„Schlechte Leut‘ geht’s immer gut.“ Mit diesem schönen Satz bin ich sozusagen aufgewachsen. Wann immer mein Opa, Gott hab ihn selig, auf sein Wohlbefinden angesprochen wurde, antwortete er auf diese Art. Ich konnte das nie verstehen. Mein lieber Opa, der mich vom Kindergarten abholt und zum Musikunterricht fährt, der mir heimlich fünf Mark zusteckt, mich auf dem Sofa herumturnen lässt und überhaupt alles durchgehen, was sonst strengstens verboten war? An dem konnte doch gar nichts schlecht sein. Andererseits schien er immer wohlgelaunt. Es ging ihm also gut, dem Opa. So hab ich den Satz mit mir herumgetragen, ihm keine weitere Bedeutung zumessend, und der Opa, der sagte ja auch manchmal „Unkraut vergeht nicht“, und das ergab für mich ähnlich wenig Sinn. Es wurde ja schließlich danach gefragt, wie es ihm gehe und nicht irgendeinem Löwenzahn, um den kümmerte sich doch die Oma, wenngleich ebenfalls mittlerweile im Himmel. Je älter ich jedoch werde, desto mehr befüllt sich der geheimnisvolle kleine Satz mit großem Sinn.
Schlechte Leute, was ist das eigentlich? Leute, die sich um niemanden scheren als sich selbst? Leute, denen es vollkommen egal ist, welche Konsequenzen aus ihrem Tun für andere entstehen? Leute, die derart und ausschließlich auf ihren Vorteil bedacht sind, dass sie einen Nachteil gar nicht sehen, weil es ohnehin nur eine Option für sie gibt? Leute, die durchs Leben trampeln und boxen, nicht nachdenken oder nur sehr verschroben, die sich anderer Menschen Eigentum bemächtigen, die Dinge stehlen oder auch mal einen Menschen, weil schau, das ist aber schön, das will ich haben, jetzt, ich nehm’s mir einfach. Sind das schlechte Menschen? Wenn ja, dann ist mir heut schon klar, dass es denen immer gut geht. Die grämen sich ja nicht und überlegen nicht, die wägen nicht ab, ob das jetzt nett war, was sie da getan haben.
Ein bisschen wie ein Hund sind diese Menschen, weil der Hund, der sieht auch nur die Wurstsemmel auf dem Frühstückstisch liegen, und wenn er das haben will, dann gibt’s kein Halten mehr, und es ist ihm herzlich egal, ob jemand anderes sich die Wurstsemmel vielleicht sorgsam vorbereitet hat und sich freut, und dann geht der Wurstsemmelmacher nochmal kurz aufs Klo und ZACK! hat der Hund in seinen Lefzen, was er wollte. Dann setzt er sich in seinen Korb und kaut und freut sich. Und dann schläft er seelenruhig ein. Auf den Hund ist man manchmal ein bisschen neidisch, das wär doch schon schön, wenn man niemals über was anderes als sein eigenes Begehr nachdenken müsste, ach was, nachdenken, einfach machen! Aber wenn ich’s mir recht überleg, dann bin ich eigentlich doch lieber kein Hund. Wie schaut das denn aus, immer nur an allen hochspringen und hecheln und jeden lieben, der einem ein Stöckchen wirft? Da nehm‘ ich doch lieber in Kauf, dass es mir manchmal nicht so gut geht. Aber mit dem Opa-Satz antworte ich trotzdem gerne. Wegen Andenken und so.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen