Juhu, Jahresrückblick! „Ähm“, denkt ihr, „das arme Kind, so verwirrt. Aber kein Wunder, wenn man sich bei 25 Grad und Sonnenglück in Dornröschenschlaf begibt und dann bei -3 Grad Schneesturm wieder aufwacht, da kann man schonmal meinen, es sind acht Monate vergangen und nicht Tage.“ Gemach, ich kenn mich schon noch aus. Aber ich hab gedacht: Wir haben doch jetzt neben dem Annodomini 2021, dem chinesisch-energetischen Jahr des Büffels im 18. Zyklus der 2. Epoche, dem muslimischen Hidschra-Jahr 1442 oder dem weißgottwievielten Chaitra der indischen Saka-Ära noch eine neue Zeitrechnung. Am 22. März 2020 hat mit dem ersten Lockdown der coronare Kalender begonnen, wir können also sagen: Heut ist der 383. März 2020, oder weniger umständlich „383 p.c.“ – ich find, das sieht ganz geil aus und klingt auch schön dramatisch. Seitdem, und das ist ganz witzig, hat sich eigentlich nichts mehr verändert. Okay, erste Euphorien sind vielleicht etwas abgeklungen. Aber hey wisst ihr noch, damals vor zwölf Monaten alle so: „Woah geil, endlich Zeit für Netflix / Ausmisten / Lesen / und es ist auch echt schön sich einfach mal nur so mit einer Person ganz gezielt zu verabreden und dann Spaziergang und Deep Talk, da gewinnt das Zwischenmenschliche gleich eine ganz neue Qualität und heeey ich hab’s jetzt sooo schön am Balkon! *flötflöt*“ Heute so: „ALS WÄR DIE GANZE SCH**E NICHT SCHON BESCH**EN GENUG IST ES JETZT AUCH NOCH SCH**EKALT UND DER SCHEI**SCHNEE KOTZT MICH AN!“ Na und da hab ich mir jedenfalls gedacht, ich erzähl euch jetzt mal, was wirklich richtig schlimm war so rückblickend. Also das war so: „Ich dreh total durch mit dieser elendriesigen Couch, die ein ganzes Zimmer frisst und dann sitzt da noch nicht mal jemand drauf weil wenn dann sitzen wir um den Esstisch, aber da sitzt ja auch nie jemand weil es ist überhaupt kein Platz wegen der grässlichen Couch, dabei hab ich extra den großen Tisch zum Ausziehen, damit ich Menschen einladen und bekochen und bewirten kann und dann verhocken und glückliche Bäuche und lustig und schön, DAS will ich, keine dämliche Couch!“, hab ich Anfang letzten Jahres Antrag gestellt und nach nur vielleicht ein bis siebzehn Wiederholungen auch schon Gehör gefunden. Sagen wir mal so: Ganz so, wie’s dann kam, wollt ich’s aber auch nicht. Weil jetzt ratet mal, wer seit einem Jahr tagtäglich in unwürdiger Haltung versucht, neben dem linken auch das rechte Bein auf skandinavisch-schlankem Chique zu installieren, dabei mit der halben Kehrseite überm Boden schwebt, sich mit der einen Hand locker in die Rückenlehne krallt und mit der anderen versucht, aus sich selbst ein Kissen zu knoten, während nebenan ein riesengroßer, supergastlicher Bewirtungsesstisch unter der pompeji’schen Staubschicht nachts leise weint? Korrekt. Nein, so wollte ich das wirklich nicht. Hard knock life!
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen