Juhuoleckwiegeilfrühling! Kam wie gewöhnlich für unsere Breiten etwas überraschend und im Gewand eines ausgefuchsten Frühsommerlings. Frühling, das ist dann, wenn die Kopflosen unter uns sogleich Daunenjacken, Schals und Lammfellsohlen in einem feierlichen Ritual einem vorgezogenen Sonnwendfeuer übergeben, um fürderhin nur noch in Flipflops und Achselshirt umeinanderzuspringen, ungeachtet des Umstandes, dass die 15 Grad, von denen sie sich in sauneske Gefühlswelten versetzt sehen, die selben sind, deretwegen sie das nun verbrannte Gewand im Oktober überhaupt erst so dringend anschaffen mussten. Die weniger Kopflosen, will sagen: die Besonneneren, will sagen: ich, behalten die Polarjacke weiterhin schön brav an oder halt dann in der Hand, wegen andauernd ausziehen, anziehen, ausziehen, anziehen, frieren, schwitzen, frieren, schwitzen, und so kann man beruhigt sagen: Vor dem Schnupfenbazillus sind wir alle gleich. Falls jetzt irgendeins das mit diesem Frühling noch nicht bemerkt haben sollte, beispielsweise, weil es aus mir nachvollziehbaren Gründen des Weltekels seinen Wohn- und Lebenssitz in die Unterwelt und Abwasserkanäle der Stadt verlegt hat und da eh immer vom lebensbejahenden Odör umwölkt ist, dem sei geraten, doch einmal hinaufzusteigen, um sich eine beliebige Verkehrsinsel zu suchen, vorzugsweise eine begrünte. Also halt eine beblümte. Weil dann wird er nicht umhinkommen, zu sehen, dass der Lieblingssör seine neue Zwiebelsetzmaschine, die er letztes Jahr noch etwas ungelenk zum Einsatz brachte, mittlerweile meisterlich beherrscht und so ein jedes Straßenbegleitgrün in ein Kunstwerk verwandelt hat. Also abgesehen davon, dass auf den größeren Flächen auch größere Blumengemälde zu finden sind, die man allsamt gern einmal von oben sehen möcht, um zu überprüfen, ob sich da nicht ein Zwiebelsetzer einen kleinen Pimmelscherz erlaubt hat, ist die Stadt durchzogen von derart schlangenlinealen Narzissen- und Krokusfeldern, dass es ein bisschen so tut, als hätt über Nacht eine riesige Schnecke aus der Tim Burton’schen Traumfabrik die Noris aufgesucht, um dort eine gigantische Frühblüherspur hinter sich her zu schleimen. Beinah überall, weil hier und da hat ein Spießgeselle der Unordnung Einhalt geboten und ordentliche Geometrie gezwiebelt. Jetzt Begriffsfindungsschwierigkeit: Plural von Krokus? Kroketten? Krokeen, wegen weil ja Kaktus-Kakteen? Krokusse ja nicht, weil Kaktusse auch nicht, haben wir gelernt. Aber noch viel wichtigere Begriffsfindungsschwierigkeit: Habt ihr alle so brav den Söderstrand gelernt, gibt’s jetzt davon unversehens aber zwei, deswegen Verabredungsindifferenzen. „Stehstnern du?“ – „Söderstrand, hammer doch gsacht!“ – „Ja nee weil ich auch.“ – „Hüben oder drüben?“ – „Ja drüben halt.“ Schwierig. Deswegen naheliegender Vorschlag: Söderbucht. Oder Söderpool, isser doch schließlich schon höchstselbst hindurchgeplanscht, die Neoprenschwarzwurst. So. Worum ging’s eigentlich? Ach egal! Raus!
