Samstag, 28. September 2013

Ikeakatastrophen

Es gibt da ein Phänomen, das mich zuverlässig dazu bringt, mich auf den Boden zu werfen und in die Auslegeware zu beißen. Diese Auslegeware befindet nur leider zu dem Zeitpunkt bereits in meinem Besitz. Und dann ist es zu spät. Zweimal im Jahr ziehe ich Lockruf des Möbelhauses mit den vier gelben Buchstaben aus dem Briefkasten, denke mir: Return of the Evil! und verstaue die Ausgeburt des Bösen direkt ganz unten im Papiermüll. Weil ich keinen Kamin habe, um’s zu verbrennen. Doch alle Jubeljahre packt es mich. Ich wache auf und weiß: Neues Geschirr. Jetzt! Dann ziehe ich los, voller Tatendrang und festem Vorsatz: Reingehen, holen, rausgehen. Aus dem Traumszenario wird ein Alptraum, wenn ich vor den Regalen stehe und überrascht feststelle, dass selbst im Einrichtungsschlaraffenland die günstigen Dinge hässlich und die schönen teuer sind. 

Ich rechne und gucke und erkenne, dass es vielleicht doch nicht sein muss, einen Monatslohn aufzuwenden, nur weil ich geträumt habe, dass mein Geschirr zerbricht. Und dann setzt es ein, das Böse, der Diabolus, dieses serviettengewordenen Gezücht der Hölle. Fehler Nummer 1: Zu Beginn direkt einen Einkaufswagen geholt. Wegen Geschirr. Den dann nicht umgehend zurückgeschoben. Weil in diesem Geschäft irgendein Hormon verströmt wird, das Menschen zu Zombies werden lässt, die nicht anders können als: Ach ja, du wolltest doch schon dauernd für da und da einen neuen Teppich! Ui guck, das Kissen, das du schon ewig anschaust, ist endlich reduziert, da nimmst du doch gleich zwei! Und ey super, eine Reibe mit Auffangschale, und die ist auch noch verschließbar! Ich finde kein Ordnungsfach für den Schreibtisch, dafür aber einen neuen Mülleimer für die Küche, weil der alte, also nein wirklich!, schelte mich durch die Lampen, rette mich mit Ach und Weh vor der Bettwäsche und den Pflanzen, kämpfe mich unter Selbstgesprächen durch die Kerzen, weil es wird ja Herbst und Winter und da gibt’s doch nichts schöneres, und dann kauf ich Duftkerzen, dabei hasse ich Duftkerzen, aber das Kauf-Hormon legt neben Willen auch die Riechorgane lahm, und dann … sagt die nette Frau an der Kasse einen Preis, zu dem ich auch die dreifache Menge an Geschirr hätte erwerben können. 

Oder zumindest einen Vorhang, den man sich sinnvoll zur Abendgarderobe umnähen kann. Kommt spätestens am Freitag als Cape bei „Prinzessinnen & Superhelden“ in der Bar77 (Luitpoldstraße) gut. Nicht so gut vielleicht nebenan bei „Lui loves Hip Hop“. Mehr um Musik als um Garderobe geht’s bei den „Unknown Pleasures“ im Stereo (Klaragasse), was man mit Fug und Recht auch von „Querbeat“ in der KK (Königstraße) behaupten kann, nicht jedoch von der Indabahn (Bahnhofsplatz), die „1 Jahr Just Jack“ feiert, oder den „Girls on Top“ im 360° (Adlerstraße). Explizit um (Vintage-)Verkleidung wird tags darauf bei „Chili’s Swinging Beats & Sweets“ im Opera (Ostermayerpassage) gebeten, was genau der Dresscode „Kir Royale“ bedeutet, könnt ihr euch im Terminal (Flughafenstraße) anschauen oder lasst das einfach ganz und geht zu „Tune In“ in die Desi (Brückenstraße) oder in die MUZ (Fürtherstraße): Da steht die „Muckibude“ an und ihr bei zu spätem Erscheinen lange vor der Tür. Dabei könnte man sich allerdings auch in den neuen Teppich wickeln. Zum wärmen.

