April, April macht was er will! Vor ein paar Tagen wollte ich, o Wunder, das Haus verlassen. Wie so oft bin ich kurz zuvor auf den Balkon getreten, um eine ungefähre Ahnung der Temperatursituation zu bekommen, und wie so oft habe ich mich damit ordentlich aufs Kreuz gelegt. Als ich fünf Minuten später die Haustür verließ, überfiel mich sogleich ein Eisschauer, und die kommenden fünf Minuten konnten aufmerksame Nachbarn (und davon habe ich einige) ein seltsames Schauspiel beobachten. Nämlich die blonde Frau, die ein paar Meter vom Haus weggeht, stehenbleibt, ein paar Meter geht, stehenbleibt, umdreht, ein paar Meter zurück läuft, stehenbleibt, wieder umdreht, um weiter zur Straße zu gehen, um nach einem erneuten Stehenbleiben genervt aufzuschluchzen, zum Haus zurück zu eilen und zehn Minuten später in völlig anderer Montur, nämlich mit Daunenjacke und deutlich ausgebeultem Rucksack, endlich von dannen zu ziehen … Um einige Stunden später schwer schwitzend wieder heim zu kehren. Wie so oft bin ich dann also auf meinen eigenen Temperaturcheck hereingefallen, eignet sich mein Südbalkon doch nur begrenzt als Entscheidungshilfe für die Klamottenwahl. Völlig windgeschützt und von morgens bis abends der Sonnenwärme ausgesetzt, hat es dort gut und gerne mal locker zehn Grad mehr als auf der Rückseite des Hauses, die den ganzen Tag im Schatten und noch dazu im kühlenden Frisch zahlreicher Platanen liegt. Die Kunst ist es also, den Mittelweg auszutarieren. Was mir meistens misslingt. Und erschwerend eine mich stets begleitende massive Erfrierungsangst dazukommt. Nicht gerade gemäßigt wird dieses persönliche Defizit von der Witterung, wie sie uns aktuell wieder beglückt und die ich nur einigermaßen unbeschadet dank diverser Tricks wie auf Taschentuchgröße zusammenknüllbarer Leichtjacken überstehe. Der April macht halt, was er will, und garantiert nicht das, was mein Wetter-App-höriger Freundeskreis von ihm erwartet. „Am Sonntag soll so schönes Wetter werden“ akzeptiere ich unter keinen Umständen als ein an einem Mittwoch vorgetragenes Ausflugsargument, wenn noch nicht einmal gewährleistet ist, dass das schöne Wetter von heute Vormittag nicht am frühen Nachmittag schon keinen Bestand mehr haben wird. Ich nenne das gerne die „Wolfgang-Petry-Gedenk-Zeit“, nur dass ich nicht wie der Künstler kiloweise Bänder ums Handgelenk trage, sondern dafür gern einmal am Nachmittag zentnerweise Jacken, Pullis und Schals, die am Morgen noch dringend notwendig waren, formunschön um die Leibesmitte geschlungen herumschleppe. Doch nicht nur der April macht, was er will. Ich kann das auch. Deswegen lass ich mich nicht mehr ins Bockshorn jagen, sondern nehme in Protesthaltung gerne Platz auf dem Kanapee. Das ist sehr neu, sehr bequem und das wichtiges: absolut zuverlässig vorhersagbar.
Freitag, 25. April 2025
Freitag, 11. April 2025
Mehlwurm
Ich wollte einen Kuchen backen. Um genau zu sein ein „Brot“,
denn so haben wir das alle vor ziemlich genau fünf Jahren gelernt: Lasse
Bananen so lange wie möglich liegen und vor sich hingammeln, ignoriere den
Prozess absichtlich und überrasche dich nach einiger Zeit selbst mit dem Reifegrad
deutlich über dem Verfallsdatum. Zermatsche die Bananen, füge allerlei einschlägige
Zutaten aus dem Segment „Backen“ hinzu samt einer ordentlichen, für „Brot“
genannte Erzeugnisse üblichen Portion Zucker, und fertig ist ein formidables Gebäck,
das nur Unwürdige als „Kuchen“ bezeichnen. Wahre Connaisseure hingegen sagen „Bananenbrot“
und schieben sich stündlich ein bis zwei dicke Ranken davon zwischen die
Kiemen, weil Brot ist gesund, und außerdem haben wir fünf Prozent des Weißmehls
durch Vollkorn ersetzt! Hätten wir. Denn dann haben wir eines der großen Gläser
geöffnet, in denen wir zum Schutze vor Befall durch Viecherkram alles, was
Nudel, Mehl, Reis & Co. heißt, aufbewahren, und hatten gottlob die gute
neue Brille auf und die Ruhe weg. Dank diesen (Ruhe und Brille) konnte nämlich
ein genauer, sehr genauer Blick ins Glas geworfen werden, und bei dieser
genauen Betrachtung begannen sich einzelne Mehlstäube plötzlich zu bewegen.
