Neulich berichtete eine Mutter von den Erlebnissen des vergangenen Wochenendes. Im Zuge des Referats fiel der Satz „… versuch du mal, einen Spreißel aus dem Fuß eines Vierjährigen zu entfernen, ohne dass die Polizei anrückt wegen des Geschreis!“ Sofort war ich von tiefem Verständnis und Mitgefühl ergriffen – für das Kind. Es ist nämlich so: Meine Schmerztoleranz verhält sich indirekt proportional zur Schmerzangst. Schon immer. Ich habe diverse, höchst eindrückliche Nahtoderfahrungen aus der Kindheit vor Augen, die entstanden, als die Erzieher beispielsweise versuchten, eben jenen vermaledeiten Spreißel aus irgendeiner Extremität zu entfernen. Wohlgemerkt lang bevor sie auch nur in dessen Nähe kommen konnten, habe ich mich in größter Panik vor dem dräuenden Schmerz auf dem Boden gewälzt und gebrüllt, als gäb’s kein Morgen. Und so rückblickend wundere ich mich, dass da nie jemand die Polizei gerufen zu haben scheint.
Jetzt bringt die Zivilisation bedauerlicherweise mit sich, dass es gesellschaftlich nur so mittelakzeptiert ist, wenn man sich ab einem bestimmten Alter aus Angst vor einem vermeintlich lebensgefährdenden Schmerz in einem veritablen Veitstanz gebärdet. Deswegen habe ich im Laufe der Zeit eine Übersprungshandlung etabliert: Ich werde lustig. Sehr lustig. Das führt erstens zu halbwegs akzeptabler Stresskanalisation und zweitens, und das ist nicht unwichtig, zu dem Irrglauben, dass je unterhaltsamer man ist, desto länger kann man das drohende Leid hinauszögern. Natürlich ist es Unfug, zu glauben, ich könnte mich Possen reißend mit dem Rücken die Wand entlang unauffällig aus der Gefahrenzone stehlen, während die potentiellen Übeltäter sich vor Lachen auf dem Boden krümmen. Aber was ist schon Vernunft? Meine komödiantischen Höhepunkte erleide ich zuverlässig regelmäßig beim Besuch des Zahnarztes (der an dieser Stelle herzlich gegrüßt und für seine unermessliche Geduld gelobt sei!).
Mensch, was haben wir da immer für einen Spaß, der zunimmt, umso näher das erste „Und jetzt machen wir mal ganz weit auf!“ rückt. Zu meinem großen Bedauern hält sich die Publikumszahl in überschaubaren Grenzen (zwei Teilnehmer), ich werde auch nicht bezahlt für meine humoristischen Glanzleistungen, sondern muss im Gegenteil selber zahlen, und zu allem Überfluss danken’s mir die Menschen mit dem Mundschutz nicht durch Applaus und Rosenwerfen, sondern mit dem stets irgendwann ertönenden Mundöffnungsbefehl. Gut, man könnte durchaus anführen, dass der nur erfolgt, damit ich endlich, endlich aufhöre zu quasseln. Aber das halte ich für unwahrscheinlich. Wenn ich mal den Wahn erleiden sollte, ein Bühnenprogramm auszuarbeiten, dann muss da der Zahnarzt mit. Ich ruf ihn gleich mal an und befrage ihn nach einem Berufswechsel. Findet der bestimmt klasse.
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