Freitag, 11. Oktober 2019

Unruhen

Ich hab jetzt das mit diesen potenziellen Gammeltagen noch einmal einer Prüfung unterzogen. Auf meinem weitestgehend vom Staub befreiten Kanapee, wo ich mir dann mit Schaufel und Spitzhacke so eine Sitzbucht hineingesteinmetzt hab, bin ich geruht. Ganz ruhig war ich, wirklich, ich hab Buch gelesen und Zeitung und auch noch Käseblätter und Werbezettel und dann die Zutatenliste vom Entspannungstee und die vom Recyclingklopapierrecycling und dann noch alte Kalenderblattsprüche. Dann hab ich aus dem Fenster geschaut und Wolken gezählt. War aber nur eine große, also bin ich relativ zügig durch gewesen mit der Bestandsaufnahme und hab dann direkt weitergemacht mit der Außenverschalung vom Gegenüberhaus, 60 Platten sind’s, eine hat einen Makel in der Fuge, jetzt kann ich da nie wieder hinschauen. Dann hab ich also weiter geruht, eher so äußerlich, innerlich hab ich schon angefangen zu überlegen was man vielleicht Sinnvolles tun könnte, und dann hab ich überlegt, was man vielleicht – Pfeif auf Sinn! – überhaupt tun könnte. Kaum hab ich mir die innere Erlaubnis erteilt, den Zustand der Unruhe zu verlassen, hab ich – also kennt ihr das wenn Hunde an der kurzen Leine laufen müssen aber außenrum riecht’s überall so prächtig und schnüffeln muss man und schauen und forschen und dann darf er nicht und die Leine würgt aber es ist egal und der Drang zu groß, und dann hat der Hundemensch ein Einsehen und löst die Fessel und dann schnalzt das Tier wie mit der Zwille losgeschossen nach vorne? Ein bisschen so war’s dann auch für mich. Losgestoben bin ich, alle Krakenarme gleichzeitig ausgefahren, der eine hat geräumt und der andere Staub aufs Kanapee zurückgeschaufelt und der dritte Äpfel zu Kuchen verarbeitet und den Rest zu Mus. Ein Stilauge hat erkannt dass langsam vielleicht einmal das Arbeitszimmer wieder in solches transfomiert werden könnte bevor es unter der Last des Hauswirtschafts- und Abstellraums zusammen- und nach unten durch bricht, während ein anderes befunden hat, dass der Keller langsam aber sicher als Escape-Room vermietet werden kann, aber nicht mit Geisterrätseln sondern 3D-Tetris, dass außerdem der Haufen mit den Steuerzetteln von diesem Jahr gefährlich über dem des Vorjahrs kippelt und eine Lawine droht, und es sich fürderhin bekanntlich leichter lebt, wenn im Kleiderschrank nur wohnt, was auch wirklich getragen wird, und alles, was „Motivationshose“ oder „Wird wieder modern“ heißt, sogleich entsorgt gehört, und dass wenn man das alles fröhlich pfeifend erledigt hat eine Windjacke übergeschmissen und kreuz und quer im Draußen umeinandergerannt und das „Spaziergang an der frischen Luft“ genannt werden muss. Da hab ich erst einmal auf den Kalender gelinst und gesehen, dass jetzt ganz viele Trauertage anstehen und sehr, wirklich sehr viel schlechtes Wetter. Das hat mich beruhigt. Konnt ich mich gleich viel entspannter aufs Kanapee werfen, mich in die Staubwolken schmiegen und Apfelkuchen essen. Noch warmen. Mhm! 

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