein bisschen umeinander und jetzt stellst du dir nicht vor, was ich da entdeckt hab! Erst so: Jessas, da hat aber der neue Schal wieder eine Mordsfaser verloren, die du dir da ans Kinn geschmiert hast!, und dann plötzlich ist das aber überhaupts gar keine Wolle sondern hast du einfach spontan über Nacht sozusagen einen Rauschebart bekommen. Sofort natürlich Panik, Chlorbleiche, Flammenwerfer, Atemübung, weil beinahe wär man mit dem Mordsmakel aus dem Haus gegangen! Da fragt man sich auch schon, wie das eigentlich geht, so rein körperbiologisch. Weil da verbringst du täglich ja mehrere Stunden vor einem Spiegel mit allen ausleuchterischen Raffinessen, und dann plötzlich von einem Tag auf den anderen hat sich ein schwarzes Haar zum Beispiel auch schön mittig auf dein Dekolletee hinaufexplodiert, und das winkt dir dann zu und sagt „Verleugne deine Gene nicht!“ und du sagst „Doch!“ und musst es ausreißen. Die meisten Menschen. Manche, hört man, kultivieren sowas dann und Haaröl und Streicheln und nennen es zärtlich „Mein Glückshaar!“ Aber so weit bin ich noch nicht. Ach schau, schon ist das Blatt voll. Dieses Sofa wurde geschrieben, während Frau W. vorsichtshalber noch akribisch die Nägel gefeilt hat. Herzlichen Dank und ein schönes Wochenende, Ihre gute Fee! 

Freitag, 9. November 2018

Laubrächer

Unversehens werden die zuletzt bearbeiteten Themengebiete „Lüften“ und „Laubhaufen“ zu einem großen Ganzen zusammengefügt. Denn ich tät gern seit Tagen einmal lüften, doch gelingt es mir nicht, ein geeignetes Zeitfenster dafür zu finden, werden doch vor dem gläsernen jenen welchen taugaus, tagein Laubhaufen gebildet. Ich hab das neulich auch gemacht, also mach ich eh immer schon herbstens, aber jetzt war’s halt wieder einmal so weit, da bin ich in die familieninterne Seniorenresidenz – Ausgedinge ist’s noch nicht, denn das würde ja bedeuten, die Alten machten Platz für die Jungen und beziehen artig die Garage anstatt sich saugnapfgleich im Hauptgehöft zu vergnügen – gereist und hab gemeinsam mit einem entfernten Verwandten mich angeschickt, die rituellen Grabungen zu tätigen, an deren Ende angeblich irgendwann einmal ein Rasen zum Vorschein kommen soll. Während ich das alles vorschriftsmäßig mit dem Rechen erledigt hab, wo man dann schon immer weiß, ja gut, morgen gibt’s dann einen sakrischen Halbseitenmuskelkater und in der Folge dann wahrscheinlich einmal wieder einen kleinen Bandscheibenprolaps, aber was tut man nicht alles zur Erfüllung des Generationenvertrages, hat der betriebswissenschaftlich ausgebildete und darob ökonomisch denkende Anverwandte befunden, dass müsse ja auch anders gehen, sich dann eines einst zum Zwecke des Grillbeschleunigens angeschafften Flammenwerfers entsonnen und erst einmal ausgiebig auf die Suche durch die gesamte Residenz gemacht. Als dann nach sagen wir wohlwollend geschätzt zwei Stunden das Arbeitsvereinfachungsgerät gefunden und einsatzbereit war, hat der Anverwandte feststellen müssen, dass jetzt in der Zwischenzeit also wirklich etwas saublödes passiert ist und nämlich aller Rasen von meiner blasenschlagenden Arbeiterhand schon vom Laub freigerecht worden. Er hat dann noch ein bisschen Unkraut verbrannt, weil bekanntlich so ein brennendes Löwenzahnblatt eh auch immer die Wurzel mit zerstört, das weiß man. Ich also fix und fertig, und nach einer Woche Erholung wollt ich mir das Werk nocheinmal anschauen, und jetzt stell dir vor: „Das kannst du nächstes Mal fei wieder selber machen!“, hab ich dem Residenzbewohner mitgeteilt. „Zwei Stunden Arbeit, und jetzt sieht wieder alles genau so aus wie vorher!“ Ich sag eh immer schon, es wär sehr viel praktischer, alles Grünzeug rauszureißen, schön Beton auszugießen, grüne Farbe kann man beimischen, und dann noch ein Gemäuer ringsrum und Dach drauf und vielleicht noch Waldtapete und schwupps ist immer alles schön reinlich. Jedenfalls ich so: Laubrechen. Die vor dem Fenster natürlich: Laubblasen. Nervt, eh klar. Jedoch Spezialsituation: Großes Innenhofgrün wird sich geteilt in ungefähr zehn Hausverwaltungen, und weil die alle so saugern laubblasen, bläst da nicht etwa einmal pro Woche einer alles sauber, sondern teilt man das Karree schön in faire Planquadrate, so dass jeden Tag ein anderer Bläser dran ist. Und somit haben wir die einmalige Spezialsituation erlangt, in der ich gern lüften tät aber nicht kann wegen der Mietsautorität. 

Samstag, 3. November 2018

Frisches Lüft(ch)en

Ein sehr wichtiges Thema, das Mieter im Allgemeinen und Eigentümer im Speziellen jetzt wieder umtreibt, hat mich selbst grad angefallen, deswegen hochaktueller Anlass: Lüften. „Du kannst jetzt fei das nicht mehr so haben wie die letzten Monate“, hat eins geschlaumeiert und mir sämtliche gekippten Fenster fest verschlossen, wo ich doch grad munter Pantoffeln und Wolldecken an Besucher in Funktionsjacken verteilt hatte und beschieden, man müsse sich vielleicht gar nicht so anstellen von wegen Kälte, 17 Grad sei doch durchaus noch als Raumtemperatur definiert, und anstatt sich schlotternd in die Ecken zu kauern brauche man doch bittschön bloß gymnastische Übungen am Esstisch vollziehen oder halt wenigstens ein bisschen mehr Gestik beim Gespräch. Wurde ich dann leider überstimmt und stattdessen über die gängige Praxis des Stoßlüftens belehrt. Ich: fügsam. Man lernt ja dazu. Im Früher, da hab ich gern so gelüftet, dass auch immer ein Fenster gekippt war, dazu aber die darunter befindliche Heizung auf höchster Stufe, also eine vorzüglich angenehme Mischung, die aber leider eine Beinaheenterbung oder doch mindestens akribische Gegenrechnung Taschengeld vs. Energiekosten zur Folge hatte, als der Hausverwalter das einmal spitzgekriegt hat. Dann hab ich beleidigt lieber gar nicht mehr gelüftet, was sich in den folgenden Jahren im teenageresken im Mantra „Lieber erstunken als erfroren“ manifestiert hat. Dann später war das so, dass ich mir überhaupt gar nie Gedanken hab machen müssen übers Lüften, weil die Fenster quasi eine Lüftungsautomatik eingebaut gehabt haben, wo man auch gar nicht mehr sich hat aufhalten und anstrengen müssen zum Beispiel beim Kerzen auspusten, weil die hat man einfach kurz an den Fensterrahmen gehalten und schwupps – Kerze auspustet. Dann gab’s neue Fenster und mit denen eine Lüftungsbedienungsanleitung, an die ich mich zwar streng gehalten hab, durch die aber auch eine spontane Amnesie verursacht worden ist beim Vermieter, der plötzlich wusste, dass der ewige Badezimmerschimmel überhaupt gar nicht beim Einzug schon vor sich hin geschwärzelt hat, sondern selbstverständlich alles nur durch mein missliches Lüftungsverhalten ausgelöst worden ist. Also Streit und Chlorbleiche. Danach auch gleich wieder viel Lüften. Jetzt heut ist man ja saumäßig gereift und voller Lebenserfahrung, und deswegen hat man halt einfach keine Lust mehr auf Schimmel-Ex und hoppla wie ist es jetzt plötzlich so schwarz geworden, da an der Wand hinterm Bett. Und außerdem sieht man die Nebennutzen, weil: Eine schöne Durchluft bläst dir erst den Balkonboden sauber, dann alles einmal quer durch die Wohnung und unterm Kanapee durch und unter allen Regalen auch, dabei Umfangsvermehrung wie Lawine, und dann am Ende kanapeest du einfach ganz entspannt und saugst locker aus der einen Hand den Haushaltsbelohnungscocktail und in die andere den Unrat. Bei so viel schöner Situation kann man doch schon einmal vergessen, das Fenster wieder zu schließen, erlaube mal! Die Schlappen sind in der untersten Schublade rechts. 

Freitag, 26. Oktober 2018

Staubschneisen

Bedeutsame Szenen der Filmgeschichte: Zauberer Schmendrick versucht, das letzte Einhorn zu retten. Auf seiner verzweifelten Suche gerät er in die missliche Lage, an einen Baum gefesselt zu werden, woraus er sich zu befreien versucht, indem er selbstverständlich Magie anwendet. Leider ist Schmendrick ein kleiner Tölpel, und so findet er sich anstatt in Freiheit unversehens im wogenden Dekolleté einer riesenhaften Baumdame wieder, die ihn herzt und anhimmelt und flötet „Ich liebe dich! Ich lieeeeeebe dich! Ich liebeliebelieeeeebe dich!“ Ganz ähnliche Szenen haben sich in den vergangenen Tagen bei mir zu Hause abgespielt, nur mit dem Unterschied, dass ich alles andere als unglücklich darüber war. Nein, ich habe mich hineingesuhlt in die Liebeswoge und das Gesicht versenkt im Busenglück und selbst ewige Treue geschworen und mich tausendfach entschuldigt für die schändliche Vernachlässigung. Meiner Couch. Der Erstkontakt war ein bisschen holprig weil als ich mich habe drauffallenlassen ist links und rechts von mir und überall um mich herum ein solchenes Staubgewölk aufgestiegen, dass ich dann erst einmal mit schwerem Gerät anrücken hab müssen und mir wenigstens eine kuschlige Schneise hineinmähen. Aus Gründen der allgemeinen Bequemlichkeit hab ich den wolkigen Mähabfall einfach direkt links und rechts von der Schneise belassen, halt ein bisschen so wie du jetzt draußen plötzlich überall die Laubberge entlang von Wegen aufgetürmt siehst, da sagst du ja auch „Mei schau wie schön!“ und springst lieber mit Anlauf ganz oben hinein in den Berg oder manchmal nimmst du ganz vielleicht ein bis drei Arme voll und verteilst sie wegen Laubkonfettieffekt wieder auf der Wiese, weil die ist eh nichts in so sauber, und dann vergisst du vielleicht schon einmal, dass durchaus die Möglichkeit besteht, dass das ein oder andere Hundstrümmerl miteingearbeitet ist in den Laubberg, weil da ist er für gewöhnlich nicht ganz so pingelig, der Laubzusammenrecher. Ob man das Kind auch auf Zecken untersucht hätte nach dem Laubbergbad, wollte die Tage so ein Strebervater wissen, und da hab ich milde gelächelt und gedacht, dass die Zecke vielleicht eher das geringste Übel ist, und dem Kind unauffällig einen kleinen dunklen Batz aus dem Mundwinkel gekratzt. Also jedenfalls thron ich da grad so in meiner verliebten Staubcouch, und jetzt stell dir vor: Springt nicht plötzlich der Fernseher auf meinen Schoß, wickelt sich um meinen Hals und im Schlepptau alle über die Monate hinweg angereicherten Zeitungen und Magazine und Bastelarbeiten, die haben sich auch erst einmal so wie ein Hund nach dem Schwimmen sauberschütteln müssen, und jetzt liegen wir also alle miteinander eng umschlungen herum, während auf dem Herd die Suppe köchelt, die aus dem reflex- bis zwanghaft erworbenen Kürbisdreierlei erstellt worden ist. Hier bleib ich. Und ihr? 

