Freitag, 10. Mai 2024

Elternwoche

„Leute, am Sonntag ist ‚Muttertag ist eine verachtenswerte Kommerzveranstaltung, die nur dazu dient, Blumenhändler reich zu machen und anschließend eine arme Mutter oder Oma, die man das ganze Jahr über nicht mal angerufen hat, kurz zu besuchen und am besten im Rollstuhl um irgendein Gewässer zu schieben, mit Torte zu füttern und wieder abzuhauen, Hauptsache das Gewissen ist wieder eine Zeit lang beruhigt, damit möchte ich nichts zu tun haben. Ich möchte, dass man sich das ganze Jahr über für mich interessiert und sich trifft und nicht an einem willkürlichen festgesetzten Tag, den irgendein Ami mal erfunden hat, plötzlich Gewese gemacht wird!! Aber FALLS am Sonntag jemand zufällig in der Nähe ist, kann man mich gerne besuchen, ich hätte dann eventuell auch einen Kuchen da und abends könnte man ja dann eine Pizza essen gehen oder holen, das wär schon schön, hat aber überhaupt nichts mit diesem Muttertag zu tun, nur wenn wir uns gar nicht sehen täten dann fänd ich das schon schade, aber macht euch bitte keine Umstände extra meinetwegen, ich wollte nur Bescheid geben dass ich auf alle Fälle den ganzen Tag alleine daheim bin und wenn dann spontan jemand vorbei kommt, würde ich auch die Tür aufmachen‘-Tag. Gibt’s schon Pläne?“ So oder so ähnlich könnten WhatsApps und SMS lauten, die im Laufe der Woche zwischen Geschwistern verschickt werden, deren Mütter dank der frühen EMMA emanzipatorisch sozialisiert worden sind und diese kämpferische Haltung wenn nicht übers laufende Jahr hinweg beibehalten, so doch allermindestens einmal jährlich Anfang Mai einnehmen und dazu heftig die lila Fahne schwenken. Muttertag? Nicht mit mir!, und zurück bleiben desorientierte Kinderlein, die Jahr für Jahr nicht wissen, wie sie sich hierzu verhalten sollen, heimlich liebevoll gebastelte Haushaltshilfengutscheine traurig verschwinden lassen und die schönen Blumen schnell dem verdutzten Nachbarn schenken. Zum Glück ist das bei mir nicht der Fall, und ich kann mich Jahr für Jahr ganz dankbar an der Liturgie entlanghangeln, die mir die Discounterlandschaft seit Wochen mittels Postwurfsendung hilfreich bereitstellt: Kaufe pinke Donuts und Fertig-Hugo! Bestelle Blumen! Kaufe rosa „Mutti ist die Beste“-Herzanhänger aus Holz! Kaufe pastellfarbene „Supermum“-Tassen! Kaufe Shopping-Gutschein! Das wird so ein schöner Tag! Leider hab ich mich dieses Jahr im Katalog verblättert und bin ein bisschen durcheinandergekommen. Stehe jetzt mit Grillfleisch, Bollerwagen, Tischkicker und Dosenbier für Sonntag in den Startlöchern, derweil Papa gestern Erdbeerkuchen und Tulpenstrauß zur Landausfahrt bekommen hat … Ich hoff, das geht in Ordnung so. Bitte verratet mich nicht – sonst muss ich doch noch eine SMS an meine Brüder schicken.

