Seit zwei Wochen ruft der Berg. Alles rennet, rennet kotzet, der Mensch schwankt – erst zwischen Abscheu und Sehnsucht, später stehend auf einer Bank, holleradidudeldö. Auch mich hatte unlängst der Berg gerufen, und Prophet, der ich bin, folgte ich sogleich. Allerdings nicht nach Norden, sondern tief nach Süden, mit dem Finger auf der Landkarte abwärts, topographisch jedoch ging’s rauf. Nämlich auf die Alm. Da gibt’s koa Sünd, wohl aber den Pfad der Erkenntnis, und wurd‘ sogleich beschritten. So ähnlich jedenfalls. Man kennt das: „Bergretter verunglückt!“, wird gelegentlich vermeldet, man liest dann kopfschüttelnd von irgendwelchen Gruppen, die aus einer Stadt gekommen und umeinandergekraxelt sind und dann Knöchelbruch und Absturz und auweh. Hab ich mich immer erinnert gefühlt an Menschen, die aus Bussen gespuckt am Burgberg stöckeln, und gefunden, dass das eh saudumm ist. Aber eine o.g. hochalpine Verunfallung, hab ich gefunden, das ist schon also wirklich Darwinismus par exzellohs. Jetzt sagen wir einmal so: Ich weiß jetzt vielleicht doch, wie das geht. Nämlich so: Stadtmenschen haben Geburtstag und darum Hütte. Weil. Sie sind voller Liebe, Wein und Gesang, doch auch voller Tatendrang, und so folgen sie dem „Sonnenweg“, weil die Almfrau hat gesagt „Nette kleine Wanderung, 90 Minuten, Einkehr oben möglich“, und was willst du mehr, also schön Turnschuh an und vielleicht einen Apfel und ein Keks hinein ins Tascherl, weil bist du eh gleich wieder zurück. Bist du dann noch gleicher zurück, weil Sonnenweg geht in zwei Richtungen, aber rechts war’s auch schön und wenn schon zurück an der Basis, so vielleicht doch lieber Wanderschuh und kleines Wasser – Glück auf! Bergauf zwar, doch es ist Sonne, Wiese, Wetter, und du eine Gams, eine kurzatmige zwar, doch es ist ja nicht mehr weit, denkst du an der zweiten Rast beim dritten Wasserlauf nach 90 Minuten. Doch siehe da, ein Schild verkündet „Abkürzung“, im für Bergwanderungen sehr geeigneten Google Maps siehst du dich in der Wahl bestätigt. Nach weiteren zwei Stunden bist du keine Gruppe mehr, sondern nur noch Einzelkämpfer. Du setzt einen Fuß vor den anderen, nach jeder Kurve kommt die nächste Steigung, von einem Gipfel keine Spur, von den Mitläufern findest du Kekskrumen und Schweiß am Boden; gefangen in der ewigen Step-Aerobic. Du hast großen Zorn. Auf Natur im Allgemeinen und Berg im Speziellen, auf Abkürzungen und unbefestigte Klettersteige, und während du über dem Abgrund an einer Wurzel entlang dich hangelst, sagst du im Wahn der Verzweiflung dein Mantra auf: Einkehr. Einkehr. Schnitzel. Weißbier. Einkehr. Mit letzter Kraft robbst du auf allen Vieren eine erdige Steilwand hinauf, die letzte Abkürzung, endlich winkt der Lohn nach fünf Stunden hartem Kampf. Du rennst, fliegst den festen Weg entlang. Eine weitere Stunde später bemerkst du klug, dass Bergalmen selten unten, meistens oben – und sämtliche Teilnehmer der Wanderung kurz vor dem Ziel falsch abgebogen sind. Du wirfst dich auf den Boden und weinst. Wie es weiterging, erfahrt ihr nach der nächsten: Maus. Aber nicht der Wilden!
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