Freitag, 15. Juli 2016

Bastelbiber

Es gibt viele Gemütszustände, die nicht zu meinen liebsten gehören. Durstig beispielsweise, frierend, eine Nahtoderfahrung absolviert. Muss nicht sein. Neuerdings hab ich aber einen weiteren auf dieser Liste, und zwar sehr, sehr weit oben. Der Zustand heißt „fachfremd und überberaten“. Ich hatte ja nicht gescherzt, als ich verlautbarte, mein Habitat zu wechseln, um fürderhin die Sperenzchen der Außenrumbewohner (FKKler, Bonzen, Terroristen) niederschreiben zu können, ohne um mein eigen Leib und Wohl fürchten zu müssen. Ist ja ein stetes Leben am Limit, so. Weiß man nie, wer mit einem Auge Zeitung und mit dem anderen Klingelschilder liest. Behält man die besten Geschichten vorsichtshalber mal für sich, hortet dabei also Stoff für 17 Jahre. Das geht aber auch schneller, lerne ich gerade, nämlich, indem man einer heiteren, spezialspeziellen Einrichtung den ein oder anderen Besuch abstattet: „Baumarkt“ heißt der lastregalgewordene Schrecken. Yippiejaja-yippie-yippie-jessasmariaundakloansstückerljosef, was hab ich nur getan? Als die magischen Worte „Entrümpeln“, „Kisten packen“ und vor allem „Renovieren“ fielen, reagierte mein Körper spontan und unkompliziert, indem er sich in Embryonalhaltung unters Bett warf, sich dort selbst im Arm hielt und mit aus Micky-Maus-Kopfhörern erklingenden Pumuckl-Mären darauf wartete, dass der Gottvater vom Olymp herabsteigen und alles regeln würde. Nach zwei Wochen in dieser gemütlichen Position musste der Körper jedoch einsehen, dass die Reaktion womöglich gewissermaßen realitätsfremd war, und so stieg statt des Vaters er selbst hinab in den Höllenschlund der Heimwerkerei, um sich dem Kampf der dort lauernden Kerberusse zu stellen. Und als genau so vielköpfig wie die mythologische Töle erweist sich dasjenige, was unter dem Tarnnamen „Fachberater“ in den Baumärkten der Region herumtrödelt. „Wie, wo, was“ weiß nämlich vielleicht der Bastelbieber, nicht aber seine Adlaten. Moment, ich korrigiere: Wissen sie schon, aber jeder halt was anderes. Eine gar nicht kurze, sondern in ihrer Dezidiertheit beeindruckende Umfrage zum Thema „PVC verlegen“ ergibt beispielsweise bei drei Versuchspersonen fünf unterschiedliche Aussagen, auf deren Zenit man sich dabei beobachtet, wie man den Fachberatungsauszubildenden im 1. Lehrjahr selbst in der Kunst der Verlegerei unterrichtet und ihm nebenbei noch charakterliche Grundzüge des Polyveniylchlorids und dessen Derivaten vermittelt. Plötzlich erscheinen einem 70 Jahre alte, leimverschmierte, braun-orange-karierte Plastikfließen aus einer trendigen Vintage-Perspektive gar nicht mehr so übel. „Freu dich doch“, sagte eins, „da sammelst du Stoff für locker drei Monate Glosse.“ So sei es! Und dann geht’s den Nachbarn an den Kragen. Halt – den Ex-Nachbarn! Darauf ein Prosit der Ungemütlichkeit! 

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