Freitag, 3. Mai 2024

Kreuz Schulter Knie

 Es gibt da diesen Comic von Renate Alf: Eine Frau unbekannten Alters steht in Sportklamotten und mit Matte unter dem Arm vor einem kleinen Regal mit Handtüchtern und Erfrischungsgetränken und blickt ratlos auf die beiden Schilder vor ihr an der Wand, die ihr den Weg zu zwei verschiedenen Sportkursen zeigen – welcher, denkt sie angestrengt, ist wohl der richtige für sie? Links geht es zu „Bauch, Beine, Po“, rechts zu „Kreuz, Schultern, Knie“ … „Rechts!“ möchte ich ihr zurufen, „eindeutig rechts!“, denn abgesehen davon, dass ich mich schon immer gewunden habe, „Bauchbeinepo“ zu sagen, weil das so unglaublich dämlich klingt, und gefunden, dass an meinem Körper eigentlich alles drei ausreichend vorhanden ist, ist es mittlerweile so, dass gemäß dem Horst Schlämmer’schen „Ich habe Rücken, Kreislauf, Füße …“ auch von „Kreuz, Schultern, Knie“ wirklich mehr als genug an mir gibt. Das ist natürlich nicht neu, sondern seit dem Beginn des körperlichen Verfalls, der ungefähr in dem Moment eingesetzt hat, als ich so um die 16 war, hat man ja ständig irgendwas. Und spätestens, wenn man merkt, dass einen nicht mehr die Gastronomen und Galeristen der Stadt schon aus der Ferne freudig mit Vornamen rufen, sondern Arzthelferinnen. Dass man manche Freunde nur noch zufällig in Wartezimmern trifft statt auf einem Kneipenfestival, dann … Naja. Man hat es nicht leicht, doch heute bin ich schwer beschädigt. Das liegt nicht zu allen, aber großen Teilen an gestern, also am 1. Mai, den ich erwachsen mit Natur und Wandern statt Steinewerfen und Dosenstechen verbracht habe. Wenn man allerdings die richtigen Leute dabeihat, kann man es durchaus schaffen, auch aus der kürzesten Strecke einen ganztägigen Fünf-Seidlas-Steig zu machen. Ergo: Ich habe Kopf. Füße hab ich außerdem, denn vor lauter Frühlingsfreude und frisch gemachten Sommerfüßen war ich unlängst einen ganzen Tag in offenem Schuhwerk im Einsatz anstatt in einer geschlossenen Formation, deren Nachteil der Schwitzfuß, Vorteil jedoch die orthopädische Sohle ist. Fürderhin habe ich seit Wochen Rücken, nämlich seitdem ich es zustande gebracht habe, mir im Zuge einer schweren Erkältung beim Husten derart die Rippen zu prellen, dass mir mein sicherer Tod vor Augen stand und ich statt durch die Clubs zu ziehen mit dem Taxi Klinik-Hopping betrieb. Zu dieser Prellung hat mir mein Auto ein weiteres Geschenk beschert, indem es sich beim Rückwärtsfahren derart vor einem Grashalm oder einer Ameise erschrak, dass es mit einer Vollbremsung reagieren und mir damit eine verdammte Stauchung unter dem rechten Schulterblatt bescheren musste. Und was sehe ich heute? Ein geschwollenes Augenlied von Größe und Gestalt eines rohen Scampis, das gestern noch „bestimmt nur von den Pollen juckt!“ Das verkrümmt-humpelnde, entstellte Wesen in der Stadt ist also kein ausgebüxter Quasimodo. Sondern nur ich auf dem Weg zum Sport. Kurs? Mal schauen.

Freitag, 26. April 2024

Mallediva

Vor ein paar Wochen habe ich eine Freundin, die Anwältin ist, in eine für sie ungewohnte Situation gebracht. Nämlich ins Schwitzen mittels eines peinlichen Verhörs. Seit vielen Jahren ist es ein Running Gag bei uns, dass sie „immer“, wenn ich mich bei ihr melde, auf den Malediven weilt – was so freilich nicht richtig ist, aber dennoch eine Wahl, die ich nicht nachvollziehen kann. „Was MACHST du da zur Hölle vier Wochen lang, da ist doch NICHTS?“ hab ich gesottert und sie spruch: „Ich setze mich, schau stundenlang aufs Meer und freue mich.“ Ich solle das doch mal ausprobieren, die meditative Wirkung sei nicht zu unterschätzen, man sei im Anschluss sehr befreit und gut durchlüftet und überhaupt ganz leicht. Ich schüttelte ungläubig den Kopf, blickte schweigend auf eine Pfütze am Wegesrand, versuchte vergeblich, eine meditative Wirkung zu erspüren – und buchte eine Reise, die, wie wir wissen, an sowohl Berg als auch Meer führte, wobei seltsamerweise zweiteres bei den Menschen hinlänglich Verzückung auslöst. „Sauge die Wärme, die Sonne, das Licht in dich auf und lass es in dir leuchten“, wünschte man zum Abschied, und: „Höre dem Meer zu, das mache ich am liebsten. Es kommt so sehr rum, das Meer, deshalb erzählt es ja so viel, wenn man ihm zuhört.“ Rumkommen, erzählen, zuhören – das fand ich gut, und so wollte ich folgsam sein und das mal ausprobieren. Ich setzte mich ans Meer, fror jämmerlich und hörte mich im Kältesturm kaum selbst klagen. Ich setzte mich ans Meer, fror weiter und hörte „Heeeeeeyiii Leute, und jetzt noch lecker Sprizzidrinkidrinki??“ Ich setzte mich ans Meer, versuchte, den unglaublichen Angstschweiß, den man bekommt, wenn man zwei Stunden als Beifahrerin dem Schicksal ausgeliefert ist und siebzehntausend Fahrradfahrer auf 50 cm breiten Serpentinenstraßen mit Gegenverkehr überholt, trocknen zu lassen, aß kalte Pommes, denn der Rest war aus, und hörte „Solangde Salz inna Tasche hast, haste Jeld im Haus. Dat hat schon dat Jerti imma jesacht!“ und „Schau mal Mausi, was ich uns noch zum Schnurpseln eingepackt hab!“ Ich setzte mich ans Meer, hörte ein Flugzeug sowie den sicheren Tod drei Meter über mir und lernte, dass auch Wasserlöschflugzeugpiloten den tiefen Anflug erstmal üben müssen. Ich setzte mich ans Meer, vergrub mich statt ins Buch tief in allen Handtüchern und hörte „DANIEL! GABRIEL! HÖRT SOFORT AUF, MIT SAND ZU WERFEN! KOMMT SOFORT ZURÜCK! AUS DEM WASSER, HAB ICH GESAGT! GABRIEL, HÖR AUF DEINEN BRUDER ZU SCHLAGEN! RUNTER VON DEM BAUM, DANIEL! TOUT DE SUITE!“ Dann ging ich auf den Berg. Ich lief und hörte: nichts. Ein bisschen Tschilp, ein bisschen Mäh. Ein bisschen Dingdong, ein bisschen Flatterbrummelsummserum. So leicht, so luftig. So meditativ. Ich spinn? Ist ok. Lieber Mallediva als Malediven. 

