Ich bin ja immer bestrebt, das dunkle Tal des Unwissens, durch das meine Mitmenschen zu wandern verdammt sind, mit Fleiß und Hingabe zu erhellen. Mit wie großer Hingabe und unter welch großem Einsatz meines Lebens, das konnte ich jetzt erst wieder demonstrieren. Falsch: Kann ich immer noch. Seitdem ich denken kann, fühlen Menschen sich dazu animiert oder gar verpflichtet, mich auf meinen Teint anzusprechen. Bedauerlicherweise aber weniger in der Form „Ui, siehst du aber rosig, glatt und gesund aus!“ Ganz im Gegenteil. Was geistreich mit „Ich dachte, du warst im Urlaub. Wo denn? In Sibirien?“ beginnt, geht über in ein besorgtes „Du, ich glaub, du musst dich mal einschmieren“ und endet gern in einem überzeugten „Boah hast du einen Sonnenbrand.“ Es gibt solche, die nennen mich „Pommes Schranke“, weil sie meinen, mein natürliches Platinblond konkurriere empfindlich mit meinem Hautton. Es gibt solche, die, wann immer sie mich sehen, mir auf dem Dekolleté herumpieken und sich über das Farbspiel diebisch zu freuen. Auch nach über zehn Jahren noch. Wie auch immer sich die Anteilnahme auch gestaltet – es gibt garantiert immer irgendwas zu kommentieren. Einen vorläufigen Höhepunkt erreichte dieses Mitteilungsbedürfnis in einem Drogeriefachgeschäft, dessen Kosmetikabteilungsfachverkaufsangestellte ich um eine Kriegsbemalungszutat ersuchte. Anstatt mir das gewünschte folgsam auszuhändigen, verzog sie im Übermaß erschrocken das Makeup und rief „Sie müssen aus der Sonne!“ Ich blickte aus dem Fenster: weit und breit ein dichter Wolkenteppich, aus dem Wasser sprudelte. Wie seit Wochen. „Das ist kein Sonnenbrand, das ist …“ wollte ich sagen, doch die Fachfrau wusste es besser, beriet sich absichernd mit der anderen Fachfrau in Gestalt irgendeiner Kundin und kam zu dem Schluss, ich habe schwere Verbrennungen erlitten und könne nur gerettet werden mit einer Spezialcreme. Schicksalsergeben nahm ich die entgegen, las „extended thirst relief“ und fühlte mich alsgleich befleißigt, mein knappes Überleben mit einer hübschen Weinschorle zu feiern. Wie es der Zufall will, war ich aber neulich mal in einer Freibadeanstalt. Nach drei Stunden Wind und Wolken durfte ich in einem Spiegel ein großes Ungemach in Form eines weißen Bikinioberteils auf karmesinrotem Grund entdecken. Seitdem trage ich stolz und weit ausgeschnitten meine Trophäe mit mir herum und sage jedem Menschen, dem ich begegne: „Sieh genau hin! DAS ist ein Sonnenbrand! Und NUR das!“ SO! Und ja, es tut schweineweh. Muss thirst und pain reliefen.
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