Samstag, 21. September 2013

Übergangsjacken

„Es war eine Mutter, die hatte vier Kinder: den Frühling, den Sommer, den Herbst und den Winter. Der Frühling bringt Blumen, der Sommer den Klee, der Herbst, der bringt Trauben, der Winter den Schnee.“ So lernte ich seinerzeit die Jahreszeiten, und es stand außer Diskussion, was klimatisch in den jeweiligen Monaten bevorstand. Passend hierzu verfügte der Mensch über drei Sorten Jacken: die unförmige, doch wärmebringende Winterjacke, die überflüssige und deswegen Nicht-Jacke für den Sommer sowie für die Zeit dazwischen die sogenannte Übergangsjacke. Nicht zu dick, bestenfalls wind- und wasserabweisend und mit einer frisurunfreundlichen Kapuze versehen. In drei- bis sechsmonatigem Turnus räumte man Jacken von der Garderobe in den Keller, um sie dann leicht modrig später wieder hervorzustauben. 
So. Schnitt. 
Das Jahr heute gestaltet sich mehr oder weniger wie folgt: Man wacht mitten im Winter auf und sieht sich überraschend mit einer Gluthitze von 20 Grad plus konfrontiert. Durch die schwitzt man sich einige Tage, bis man sich daran gewöhnt hat und dazu übergeht, die folgenden sechs Monate über verregnete Sommer und tropische Temperaturen zu klagen. Dann sagt der Kalender, es würde langsam mal vorbeisein mit diesem Sommer, man fürchtet sich vor Erkältung und Erfrierung, packt sich brav dick ein, um einige Wochen stets schwitzend mit sehr viel zu viel am Leib oder der Wolfgang Petry-Gedächtnistasche (Jacken, Pullis und Schals an den Henkel geknotet) durchs Leben zu wandeln. Wenn man das dann grade schön zu finden begonnen hat, wacht man morgens auf und die Welt ist ein grauer, unwirtlicher Frostklumpen. Ab jetzt hüllt man sich in Wolle und Funktionswäsche, versucht, so lang wie möglich die Inbetriebnahme der Heizung hinauszuzögern, um spätestens ab Tag zwei einzuknicken, und verflucht sich insgeheim für den festen Vorsatz, vor November keinen Glühwein anzufassen. Nun erkläre man mir bitte: Wofür, gleich wieder, braucht der mitteleuropäische, insbesondere der deutsche Mensch diese sogenannte Übergangsjacke? Die Modeindustrie möge sich doch bitte untertänigst darum ersucht fühlen, mehr Jacken des Modells „winterwarm und dennoch modisch tragbar“ zu erfinden. 
Bis es soweit ist, können wir also leider gar nicht anders, als uns selbst zu helfen, indem wir uns vornehmlich drinnen aufhalten. „Drin“ geht übrigens auch auf dem Altstadtfest, das ist nämlich mittlerweile flächendeckend in Plastikplane gehüllt. Der Rest macht Aprés-Ski im Hütterl, und wenn er das genug getan hat, geht’s los. Mit Geburtstag, schon wieder und immer noch, in der Rakete (Vogelweiherstraße). Die zählt stolze zehn Lenze, und da kann man schonmal zwei Tage durchfeiern. Oder eher vier, wegen After Hour. Und auch das Stereo (Klaragasse) hat immer noch Achtjähriges, zu dessen Ehre das „Blur DJ Set“ zu Besuch ist. Ebenfalls Geburtstag haben die „Mehrblick“-Raver und feiern das im B² (Bartholomäusstraße). Ohne Meer-, dafür mit Seeblick. Fürderhin wären da am Samstag die „ego FM-Party“ im 360° (Adlerstraße), der Herr Hantel mit „Bucovina“ im K4 (Königstraße), „80er Park“ (Berliner Platz), „Not An Alternative“ in der MUZ (Fürther Straße) und … öhm … ganz viele andere Sachen. Muss weg. Postmann hat grad geklingelt. Bringt neue Herbstjacke. 