Freitag, 19. Oktober 2018

Der ewige Teig

Also das war ja so: Ich in Trauer wegen kein Horst und auch kein Hermann und deswegen Himmel verdunkelt, zumindest innerlich, wegen Seele, und Trübsinn auch nach außen tragen wegen immer gut wenn eh gleich jeder weiß: Obacht, lieber jetzt nicht ärgern, deswegen ja auch Gefahrensituation dann auf dem Spielplatz und beinahe Inkarzeration wegen vermeintlich liederlicher Umtriebe in Kindsnähe nur wegen Schwarzgewandung und Misstrauen eh generell ein bisschen viel überall grad. Und das alles nur wegen eines Teiges. Nein halt: Wegen der Abwesenheit eines solchen. Jedoch wenn du denkst es geht nicht mehr kommt von irgendwo ein Lichtlein her, und so hat mich ein Brief erreicht, dessen Inhalt eine glücksgleißende Gebrauchsanweisung gleicht. „Grundrezept für Hermann-Teig“ steht es geschrieben sowie von Hand auf einer Karte, wie sehr mein Schicksal berührt habe und meine Trauer auf Verständnis gestoßen sei, so dass man hoffe, meinem Leid ein Ende bereiten zu können. Der ewige Teig ist zu mir zurückgekehrt, hab ich jubiliert und sogleich alle Vorbereitungen getroffen, um in die Massenproduktion übergehen zu können. Einen winzigkleinen Wermutstropfen aber hat das Schreiben, denn mit wachsenden Augen hab ich lesen müssen, dass es vielleicht doch gar nicht ganz exakt genau so abgelaufen ist mit der Hermannzucht, wie ich das in kindlich-romantischer Verklärtheit erinnert hab. Aller Anfang ist easy: Mehl, Zucker, Hefe, Wasser, und ab geht die Luzy. Also je nachdem mit welchem Geschwindigkeitskoeffizienten man den Maßstab anlegen will. In so einer sagen wir mal Schildkrötenwelt wird’s jetzt vergleichsweise zackig. In meiner … nicht so. Aber Geduld ist die Mutter der Porzellanrührschüssel. Während der Initialhermann jetzt also an einem warmen Ort vor sich hin zellteilt und dabei auch noch gestreichelt und gefüttert wird, dass du sagst, ja, ein Hermann müsste man sein, bin ich ein bisschen tiefer eingestiegen in die Materie und hab Ahnenforschung betrieben, um meiner künftigen Großproduktion an teigbefüllter Tupperware, die man entweder wegen der weiter zunehmenden Sehnsucht nach Rückbesinnung und DIY ja ganz wundervoll im Familien- und Freundeskreis verschenken kann, halt mal mit einem Weihnachts- und mal mit einem Osterschleiferl dran, und ausgebackenen Variationen, wo du sagst, also ein Zuviel an Rosine und Schokostück und Orangeat kann es gar nicht geben, es schnapselt doch immer noch der feine Hermannduft durchs Beigewürz, also jedenfalls den Präsenten auch immer noch ein Geschichterl mitliefern zu können, wegen fürs Herz ist auch immer gut. So. Fragst du also den Onkel Doktor Oetker, weil der weiß eh alles, und dann sagt der, und du hast schon ein bisschen so ein feistes Grinsen erahnen können im teigigen Gesicht, sagt der also: Wasmeierin, jetzt wirst du gleich blöd schauen, und schon hab ich blöd geschaut. Weil es gibt nämlich noch Brüder vom Hermann. Die heißen (frage nicht!) Robert, Werner und Siegfried, unterscheiden sich im Input minimal, im Output jedoch vehement, so dass man direkt eigentlich alle vier Gemische ansetzen muss. Und dann ja aber auch verteilen … Während ich also mit dem Arm hurtig die Fensterbank abräum um darauf aufzutuppern könnt ihr euch ja schon einmal für die Warteliste anmelden. Nürnberg, der Leb(ende)kuchen! Wie schon Madame Déficit zum Volke sprach: „Wenn sie kein Brot haben, dann sollen sie doch Kuchen essen!

Freitag, 12. Oktober 2018

Atipico


Ich war ja urlauben, gell, und da gab’s viele schöne Bilder, eins kommt mir aber grad besonders schön wieder in die Erinnerung. Nämlich war da so ein arg beschaulicher Hafen, in dem schaukelten sehr beschaulich sehr arg viel kleine Boote vor sich hin. Allesamt waren sie blau und rot und harmonierten in ganz wunderbar nicht nur mit Sonne und Funkelmeer, sondern auch untereinander. In der Mitte des Idylls jedoch befand sich ein kleiner winziger Stördings, nämlichst ein einzelnes schwarzes Boot, auf dessen Flanke nicht wie über all sonst Maria, Giovanni oder Mamma zu lesen war, sondern hübsch ein „Atipico“ als Name aufgepinselt war. Eine Situation, mit der ich mich ganz prinzipiell gut identifizieren kann, gestern aber noch einmal spezialgut, weil ich so: Spielplatz. Ein Ort, an dem man sich zuweilen aufzuhalten hat, um dann sehnsüchtig über den lustigen Zaun zu linsen nach der Stelle zehn Meter weiter weg, wo man neulich noch mit den selben Menschen Flaschen mit sommerlicher Lustigsache kreisen lies, denen man heute zaunumringt höchstens mal beflissen ein Feuchtigkeitstuch reicht. Jetzt passieren auf so einem Spielplatz prinzipiell nicht unfeine Dinge. Kinder schlagen sich, defäkieren glücklich in anderer Kinder Sandtransport-LKW, finden lustige Zuckersachen im Dreck und halten sich nicht lang mit der Sortierung auf oder, lieb ich besonders, erleiden veritable Wutanfälle, weil sie erfahren müssen, dass die tollste Reifenschaukel der Welt zwar für eine halbe Stunde quasi die ihre war, in Wirklichkeit aber jetzt halt dann doch einmal geteilt werden muss. Tobsuchtsanfall, Komplettverweigerung, Totalspreiz in den Sand hinein, herrlich. Gut gefallen hat mir übrigens auch, als ein Zwerg unversehens so eine Hochkulturveranstaltung um eine spontane Performance bereichert hat, weil so eine wassersprudelnde Kunstsache sich zwar sehr gut als Planschort eignet, der aber irgendwann halt wieder verlassen werden muss. Die Performance war wunderbar, grad auch akustisch, und dass ich alles hilfsbereit gefilmt hab, wird die Mutter irgendwann schon noch zu schätzen wissen. Für gewöhnlich gelange ich an so einen Ort samt Kind + Mutter und verlasse ihn dann auch so wieder, was wenig Aufsehen erregt, außer vielleicht in so einem sehr schwierigen konservativen Dings, aber gut. Jetzt gestern aber problematisch, weil ich zeitlich im Verzug und deswegen erst nachgefolgt auf den Spielplatz. Schon draußen hab ich mich direkt selbst der kriminellen Handlung verdächtigt weil aus Versehen ganz in Schwarz während auf der anderen Zaunseite alles eher so Bunt und Outdoor und Selbstgefilzt und Camouflage, will sagen: fleckenresistent. Dann hab ich auch noch suchen müssen, sprich sehr konzentriertes Gesicht mit sonnengeblendetem Zusammenkneifen und dann auch noch überall so nah rangehen müssen, weil in dem Gewusel sehen alle gleich aus. Also so schwarze Mamba auf der Jagd. Quasi hab ich Sitte, Feuer- und Mütterwehr schon tatütataten gehört, deswegen erleichterter Hechtsprung zum Freundinnenkind und ersteinmal lautschreiend begrüßt. Erst ich, dann das Kind. Schreiend. Auf dem Rückweg hab ich superharmlos gelächelt und mich provisorisch mit Keksschleim beschmiert. Nächstes Mal trag ich mir den vielleicht im Vorfeld schon auf. Nix Atipico! 

Freitag, 5. Oktober 2018

Hermann ade!

Ihr Lieben, ich bin in Trauer. Ich möchte euch bitten, kurz innezuhalten und mit mir gemeinsam diese schweren Stunden zu verleben, in denen die Sonne so schamlos lacht, derweil mein Herz von dunklen Wolken verhangen ist. „Horst“, so steht es in sorgfältiger Handschrift auf einer Notiz vor mir, „hat es leider nicht überlebt.“ Das ist furchtbar, noch furchtbarer ist, dass zum Beweis des vorzeitigen Ablebens des Geliebten eine leere Hülle, ein Unlebensraum zurückgeblieben ist und mich tagtäglich an diesen furchtbaren Umstand erinnert. Ich hatte mich so gefreut auf Horst, auf seine Kinder, auf unsere gemeinsame Zeit, ich wollte ihn füttern und pflegen und hegen und waschen und ihm aus Gedichtbänden vorlesen. Alles war geplant. Jetzt hab ich mich umsonst vorbereitet, und das reißt ein tiefes Loch in meine Seele. Horst ist, nein: war ein Kefir. Wie ein wunderschön in Formaldehyd eingelegtes Gehirn schwapperte er in seinem Einmachglas, in das die Freundin ihn einquartierte, nachdem sie Horst von einer Freundin geschenkt bekommen hatte, glücklich vor sich hin. Fortan galt es, das Gehirn zu wärmen, mit Zucker und Zeug zu füttern, gelegentlich zu waschen und dabei wichtige Regeln zu befolgen, auf dass der Pilz wachse und gedeihe, dem menschlichen Verzehr sein eigenes Leben opfere und ein neues den vielen Nachkommen schenke. Als ich davon erfuhr, war ich sogleich in heißer Liebe entbrannt. „Das“, rief ich mit herzblinkenden Augen aus, „brauch ich auch! Das ist ja wie der Hermann! Nur für Erwachsene!“ An dieser Stelle darf gerne ein Aufschrei durch die Groß- und Müttergeneration erfolgen. Wir erinnern uns: Eines schönen Tages bringt das Kind eine Tupperware mit nach Hause. Darin eine schwappernde Flüssigkeit, der beim Öffnen des Deckels ein widerwärtiger Schnapsgestank entsteigt. Sogleich möchte man die Dose schließen, versiegeln und verbrennen, mindestens im Sondermüll entsorgen, bekommt diesem Tun jedoch einen Riegel vorgeschoben und vom Kind die Unabdingbarkeit der neuen Lieblingsbeschäftigung beschieden. Fortan lebt und gedeiht in Küchen, Gemächern und Kellerräumen der Hermann, ein Teiggebilde, das es mittels Zugabe von Zucker zu füttern gilt und dem Ausdruck „rührende Umsorgung“ eine ganz neue Bedeutung verleiht. Drohte der Hermann seiner Kinderstube zu entwachsen, teilte man in flugs durch Sieben, verschenkte Teile, verbuk andere und behielt den Urhermann. Kuchen für immer, wie wundervoll! Leider hast du da die Rechnung ohne die Mutter gemacht, die des dauernden Schnapsgestanks überdrüssig irgendwann das Ableben des teigigen Mitbewohners verkündete, weil der versehentlich in den Ausguss gefallen war. Eine schwelende Wunde im Kinderherz seitdem, auf das sich mit dem Horst endlich ein heilendes Pflaster hätte legen können. Aber nein, es war mir nicht vergönnt, und es wird wieder kein Pilz freudig mit dem Myzel winken, wenn ich nach Hause kehre, sondern nur die Fruchtfliegen zur Begrüßung schäbig lachen. Ade! Hat jemand vielleicht noch einen Horst oder Hermann für mich? Dann tät ich den gern nehmen. Nicht dass ich mir noch aus Einsamkeit einen Fußpilz zulegen muss. 