Freitag, 31. März 2017
Freitag, 24. März 2017
Zuckerwattenzugedeckt
Immer morgens unter der Dusche, da reg ich mich ganz furchtbar auf. Frei von allen erlernten emotionalen Kontrollmechanismen kann das postinsomnische Gehirn seinen Wütereien freien Lauf lassen, wie das Rumpelstilzchen springt es unter der Schädeldecke umeinander und erbost sich, dass es eine große Freude ist. Weil denk ich mir dann immer: Mensch, das schreibst jetzt dann einmal ins nächste Sofa hinein, das ist schon gut und muss unbedingt gesagt werden. Dann aber kommt die Ratio angerannt, und die hat eine Decke aus rosa Zuckerwatte, Sternschnuppen, Honigmilch und Feenstaub dabei, in die hüllt sie das Gehirn hinein und schwups ist aller Grant vergessen. Und damit auch die Sofaidee. In der Folge lächle ich mich grenzdebil durch die Gegend, bin freundlichst zu allen Arschlöchern, fange Übellaunen auf und forme daraus Blumenkugeln und werf die dann zurück und solche Sachen – was natürlich pure Absicht war von der Ratio, weil sie genau weiß, dass ich ansonsten sonst was anrichten würde. „So viel gute Laune wie du“, hat letzthin erst eins gesagt, „immer hast, das muss man ja überhaupt erstmal schaffen, das kriegt ja kaum einer hin.“ Hab ich mein schönstes Dalailamagesicht aufgesetzt. „Das“, hab ich beschieden, „dient lediglich dem Überspielen meines tief sitzenden Menschenekels.“ Weil ich ja ansonsten sonst was anrichten würde. Dieser lobotomöse Zustand … ja , ihr wieder! Früher so bei Gaga-Menschen: Schädel anbohren, ein Stück Hirn herauskratzen, Schädel wieder zu, Gaga-Mensch immer noch gaga, aber ruhig. Oder tot. Wird heut vergleichsweise selten eingesetzt. Jedoch finden sich Beweise für die heimliche Fortführung der Praxis immer wieder im Alltag. Beispielsweise im Straßenverkehr. Hier hinein begebe ich mich, wann immer mir meine Watteseifenkugelblase ein bisschen lästig wird. „Sollte ich jemals Amok laufen“, sagt ein Mensch vom Gemüt eines Kuschelteddys regelmäßig, „dann wird’s beim Autofahren sein.“ – „Aber warum denn?“ press ich aus einem zahnigen Grienen hervor. „Das Auto fahren bringt doch immer nur das Beste im Menschen hervor. Quasi Charakterverstärkung.“ Und quasi Trainingslager. Weil die Ratio dann auf meiner Schulter sitzt und wispert: „Wenn du bei jedem Rindvieh in einem Auto aussteigst, hingehst und ihm freundlich die Verkehrsregeln im Allgemeinen und die Grundsätze gesellschaftlichen Zusammenlebens im Speziellen erläuterst, kommst du aus dem Erklären nicht mehr raus, dafür aber über kurz oder lang ins Kittchen, und das wollen wir doch nicht.“ Nein, wollen wir nicht, sag ich dann artig und lächle eben weiter. Und weiter. Und w...
Freitag, 17. März 2017
Kartenver(w)irrung
Mir ist was ganz seltsames passiert: Ich hab ein Buch bestellt. Nein, das ist jetzt kein Witz á la „Geht ein Journalist an einer Kneipe vorbei“. Sondern weiter: Das Buch fand seinen Weg zu mir und mit mir in den Lesesessel. Noch bevor ich es richtig aufschlagen konnte, erbrach es sich auf mich. So erschrocken wie verdutzt klaubte ich mir eine Postkarte von der Stirn. „Die Menschen“, las ich, „sind wir das Meer, manchmal glatt und freundlich, manchmal stürmisch und tückisch – aber eben in der Hauptsache nur Wasser“, hat der Einsteins Albert mir entgegenaphorisiert, und ich so: Aha, macht der Versandriese jetzt auf menschelnd und verschenkt Karten, wend das Ding und werd eines Besseren belehrt. „Liebe Mama …“ beginnt die Handschrift, erklärt das Geschenk aus Boetschis (?) Holz- und Druckwerkstatt in Kiel und dann dezidiert eine Vorfreude auf Weihnachten, eine unendliche Dankbarkeit für die Mama als solche und das von ihr in die Wege geleitete Fest im Speziellen, und wie gern man zur Mama von Zeit zu Zeit zurückkehren würde, alles Liebe dein Vinzent. Seitdem bin ich erschüttert. Was war da los? Hat die Mama die Karte je erreicht? Hat die Mama sich so geärgert, dass sie sie wutentbrannt weggepackt hat? Warum? War die Mama so zornig über das depperte Deppenbuch (Don Winslow Pacific Private), das sie außerdem bekommen hat, dass sie kurzerhand weggeworfen und der Müllmann retourniert hat? Ist der Vinzent auf dem Weg zur Mama verunglückt mitsamt dem neuen Buch, das er sich für die Fahrt besorgt hat, und der Vinzentfinder hat