Mittwoch, 26. September 2018

Reise(whatsapp)gruppe

Der in der Beliebtheitsskala der geistreichsten Poesiealbumssprüche mit im oberen Drittel rangierende Billigaphorismus „Freunde sind wie Familie die man sich selbst aussuchen kann“ suggeriert auf hintersinnige Art und Weise, dass Familie ein Graus ist, dem man sich höchstens aus Zwangsgründen gelegentlich annähern muss. Davon ausgehend kann ich mich scheint’s glücklich schätzen, befinde ich mich doch inmitten einer medusenhaften Familie, die zwar weitflächig verteilt ist, dank eines weiteren Sinnspruchs aber zusammenhält wie Pech und Schwefel, obgleich um ehrlich zu sein diesem Spruch eine Modifikation à la „Grüner Veltliner ist dicker als Wasser“ zugestanden werden sollte. Eben diese Familie kommt an diesem Wochenende aus, wie soll es anders sein, Festivitätsgründen zusammen, und in Anbetracht der vorausgehenden Planungen bin ich geneigt, weniger von einer „Zusammenkunft“ als vielmehr von einem „Aufeinanderprallen“ zu sprechen. Seit, ich habe nachgeschaut, sechs (!) Monaten wird auf allen verfügbaren Kanälen geplant. Hierzu zählen neben gängigen Telefonaten, mehrfachen brieflichen Aufforderungen und der Pflege einer Facebook-Seite selbstverständlich auch die Kommunikation in mindestens sieben verschiedenen Whatsappgruppen, deren Vielzahl natürlich legitimiert ist durch unterschiedliche Reiseteams, deren Zusammensetzung aber leider Spontanmutationen erleiden können, weswegen eine neue Reisewhatsappgruppe gegründet und dem oder der Hinzugekommenen alles von vorne erklärt werden muss, derweil Separatisten gelegentlich aussteigen und eigene Pläne wie eine Anreise mit dem Fahrrad ergründen, nur um nach intensiven Gesprächen die Unsinnigkeit des Unterfangens einzusehen, reuig in den Schoß der Gruppe zurückzukehren und sich alles mittlerweile Geschehene aber natürlich zusammenfassen lassen zu müssen. Vorangetrieben wird die Konstruktivität der Vorbereitungen durch vereinzelte bis mehrfache Wortmeldungen solcher Personen, die zwar nicht planen, wohl aber ein Wörtchen mitzureden haben wollen anstatt sich möglicherweise einfach leise in ein sorgfältig konzeptioniertes Schicksal zu ergeben („Wann wollt ihr morgen gleich wieder losfahren?“ – „Am Donnerstagmittag, wie ich seit einem halben Jahr sage.“ – „Ja aber wie wäre es denn eigentlich mit Freitagmorgen?“). Weil mir das zu langweilig wird, hab ich begonnen, in die Schaltzentrale neugierig-freundliche Fragen zu stellen, wie beispielsweise die nach der Unterbringung von 25 Personen und ob mich der Schein trügt, dass ich mich vorsichtshalber in einer Obdachlosenpension anmelden, sicher aber ein Zelt mitnehmen sollte. Kam nicht gut. „Es ist alles geklärt, was regst du dich so auf?“ kam prompt die Antwort. „Ich reg mich gar nicht auf!“, hab ich mich aufgeregt und weiter mit wissenschaftlichem Interesse an meiner Chaostheorie gestrickt. „Die Katharina“, hat dann jedoch ein weiser Mensch angeführt, „regt sich wirklich nicht auf. Die sammelt nur Stoff für 25 Glossen.“ Ein empörender Verdacht, ich bete sogleich drei Rosenkränze. Und erlöse mich nicht von den Bösen, sondern führe mich bitte gerne in Versuchung … 

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