Man hat ja jetzt neuerdings eine rechte Digitalisierungsnot. Ich kann das sehr gut verstehen, weil die hab ich auch. Nämlich seitdem ich mich in einem kleinen, vielleicht ein bisschen impulsiven Wutanfall von meinem Telefon- und halt auch Digitalisierungsanbieter getrennt hab und dann wegen beleidigt auch gar nicht eingesehen hab, dass ich jetzt auf einmal springen soll, nur weil der Anbieter wochenlang fünfmal täglich versucht, mich anzurufen. Gestern dann Milde, und dann erfahren, dass in vier Wochen alles abgestellt wird. Jetzt also Not. Neulich hatte auch jemand anderes eine Digitalisierungsnot, weil nämlich ist die adoleszierende Puberdame in die große Stadt gereist, wegen Shopping und Cool und Gang und Yolo, und dann hat sich wegen der Durchdigitalisierung ein kleiner Vorfall ereignet, nämlich dass dann, so geht das Gerücht, auf der Heimfahrt nach dem beschwerlichen Ausflug vor lauter Insta-Flow der erforderliche Zug-Halt etwas überraschend kam, weswegen das Kind dann nicht nur vom Lebensabschnittsgefährten durch grausam sich schließende Türen getrennt sondern auch noch ein bisschen weiter in den Norden gereist worden ist. Dramatische Szenen, Tränen, gar nicht mehr erwachsen. Jetzt kannst du sagen, vielleicht tät es ja auch nicht schaden, statt der Digitalisierung ein bisschen eher so Grundsätzliches in einer Schule voranzutreiben, sprich Lebensfähigkeit vermitteln. Unterrichtseinheiten könnten also heißen „Die Toilettenpapierrolle – Wechselt sie sich selbst?“, „Der Weg des benutzten Geschirrs zur Spüle – Ist Telepathie eine Option?“, „Anleitung zum Auffinden von Gegenständen – Wie suche ich an den richtigen Stellen ohne das Haus auf den Kopf zu stellen und dabei rumzubrüllen?“, ergänzend dazu vielleicht noch „Mein Smartphone – mehr als nur Accessoire“ sowie den Aufbaukurs „ÖPNV-Plan und Straßenschilder – Überleben im Großstadtdschungel“. Damit das alles nicht zu viel wird, könnten gelegentliche Praxiseinheiten aus den Segmenten „Ernährung“, „Zwischenmenschliche Umgangsformeln“ sowie „Manieren“ eingestreut werden, in denen beispielsweise durchgenommen wird „Die Angst nehmen – Warum Bitte, Danke und Grüß Gott nicht schmerzen“, „Das Taschentuch: So benutzen wir es nicht nur richtig, sondern überhaupt“ oder „Tomate oder Ketchup – Identifizierung von Lebensmitteln leicht gemacht“. Da mir bislang keine solche Unterrichtsplanung bekannt ist, lege ich große Hoffnung in die Entwicklung der künstlichen Intelligenz, wenn’s mit der natürlichen schon hapert. Da kannst du dann das Kind morgens in den Ausflug verabschieden und an der Tür gibst du ihm ein schön in Butterbrotpapier eingeschlagenes Päckchen und sagst „Schau, mein Schatz, da ist deine Extraportion künstliche Intelligenz für heut, mach dir einen schönen Tag!“ oder zu Weihnachten gibt’s statt Lebkuchen eine schöne Ration künstliche Intelligenz. Oder du kannst auch, jetzt stell dir vor, mal aus Versehen vielleicht sagen wir im Feierabendverkehr ein bisschen eine kleine Phiole voller künstlicher Intelligenz auf den Boden fallen lassen und schwups muss man überhaupt gar nicht mehr so supersauviel hupen oder grindig dreinschauen weil sind nämlich plötzlich alle in der Lage, ein bisschen mehr miteinander zu denken statt dagegen. Ich wart einmal das Wochenende ab, vielleicht ist der Nikolaus ja schon weiter gewesen als die Angela.
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