Diesen Beitrag darf nur lesen, wer folgende Aufgabe innerhalb einer Sekunde und ohne Joker lösen kann: Nimm eine Kassette und einen Bleistift. Verbinde beide Teile sinnvoll miteinander! Kannst du nicht? Tja, Pech gehabt. Oder auch nicht, sondern: Lies und lerne! Jeder Angehörige der frühen 80er Generation zögert nämlich nicht, den Stift in eins der Kassettenlöcher einzuführen und Schraubbewegungen auszuführen. In Erinnerungen schwelgend. Was waren das für Zeiten! Die des Tonbandsalates nämlich. Wenig erfreulich, zugegeben. Wie eigentlich alles andere auch, aber rückblickend betrachtet verklärt der Mensch ja gern (vgl. Geburt, die). Während ihr heut euer Smartphone nur noch in Richtung der Musikquelle haltet und euch den Titel shazamt, sah das bei uns so aus: Freitag für Freitag daheim vor dem Radio kauern, die „Schlager der Woche“ hören und im richtigen Moment auf „REC“ drücken.
Ergebnis: lustige Mixtapes, bei denen Lieder prinzipiell mit der Anmoderation begannen und mit einem Werbejingle jäh endeten. Dann musste man in mühsamer Millimeterspularbeit Schadensbegrenzung leisten. Aber schnell, denn der nächste Schatz kommt bestimmt! Hatte man dessen Titel und Interpret nicht parat, so gab’s nicht etwa ein Google, in das man Textfetzen hineintippen und das Ergebnis soundclouden konnte, sondern man war gezwungen, so lange peinlich in der Öffentlichkeit vor Freunden und Bekannten zu singen und summen, bis die Lösung erarbeitet war, auf deren Ankündigung man wiederum vor dem Radio lauern konnte. Ich erinnere mich dunkel an etwas wie eine Osterspezialwunschsendung auf Gong: Vier Tage am Stück die Wünsche der Hörer. Dazugehörig gab es eine Playlist in Form eines kommunalwahlgroßen Papiers, dem die Reihenfolge zu entnehmen war. Es erfolgten vier Tage Stress und Arbeit, am Ende dann kilometerweise Glück auf Magnetband.
Das konnte man sich dann selig anhören, immer und immer wieder, endlos beinahe, wäre da nicht dieses ärgerliche Klicken gewesen, mit dem das Abspielgerät nach (bestenfalls) 45 Minuten das Ende von Seite A mitteilte, was erforderlich machte, aufzustehen und auf Seite B zu wenden. Gesegnet war, wer eins der ersten Geräte besaß, die automatisch umdrehten! Weil gar so viel Mühsal drinsteckt, nenne ich noch kistenweise dieser Wunder mein Eigen, ein Œuvre aus bemalten und beklebten Kassettenschachteln, aus Widmungen und Erinnerungen, und dauernd nehme ich mir vor, die alten Dinger zu digitalisieren. Das sähe dann vermutlich so aus: Kassette an, Shazam hin, Youtube download, fertig. In Anbetracht der schieren Flut an Titeln eine Reminiszenz an alte Zeiten. Aber irgendwie auch … unwürdig. Ich glaub, ich lass es lieber. Und schau euch beim Sahazamen zu. Aber eigentlich fänd ich’s schöner, euch alle singen zu hören.