Freitag, 28. September 2018

Affenzirkus

Soeben hab ich mir die Ohren verstöpselt. Das ist schön, hör ich doch jetzt ein lautes Meeresrauschen, das mich vergessen lässt, dass ich nicht am Strand, sondern am Schreibtisch fläze und das wiegende Geräusch von meinem erhöhten Blutdruck rührt. Noch schöner aber ist, dass ich leider überhaupt gar nicht mehr die göttergleichen Engelsgesänge hören kann, die seit dem frühen Morgen an mein wundes Ohr herangetragen werden. Die Engel sind zwischen fünf und zehn Jahre alt, drei Stück an der Zahl, schaffen es aber dank irgendeines evolutionären Fortschritts, den sich zu durchdringen ich mich noch nicht hab entschließen können, zu klingen wie ein ganzes Bataillon. Wenn ich es mir recht überlege, bin ich mir doch gleich gar nicht mehr so sicher, ob da von einem Fort- oder nicht gar doch eher einem Rückschritt zu sprechen sei, zumindest, wenn man sich die doch sehr rudimentäre Kommunikation des Trios betrachtet. Denn anstatt miteinander zu reden so wie unsereins das tut, sprich wohlgeformte Laute zu klingenden Worten aneinanderzureihen und aus denen kluge Sätze zu bilden, verständigt sich die herzöffnende Dreifaltigkeit ausschließlich brüllend, so dass ich gelegentlich aus dem Fenster schauen und mich vergewissern muss, dass nicht, man weiß ja nie, was unserer lieben SÖR grad einfällt, über Nacht plötzlich ein Affengehege im Hof errichtet worden ist. Aktuell dröhnt seit geschätzt fünf Minuten ein einziger langgezogener Kreischlaut durchs Karree, das akustisch so wohlmeinend gestaltet ist, dass man sagt, vielleicht sollten da die Architekten wegen der neuen Meistersingersache einmal einen Tag hineinhorchen und sich eine Inspiration abholen. Der Kreischlaut sagt, so viel hab ich schon herausgefunden, etwas wie „Der Dings hat mir meinen Lieblingsast weggenommen!“ oder „Ich hab meinen Tretroller / Schokoriegel / Schlagstock in die Hecke geworfen und krieg ihn jetzt nicht mehr so gut raus.“ oder „Scheiße ich hab Konfetti aus geklauten Briefen gemacht aber das fliegt nicht gescheit.“ oder „Mama mein Sunkist ist leer jetzt hab ich es zwar auf den Boden geschmissen und zerfetzt aber es wird trotzdem nicht wieder voll.“ Manchmal schaut die Mama dann zum Fenster raus und dann aber lieber schnell wieder hinein. Die Affen testen auch ganz fleißig, wie viel ihre Umgebung wohl so aushält, zum Beispiel, wie viel Steine man werfen muss, bis eine Scheibe zerbirst – ein Beweis der expeditiven Tätigkeiten ruht strahlend auf meinem Fensterbrett. Neulich hat einmal wieder eins herausfinden wollen, wie dolle man ein Glasgefäß auf die Straßen schmettern kann, ohne dass es zerspringt. Ich sag mal so: Das wird wohl noch geübt werden müssen, so wie auch im Anschluss unter meiner wohlwollenden Aufsicht geübt werden musste, praktischerweise deutlich erkennbare rote Scherben sorgsam aufzulesen, auch aus der Hecke und dem Rasen, wohinein sie kurzerhand verstaut worden waren. Ich find Kinder ja toll. Die Stöpsel tu ich aber vielleicht trotzdem erst wieder raus, wenn ich an einem echten Strand liege. Was bald ist. Ätsch! 

Mittwoch, 26. September 2018

Reise(whatsapp)gruppe

Der in der Beliebtheitsskala der geistreichsten Poesiealbumssprüche mit im oberen Drittel rangierende Billigaphorismus „Freunde sind wie Familie die man sich selbst aussuchen kann“ suggeriert auf hintersinnige Art und Weise, dass Familie ein Graus ist, dem man sich höchstens aus Zwangsgründen gelegentlich annähern muss. Davon ausgehend kann ich mich scheint’s glücklich schätzen, befinde ich mich doch inmitten einer medusenhaften Familie, die zwar weitflächig verteilt ist, dank eines weiteren Sinnspruchs aber zusammenhält wie Pech und Schwefel, obgleich um ehrlich zu sein diesem Spruch eine Modifikation à la „Grüner Veltliner ist dicker als Wasser“ zugestanden werden sollte. Eben diese Familie kommt an diesem Wochenende aus, wie soll es anders sein, Festivitätsgründen zusammen, und in Anbetracht der vorausgehenden Planungen bin ich geneigt, weniger von einer „Zusammenkunft“ als vielmehr von einem „Aufeinanderprallen“ zu sprechen. Seit, ich habe nachgeschaut, sechs (!) Monaten wird auf allen verfügbaren Kanälen geplant. Hierzu zählen neben gängigen Telefonaten, mehrfachen brieflichen Aufforderungen und der Pflege einer Facebook-Seite selbstverständlich auch die Kommunikation in mindestens sieben verschiedenen Whatsappgruppen, deren Vielzahl natürlich legitimiert ist durch unterschiedliche Reiseteams, deren Zusammensetzung aber leider Spontanmutationen erleiden können, weswegen eine neue Reisewhatsappgruppe gegründet und dem oder der Hinzugekommenen alles von vorne erklärt werden muss, derweil Separatisten gelegentlich aussteigen und eigene Pläne wie eine Anreise mit dem Fahrrad ergründen, nur um nach intensiven Gesprächen die Unsinnigkeit des Unterfangens einzusehen, reuig in den Schoß der Gruppe zurückzukehren und sich alles mittlerweile Geschehene aber natürlich zusammenfassen lassen zu müssen. Vorangetrieben wird die Konstruktivität der Vorbereitungen durch vereinzelte bis mehrfache Wortmeldungen solcher Personen, die zwar nicht planen, wohl aber ein Wörtchen mitzureden haben wollen anstatt sich möglicherweise einfach leise in ein sorgfältig konzeptioniertes Schicksal zu ergeben („Wann wollt ihr morgen gleich wieder losfahren?“ – „Am Donnerstagmittag, wie ich seit einem halben Jahr sage.“ – „Ja aber wie wäre es denn eigentlich mit Freitagmorgen?“). Weil mir das zu langweilig wird, hab ich begonnen, in die Schaltzentrale neugierig-freundliche Fragen zu stellen, wie beispielsweise die nach der Unterbringung von 25 Personen und ob mich der Schein trügt, dass ich mich vorsichtshalber in einer Obdachlosenpension anmelden, sicher aber ein Zelt mitnehmen sollte. Kam nicht gut. „Es ist alles geklärt, was regst du dich so auf?“ kam prompt die Antwort. „Ich reg mich gar nicht auf!“, hab ich mich aufgeregt und weiter mit wissenschaftlichem Interesse an meiner Chaostheorie gestrickt. „Die Katharina“, hat dann jedoch ein weiser Mensch angeführt, „regt sich wirklich nicht auf. Die sammelt nur Stoff für 25 Glossen.“ Ein empörender Verdacht, ich bete sogleich drei Rosenkränze. Und erlöse mich nicht von den Bösen, sondern führe mich bitte gerne in Versuchung … 

Freitag, 14. September 2018

Hinterhofflohmarkt

Letzte Woche habe ich mir sehr frivol einen sehr nutzlosen Rucksack ertrödelt. Doch anstatt mich über meinen Kontrollverlust zu ärgern, habe ich ihm salomonisch zugelächelt und den Rucksack auf den vorgesehenen Platz gelegt, nämlich: zu den anderen Rucksäcken. Ich gedenke, mich am Wochenende zu großem Reichtum zu flohmarkten. Weil ich mir das schon sehr lange denke, hat sich vergleichsweise viel Material angesammelt. Also um genau zu sein fand ich erst, dass die drei großen Kisten im Keller, in denen sich Tand befindet, den ich seit 15 Jahren als zu scheußlich zum behalten aber zu wertvoll zum Wegwurf erachte, schon reichlich seien. Für die Vergoldung des Tands wurden schon allerlei Pläne geschmiedet, die leider immer an schlimmen Unwägbarkeiten und übermenschlichen Anstrengungserforderungen (mitten in der Nacht aufstehen, Dinge ins Auto schleppen, umeinanderfahren, unverkaufte Dinge wieder zurücktransportieren) gescheitert sind. Jetzt aber: Heureka! Habemus Hinterhofflohmarkt! Eine geniale Idee! Wir schmeißen einfach allen Trödel aus dem Fenster in den Hof, und dann kommen Menschen, die aufräumen und dafür auch noch Geld bezahlen! Ganz so einfach ist’s freilich nicht. Und so haben wir mannigfaltige Pläne, die es zu realisieren gilt, um nicht nur den schönsten Tag auf Erden zu verleben, sondern den Hundertschaften das Geld nur so aus der Tasche zu magnetisieren. In der Wunschvorstellung lenken sorgfältig im Vierteil verteilte Schnitzeljagdzettel, die Abreißgetränkecoupons beinhalten, sowie diskret auf dem Boden ausgelegte Kreide-Fuß-Spuren die ewig vielen Menschen, die bei unfassbar schönem Wetter hinauf in die unfassbar attraktive Rennweg-Zone pilgern, behutsam zu uns. Wie von Zauberhand finden sie sich im irre schönen weil grünen Karree wieder, wo sie eine entzückende Situation entdecken. Fröhliche Menschen wiegen sich zu glücklicher Musik, von den Bäumen hängen kleine Kuchen und Klamotten, im Konfettidauerregen schweben Tabletts und Getränke mit lustigen Namen heran. Beseelt von so viel Spirit verspürt der Mensch sogleich das zwingende Bedürfnis, auch noch den letzten sauhässlichen Glasuntersetzer erstehen zu müssen und nicht mehr leben zu können ohne genau diese uralte abgewanzte Tasche. Die Kasse klingelt, die Warenreihen lichten sich, jeder ist zufrieden. So das optimale Superziel, unter dessen Prämisse ich den drei Kellerkisten just noch vier große Haufen Dinge, darunter Kunstpelzmäntel, goldene Konsolen und rosa Cowboyhüte und mehr Dinge von unschätzbarem Wert, zugesellt habe. Meine Wohnung ist jetzt praktisch leer. Und ich habe Angst. Nämlichst vor der Alternativvorstellung. Die hat sehr viel mit Wintereinbruch zu tun, mit Regengüssen, mit einem einzigen winzigen Pavillon, unter dem sich 20 Personen, drei Tonnen Trödel, Getränke und Käsekuchen aufpyramiden, bis der Pavillon zusammenbricht, sich alles Wasser auf uns ergießt, und die drei Menschen, die tapfer durch das Viertel schwimmen, nur noch Käsebrei vorfinden und traurige Trödler, denen das Wasser die Haare zu einem erbärmlichen Mittelscheitel onduliert hat. Ihr kommt doch alle, gell? BITTE! 