Freitag, 19. April 2024

Decidophobie

 Menschen fliegen in den Urlaub. Ich nicht. Das heißt: Ich schon, aber mich findet man hinterher nicht an der Playa del Sol oder auf der Animationsbühne beim launigen Karaoke-Abend, sondern in einer TV-Dokumentation über verwahrloste Hängengebliebene, die in einer Grotte hausen oder solche, die verstört durch die Straßen der Cité wandern und sich allabendlich ihren Unterschlupf aus vergessenen Handtüchern knüpfen. Nicht lustig? Find ich auch. „Wie sehr zur Hölle kann sich ein einzelner Mensch denn bitte anstellen?“ schütteln nicht nur Freunde und Familie den Kopf über mich, sondern ich selbst gleich mit, nachdem ich mir eine psychopathologische Entscheidungsunfähigkeit diagnostiziert habe. Eine glückliche Fügung hat ergeben, dass sich in meinem gefüllten Kalendarium nämlich diese Woche ein Zeitfenster geöffnet hat. Selbstverständlich bin ich sogleich hineingesprungen, weil man muss die Feste feiern, wie sie fallen, und die Urlaubsmöglichkeiten auch. Dummerweise hab ich mich für einen Ort entschieden, an dem die ganze Welt schon mehrfach, ich hingegen noch nie war. Darum hab ich jetzt plötzlich zwei Bedürfnisse: eins zur Er- und eins zur Nachholung, und beide werden nicht besser davon, dass mir Menschen (jeder schon mal dort gewesen!) gutgemeinte Tipps geben und mich mit Ratschlägen überhäufen einschließlich dem ausgesprochen netten Herren in der Reiseführer-Abteilung eines Buchgeschäftes (vielen Dank nochmal). „ICH KANN MICH EINFACH NICHT ENTSCHEIDEN!!“ weine ich seit Tagen in Telefone, Tastaturen und Gesichter hinein und halt mich selbst dabei kaum aus. „Was kann denn daran so schwer sein?“, sagen sie, „willst du Strand, Berge oder Kultur?“ – „ALLES!“, schrei ich und weine weiter. Das vorläufige Ergebnis der Beratungen lautet darum wie folgt: Ich möchte in den Osten, den Norden, den Süden sowie den Westen und dann natürlich auch das Landesinnere der Insel besuchen. Ich möchte weißen Sandstrand sowie wildes Gebirge, um gleichzeitig wandern und aber auch mal die Seele ins Wasser baumeln lassen zu können. Darüber hinaus möchte ich sowohl abends meine Ruhe in Abgeschiedenheit und Isolation, zugleich aber unbedingt auch das quirlige Gewusel der Hauptstadt, um mich aus meinem Infinity-Pool mit Meerblick bei Bedarf ins kulturelle Treiben zu werfen, um mit indigniertem Blick Sauftouristen links liegen zu lassen und stattdessen sophisticated Kultur zu goutieren, was aber natürlich noch viel besser dort geht, wo der Tourist erst gar nicht hinkommt, es dort nur leider weder Meerblick noch „Ich kümmere mich um gar nichts“-Hotels mit Strandfrühstück gibt. Mit 57 geöffneten Tabs von Anbietern habe ich mittlerweile Bad geputzt, die Wohnung sowie den Keller entstaubt und Sperrmüll weggebracht. Wo das hinführt? Keiner weiß. Ich auch nicht.

