Ich weiß überhaupt nicht, was immer alle haben mit diesen Flüchtlingsheimen. Die Wohnqualität sinke, die Immobilienpreise auch, das Viertel überfremde, die marodierenden Horden brandschatzen, die Lärmbelästigung steige ins Unermessliche, keine Jungfrau sei mehr sicher et cetera. Ich mein, die Argumentationskette als solche ist schon korrekt, so ist das ja nicht. Jeden einzelnen Punkt der Sorge kann ich in vollem Umfang nachvollziehen. Allein sie bezieht sich auf das falsche Sujet. Der wahre Feind einer jeden Gegend nämlich kommt in einem gänzlich unschuldigen Gewand daher und zeigt seine Teufelshörner erst, wenn sich alle in Sicherheit wähnen: das Studentenwohnheim. Und zwar das neu gebaute.
Mit schreckgeweiteten Augen darf ich seit rund einem Jahr Zeuge dieser Begebenheit werden. Eigentlich sind die Augen eher blutunterlaufen und die Ohren schreckgeweitet, beginnt der gemeine Handwerker sein Tagwerke doch gern mitten in der Nacht und schert sich nicht darum, ob anständige Leute vielleicht am Vorabend schwere Netzwerkarbeit geleistet haben. Gewissermaßen kann man hierfür aber dankbar sein, hat das Gewerk mich doch zu einem feinen Frühaufsteher erzogen, der auch als Fünfstundenschlafzombie halbwegs patent durchs Leben schlurft. Zu Beginn der Bauarbeiten hab ich noch gewitzelt: Haha, da wird der Student sich aber umschauen, wenn die alte Frau von Gegenüber ihm den wichtigen Studierschlaf raubt, weil sie nächtelang feiert und hämisch mit dem Rotweinglaserl ins Studierzimmer winkt! Je näher der Zeitpunkt des Einzuges rückt, desto kleiner wird die Häme.
„Wir ziehen aus“, sprach jüngst ein Alteingesessener nebenan. „Solltest du auch tun. Allein schon diese ständigen Grillpartys – boah …“ Da ging ich in mich. Und auf die Suche: 41 1- und 2-Zimmer-Appartements, steht zu lesen, würden künftig mein Seelenheil bedrohen, und schlimmer noch: „Den Studenten werden … ein großzügiger Gemeinschaftsbereich im Dachgeschoss mit Dachterrasse sowie ein attraktiver gemeinschaftlich nutzbarer Grünbereich geboten.“ Passend hierzu wirbt der Anbieter mit dem Slogan „In 60 Sekunden aus dem Bett in die Uni“! Sodom und Gomorrha, da kannst dir aber vorstellen, was los ist. Der Student, ausgestattet mit Vollmöblierung, Tiefgarage und, so lassen es die neuerdings umherschwirrenden Porschemakler vermuten, ordentlich Taschengeld, wird hier marodieren bis zum Morgenrot und dann in die Uni torkeln. Er wird das Viertel überfremden und mit schwieriger Kultur überziehen, keine Jungfrau ist mehr sicher, die Lebensqualität sinkt, alles wird ganz fürchterlich. Wo doch jeder weiß, dass der Student hedonistisch, stinkendfaul, egoistisch und überhaupt ein gänzlich unheilvolles Gewächs ist. Ich glaub, ich schau schnell, ob ich eine andere Wohnung finde. Vielleicht ja in der Rettystraße.
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