Freitag, 7. September 2018

Liegebad

Ich komm grade vom Sport. Über dessen Art und Weise verbitte ich mir jedweden Kommentar, zu gegebenem Anlass wird das hier noch thematisiert. Sport war wichtig, wegen 1. Nachrichten haben wieder mal gesagt, dass Sitzen das neue Rauchen ist und eh zu wenig Bewegung überall und schwierig, und 2. hat eine kurze Zwiesprache mit meinem Rücken ergeben, dass es sehr arg dringend notwendig ist, wieder ein bisschen Muskulatur auf ihn hinaufzutun. Am Ort des Geschehens bin ich mit großem Jubel empfangen worden, man hatte mich offenbar vermisst in der Zeit, in der sich meine Aktivität auf die eines Fördermitglieds beschränkt hatte, und sogleich einen ausgedehnten Urlaubsaufenthalt gemutmaßt. Reflexhaft hab ich laut geschwindelt, ich sei nicht im Urlaub, dafür aber viel in der Arbeit gewesen. Ungleich leiser hab ich dann noch sagen müssen, dass ich na gut vielleicht also um ganz ehrlich zu sein möglicherweise auch gelegentlich einmal im Schwimmbad gewesen sei. Weil man da ja schwimmt. Sonst hieße es doch natürlich Liegebad. Schwimmen soll ja grad für Rücken unglaublich gut sein, so superunglaublich gut, dass es überhaupt gar nichts ausmacht, dass Schwimmen ungefähr die langweiligste Tätigkeit der Welt ist, und wenn man deswegen erst einmal seine zehn Kilometer geschwommen ist, liegt es sich in Folge dessen auch gleich sehr viel reineren Gewissens umeinander. Bedauerlicherweise teilte das diverse Begleitpersonal meine Meinung nur zu Hälfte, nämlich exakt bis zu der mit der Langeweile. Entsprechend hab ich nur mit größter Willensanstrengung überhaupt hie und da ein bisschen mehr machen können als mich in so ein Becken hineinstellen und von dort aus wichtige Gespräche führen oder, noch wichtiger, zu entziffern versuchen, wie viel eigentlich so eine schöne Portion Schwimmbadpommes kostet und dann kalkulieren, ob es wirklich notwendig ist, abends nur ein bisschen Sommersalat zu essen oder ob ein Sommerschnitzel nicht vielleicht ähnlich glücklich machen würde. Diese Diskussion führt man dann im Liegen weiter, und am Ende des Tages blickt man stolz auf fünf Radfahrkilometer zurück und beruhigt sich damit, dass es immer noch schlimmer gehen kann, weil andere fahren ja das Stückchen zum Bad mit dem Auto. Ein vorläufiger Höhepunkt dieser Demonstration höchster Disziplin war erreicht, als das ledigliche Erspähen einer Pizza in weiter Parkferne dazu geführt hat, dass nicht nur sämtliche kalorienarmen Speisepläne kurzerhand über Bord haben geworfen werden müssen, sondern direkt das ganze mitgeschleifte Gerät zur körperlichen Ertüchtigung noch nicht mal ausgepackt hat werden dürfen, sondern alles wie’s war kurzerhand zum Pizzalokal und mit der dort eilig erstandenen Ware an einen repräsentativen Speiseort verbracht wurde. Weil es hätte ja der letzte schöne warme Abend sein können. Immerhin musste dafür der schlimmste aller Burgberge erklommen werden. Man hätte auch unten bleiben können. Gewissen: rein. Vielleicht wird’s dann jetzt trotzdem doch einmal Zeit für Kälte. Da macht der Sport dann wenigstens warm. 

Freitag, 31. August 2018

Orderman

Neues vom Pubertier! Das Kind hat, man mag sein Glück kaum fassen, endlich ein Lebensziel für sich identifiziert, das nichts mit einer glänzenden Zukunft als Katzenbabyzüchterin oder Influenza, nein: Influencer oder sonstigem realitätsnahen Potenzial zu tun hat. Bevor hier Jubel ausbricht und Gratulationskarten zum bestandenen Schuljahr, dem eifrigen Besuch von Ausbildungsmessen und redlichen Bemühen um eine tolle Stelle geschrieben werden – gemach! Denn nicht nur mag man o.g. Glück kaum fassen, man sollte es auch nicht. Sondern ist es nämlich so, dass der Justin, der Jordan und der Melvin alle ein bisschen älter sind und deswegen haben der Justin, der Jordan und der Melvin alle ein Moped. Auf denen ist das Kind in adäquater Sicherheitskleidung, bestehend aus Shorts und Leibchen, oft ausgeritten und hat die verheißungsvolle Luft der Freiheit geschnuppert. Sogleich ward ein Projekt geboren, an dessen Umsetzungsplanungen man sich mit nie dagewesenem Effet zu machen anschickte. Plötzlich konnte man sich um eine Geldquelle, vulgo: Arbeit bemühen, obwohl dahingehende Vorschläge bislang aus Gründen der Majestätsbeleidigung mit einem eleganten „Hä wieso sollt ich?“ vom Schminktisch gefegt worden waren. Auch Mathe ging plötzlich hervorragend, und so wurde geschwind errechnet, wie viele Tage (30) in den kommenden Monaten (6) man wie viele Stunden (24) arbeiten müsse, um über den Winter Fahrstunden und pünktlich zum Geburtstag den Führerschein entgegennehmen zu können sowie ein möglichst neues, möglichst megaaffengeiles Moped zu erwerben. Jetzt sagen wir mal so: Ich würde es nicht eine Geschichte der Rückschläge nennen, doch vielleicht der der Realitätsanpassungen. Angefangen mit dem Umstand, dass gottlob ein eilig befragter Fahrlehrer mir den spaßverderberischen Rücken stärkte und von einer Fahrerlernung über den Winter nicht nur abriet, sondern diese strikt verbot, stellte sich weiters heraus, dass die Biergärten und sonstigen Beschäftigungseinrichtungen in Wahrheit gar nicht ihr Leben lang auf das Erscheinen des Kindes gewartet haben, sondern gut besetzt waren, und dann auch noch der eine jene welche die unerhörte Frechheit besaß, Madame nicht sogleich mit allen quasi-geschäftsführenden Befugnissen auszustatten, sondern schön erst einmal ganz unten in der Hierarchie zu platzieren. Das war freilich problematisch und eine Frage der Zeit, bis Aufbegehr sich regen sollte. Was soll man sagen? Ich wurde nicht enttäuscht. Dass Madame proaktiv eine strukturelles Bottom-Up-Management begann und ungeliebte Arbeiten freundlich, aber bestimmt an vermeintlich niedereres Volk zu deligieren wusste, kann vielleicht noch als Darwin’scher Mechanismus wohlwollend zur Kenntnis genommen werden. Der Genickbruch erfolgte anderweitig, und so wurde ihr bald darauf per freundlichem Empfehlungsschreiben nahegelegt, doch gern in einer anderen Einrichtung herauszufinden, wie gut man gleichzeitig arbeiten und dabei permanent das Handy bedienen könne. Sie zeigte Unverständnis, täten doch alle anderen auch dauernd dergleichen. Ob es vielleicht sein könnte, dass alle anderen gar nicht mit den Handys am Gästetisch Insta und Whatsapp checken, sondern in Wahrheit ihren Orderman bedienen, konnte ich bislang nicht herausfinden. Muss ich aber auch nicht, der Gedanke amüsiert mich über alle Maßen. Um genau zu sein kann ich mich kaum halten vor lachen … „Stehen die auch alle immer mit dem Handy am Tisch wieso darf ich das als einzige nicht in dieser unfassbar ungerechten Welt?“ … Muahahahahahaaaaa … 

Freitag, 24. August 2018

Problemwespe

So richtig glauben kann ich’s ja noch nicht, aber es soll ja angeblich jetzt dann einmal ein bisschen herbstln. Damit einhergehend soll’s dann wohl auch tröpfeln – auf Regen wagt ja kein Mensch mehr zu hoffen. Das bringt, so Petrus will, nicht nur Erleichterung für sowohl Bäume als auch einstürzende Neubauten, sondern alle leidgeplagten Menschen, die sich tagtäglich im sisyphosalen Kampf gegen den weltschlimmsten aller Todfeinde befinden: die Wespe. Ein heimisches Nutztierchen, das im Gegensatz zu einem unheimlichen Schädling dieser Tage überraschend wenig Lobby hat. Weil ich aber finde, dass über Probleminsekten schon genug, mit ihnen selbst aber vergleichsweise wenig gesprochen wurde, möchte ich das ändern. Also. Biene so: „Entschuldigen Sie … Entschuldigung … ich möchte nur kurz … hechelhechel … gar nicht stören … aber ich muss … ächz … noch wirklich sehr viele … Oooooh so eine schöne bunte Blumenwiese, da geh ich doch gl… Menno, schon wieder nur ein Kleid … Also jedenfalls muss ich wirklich heute noch … stöhn … also mindestens … drei Kilo … Ach das ist aber nett, dass Sie mir … saugsaug … ach und … mhmm lecker … schwere Beine hab ich heut wieder … puh … ob das vom Tanzen kommt? … und morgen früh raus … Auf Wiedersehen, dankeschön, schönen Tag noch!“ Hummel so: „Ich … doing … weiß eigentlich gar nicht … rumms … wieso ich eigentlich … dotzdotz … hierhergekommen bin, aber es … huch! … so schönes Wetter und da dachte ich … Verzeihung … ich geh mal kurz … Haaaaaaaaaachz ist das wieder hübsch hier, und diese Blüte … rumms … also nein hoppla, ich meinte gar nicht die auf Ihrem Glas, sondern die … tocktock … nein, die auch nicht, wo hab ich denn nur wieder … boing …. Aaaah da ist sie ja, jipiiieee wie das schön KITZELT in meinem Fell, das macht soooo Spaaaaaß ich könnt mich reeeeeeeeeeinleeg… WUMMS … o nein, schon wieder, vielleicht sollte ich doch besser mal … ooooooooooh da hinten ist es aber auch ganz wundervoll, tschüüüüüüssi!!“ Hornisse so: „Hallohallo, bitte nicht erschrecken, also ich meine, ich SAG ja schon immer lieber ERSTMAL Entschuldigung weil ich weiß ja wie ich … aber in Wahrheit hab ich doch auch nur und wissen Sie mir wäre auch lieber wenn ich so einen Pelz wie die Kollegen aber nein, nichts da, stattdessen kurzsichtig und also verstehen Sie mich nicht falsch aber ich möchte doch auch nur mal schauen dürfen was eigentlich so geboten ist und oooooh das duftet aber köstlich woher kommt das denn … nein … nein … nein, auch falsch, wo hab ich denn … ach da isser ja, der Schinken, entschuldigen Sie, dürfte ich mir bitte einen Ranken davon … den würd ich dann … schabschab … mit nach Hause und den anderen später … ja zefixnochmaleins, jetzt hab ich’s verloren, wo war denn gleich wieder … wo hab ich denn nur …“ Wespe so: „Ich hab Hungerhungerhunger und ooooh wie das überall duftet und einen Durst hab ich beinander und himmelherrgottsakra das ist aber auch ein Überfluss ich weiß gar nicht wohin ich zuerst … und wenn ich halt ein winzigesbisschen besser sehen tät dann müsst ich auch nicht immer … also jetzt lass mich doch einfach einmal durch und ganz in Ruhe … ey … hallo … HALLO! IN RUHE HAB ICH GESAGT KREUZDONNERWETTERNOCHMAL!!“ Zecke so: „Geil, Blut!“ Bremse so: „GEIL! BLUUUT!“ So. Und jetzt ist mal Ruhe mit dem hysterischen Geplärre! 