Profit geschlagen aus dem Unglück und das Retourengeld für das Buch eingestrichen? Sitzt irgendwo eine Mama und wartet seit drei Monaten auf den Vinzent? Ist der Vinzent beim Versandriesen anstellig und ergo unterjocht, hat im schlimmen Stress gleichzeitig die Mamakarte geschrieben und Bücher für mich verpackt und ist dabei zusammengebrochen? Nie werd ich’s herausfinden, alles ganz furchtbar. Noch furchtbarer, weil der Vorfall längst Vergessenes wieder aufgewühlt hat, nämlich, dass bis vor nicht allzu langer Zeit ab und an mal, wenn ich heimkam, eine süße Omi auf meinem AB gewartet hat. Die süße Omi hat immer ganz lieb sich erkundigt nach mir und der Familie und schöne Urlaube gewünscht und Wochenenden, und gefragt hat die süße Omi immerzu, wann ich denn mal wieder vorbeikommen würde, sie würd sich so freuen und auch die Speisen machen, die ich so mag. Immer hab ich weinend der Omi zugehört, weil das war nämlich gar nicht meine Omi. Sondern eine Verwählomi. Und eine Nummerunterdrückomi. Also hab ich ihr nie sagen können, dass ich gar nicht ihre liebe Enkeltochter bin und sie aber trotzdem gern besuchen tät und dann gleich noch ihre echten Rotzenkel zur Sau machen, die sich offensichtlich nicht kümmern. Irgendwann haben die Anrufe aufgehört. Jetzt muss ich wieder weinen. Und schnell meine Omi anrufen. Und ihr auch! Also eure Omis anrufen, nicht meine …
Freitag, 10. März 2017
Grau grau grau blüht der Enzian
In einem früheren Leben hatte ich mal eine Kollegin, die war zehn Jahre älter als ich und eine eindrucksvolle Erscheinung, was nicht zuletzt daran lag, dass sie tagtäglich so stilvoll wie in meinen juvenilen Augen eintönig gekleidet war. Tagein, tagaus, ungeachtet eines Wetters oder einer Jahreszeit war die dominant um ihren Leib gehüllte Farbe dem Spektrum „Grau“ entnommen. Das fand ich damals so seltsam wie unvorstellbar, und umso verwunderter registriere ich heute, dass ich nicht nur auf einmal umgeben bin von grauen Eminenzen, sondern direkt selbst zu einer geworden bin. Grau is the Shit! Wir tragen graue Klamotten und kaufen graue Accessoires, wir haben graue Sofas und graue Fußböden, und wenn es graue Sachen zu essen gäbe – ich sag’s euch, das wär unsers! Ah, Einschub: Dass es sehr wohl graue Sachen zu essen gibt, weiß ich, seitdem in jüngerer Vergangenheit mal der Schatz versucht hat, Klöße zu machen wiedieOma, aber da muss man jetzt auch sagen, dass so grau-schleimige Quallenbälle in der Tendenz eher doch nicht … naja. Also jedenfalls: Grau, grau, grau sind alle meine Kleider, grau, grau, grau ist alles was ich hab; darum lieb ich, alles was so grau ist, weil … Ja, warum denn jetzt eigentlich? Wir tragen grau in allen Schattierungen, finden überhaupt nichts dabei, der Farbenfreude abzuschwören, und unser einziges Zugeständnis an die Jahreszeiten ist ein frisches Hellgrau im Sommer statt des dunklen Gefährten im Winter. Freilich haben wir allerlei Erklärungen parat: Grau ist zeitlos elegant, passend zu jedem Anlass, nicht so fleckanfällig und zudem nervig raffaelo-frisch wie Weiß, kommt aber gleich weniger lebensverneinend-trauerkloßig daher wie Schwarz. Reden wir uns ein und ergrauen fleißig weiter vor uns hin. Ich sag euch, wie’s in Wahrheit ist: Grau ist das Vor-Beige! Ja ja, ihr habt schon richtig gehört und müsst jetzt gar nicht angewidert schauen und „Niemals!“ wettern, genau so wird es kommen. All diejenigen, die zu buntgewandeten Zeiten ein Grau als Ausdruck größter Ödnis und frustrierter Schicksalsfügung betrachtet haben, werden dereinst als wandelnde Sanddünen die Straßen bevölkern und überhaupt nichts dabei finden. Zuvor gibt’s in der Lebensmitte, also in absehbarer Zeit, ein kurzes und gleichwohl scheußliches Aufbäumen, im Zuge dessen ihr meint, es sei angebracht, sich mit Mitte 50 aus Gründen der Coolness und noch-längst-nicht-zum-alten-Eisen-Gehörigkeit in den Teenieabteilungen möglichst quietschig einzudecken. Dann werdet ihr merken, dass das zu anstrengend ist und der Griff zum Spät-Grau, also Beige, so viel leichter. Dann werdet ihr Busreisen buchen und fürderhin als Wanderdüne durch die Landen ziehen. Und im besten Fall euch mal anschauen und merken, dass das alles irgendwie mal anders geplant war. Unser Glück: Nachts sind alle Katzen grau!
