Freitag, 2. September 2016

Kidnapping

„Sagt“, investigierte ich eifrig im vertrauten Urwald, „habt ihr eigentlich nicht ununterbrochen lachen müssen?“ – „Also um ehrlich zu sein“, schüttelte es traurig aus zwei Köpfen, „nein. Eher war es eigentlich so, dass ich mir tagtäglich geschworen habe, nienieniemalswieder mit dir in einen Urlaub zu fahren.“ Nach einem kurzen Moment der Erschütterung – ich mein, das muss man erstmal verkraften, so ein Geständnis – gewann meine Wissbegier Oberhand und ich wollte alles hören. Dass so ein Familienurlaub im kritischen Kindesalter sich keineswegs nach Erholung, sondern in eklektischer Manier nach Entführung anfühlt, daran war meine Erinnerung recht klar. Bitte, man wird gezwungen, gegen seinen ausdrücklich geäußerten Willen mit Menschen, die man kaum kennt und die man meistens abgrundtief verabscheut, weil sie einem ausschließlich das Leben vergällen und nichts gönnen, erst in einem Auto eingesperrt zu sein und dann ungefähr sieben Monate lang an einer zwar unsichtbaren und langen, doch durchaus vorhandenen Leine durch einen Urlaub geführt zu werden, was soll das anderes sein als Entführung? Freiheitsberaubung, wird man schließlich weiterhin gezwungen, durch fremde Landen zu latschen und die Einheimischen durch seine blanke Existenz als Tourist zu belästigen, weil die Entführer müssen sich ja per entsprechender Standardausrüstung (Bauchtaschen, Bequemschuhe, Sonnenschirmhauben) als solche zu erkennen geben, und da hilft auch ein sorgsam eingehaltener Sicherheitsabstand von fünf Metern nichts, denn während man diskret den Blick nach unten gerichtet hält, glotzen die Entführer ja durch glänzende Linsen um jede Ecke, um beim Anblick eines jeden einheimischen Hundstrümmerls laut aufzujauchzen. Wahlweise die Tarnung als desinteressierte Coolness durch wahnwitzige Fragen à la „HAST DU JETZT EIGENTLICH DEINE LATEINSACHEN DABEI?“ auffliegen zu lassen. Ich mein, das ist doch klar, dass man im Anschluss an solche Demütigungen „… und dann den ganzen Tag von Kopf bis Fuß in Schwarz gehüllt mit diesem depperten Kapuzenpulli sogar am Strand, und nur mit Leidensmiene mit deinem scheiß Walkman und Tagebuchbriefe schreiben an die Dings, aaah geht’s mir schlecht, aaaah ist das furchtbar, während alle Welt ausschließlich damit beschäftigt war, die ein Mordsfreizeitprogramm zu basteln, Töchterchen!“ Ja, was soll man da noch sagen, außer beschämt zu verstummen und demütig anzubieten, den Altvorderen die Füße zu waschen? Ach so, naja, alternativ auch: Bin ich froh, mich nicht selbst erlebt zu haben! 

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