Freitag, 17. August 2018

Tran-sport-liege

Kinners, nehmt mir den Mantel ab! Helft mir aus den Schuhen, bettet mich auf eine Schäselonge, reicht mir einen Drink, krault mich hinter den Ohren, wedelt mit der Palme! Ich habe soeben Übermenschliches vollbracht. Das ausnahmsweise mal nichts mit der Coloration dieser recyclinggrauen Zeilen hier zu tun hat. Naja, nicht direkt zumindest. Also das war so: Seit Anbeginn meiner Zeitrechnung, also in etwa seit dem Pleistozän, durchlaufe ich Jahr für Jahr die selben zwangshandelnden Phasen. Viele davon kennt ihr noch nicht, ein paar jedoch sehr wohl, eine weitere geselle sich sogleich hinzu. Jedes Jahr im frühsten Frühling, sprich draußen Minus 20 Grad aber der schlaue Discounter weiß die Jahreszeiten und Begehrlichkeiten frühzeitig zu wecken, aber nicht mit mir, da muss er nämlich schon früher aufstehen, hab ich alles längst durchschaut. Also deswegen preist der Jahrmarkt der Begehrlichkeiten allerlei Sommerutensil an, von dem du dir wenn du ganz fest die Augen zusammenpresst und alles andere auch und dann dolle drückst vorstellen kannst, dass du es jemals ganz vielleicht auch besitzen musst. Ich mein, innen Lammfellsohle und Kamin und Jagertee, da kannst du dir grad nicht gut imaginieren, wie das gleich wieder sechs Monate später sich so anfühlt. Oder halt nur ich kann das nicht, mag auch sein. Das hat zur Folge, dass ich in jedem Jahr erneut mit schmerzumflorten Blick und ein bisschen grünem Schluckauf am Badesee ankomme. Derweil ich nämlich Rucksäcke, Picknickkörbe und Spielzeug mit meterlangen Armen an den Strand schleife oder wenn nicht das Zubehör, so schon die Verantwortung trage, rollen fröhlich pfeifend widerliche Menschenwesen an mir vorbei, die im Besitz dessen sind, was ich Monate zuvor noch strikt verweigert hab. Nämlichst: eine portable Strand- und Transportliege, wer braucht sowas schon. Im Januar. Im August dann doch sehr wohl, doch leider hat der Jahrmarkt längst den Sortimentswechsel vollzogen und schwört die Gemeinde auf ein baldiges Weihnachten ein. Ich changiere also in den kommenden Wochen zwischen Hass und Gier, tue mein Seelenunwohl stetig kund und habe den Schmerz bis zum kommenden Jahr alsdann gänzlich vergessen. Es beginnen denn die Spiele von vorn. Nun hat’s eine wichtige Sozialperson scheint’s leid gehabt und mich freundlich aufmerksam gemacht auf ein spätes Sonderangebot. Ecce homo! Ich im Wahn: Anfragen verteilt, Flugzettel, Bestelllisten, Halluzinationen vom künftigen Einmarsch der Reisegruppe „Transportliege“ und großflächigem Neid außenrum. Zwei Wochen später klingelt die Post. War ich nur leider nicht daheim, sagte sie zumindest und trug zu ihrem großen Bedauern zwei Zentner Paket lieber aufs Amt statt zu mir hinauf. Ich hinterher, den Bandscheibenvorfallsvorwurfsblick der Poststellentante ignoriert, hurtig einen Jungmann zum Kofferraumtransport charmeurt, aus dem Großpaket ein Teil herausoperiert, nach oben gezurrt, um planmäßig nach eiliger Hinrotzung des Sofas mich von diesem auf die Liege zu begeben. Und dann das! Hab ich nicht plötzlich lauter einzelne Trümmer in der Hand und soll die jetzt selbst zusammenbauen?! Kurze Ohnmacht, erster Blick in die Anleitung, erneute Ohnmacht. Dann Selbstdisziplinierung. Schweiß. Blut. Fingereinklemmproblematik. Kurzum: Ich hab’s freilich geschafft. Liege deswegen jetzt in äußerst entspannter Haltung auf dem Wohnzimmerbeinaheboden und tippe Sofa auf dem Bauch. Benötige Personal, das mich zum See schiebt. 

Freitag, 10. August 2018

Schwitzen

In den vergangenen Tagen war ich vergleichsweise selten baden. Während ich nämlich zu Beginn der Hundswochen mit gleichwohl interessiertem wie verstörtem Blick beobachtet habe, wie Menschen einer Arbeit nachgehen oder gar ein Tagwerk verrichten, während es mir kaum möglich war, auch nur einen sinnvollen Einkauf zu erledigen, weil auf dem Weg zum Ladengeschäft immerzu ein U-Bahnschacht liegt, vor dem ich spontan ein Päuschen einlegen muss, um die schweißigen Strähnen in der kühlen Brise zu trocknen. Nach ein paar Stunden wach ich dann wieder auf und das Geschäft hat zu. Also während jedenfalls das alles so vor sich hinplätscherte, stellte sich heraus, dass sich im Freibad weder ein Haushalt führen lässt (ja schlimmer noch: In meiner Abwesenheit haben verschiedene Einbrüche stattgefunden, bei denen die Eindringlinge schwere Verwüstungen hinterließen. Dreck haben sie auf den Boden geworfen, alle Klamotten darüber verteilt und auch noch den Kühlschrank geplündert!) noch ein Geld verdienen. Also trifft mich das herbe Schicksal jedes Einwohners beliebter Urlaubsländer, und ich muss schnöde Pflicht erledigen, derweil der Pöbel durch die Gassen kontempliert und sich wundert, wie ein Mensch bei diesem Götterwetter irgendeiner Arbeit nachgehen kann. Oder zumindest, wieso der irre Deutsche nicht Siesta hält so wie sich das gehört. Während ich’s so tippe fällt mein Blick übrigens auf mein bandgeschmücktes Handgelenk und ich fühle mich spontan an Rollbraten erinnert. Wasserspeicher geht anscheinend auch in den Händen. Wie das dann so aussieht bei der Arbeit möchte ich im Fortfolgenden kurz beispielhaft skizzieren: Ankunft, Begrüßung, Gesprächsbeginn. Unterbrechung meinerseits nach fünf Minuten: „Bitte verzeihen Sie, aber ich muss an dieser Stelle kurz abbrechen – ich schwitz nämlich dermaßen, dass ich nichts mehr sehe.“ Ein Satz, den man für gewöhnlich eher selten hört und ungern äußert, da er zumeist doch für Befremden oder gar Ekel sorgt. Nicht so dieser Tage. Denn während sich bei sagen wir 25 bis 30 Grad die Bevölkerung in zwei Gruppen teilt, wobei in der einen heftig transpiriert und in der anderen heftig despektiert wird, muss momentan auch der letzte körperfunktionale Kontrollfreak die Segel streichen. Jeder. Mensch. Schwitzt. Ich find das gut. Hat man sich mit diesem Umstand erstmal abgefunden, entspannt das ungemein. Man meldet sich mit tellergroßen Unterbrustflecken an der Arztrezeption und erledigt mit patschnassem Hintern den Einkauf. Man tropft in der Apotheke fröhlich vor sich hin und engagiert sich im Bus als Betreuer für Rohrschachtests auf Mitfahrerrücken. Folgerichtig wurde meinem Pausenruf nicht mit Anwiderung begegnet, sondern reichte man mir verständnisvoll-beflissen ein Tuchpaket, aus dem ich mir ein Schweißband wand und wenig schicklich, dafür wieder sehend mein Tagwerk verrichten konnte. 

Freitag, 3. August 2018

Sonnencreme

In letzter Zeit war ich vergleichsweise oft beim Baden. Das hat weniger etwas mit dieser Hitze zu tun, von der immer alle sprechen und die mir als altem Südländer kaum etwas anhaben kann. Ich leg mich einfach in die Sonne und gleiße mit ihr um die Wette, quasi Reflektor. Außerdem können Wetterdienst, Klimarat und Kachelmann so viel reden, wie sie wollen – solang ich mich nicht über teure Sonntagssemmeln aufregen muss, schmeckt doch das neue deutsche Dolce Vita ganz hervorragend, und wenn statt Rasen Oregano und Thymian den Garten begrünen, dann riecht’s halt auch noch gut. Manchmal robb ich auch zum Beckenrand und lass meine Beine ins Wasser baumeln, wobei es geschehen kann, dass die Chemie mir ein Schnippchen schlägt und ich ins Becken hineingesaugt werde, wegen Hydrophilie, stellt sich doch heraus, dass ich eine Kamelartige bin, die Wasser zwar nicht in Höckern, dafür aber in den Beinen speichert. Schuld am Müßiggang ist der arbeitslose Pöbel in meinem Umfeld. Studenten, Mütter, Lehrkörper, die halt alle nichts zu tun und dafür keine adäquate Begleitung haben, die rufen dann nach dem Freiberufler, weil der kann ja nachts arbeiten, das tut ihm auch gut, hat’s da doch nur noch kühle 30 Grad. Das seh ich freilich ein und folge den Rufen. Solcherart zur Fäulnis verdammt muss man reichlich beobachten und dabei denken. Beispielsweise denke ich viel über Tätowierungen nach und ob der Herr mit dem vertikalen chinesischen Schriftzug schon mal hat prüfen lassen, ob sich dahinter wirklich Konfuzius Weisheit und nicht vielleicht doch eher einmal Hühnchen süß-sauer mit extra Reis verbirgt. Auch lockt es mich, die Menschen mit den sehr individuellen lateinischen Inschriften auf dem Leib (ganz vorne mit dabei: Omnia vincit amor, VeniVidiVici und, ja wirklich, Carpe diem!) zu ihrem Schriftzug zu befragen, interessiert den Ausführungen zu lauschen um mich anschließend als kritische Lateinlehrerin zu erkennen zu geben, die die korrekte Grammatik sowie die Aktualität Vergils Ekladen im gesamtpolitischen Weltkontext diskutieren möchte (für Klugscheißer: Das mit dem Amor geht weiter „et nos cedamus amori“, Bucolica 10,69). Außerdem biete ich hiermit fünf Euro für denjenigen, der sich „Hokus pokus fidibus“ aufs Dekolleté stechen lässt! Deal! Weiters erläutere ich gerne die eindeutig belegte Tatsache, dass im Poolwasser eine Chemie mit drin ist, die selbst beim kleinsten versehentlich inkontinierten Tröpfchen eine sofortige Grünfärbung des umgebenden Areals zur Folge hat und freue ich über schreckgeweitete Augen und fleißiges Toilettieren der Mitgänger. Auf eine große Frage der Menschheit weiß jedoch selbst ich noch keine Antwort: Wir fliegen zum Mond. Wir transplantieren Herzen. Wir zähmen HIV. Wir haben den Nicer-Dicer, fluoreszierende Farben, Nachtsichtgeräte, Alexa, Schlumpfeis und selbstkühlende Fässer. Warum in Dreiteufelsnamen haben wir nicht endlich einen Sonnenschutz, den man so auf sich hinauftun kann, dass nicht hinterher entweder der Liegenachbar statt einem selbst benetzt ist, man nicht hinterher fünf Minuten mit Spezialhandwerkerpaste Händewaschen muss wie bei der schönsten Grippeepidemie und überhaupt sich selbst und sein Hab & Gut im Anschluss vier Stunden in eine Seifenlauge tun?  Dabei fällt mir ein: Wenn man wenigstens in die Sonnendings ein bisschen Fluoreszierung mischen könnte, dann hätte man wenigstens in der Nacht auch noch was davon, dass man es nicht abwaschen kann.  