Gut, hab ich gedacht, es ist noch früh am Morgen, du hast vorhin auch einmal
heftig geatmet und draußen weht ein rechter Wind, da kann so ein Mehl schon
einmal in Bewegung geraten. Aber dass das Mehl von heftigen Luftstößen auch
kleine Beinchen und Köpfchen bekommen könnte, war mir dann doch ein bisschen
rätselhaft. Eilig hab ich das Glas geschlossen und es unschlüssig zur Seite
gestellt, wo es jetzt seit Tagen steht und seine mikroskopisch kleinen Bewohner
munter weiter Gräben und Tunnel ins Getreide bohren. Unerwünschten Tierbefall
im Lebensmittel – es ist ja nichts Neues. Regelmäßig hört man von Menschen, die
zum Großreinemachen in Küchen gezwungen werden, weil sich irgendwo ein feiner
Nistplatz aufgetan hat, aus dem sich dann die Viecher tummeln. Als besonders eindrücklich
habe ich einen Sesam in Erinnerung, der bei einem gemeinsamen Sushi-Event genau
so lange köstlich schmeckte, bis das Ursprungsglas zum Zwecke des Nachschlages
angereicht und darin nebst den schmackhaften Saaten noch allerlei schleimiges
Fadenzeugs gefunden wurde. Bon appetit! Dann kam eine Frage auf: Wenn doch
jetzt eh Insektenmehl & Co. en vogue sind, weil nachhaltig und Proteine,
wieso soll ich dann teuer kaufen, was eine Industrie erzeugt, wo ich doch
offenbar selbst sehr gut Insekten produzieren kann? Wie viel bleibt übrig von
der Milbe nach 60 Minuten bei 175 Grad (Umluft)? Und warum also soll ich also das
gute Mehl in den Müll schütten anstatt in die Rührschüssel? „Beim Menschen
konnten nach Verzehr [mit Mehlmilben] befallener Lebensmittel
Magen-Darmprobleme, asthmatische Erkrankungen der Atemwege und ekzemartige
Hauterkrankungen beobachtet werden“, sagt das Umweltbundesamt. Na gut.
Freitag, 4. April 2025
Spa-Crawl
Schönen guten Morgen zusammen, zum Wochenende präsentieren
wir Ihnen freudig die drei wichtigsten Sätze für Gespräche mit Oma, beim Bäcker
oder einfach mal so zwischendurch im freundlichen Selbstgespräch: „Wahnsinn,
die Sonne! Man muss sich halt nur echt schon eincremen.“, „Aber sobald die
Sonne weg ist, ist es furchtbar kalt.“ und „Es könnte so schön sein, wenn nicht
dieser scheußliche kalte Wind wäre!“ Da hab ich mir gedacht „Woanders kannst du
auch frieren!“ und bin letzte Woche freudig in ein Angebot für einen
Wochenend-Trip eingetaucht, das allerlei versprach („Drei Tage Luxury Spa &
Wellness“, „Vollverpflegung“, „zahlreiche Anwendungen inklusive“), vor allem
aber andere Tapeten, die man zwischendurch mal angucken kann. Kein echter
Urlaub, aber eine kleine Flucht. Mini-Urli. Urlini, sozusagen. „Das wird
entweder super“, wusste ich zu prophezeien, „oder eine Katastrophe, aber dann
haben wir wenigstens was zu lachen.“ Karlsbad also. Einer der Sehnsuchtsorte
vergangener wie heutiger Tage, der Inbegriff von Entschleunigung, Achtsamkeit
und Wellness aus einer Zeit, als diese Begriffe noch nicht erfunden waren. Die
meisten kennen den Ort sicher als Ursprung einer Waffelspezialität
(Bröselzucker zwischen zwei klebrigen Oblaten), viele andere vielleicht von
Großeltern oder sonstigen Bekannten älteren Semesters, denn hier kontempliert
es sich aufs Äußerste durch eine pittoreske Umgebung habsburgischen Pomps, und
statt wie früher von Kneipe zu Kneipe zu ziehen und verschiedene Mischungen von
Spritz & Co. zu degustieren, latscht man (ich) hier mit einem kleinen
Schnabeltässchen einen Fluss entlang, an dem sich 15 Quellen feinsten
Heilwassers befinden, um abwechselnd heißes, sprudelndes oder stinkendes Nass
selbst abzuzapfen und sich daran zu laben und sofort zu gesunden. Soweit die
Theorie, die in der Praxis höchstens gestört wird von den zahlreichen
Becherovka-Ständen, um sich zwischendurch den Mund zu spülen. Links und rechts
ragen die prächtigsten Bauten auf, und der Höhepunkt ist ein 300 Jahre altes
Grandhotel, das an Prunk und Majestät seinesgleichen sucht. Und das ich
vorsichtshalber nur auf eine heiße Schokolade betreten habe, um anschließend
lieber mit einem müffelnden Bus ins Industriegebiet am Stadtrand zu schaukeln –
wo sich mein Hotel befand … Sagen wir mal so: zu lachen gab’s einiges, auch
wenn ich die Aktionsabende „Becherovka & Sie“ und „Caribbean Night“
zugunsten eines ausgezeichneten Nachtschlafs verpasst habe und das berühmte
Karlsbader „Bierbad“ sich als profanes Schaumbad herausstellte, zu dem ein
Krügerl Bier gereicht wurde. Der Erwerb einer überdimensionierten Gartenfigur
auf dem grenznahen Mode- und Designmarkt wurde mir allerdings verboten, ich
muss also unbedingt nochmal hin. Dann aber ins Grandhotel! Kommt jemand mit?