Freitag, 15. Januar 2021

Fräulein Smillas Gespür für Schnatsch

Angeblich haben die Angehörigen der indigenen Völker im nördlichen Polargebiet – für die Älteren unter euch: Eskimos – ungefähr 57430 verschiedene Wörter für Schnee. Das ist auf den ersten Blick so entzückend wie auf den zweiten freilich völliger Blödsinn. Weil das nämlich nur daher kommt, dass wer Energie sparen muss immerzu wegen der Kälte, der brilliert halt auch mit sprachökonomischer Raffinesse, weil kaum hast du ein, zwei Anstrengungen zu viel unternommen, um schwierige Vokabeln zwischen deinen eisbezapften Lippen hervorzumodulieren, schon musst du dich wieder schwer atmend aufmachen, um ein Yak zu erlegen. Deshalb wird wie schon vom alten Lateiner in ein Wort gegatscht, was wichtig ist, und schon sparst du dir nämlich Sätze wie ich sie hier immerzu bilde, das ist ja auch für den Rezipienten schön.Ergo sagt das Alaska-Yupik „apun“ zu Schnee am Boden, „nevluk“ zu klebrigem Schnee oder „quanikcaq“ zu gefallenem Schnee am Boden. Jetzt hat der Deutschsprecher, also ganz vorndran der hiesige, ein Mordsproblem, weil 1. ist ihm also wirklich eine Saukälte ist das grad, pfui deifi!, und dann 2. hatterja eh soanhang zum Nuscheln, will sagen: sparsam sprechen, weil es ist nämlich eine Mordsanstrengung, wenn du deine um ein ordnungsgemäßes Mittelfränkisch zu formen streng nach unten gezogenen Mundwinkel allzuviel aus der Position zerren und wieder dorthin zurück pressen musst, und aber 3. ist er zumal auf der Insel der Glückseligen so wenig vertraut mit der weißflockigen Himmelspost, dass er zum einen den Verstand verliert, sobald es mal ein wenig hinabgepudert hat, zum anderen nicht versiert ist in Verwendung der korrekten Termini: Herrliche Gebilde wie Harsch (überfrorener Pulverschnee) oder Griesel (wiederholt gefroren, körnig) stünden ja bereit, doch allein der Firn verrät, warum wir hier ein Wort für „mindestens ein Jahr alt, wiederholt gefroren“ vergleichsweise selten zu verwenden uns in der Verlegenheit sehen. Nicht einmal den Sulz verwenden wir, dabei sollte uns doch wenigstens das sowohl zwengs kulinarischer Assoziationen als auch Einsilbigkeit entgegenkommen. Ich weiß Rat: Reicht mir die Hand, ich bau euch ein Schloss aus Schnand – oder wie heißt das, wo Kleinkinder auf Spielplätzen wühlen oder was bei übereifrig gestreuten Wegen überbleibt, sich aber eklatant unterscheidet von dem greißlichen Schnutz auf Straßen, bis der Schneegen ein Erbarmen und die Wege vor der SÖR gefegt hat, nachdem die halbe Stadt schon heiter auf Trampelpfaden aus Schnitter balanciert ist? Vor Schnagel muss man sich in Acht nehmen, Schniesel nervt beim Radlfahren, und wer nicht im Sulz waten mag, der kämpft sich halt durch den Schnatsch. Schnuller, Schnecken, Schnaken sind was anderes. Also: Nich lang schnacken, Kopp in Nacken – und Flocken mit dem Mund fangen. Sieht komisch aus, macht aber Spaß. Immerhin. Eure Smilla.

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