Ich befinde mich seit einiger Zeit in der auch für mich etwas überraschenden Position eines Behaviouristen. Und zwar nicht der landläufigen, nachgerade öden, die sich mit den spaßigen Eigenheiten der Menschheit im Allgemeinen beschäftigt, sondern sich der Erforschung einer ganz speziellen Gattung widmet: dem Pubertier. Seitdem verspüre ich in regelmäßigen, obgleich kürzer werdenden Abständen das zwingende Bedürfnis, meine eigenen Eltern aufzusuchen, mich vor ihnen auf den Boden zu werfen und inständig um Verzeihung zu bitten. Zu Beginn der Forschungen war das Pubertier noch ein süßes kleines Irgendwas. Doch schickte es sich von einem Tag auf den anderen an, dem Wahnsinn anheimzufallen, der einen urplötzlich verstehen lässt, worin sich das mit der Praktik des Exorzismus mutmaßlich begründet. Vielleicht auch des Waterboa… ach, nein. Jetzt ist es freilich so, dass ich eine eigens neueingerichtete Wochenspalte mit den ersprießlichen Erlebnissen füllen könnte, doch wird das zum einen dem vom Taifun der Hormone gebeutelten Kind nicht gerecht, zum anderen ist es, um bei der Wahrheit zu bleiben, bei genauerer Betrachtung in situ furoris weniger zum Lachen als viel mehr zum Allesandere angetan – wenngleich ich durchaus geneigt bin, ein Experiment zu starten, um zu erkunden, was wohl passiert, wenn ich im Moment größtmöglicher Seelenpein des Pubertiers in adäquat schallendes Gelächter ausbreche. Wenn ich mich nämlich erinnere an und unterhalte über meine eigene Umbauphase, muss ich mich schon fragen, wie meine Eltern das 1. überhaupt und 2. ohne permanentes Michauslachen überstanden haben. Wobei ich nicht sicher bin, ob es sich nicht in Wahrheit so zugetragen hat, dass sie sich tatsächlich ständig über mich totgelacht haben, ich aber nichts davon bemerkt habe, weil ich voller Qual über mein eigenes grausames Dasein als hauseigener Putzsklave, gefesselt an schmerzende Ketten der Reglements und Unterdrückung in der Teeniehöhle schmorte, zwischen medizini-Postern und an die Wand gepinselten Anarchie- und Revolutionsaphorismen hinter trotz strahlenden Sonnenscheins zugezogenen Vorhängen im dramatischen Kerzenschein Kuschelrock 2 hörte und die hier versammelte, all meinen Weltschmerz erkennenden Poesie sorgsam und unter Zuhilfenahme aller Farben der Stabilo Point 88-Reihe auf Papier übertrug als niemals abzusendenden Brief an meine einzig wahre Liebe, die am Tag zuvor in Gestalt eines neuen Referendars erschien und mich den Schmerz über die nichterwiderte Liebe des vorherigen Referendars vergessen ließ. Man sieht schon: Auch ich hatte es nicht leicht. Vielleicht doch eine neue Reihe: „Memoiren einer Verrückten“. Wie unbeschwert es sich doch 20 Jahre später durchs Leben tanzt.
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