Freitag, 27. Juli 2018

Hundstage

Heute habe ich leider kein Sofa für euch. Weil nämlich geschafft, mich unter übermenschlicher Kraftanstrengung von diesem herunter- und aus der Wohnung hinausrollen zu lassen. Das war gar nicht so einfach, weil es herrscht nämlich ein Druck. Ein Unterdruck, um genau zu sein. Aufgrund des Temperaturunterschiedes von mindestens 20 Grad Celius zwischen dem Inneren der Wohnung und dem Außenrum entstand vor einigen Tagen eine Art Luftschleuse. Wann immer ich die Tür öffne um durch diese hinaus in die Hundstage zu treten, erfasst mich ein gewaltiger Sog, der mich sogleich rückwärts in die Wohnung zurücksaugt. Dort bleibe ich entweder gleich auf dem Boden liegen und versuche mich zu erholen, schaffe es gelegentlich, mich auf die Couch zu robben oder, besonders anstrengend, mit einem Umweg über die Küche, wo ich in mühsamen Eichhörnchenetappen die untere Schublade des Gefrierfachs herausziehe, um anschließend in der so entstandenen Lücke meinen kochenden Kopf sanft aufs Eis zu legen und ein bisschen vor mich hin zu atmen, während um mich herum die Suppen vom Herbst und das ein oder andere Fischfilet sich anschicken, mich mit erfrischendem Nass zu umgeben, das leider über kurz oder lang von meinem fiebrigen Körper tauchsiedergleich zu köcheln beginnt, so dass ich mich dann feucht und dampfend erheben und hinüber ins Bett glitschen muss, um dort vergeblich auf das physikalische Wunder der Verdunstungskälte zu hoffen. Die setzt jedenfalls nicht ein, wenn man nach 100 Metern energieraubenden Fahrradfahrens zum Beispiel in eine Parkanlage vom Gefährt plumpst um sogleich in einem ganz individuellen Treibhauseffekt in sich selbst baden gehen zu können, was bewirkt, dass man auch im Park weder sitzen noch liegen, sondern einem hitzewarnenden Andreaskreuz gleich mit weit von sich gestreckten Extremitäten auf Zehenspitzen stehen muss, um so wenig Berührungspunkte wie möglich zu produzieren, auch nicht mit sich selbst, ja sogar sich selber einen Blick zuzuwerfen löst eine Schweißflut aus. Es handelt sich also nicht um eine Vogelscheuche, die ihr gelegentlich auf den Strohfeldern der Stadt erspähen könnt, sondern nur um mich.  In meinem Arbeitszimmer herrschen aktuell knapp 27 Grad um halb zehn am Vormittag, und das ist folgerichtig kein Zeichen für das Frühstückchen, sondern Anlass, sich aus dem Raum zu entfernen, bevor die Sonne rum- und reinkommt. Ich schnüre jetzt also mein Bündel und beame mich in eine öffentliche Badeanstalt, um dort mein Transpirat mit dem vieler anderer dampfender Menschen zu vereinen und so zu einer gesellschaftlichen Harmonie beizutragen. Diesen harmonischen Zustand gedenke ich am ba(r)denden Wochenende im Speziellen und weit darüber hinaus im Allgemein beizubehalten. Ich kann nur hoffen, dass ihr das auch macht. So. Trinken, trinken, trinken, Brunnen sind zum Planschen da, und wenn jemand Durst habt, gebt ihm Wasser. Viel Spaß! 

Freitag, 20. Juli 2018

Master? Arbeit!

Zu meinem Leidwesen hab ich grade schon wieder überhaupt keine Zeit für euch, ist doch schon wieder ein Notfall eingetreten. Nach der Nahtoderfahrung der vergangenen Woche trifft er mich gottlob nur indirekt, jedoch natürlich mitten hinein ins große Herz: das Kind leidet. Neinnein, keine Teenietrennung, auch kein vorausschauender Schulvermissungsschmerz wegen drohender Sommerferien. Ein anderes Kind. Ein sehr großes, sehr erwachsenes, aber halt für immer zehn Jahre jünger als ich Bleibendes. Es weint, es ruft, hat Todessehnsucht, Weltschmerz, Selbsthass – kurzum: Es schreibt Masterarbeit. „Wie soll man denn bei diesem Wetter am Schreibtisch sitzen?“, hat’s neulich verzweifelt ausgerufen und sich in tiefer Erschütterung gezeigt. „Das, mein Schatz“, hab ich milde gelächelt, „ist die wahre Prüfung. Und Vorbereitung auf die nächsten 50 Jahre. Du hast es so gewollt.“ Genau wissen tu ich’s freilich nicht. Das Kind wahrscheinlich auch nicht. Die erste Erkenntnis, die es grade hat, dürfte wohl die sein, dass „ein Jahr Zeit haben“ vergleichsweise kurz ist, wenn man elf Monate davon lieber Lebenserfahrung sammelt. Mailand, Krakau, Zürich, hier und da kurz in einer Diskothek nach dem Rechten sehen, die ein oder andere Veranstaltung ins Leben rufen, sich ehrenamtlich als Erasmus-Studentinnen-Betreuer engagieren, die Fahrradwege der Region nochmal testen, hätte ja sein können, dass wegen Klimawandel eine Route einer Wanderdüne zum Opfer gefallen ist, gelegentlich wegen Mens sana in corpore sano eine neue Sportart erfinden und andere zum Mitmachen animieren, weggezogene Lieblingsfreunde besuchen und Trost spenden in der Ferne, proaktiv Hilfe in Haus und Garten der Altvorderen ableisten, das Fahrrad putzen wegen Wanderdüne nicht aber überraschend matschig, hier und da mal ein Motorradausflug, gehört ja auch dazu, wenn Besuch kommt, dann muss man sich um den kümmern, das gebietet der Anstand, und spezialwichtig: alles immer schön dekoriert im Insta dokumentieren, damit man später, wenn die entbehrungsreiche Zeit, die einem die Sinne vernebelt und den Verstand geraubt hat, vorbei ist, nicht zurückblicken muss auf ein monatedickes schwarzes Loch, sondern weiß: man hat trotzdem gelebt! Was andere Personen nicht von sich behaupten können, werden die doch je nach Kompetenz, Verfügbar- und vor allem Gutmütigkeit vor den meisterlichen Karren gespannt. Ich will das nicht verteufeln, hab doch ich selbst seinerzeit mein Latinum nur dank einer ausgeklügelten einjährigen Gruppenarbeit erlangt, und ein Uni-Mensch hat mal zu mir gesagt: Das wichtigste, was ihr hier lernt, ist, wer euch hilft und wo ihr nachschauen könnt, wenn ihr wieder mal nix wisst! Neben anderen supplementierenden Aufgaben wird mir die Position des Therapeuten und Motivationscoaches zuteil. Zuletzt, also um genau zu sein vor 18 Minuten, sprach ich deswegen verständnisvoll-gefühlig: „Jetzt hör auf rumzuheulen sondern kneif die Arschbacken zam und mach das Ding endlich fertig! Danach geb ich dir ein Bier aus.“ Was denkt ihr: Kommt das gut an, wenn ich bei der Schlusskorrektur einen diskreten Dank an mich einschmuggle?   

Freitag, 13. Juli 2018

Mopeds

Liebe Gemeinde, wenn ihr das hier lest, bin ich vielleicht schon tot. Oder schwer verletzt. Oder zumindest versehrt, klingen mir doch noch deutlich die zärtlichen Worte „… dann beiß ich dir ein Ohr ab!“ nach. Sender dieser Botschaft ist ein Mensch, den ich auserkoren habe, mir zurück zur Befähigung der Domestizierung von circa 90 Pferden zu helfen. Will heißen: Motorrad, und die Drohung war die Antwort auf die Frage, was eigentlich so passiert, wenn ich die Kiste umschmeiß. Inständig hab ich gehofft, allein die Frage reicht, um mir die Fahrt umgehend zu verweigern, den Tränen nah hab ich nach Gründen gerungen, das, was ich auch noch ganz alleine und freiwillig zu tun im Begriff bin, irgendwie noch abzuwenden, doch der Meister blieb ruhig und tat kund, er freue sich, weitere („Du sagst ja gar nichts. Das hab ich noch nie erlebt.“) bislang unbekannte Seiten an mir kennenzulernen. Bevor jetzt hier Lästereien laut werden bzgl. Zweiter Frühling und Wunderlichkeit im Alter und so – nix da! Ich bin schon Mofa, Roller, Motorrad gefahren, da habt ihr noch ausprobiert, ob‘s schon Banane sein darf oder doch lieber weiter Folgemilch. Mir großer Hingabe und wenig Sachverständnis haben wir seinerzeit die Straßen des Quartiers als Teststrecke für gepimpte Mofas genutzt, haben in sorglosen Feldstudien erörtert, wie viele Menschen maximal auf einen Chopper, Roller oder die schöne alte Simson passen, und dabei noch zu fahren. Wir haben auf Parkplätzen und Baustellen Anfahren, Schalten und Beschleunigen gelernt und als Sozius, was man in Kurven lieber nicht macht, auch nicht bei Tempo 20. Mit 15 hab ich mich einfach auf einen herumstehenden Roller gesetzt und mich im jugendlichen Wissen um die eigene Unsterblichkeit in den Stadtverkehr eingefädelt. Wenn man mal umfällt, fällt man halt um. Das letzte Mal, als ich mich einfach auf einen Roller gesetzt habe, hätt ich den auch am liebsten einfach umfallen lassen – nach zittrigen zehn Metern und fünf Minuten, die mir vorgekommen sind wie drei Stunden, zumindest hab ich entsprechend viel Schweiß verloren. Aus der Testrundfahrt wurde eine Testhinwackel-und-zurückschiebfahrt. Da hab ich mir schon gedacht: Wie kann jetzt das passiert sein? Weil hab ich seinerzeit freilich auch noch die Fahrausbildung legitimieren lassen, ähnlich Kamikaze, weil aus Gründen die Fahrpraxis im schönen November absolviert werden musste, im Anschluss daran aber aus mir unerfindlichen Gründen mit einer Rostlaube und definitiv zu vielen PS das Autofahren perfektioniert und das Motorrad einfach vergessen. Jetzt fällt’s mir halt wieder ein. Bedauerlicherweise bin ich nicht mehr 15. So wie andere Personen, die mir neuerdings von den großartigen Fahrten mit dem Justin und dem Tim in T-Shirt, Shorts und geliehenem Helm unbekannter Herkunft auf deren „Maschinen“ zu Badeseen berichten und Pläne entwickeln, wie viele Stunden man Kinderarbeit verrichten müsse, um möglichst über den Winter hinweg selbst das Fahren erlernen zu können. Wird mir gleich sofort noch schlechter. Aber vielleicht kann das ein Antrieb sein: Schnell wieder fahren können, um fortan hinterm Kind patrouillieren und auf ordnungsgemäßes Tragen sämtlicher Sicherheitsgewänder bestehen zu können. 

Freitag, 6. Juli 2018

Aktivkohle

Neues vom Pubertier. Das hat mich gestern nämlich sehr erschreckt. Hab ich nämlich das Kind, pardon: die Heranwachsende gestern begrüßen wollen. Doch anstatt dass ich des rosigen Antlitzes in der Kemenate ersichtig wurde, blickte ich in ein gähnendes, schwarzes Loch. Wer an dieser Stelle weise nickt und sich an eigene oder anverwandte Jugendzimmer erinnert – gemach! Zwar ist die Prinzessinnenloge durchaus in sich stimmig eingerichtet was das Horten von Unrat aller Couleur von Schimmelgrün bis Wattepadschwarz betrifft, auch finden sich ab und an biologische Experimente in Form von zwar zum Abtransport bereitgestellter, dann aber aufgrund wichtiger weltpolitischer Bewegungen wie die Fertigstellung des Hundepalastes irgendeiner Insta-Queen im Live-Video und darob als zu vernachlässigbar ad acta gelegter Müllbeutel oder die Nachweise entgegen aller Behauptungen sehr wohl daheim zu sich genommener Speisen, aber von einem schwarzen Loch sprechen kann man dann wohl doch nicht direkt, so lang auch noch der letzte vergessene Cheesburger über kurz oder lang aus der Schmink-, äh Schreibtischschublade herausgelaufen kommt. Als das schwarze Loch also fertig war mit Gähnen, hab ich mich interessiert erkundigt, ob man wohl zum Schuljahresabschluss den Zwergen- oder Indianeraufstand probe und entsprechend rußene Kriegsbemalung aufgetragen habe. Man habe, jedoch nicht zu komödiantischen Zwecken (och naja … ), sondern vielmehr klinischen, handele es sich doch bei der dunkelschwarzen Teermasse um hochgesunde Aktivkohle, die ja bekanntermaßen Hautunreinheiten aller Art in sich söge wie ein Schwamm. Auf meine kurze Abhandlung, schon allein das Wort „Aktivkohle“ sei wenn überhaupt dann ein werbetexterischer Geniestreich, folgten Verdruss und Vorhangfall. Man hat’s aber auch nicht leicht auf dem Weg zur Dame. Man muss Handtaschen im Beautycontainerformat mit sich herumschleppen und kriegt statt Ovationen Hexenschuss. Man muss Highheelgummistiefel anziehen und kriegt statt sexy Po Schwellfuß. Man muss stundenlang auf YouTube „Contouring“ lernen, nur um dann verhöhnt zu werden, weil man statt Janet Jackson auf der Starbühne halt leider nur ein Kind im Reli-Unterricht ist. Man muss das neue „Wahre Schätze Tiefenpflegemaske mit Arganöl aus Marokko für sehr trockenes und widerspenstiges Haar“ besitzen und dann zweimal täglich Haare waschen wegen fettig. Man muss auf die Figur und Umwelt achten, liebt aber Nutella. Man muss versuchsweise vegetarisch leben wegen Tierliebe, vergisst dann aber leicht, dass die Pattys bei Mäcces gar nicht auf Bäumen wachsen und so weiter und so fort … Das schwarze Loch hat mich dann aus selbigem Hinausgeschmissen. Die Müllbeutel hab ich nicht mitgenommen. Vielleicht laufen sie demnächst ja selbstständig aus der Wohnung. Auf Highheels. Die können dann auch gleich unten bleiben. 

