Entspannt schloss ich die Augen, lauschte dem Stimmengemurmel um mich herum und ließ mich hinforttragen von der beruhigenden Geräuschkulisse und den sanft ruckelnden Bewegungen des Fließbandes, auf das ich mich ermattet hatte sinken lassen, nachdem ich ein kurzes Erfrischungsbad in der Käsetheke genommen hatte und meinen Jutebeutel befüllt mit frischem Obst und Gemüse, dessen Halbwertszeit bei ungefähr 47 Minuten liegt, als Brutstätte für allerlei Geziefer jedoch bestens geeignet ist, um erst selbiges im schwarzgrauen Bett aufzubahren und mich gleich hinterher, um mit letzter Kraft nach dem Warentrenner zu greifen und mich von ihm hinfortziehen zu lassen, ganz nach Art des Delfinschwimmens, nur ungleich weniger jauchzend.
„Kann nicht“, atmete ich schwer in Richtung der Hochgeschwindigkeitswarenscannerin meines Vertrauens, während ich geschmeidig wie eine Seegurke die Schlange der übrigen Einkäufer überholte, „dieses ‚Sommer‘ bitte endlich vorbei sein?“ – „Ja“, schrie sie mit aller Gewalt in den auf ihr Gesicht gerichteten 800-Watt-Ventilator an, „es reicht jetzt wirklich mal!“ Von soviel Zuspruch beseelt wollte ich grade wieder die Augen schließen, um weitere zwei Meter in einer kurzen Siesta zu verleben, als an mir vorbei erregte Stimmen dümpelten. „Also wirklich!“, empörte es sich, „Wie kann man denn sowas nur sagen? Da soll man doch lieber mal froh sein, dass endlich mal einer ist, also ein Sommer, wo’s doch sonst immer nur so kalt ist bei uns!“ Widerstrebend öffnete ich meine zentnerschweren Lider und blickte in zwei mittelalte Antlitze, so weiß wie der Mozzarella, auf dem mein Haupt ruhte, und so wenig vom Wetter gegerbt wie der Schustersmann, der seit Dekaden im Keller eines Einkaufszentrum sein kellerasseliges Dasein fristet.
„Ja freilich! So schaut ihr mir aus, als hättet ihr auch seit Wochen nur damit zu tun, noch vor Sonnenaufgang das Haus ins Draußen zu verlassen und erst kurz vor Sonnenaufgang wieder zu betreten. Als könntet ihr euch zwar dunkel erinnern, dass die Staubfänger in eurem Wohnzimmer so ähnlich heißen wie Kanapee und Fernsehgerät, nicht aber, wofür man sie gleich wieder braucht. Als wärt ihr die ersten Monate des Sommers nur damit beschäftigt gewesen, die ‚wenigen schönen Tage‘ zu nutzen um im weiteren Verlauf bis heute ‚die letzten schönen Tage‘. Als müsstet ihr immerzu auf allen das-müssen-wir-ausnutzen-dass-das-Wetter-so-schön-ist-Draußenhochzeiten gleichzeitig tanzen, siebzehn wer-weiß-wann-das-wieder-geht-Grillveranstaltungen pro Woche besuchen, alle Biergärten-und-draußen-sitz-wegen-schön-Örtlichkeiten der Stadt möglichst an einem Abend zu frequentieren. GENAU SO SEHT IHR MIR AUS!!“ Dachte ich, während mich das Fließband unbeirrbar über den Barcodescanner schob und von dort aus in den Einkaufswagen, aus dem ich schweigend meine Münzen nach oben streckte. Und kurz darauf höchst beglückt die Wetteraussichten für ab jetzt dann bald zur Kenntnis nahm. Endlich wieder Herbst, endlich wieder drinnen!
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