Freitag, 25. Oktober 2019

Zwergenwein



Letzte Woche war ich in die Schwammerl. Eigentlich war ich sehr profan einfach nur im Wald, jedoch hab ich dort erkennen müssen, mich zwangsläufig inmitten von Pilzen befunden zu haben, ganz spezialvorallem inmitten von Pilzsuchern. Das ist ungefähr so als würde sich eine linksvergeistige Dame fortgeschrittenen Alters – und ich meine nicht mich – urplötzlich inmitten einer krachenden Gesellschaft irischer Sportsbarbesucher wiederfinden. Meinethalben vive versa. Das Gefühl, das ich vermitteln möchte, verbildlicht sich am besten in einem großleuchtenden Fragezeichen. Ich kann Pilze sehr gut. Leiden. Zubereiten. Essen. Manche kann ich auch sehr gut wegputzen, solche in Badezimmerfugen beispielsweise, andere hab ich schon geliebt und gepflegt, u.a. gab es in der Kollegstufe mal einen Pilz in einem Kaffeesahnereindl, den haben wir gefüttert und gepflegt und mit einem Namen versehen in unsere Klassenmitte aufgenommen, eh klar dass man sich da nicht auch noch um MacBeth kümmern kann bei so viel Verantwortung. Manche sind mir sehr suspekt wie im Chinaessen, da winkt manchmal was heraus, das tut wie wenn ich eine Gelatine nicht gut aufgelöst hab, und bevor’s jetzt medizinisch wird … Also jedenfalls find ich Pilze, Verzeihung: Schwammerl prima, besonders wenn sie hübsch namentlich beschriftet in einem Wannerl liegen, das ich nehmen, zahlen und nach Hause tragen und dann ins Wammerl hineintun kann. In der freien Wildbahn wird’s schwierig. Nicht dass es irgendein kompetitives Verhalten geben tät grad in den Wäldern, aber selbst wenn: Hey Leute, vor mir braucht ihr eure Stellen nicht geheimzuhalten. Ich hab derart keine Ahnung, dass ich neulich schon am Bauernmarkt erfreut gefragt hab „Das ist aber eine nette Idee, dass ihr da Champignons in den Blumenstrauß mit hinein windet!“ – „Das sind Kornblumen …“ Einen hab ich stolz gefunden, ein Steinpilz muss das sein, was auch sonst. Es war dann ein Birkenpilz, das erkennt man doch am Stamm. Stil. Strunk. Und Maronen werden blau, wenn man draufdrückt. Aha. „Und seitdem kriechst du im Wald umeinander und gatschst auf jedem Pilz herum?“ wurde sogleich gelästert, und ich so: Nein, ich hab nämlich eh eine andere Passion entwickelt: Zwergenwein finden. Seit Anbeginn meiner Zeit sind Fliegenpilze das weltallerunfassbarstgiftigste, das die Natur jemals hervorgebracht hat. Das lernst du mit dem ersten Märchen, dass du den Fliegenpilz am besten nicht mal anschaust sondern rückwärts in Zeitlupe dich von ihm entfernst, weil sonst droht Gefahr dass er dich bemerkt und anspringt. Jetzt lerne ich: Das ist nicht nur ein Irrtum, sondern birgt der hübsche Kerl spannende Verheißung, nämlich, also jetzt von wegen Zwergenwein: Das hat was zu tun mit der Kelchform vom alternden Fliegenpilz und Regenwasser, mehr trau ich mich nicht sagen, sonst heißt’s später irgendwas von Anstiftung. Hab ich aber eh nicht gemacht sondern mit genug Todesmut mein Fundstück zubereitet. Es hat dann ausgezeichnet geschmeckt. Nach Salz und Pfeffer und frittiert. 

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