Freitag, 22. Juni 2018

Grüß dich!

Seit einiger Zeit werde ich ziemlich häufig gefragt, wie es mir geht. Könntest du sagen: Ist doch schön, Interesse, Mitmenschen, Nächstenliebe und Dings. Ich undankbares Geschöpf aber reagiere in 99 von 100 Fällen mit Schweißausbrüchen, Farbwechseln wo du sagst: Kalamari nichts dagegen, und mit großer Wahrscheinlichkeit hernach einem Wutanfall. Und hab ich vorher eher wenig verdrießlich geschaut, so tu ich’s hinterher bestimmt. Der Hund liegt wie so vieler Schwachsinn, der derzeit zu uns hereindefiliert, in den USA begraben. Gut, vielleicht auch ein bisschen in jedem anderen englischsprachigen Land, aber Vorurteile bekräftigen ist eh en vogue. USA also. Wer schonmal viel ins Englischsprachige geschäftskorrespondiert hat, der weiß, dass eine Primaregel lautet: Schreibe alles so höflich wie du kannst, und dekoriere das dann noch mit Schokolinsen, Sahnetürmen und Blumensträußen. Erst wenn es dich in der Speiseröhre juckt, wird dein Gegenüber dich nicht mehr als unflätigen Deutschen empfinden. Isso. In diese gesellschaftliche Liturgie gehört zwingend auch die Frage nach dem Wohlbefinden. Antwortest du also auf „How are you doing?“ unbedingt mit einem überschwänglich positiven Bekunden und gibst die Frage postwendend zurück. So machen die das seit ungefähr schätzungsweise kurz nach Columbus, und das ist auch gut so. Wir. Nicht. Wir smalltalken nicht, sondern kommen zum Punkt, weil Zeit ist Geld und Geld hat man stets zu wenig. Dafür verfügt die deutsche Sprache über ungefähr 137 Varianten adäquater Grußformeln, worunter mutmaßlich die gängigsten „Hallo!“, „Guten Tag!“, „Hi!“ und „Ey servushallogrüßdichservus alte Hippe!“ sind. So und jetzt kreizdeifi reicht das freilich wieder nicht. Und als wäre es nicht schon irritierend genug dass seit weiß ich nicht wann Menschen beständig mit Kennermiene nicht mehr von „letztendlich“ oder „letzten Endes“ sprechen, sondern immer nur noch davon, dass irgendwas „am Ende des Tages“ irgendwie ist oder wird, müssen neuerdings Menschen statt „Hallo!“ sagen „Wie geht’s?“ Früher war das ein Einzelfall, mit dem mich eine Person belästigt hat: Von der Ferne im Flur hat’s mir entgegen gewiegehtst, um dann an mir vorbeizurauschen, derweil ich grad ob der Aufmerksamkeit errötend angefangen hatte, in mich hineinzufühlen. Da schaust dann schon auch erst einmal blöd, so die ersten ein bis siebzehn Male. Gewöhnt hab ich mich daran nie, und es wird nicht besser davon, dass das jetzt immer jeder machen muss. Vielleicht hilft umgekehrte Psychologie. Statt gestresstem „Jaöhmalsomhmmgutunddir?“ einfach sagen: „Boah, du, ich hab eine Mordsanalfistel, die mir seit Wochen zu schaffen macht, kannst dir vorstellen was das alles mit sich bringt? Pass auf: … “ Oder: „Guuuuuut dass du fragst, ich bin schon den ganzen Tag so saumäßig genervt dass ich mich echt einmal auskotzen muss. Also das war so … “ Oder (aufschluchzend): „Eheheheheheeendlich fragt mich mal jemand, mir geht’s soooohohoho schleeeecht, mein H-h-h-h-haamster ist gestorbuääääähn!“ und dann schön an die Schulter werfen und einmal kräftig ins Gewand schnäuzen. Also überlegt’s euch gut. Oder sagt halt einfach „Ey servusgrüßdichservus alte Hippe!“ zu mir.  Wie’s euch damit geht? Mir doch egal. 

Freitag, 15. Juni 2018

Bundesfarben

Jetzt WM. Finden viele furchtbar wegen Russland und Appendices. Finden viele super wegen Schallalalafussioléolé. Und wegen halt Gucken und Fiebern und Fingernägel runterkauen bis auf die Ellenbogen und Brothers in Arms. Ach pardon, das war ein False Friend glaub ich heißt das, ich hab eigentlich gemeint brüderliche Umarmung. Finden andere wiederum sehr spezialfurchtbar wegen plötzlich Vernationalisierungsbeflaggung ganzer Straßenzüge und Ausnahmeidentifikation mit dem Bundeswimpel. Jetzt kannst du sagen, ja mei, das hat ja schon irgendwie ein Gutes, wenn du alle Trottel ein paar Wochen 500 Meter gegen den Wind erkennst dank Chantal‘s Nail-Art und dem Autodekorationskomplettzubehör vom Dings. Ist aber halt schon auch wirklich sauwitzig, so ein gestreiftes Außenspiegelkondom, kannst nichts sagen. Jedenfalls darf man wegen Motz glaub ich auch eigentlich und in Wahrheit nicht Daumen drücken für den DFB, sondern sich prinzipiell nur solidarisch zeigen mit Mannschaften aus politisch weißbewesteten Ländern, und da würd ich jetzt mal ganz diplomatisch behaupten, dann wird’s eher eng mit dem WM-Jubel. Ah na wobei. Island könnte gehen. Kurzer Jubel wahrscheinlich, aber immerhin. So. Wo war ich? Beflaggungssituation, genau. Ich glaub ja, dass es prinzipiell eine falsche Rezeption der deutschen Nationalflagge gibt, und das ist ein bisschen schade. Neben Belgien, Uganda und Angola ist nämlich Deutschland das einzige Land, dessen Flagge ausschließlich alle Hautfarben aller Menschen auf der Erde in sich vereint und dabei den Durchschnittseuropiden freundlich außeracht lässt – wenn man an dieser Stelle mir bitte die political incorrectness verzeihen möge, von Schwarzen, Gelben und Roten zu sprechen. Außerdem heißt’s auch immer noch „Weiße“ statt „Käsige“ oder „Ferkelrosane“ oder „Getrumpte“, da muss man in puncto Schattierung vielleicht auch einfach einmal ein Auge zudrücken dürfen. Die Bundesfarben jedenfalls, die heute spezialoffiziell nicht schwarzrotgold, sondern verkehrs-/ tiefschwarz-verkehrsrot-melonen-/rapsgelb heißen, was aber zugegebenermaßen ein bisschen sperrig ist im Alltagsgebrauch, haben also schon bei der Festlegung vor 170 Jahren (da haben sie’s im Annodazumal vielleicht auch noch nicht so gehabt mit der o.g. PC, wegen Probleme eher anders gelagert) superclever gewusst, dass so ein Land halt eher selten einfarbig ist und so ein Deutschland auch wenig homogen, sondern sauber durcheinandergemischt. Das erkennen wir unschwer an der Nationalwürfelmannschaft, die es schon grad deswegen zu supporten gilt. Und vielleicht können wir jetzt einfach ein paar Wochen üben, die Vielfarbigkeit des Deutschseins zu erkennen (und schätzen!) und dann hernach so einem Fahnenträger nicht direkt die Faust unter die Nase zu halten, weil das verunsichert einen instabilen Menschen, da muss man dann schon verstehen, wenn der dann grantig wird, sondern ihn einfach freundlich dazu zu beglückwünschen, dass er so deutlich und weithin sichtbar für Vielfältigkeit und Völkermischmasch einsteht. Was meinst, wie der schaut.

Freitag, 8. Juni 2018

Freizeitavatar

Bin ich nicht gefragt worden, ob ich eigentlich wirklich alles immer so erleb, wie ich’s hier hineintagebuche, oder ob es nicht vielleicht sein kann, dass ich gelegentlich ein bisschen schlecht träume. Da bin ich dann direkt ein bisschen rot angelaufen. Wegen Ertappung. Mist, hab ich mir gedacht, jetzt kommen sie mir doch langsam drauf, dass ich zwar mit einer blühenden Fantasie und flexiblen Grammatik, im Gegenzug aber auch mit einem verdörrten Leben gesegnet bin. Sogleich hab ich mich daheim wieder ins dunkle Kabuff verzogen, meine Gewitter-Kassette eingelegt und traumweltend weitergehofft, dass dieser bereits 57 Wochen dauernde Sommer vorbei und endlich wieder November ist. In der Zwischenzeit kann mein Avatar, der mir dank guter Verbindungen zum chinesischen Geheimdienst und Herrn Mu-ming Poo vor einigen Jahren zur Verfügung gestellt wurde, draußen herumspazieren und meinen gesellschaftlichen Verpflichtungen nachgehen. Leider ist der Apfel ebenso alt wie sein Stamm, weswegen es hier und da gewisse Verbesserungsbedürftigkeiten gibt. So entspricht die Speicherfähigkeit des Avatargehirns dem Besten, was die Technik hergibt. Will sagen: was sie hergeben konnte zum Zeitpunkt der Kreation. Hier kneifen wir feste die Augen zusammen und drücken ganz dolle und pressen eine Erinnerung an etwas namens „Diskette“ aus unserem tiefsten Erinnerungsschlund hervor (die Jüngeren unter euch lesen am besten gleich doppelt weiter, wegen 1. noch nie gehört von „Diskette“ und 2. prinzipieller Problematik mit „Erinnerung“ weil wieso erinnern, steht doch alles im Wischkastl). Das war das Ding von der Größe einer halben Schokoladentafel (zartschmelzend), auf das grad so viel Datei gepasst hat, dass man eine Zeit lang Prince of Persia hat spielen können und zwar dergestalt, dass kleine Quadrate in den Farben Schwarz, Weiß, Hell- und Dunkelgrau sich irgendwo umeinanderbewegt und dazu schwierige Knattergeräusche von sich gegeben haben und mit Glück irgendwann Prinzessin, sprich Klumpungen von grauen Quadraten mit hellen obendrauf und dazu Jubelorchester und Fanfaren von einer Klangqualität wo du heut sagst hab ich’s vielleicht doch ein bisschen übertrieben mit der Geilepartymukkefreibadkomplettbeschallung aus meiner portablen und jetzt verschiedenen Superbox. Also so viel Datei wie heut eine Whatsappnachricht. Geschrieben, nicht in Voice. Das könnt ihr jetzt gleich einmal nachwischkasteln. Was ich eigentlich sagen wollte, ist, dass hiermit das Geheimnis meiner angeblichen Gesichtsblindheit geklärt wäre. Wenn ihr den Avatar also irgendwo seht und grüßt und dann kriegt ihr statt Zurückgruß einfach nur ein sehr, sehr dumpfes Glotzen zurück – nehmt’s ihm nicht übel. Ein freundschaftlicher Knuff und eine kühle Limo bewirken unter Umständen eine Defragmentierung. Ich bleib derweil hier liegen und erfinde Geschichten aus dem echten Leben. 