Freitag, 3. März 2017
Nichtgeburtstag
Kennt ihr auch so Menschen, die sich mit fortschreitendem Alter darauf kaprizieren, dass ihnen ihr Geburtstag üüüberhaupt nichts bedeutet, das ein Tag wie jeder andere sei und man sie bitte verschonen solle mit Anbetungsritualen jedweder Art, nur um dann hernach mehr oder weniger subtextual beleidigt zu sein, wenn man sich nicht entgegen ihrer ausdrücklichen Anweisung den Abend spontan freigehalten hat und mit Geschenk und Blumen überraschend vor der Tür steht? Also. Ich halt’s da anders. Ich mein, wann wenn nicht am Geburtstag, am Wiegenfest, an dem Datum, an dem ich der Welt geschenkt wurde wie einst Moses im Weidenkörbchen, darf man seine sonst so vornehm wie sorgfältig unterdrückten Mittelpunktsbedürfnisse von der Leine lassen und sich diejenigen Lobpreisungen auf einen selbst abholen, die man also wirklich sowas von verdient hat? So pflege ich beispielsweise ungefähr monatlich darauf aufmerksam zu machen, dass ich heute soundsoaltunddreimonate werde oder dass ich Heuteinfünfmonatengeburtstag habe, um dann mögliche Einwände mit grandsegnieuraler Miene an Humpty Dumpty zu verweisen, der es ja schließlich auch zur gemeinhin akzeptierten Festivitätsform erhoben hat, wann immer einem grad danach ist, seinen „Nichtgeburtstag“ zu feiern. Jetzt ist in diesem Jahr ein nocheinmal spezialbesondererer Spezialfall eingetreten, weil ich ja wie ihr wisst die letzten beiden Geburtstage einsam und gebrochen, versehrt an Leib und Seele daheim darben und statt einer Krone auf dem Haupt ein Coolpack um den Hax tragen musste. Deswegen hat sich gewissermaßen ein Feierdruck aufgebaut, und ich kann nur schwer an mich halten, nicht vielleicht kurzerhand eine mittelgroße Stadthalle anzumieten und vom Lieblingspaketboten bis zum Bürgermeister alle Honoratioren nachdrücklich aufzufordern, mir gefälligst ihre Ehre zu erweisen. Zur Verdeutlichung: Ein entfernter Anverwandter befindet sich derzeit im befeindeten Ausland, um dort betriebswirtschaftlichen Studien nachzugehen, was, so lassen die täglichen Reiseberichte vermuten, sich so gestaltet, dass er den Betrieb der ansässigen Wirtschaften nicht nur studiert, sondern nach allen Kräften unterstützt. Wegen siehe oben reist er freilich an zum großen Tag, allerdings aufgrund einer kleinen Verwirrung nicht auf einen Sprung, sondern eine volle Woche. „Oh wie schön!“, hab ich ins Skype gejubelt. „Dann können wir ja …“ – „NEIN, Schwester, wir können KEINE Geburtstagswoche draus machen“, hat’s zurückgealtklugt, „die Zeiten sind wirklich vorbei!“ Ich sage: Das werden wir ja sehen! Herzlichen Glückwunsch an dieser Stelle allen (Nicht-)Geburtstagskindern!
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