Samstag, 14. September 2013

Spielzeugzigarette

Raucher sind der Wurmfortsatz der Menschheit. Darüber ist in jüngerer bis jüngster Vergangenheit ausreichend referiert worden. Rauchen schadet meiner Gesundheit und der meiner Mitmenschen, Rauchen lässt meine Haut altern und ist dem Spermatozoid ein Spermazid. Rauchen ist teuer und Raucher auch, Rauchen stinkt, Rauchen macht blind und tötet die Bienen. Raucher müssen leider draußen bleiben. Geraucht wird nur noch vor der Tür, vermutlich auch bald dort nicht mehr, auch nicht vor der eigenen, und geraucht wird hier und dort längst in gelbgekastelten Pranger-Planquadraten oder hinter Glas. Da kann man sich dann hinstellen mit dem Nachwuchs und auf den mitleiderregenden Süchtling im Nebel zeigen und sagen „Schau, mein Kind, der da, der ist so gut wie tot, und recht geschieht’s ihm!“ Dann steckt man dem so Belehrten eine vegane Süßigkeit ins Gesicht und zuppelt seiner Wege. 

Nun striff ich unlängst im hiesigen Tiergarten umher, um Gefangene beim Faulenzen und Eltern beim gestresst sein zu betrachten. Im und Streichelzoo war’s, als John Wayne meinen Weg kreuzte. Lässig o-beinte er ein bisschen vor mir her, an der aus dem Mundwinkel hängenden Kippe zog er mit geschlossenen Augen tief und genussvoll, in regelmäßigen Abständen wurde sorgfältig abgeascht. Der Cowboy reichte mir circa bis zum Knie. Die Rauchware war ein Kaugummi. In Zigaretten-Optik. Da frag ich mir: Was ist jetzt da los? Ich rauche stundenlang nicht, wegen Vorbild und Müll, derweil der Kunden-Nachwuchs auf korrekte nikotinaffine Körperhaltung getrimmt wird? 

Hat die Mama da ihre Brille verlegt und statt der Dinkel-Salzletten die Spielglimmstengel in die umweltbewusste Tupperware gepackt? Hat am End der Kiosk-Betreiber über die letzten 25 Jahre nicht nur Leckmuscheln, Tubengummi und grüne Alien-Knalldinger im Sortiment sorglos weiterbestellt, sondern auch die guten DOK? Da möchte ich aber kurz den Hinweis geben, dass der Fortschritt auch hier nicht Halt gemacht hat: Im diesem wunderbaren Internet gibt’s auch Kaukippen, die Rauch simulieren können. Das wär doch was. Ein großer Rauchnebel überm Kletterpark. Sieht dann fast so aus wie vor den Clubs der Stadt. 

Aber wir wollen ja lieber wissen, was sich innen abspielt. Der Raketen-„Kiss Klub“ (Vogelweiherstraße) wird zehn Jahre alt, das Stereo (Klaragasse) acht. Rauchen dürfen beide längst nicht mehr, aber dafür feiern. Im 360° (Adlerstraße) gibt’s keine Kaugummis, stattdessen „Zucker“, beim „Mädelsabend“ in der Bar77 (Luitpoldstraße) Prosecco und nebenan im King Lui beim „Latino“ kreisende Hüften. Damit tun sich die Ersatzgelenke in der Kulturkellerei (Königstraße) schwer, machen aber trotzdem „Querbeat“. Am Samstag wird ab 21 Uhr aus „Offen auf AEG“ ein „Dicht auf AEG“ in Halle 18 (Muggenhofer Straße), in der Indabahn (Bahnhofsplatz) ist überraschenderweise „Dein Samstag“, in der Mitte (Hallplatz) „Eine Nacht“, und wie sich „Klubnacht“ und „Clubnacht“ auf Mach1 (Kaiserstraße) und Bar77 verteilen, findet ihr am besten selbst heraus. Vielleicht mit Hilfe eines FCN-Schals. Das Ergebnis könnt ihr dann ja mit Rauchzeichen verkünden. 