Samstag, 2. Juni 2018

Festivalchronologie


Für alle Menschen, die tatsächlich noch nie auf einem Festival waren, erfolgt hier ein vorausschauender Rückblick der besucherdurchschnittlichen Geschehnisse auf Basis langjähriger und vielfältiger Erzählungen, um sie entweder darin zu bestätigen, dem Event weiterhin fernzubleiben, oder höchst motiviert noch eilig sich nach Tickets umzutun ... Tag 1: Motivation so mittel; tiefsitzende Erinnerung an vorausgegangenes Leid, unvorstellbare Erschöpfungszustände, schlimmen Ekel; in weiser Voraussicht Präparation zur Schadensbegrenzung; Großeinkauf: isotonische Getränke, Obst, Gemüse, Alka Selzer, Desinfektionsspray, Regenschutz, Sonnenschutz, diverses Leichtgepäck; Vorkochen von nahrhaften, vitamin- und minderalstoffhaltigen Speisen zur täglichen Wiederbelebung; Gummistiefel polieren; Kleidung raussuchen, die gleichsam festival-leger doch auch distinguiert wirkt, um sich vom campierenden Pöbel abzuheben; Bargeldabhebung von höchsten 20 Euro tätigen wegen FSK; 16 Uhr: entspannte Busanreise; spontaner Ekel wegen Mitfahrern, die sicher nicht die erste Bierdose schwenken; 16.22: Ankunft; spontaner Neid auf alkoholische Getränke jedweder Art; Aufsuchen des nächstbesten Kiosk in Treffpunktnähe; Treffzeit auf eine Stunde ausweiten wegen Kioskbier lecker und zudem günstig, außerdem sehr viel „Hallo“; 18.07: Einmarsch aufs Gelände in ausgesprochen fröhlichem Zustand; juhu endlich Festival! 20.39: zwei Konzerte verpassen wegen Anstehen am Geldautomaten; egal, alle sind meine Freunde; 22.13: Tanzanstehen am Dixie; welche Konzerte?! 00.27: spontanes Chorsingen im Nachtbus; 01.15: Verzehr des Gesamtlebensmittelvorrats fürs Wochenende. Tag 2: alles sehr schwierig, aber was muss, das muss; Rucksäcke ausräumen oder gleich daheim lassen, kein Mensch braucht Regenschutz oder Desinfektionsmittel, leger schlägt distinguiert, Campingpöbel ist eh viel geiler, wo ist eigentlich die Pippi-Langstrumpf-Perücke vom letzten Fasching, wenn man den Schnaps mit Kaffee mischt geht’s eigentlich; 13.00: sofortige Wiederaufwärmung des Vortagsrauschs; 13.14: Vertiefung desselbigen wegen das hält doch sonst kein Mensch aus; 13.15: Wiederholung des Vorabends, Gepäckerweiterung um aufblasbare Maßkrüge, Sternchensonnenbrillen, Whiskeyturnbeutel, Hennatattoos etc.pp. unbekannten Ursprungs; Sparkonto räumen; Fotosession mit Polizeistaffel wegen gute Laune; Ankunft daheim irgendwann, sofortiger Tiefschlaf auf der Türschwelle. Tag 3, 11.00: Welthass, Selbstekel; 14.30: Welthass, Selbstekel; 17.00: Beginn der Restaurierungsmaßnahmen; Kleidung möglichst distinguiert wegen Abhebung vom Campingpöbel; offensichtlich am Vorabend um 100€ bestohlen worden, alles scheiße; 19.00: Ankunft, Ekel, Widerwillen; 19.07: Longdrink oder heim? Longdrink! 19.15: Londrink! 20.03: blöde Frage! 20.47: Warum zur Hölle bin ich erst so spät gekommen? 22.21: Juhu Riesenrad, Liebestaumel, scheißdrauf, nureinmaljung; 00.40: Cuba-Bestellung beim Busfahrer. Unmut serviert bekommen. Ihn trotzdem lieben … So oder so ähnlich dürfte das also ausschauen. Ich für meinen Teil bin ja zu alt für den Scheiß und bleib daheim auf der Cou… Moment! Wie? Noch Tickets? Ach du, dann … ja, bis gleich! – Bleibt tapfer! Alles wird. Irgendwann auch wieder gut! Und alle anderen? Mir doch egal!






Freitag, 25. Mai 2018

Küchennazi

Wie wir schon öfter lesen durften, bin ich in den generellen Tätigkeiten des Lebens auf Effizienz getrimmt. Spezialeffektiv verrichte ich mit großem Körpereinsatz am liebsten acht Handgriffe gleichzeitig, nur um dann festzustellen, dass ich ja gar nicht acht Hände habe, was sich unterm Strich gern als spezialuneffektiv erweist. Was dann, wir erinnern uns, zu Situationen führt, dass ich bereits während des Zähneputzens den Wohnungsboden einmal durchfeudeln muss, anstatt dass ich einfach ins Waschbecken hineingesabbert hab wie jeder vernünftige Mensch. Wobei man jetzt sagen kann, dass ein gelegentliches Bodenfeudeln ja auch noch keinem geschadet hat, also hab ich schon wieder recht. Besonders spezialeffektiv bin ich in Küchenverrichtungen, sprich Nahrungszubereitung. Das hat zwei Gründe. Erstens bin ich sehr, sehr viele Jahre bei einer Dame in die Lehre gegangen, die auf dem Papier zwar eine niederbayerische Pädagogin ist, im Herzen aber eine sehr unpädagogische Chinesin. Da wenn du einmal zu lang überlegt hast, welche Abmessungen genau mit „mundgerecht“ gemeint sein könnten, oder vielleicht dich mal eine Sekunde verloren hast in der Ergötzung einer vor sich hin bratenden Sache, dann hat sogleich eine Peitsche sauknapp am Ohrwaschl vorbeigeknallt und du bist entweder sofort rausgeschmissen worden aus dem Hoheitsgebiet und mit Liebes- oder noch schlimmer Nahrungsentzug gestraft oder dir ist das Küchenwerkzeug entrissen worden wegen „da mach ich’s lieber gleich selber“. Meinen Meister hab ich dann hernach noch ein paar Jahre machen können in einer Küche, die ungefähr so groß war wie eine durchschnittliche Umkleidekabine, nur nicht ganz so gut ausgeleuchtet, mit einer winzigen Arbeitsfläche, auf der immer sehr viele andere sehr wichtige Dinge gelegen sind wie Handtascheninhalte, Behördenbriefe oder Partyzubehör, und da lernst du halt, zur Geschwindigkeit auch noch mit einer minimalistischen Eleganz zu arbeiten, wo du sagst, Ronaldo auf dem Bierdeckel ist nichts dagegen. Am liebsten würd ich alles nur mit einem kleinen Schweizer Taschenmesser machen. Und ich gebe zu, dass das zu einem problematischen Gesamtergebnis im Heute führt. Vor allem im Miteinander. Mit mir alleine in der Küche komm ich weitestgehend ganz gut zurecht. Aber es gibt da, sagen wir mal: eine Person, die 1. lieber nacheinander tätig wird und zwischendurch gern Kontemplationspausen und dabei versonnen auf anbratende Sachen und überkochende Töpfe blicken; 2. muss sie ihre undomestizierte Urtümlichkeit unter Beweis stellen, indem für egal welche Verrichtung Hauptsache das weltallergrößte Brett sowie das weltallergrößte Messer genommen wird, vermutlich um sich seiner Identität zu versichern und auch mit Kochschürze bekleidet das Gefühl zu behalten, man würde gerade mindestens ein Land heroisch von einem Schurkenstaat befreien oder mit schwerstem Gerät einer Ruine zu Leibe rücken, um daraus ein Kinderheim zu basteln. Ich geh dann aus der Küche und lass es ihn lieber gleich selber machen. Soll mir keiner nachsagen können, ich hätte über die Generationen hinweg nichts gelernt. 
So. Schlusssatz. Haben wir nicht. Weil ist 1. eh viel effizienter ohne und 2. muss ich jetzt lieber mal in meine Küche schauen. Oder in den Spiegel, ob mir wieder jemand heimlich einen „Küchennazi“-Zettel auf den Rücken gepappt hat.

Freitag, 18. Mai 2018

Rentiere

Neulich wurde ich zu einem Notfall gerufen. Im wahrsten Sinne aller Worte, schallte es mir doch in Allerherrgottsfrühe panisch entgegen und kommandierte mich zur sofortigen Einleitung intensiver Erste-Hilfe-Maßnahmen ab. Hab ich natürlich alles stehen und liegen gelassen und bin hinfortgeeilt zum Ort, der, wie sich sogleich herausstellte, Tragödie. Alles umsonst, alles zu spät, der Patient war tot. Requiescat in pace, ruhe in Frieden und vor allem in fünf Plastiktüten gehüllt im Kühlschrank. Weil sagen wir mal so: So einen Mordstrummkarpfen, den schmeißt man halt, nachdem man ihn vom Rückenschwimmen befreit und äußerst unwürdig aus dem Wasser gereust hat, dann doch nicht einfach so auf einen Kompost, wenn man nicht vorhatte, Feldstudien an Nagern vorzunehmen, und in eine Mülltonne auch nicht, wenn die erst Tage später geleert wird und sich entsprechend in der Sauhitze in einen Schnellkochtopf verwandelt. Gekröseexplosion, will kein Mensch. Gottlob war das Herrchen, das, so hat es mir mitgeteilt, gerne anonym bleiben möchte, bereits in Kenntnis gesetzt über einen überraschenden Schwächeanfall des goldenen Lieblings, andernfalls hätt man sich überlegen müssen, ob man vielleicht stattdessen ein Brathendl ins Gewässer aussetzt und dann so tut, als hätte man von nichts gewusst. Im Gegensatz zur Loriot’schen Annahme, es befänden sich überall in Kellern Herren im Ruhestand, ist es nämlich in Wahrheit ganz anders. Herren im Ruhestand sitzen nicht mehr brav daheim und lösen Kreuzworträtsel, erringen olympische Fähigkeiten im Gemüseakkuratschneiden, lustwandeln durch selbstgezüchtete Rosenhaine oder platzwarten gar ihr Wohngebiet zu Zucht und Ordnung, nein, Herren im Ruhestand sind erstens dauernd im Freizeitstress und entdecken zweitens ihre späte Liebe zu möglichst behandlungsintensiven Lebewesen. So hat mir eine Dame berichtet vom Hühnerhobby ihres Vaters und wie sie gleichsam gerührt wie verwundert zur Kenntnis nehme, dass wann immer sie das Elternhaus besuche dieses zwar nach und nach verfalle, im Garten aber von Mal zu Mal ein neues Hühnerhaus zu finden sei, das in Design und Architektur seinesgleichen suche. Eine andere Dame rapportiert gelegentlich von der Notwendigkeit des „Taubenwürgens“ in väterlicher Abwesenheit, was irgendeinen ornithologischen Hintergrund hat, vordergründig aber einfach nur absurd ist. Denn eine andere Eigenschaft des tierischen Ruhestands scheint sein zu müssen, dass sich akkurat diejenigen dieses Hobby zulegen, die gern die Hälfte des Jahres mit Reisen ins Ausland verbringen. Und dann steht man da und muss Tauben würgen oder ein gänzlich undurchsichtiges Wirrwarr kilometerlanger Schlauchkonstruktionen, mit denen die Ingeniöre im Unruhestand umeinanderexperimentieren, zu domptieren versuchen. Quo vadis, Modelleisenbahn?  Und wem jetzt die Puste ausgeht, der sucht sich vielleicht für den Montag eine besinnliche Betätigung. Ich tät mich auch für Vermittlerdienste im RenTier-Segment zur Verfügung stellen.