Freitag, 17. Juni 2016

Ü30

Letzthin von einem Plakat angefallen worden. Knatschschreiendneongelblaut biss es mich von links ins Gesicht: „DIE LEGENDÄRE Ü30 PARTY!“, und kurz machte mein junges Herz einen freudigen Hüpfer. Supergeil, dachte es sich, da gehst mal wieder hin, das war schon immer arg lustig. Liebevoll „Resterampe“ genannt, hatten wir einen Heidenspaß auf dieser Veranstaltung, die Zeit meines Erinnerns mit diesen sagenhaft simplen, sagenhaft aufdringlichen Plakaten wirbt. Gingen wir da also hin und waren strahlend schön, feierten unser eigenes Fest. Lachten uns kringelig über die spießigen, dämlichen, gestrigen Klamotten der anderen, konnten uns kaum halten vor Freude über die peinlichen Tanzschritte von Annodazumal, wurden von Stunde zu Stunde böser und fieser, ließen uns anbetteln von Männern, uns einen Drink spendieren zu dürfen, sagten „Meinetwegen, aber dann lass ich dich auch schon wieder stehen“, und taten genau das. Kokettierten mit den Einsamen und feierten unsere Unverwundbarkeit, badeten in den sehnsuchtsvollen Blicken der ewigen Singles mit den hohen Stirnen, rieben uns in nicht enden wollendem Schabernack die Hände, ließen uns erobern und die Eroberer sofort wieder fallen und jägermeisterten auf die große Erfindung der Botschaftentafeln, die uns befähigte, Männern, die wir gar zu armselig fanden in ihrer bloßen Existenz, Zettel zu hinterlassen, um dann aus einem gar nicht mal so guten Versteck heraus zu beobachten, wie der Bezettelte in ungläubig freudiger Erregung die Botschaft abzuholen eilte, an deren Ende auf Seite zwei stets von uns das Feld „… dass das natürlich alles nur ein Scherz war“ angekreuzt war, um uns sofort dem nächsten Opfer zuzuwenden, den faltigen Frauen, denen die Torschlusspanik im Gesicht im Takt der Stroboskope fluoreszierte. Und fielen raus im Morgengrauen und waren fix und alle und wunderschön. Ja. Das war prima, damals vor 15 Jahren, dachte ich, und verwarf spontan die Idee, die legendäre Ü30 Party nochmal zu besuchen, deren Plakatierung aus fünf Kilometern Entfernung „Verzweiflung“ schreit. Weil jetzt auf einmal und von mir völlig unbemerkt tät ich da erstmals rechtmäßig hingehören, und da muss man sich mal vorstellen, es gäbe vielleicht genau solche Kackbratzen, wie wir damals waren, heut auch noch, und die kämen dann da hin und führten sich auf als gehörte ihnen die Welt, obwohl sie nichts, aber auch gar nichts wissen von dieser, und schlawanzeln lästig um uns herum und nerven mit ihrem Kleinmädchengekicher und ihren lächerlichen Modeopferklamotten und kreischen laut die Lieder mit, die sie höchsten in der fünften Coverversion von David Guetta kennen. An den Ohrwascheln tät ich die da rausziehen. Nein, also – wirklich nicht. 

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