Samstag, 7. September 2013

Urlaub

Das Kolumnistenleben ist hart und entbehrungsreich. Stets wabert das Schwert des Damokles zitternd über dem rauchenden Schädel: Was sollen die Menschen nur tun, wenn ich einmal nicht (mehr) bin, um sie anzuleiten für eine ersprießliche Freizeitgestaltung? So sitzt man also, den missmutigen Blick übers wogende Meer schweifend, an einem Strand, außenrum das Hosianna der Glückseligkeit, und hat einzig Sorgen um das Wohlergehen der Daheimgebliebenen. Der strahlende Himmel verschleiert sich, das kühle Nass wird zur Untiefe voller garstiger Ungeheuer, die mir nach dem Leben trachten. Darf. Mich. Keiner. Gefahr. Aussetzen. Muss. Arbeiten. Dem Heiligen Georg gleich stelle ich mich tapfer dem Kampf mit der giftigen Schlange, durchschneide die meteorologische Apokalypse stehenden Hauptes, behaupte mich listig gegen den drohenden Stachel des Skorpions und rette nebenbei noch das ein oder andere Leben in dem Ansinnen, das Karma-Konto ins Plus und meine körperliche Unversehrtheit auf die sichere Seite zu bringen. Nichts vermag mich von meiner Mission abzuhalten, den armen, sich vor Gram windenden Menschlein im fernen Städtchen einen Funken Freude ins zarte Antlitz zu schreiben. 
Finstere Täler durchschreite ich ebenso wacker wie ich den Gipfel erklimme, dem Gezeitenwechsel trotze ich ebenso wie dem der Klimazonen, und rette mich geschwind und flink über Serpentinen und reißende Abgründe unter ein Dach über dem Kopf, um das herum es noch so zwitschern, zirpen und scheinen kann – die Mission, die es zu erfüllen gilt, habe ich stets vor Augen, der einer an einer Angel befestigt vor dem Esel schwebenden Möhre gleich. Die Gefahr des Abschweifens besteht also ausnahmsweise einmal nicht, und so steigen wir direkt in (für korrekte lateinische Konjugationsreihen bleibt keine Zeit) medias res und schicken mit der Magie der technischen Errungenschaften die Hilfestellung fürs Wochenende direkt auf euren Frühstückstisch. 
Es mag einem zwar vorkommen, als wär’s erst gestern gewesen, doch in Wahrheit sind schon wieder Monate vergangen seit dem letzten Mekka für Trempler, Händler und Plünderer: Auf geht’s in die City, zum Graffl wegbringen oder Neues erstehen, und wenn das nichts wird, so soll der ein oder andere schon ein gutes Taschengeld verdient haben mit dem Abverkauf des eigenen Getränkeproviantes. Freitagnachts und samstagmorgens, ist also für Frühaufsteher wie Nachteulen gleichermaßen drin. Wohl eher weniger kreuzt sich mit dem Trempelmarkt der Weg all derjenigen, die sich von Freitags bis Sonntag zum „Badefesaison Kultifestival“ in die Künstlerkolonie des alten Flussbades nach Fürth (Badstraße) aufmachen und sich dort den Spätsommer gefallen lassen. Ein anderes Festival ist in Nürnberg und zwar rund um die Königsstraße: das „Bermudaviereck Festival“, allerdings nur eintägig. Desweiteren wäre im nagelneuen King Lui „Luitpoldstraße“ der „Lui Lipstick“ nachzuziehen, während im nicht mehr ganz so neuen Stereo (Klaragasse) die umso neuere Reihe „Bada Bing“ eins aufspielt. Die Desi (Brückenstraße) macht derweil in bester Hände-hoch-Manier den „Goodnight Circus“, und das ist ein gutes Stichwort, denn schnell gehen wir zu Bett und stehen erfrisch am Samstag wieder auf dem Parkett. Zehn Jahre macht die Rakete (Vogelweiherstraße) schon auf „Rigorös“ – dem bleibt kaum was hinzuzufügen außer vielleicht ein Aspirin plus C. Plus C ist auch die „Clubnacht“ in der 77 (Luitpoldstraße), plus K hingegen die „Klubnacht“ im Mach (Kaiserstraße), mit Rock der Hirsch (Vogelweiherstraße) bei der „Maximum Rock Night“ und wenn mit Rock, dann aus Lack und Leder die „Kunst und Sünde“ im Kult „Dooser Straße“. So. Das muss reichen. Muss. Mich. Erholen.