Freitag, 12. April 2024

Kaffeevollzeitbeschäftigungsautomat

 Manchmal wollen mich Menschen treffen. Dies tun sie auf verschiedene Arten kund, und manchmal muss ich mich zur Räsong und mir in Erinnerung rufen, dass die Art, wie sie das tun, nichts damit zu tun hat, wie gut sie mich kennen oder wie sehr sie mich mögen. Menschen sagen „Später Bierchen?“ oder „Next Mittwoch Chillinger?“ oder „Am Wochenende Ausflug?“ oder „Morgen auch bei der Eröffnung von Dingens?“ Manche sagen aber „Wollen wir uns die Tage mal auf einen Kaffee treffen?“ und dann bin ich oft froh, wenn die Frage schriftlich gestellt worden ist oder wenn überhaupt am Telefon, weil dann sehen die Menschen nicht, wie sich nicht nur mein Gesicht zu einem großen Fragezeichen verzieht, sondern mein ganzer Körper eine Grimasse schneidet. Kaffee. Ist. Mir. Egal. Kaffee ist ein dunkelschwarzes Gebräu, das ich am Morgen mit einem Schuss Milch versehe und dann gegen schlimmen Morgendurst in mich hineinkippe. Ob dieses Gebräu mit Koffein ist oder ohne ist mir egal, ob das Gebräu aus Kaffeebohnen, Röstdinkel oder Berberitzen gebrüht ist, ebenfalls. Entsprechend sind Menschen, die über Crema dozieren und Röstaromen, die Mahlgrade berechnen und Brühtemperatur mir höchst suspekt, und am allersuspektesten sind sie mir, wenn sie plötzlich „Barista“ heißen und Heißgetränke nicht mehr ausschenken können, ohne vorher mit Milchschaum (pfui deifi) stundenlang dadaistische Gemälde turmhoch in Tassen zu kritzeln, so dass man sich mit der Nase durch ein Schaumtier wühlen und anschließend sakrisch den Mund verbrennen muss und dafür hernach fünf Euro zahlen soll, wo es das wesentlich angenehmere Erlebnis doch heut Morgen erst für umgerechnet 53 Pfennig daheim gegeben hat. Also nein, ich möchte mich nicht auf einen Kaffee treffen und dabei von einem ausgefuchsten Betriebswirtschaftler erklärt bekommen, dass das, was ich seit 35 Jahren im Campingurlaub mache, plötzlich nur noch in Kupferkesselchen möglich sein und 17 Euro kosten soll: Heißes Wasser auf Pulver gießen und unten kommt ein Kaffee raus – ein Wunder! Ich hab alles Gerät daheim: French Press (fürs Pulver zwischen den Zähnen), Bialetti (für wenn mal viele Gäste da sind … nicht), Senseo (für weiß ich nicht) sowie die beste aller Filtermaschinen, die so alt ist wie ich und exakt das tut, was ich wünsche. Tat. Denn der Mann hat sich einen Wunsch erfunden und den nun endlich auch erfüllt. Seit kurzem besitzen wir darum keine Küchenarbeitsplatte mehr. Stattdessen einen Vollautomaten, der nicht nur allen Platz, sondern auch meine volle Aufmerksamkeit mehr beansprucht, als es jeder Säugling könnte: Füttere mich! Leere mich! Tränke mich! Reinige mich! schreit er unablässig in mein Tagwerk hinein, doch Hauptsache, der Mann ist selig. Und ich? Hab prophylaktisch Angst vor Fachgesprächen, Ausflügen zu Röstereien und Barista-Seminaren. Da würde ich mich dann gerne treffen. Ihr könnt ja Kaffee trinken.

Freitag, 5. April 2024

Fränkischer Wein

Hosianna, Urbi, Orbi und Allmächt, habemus Schokonest im Garten vergessen!: Ostern ist durchdrungen von allerlei christlich-heiligen Ausrufen. Doch nachdem das Fest der größten Freude nun vorbei ist, können wir uns getrost wieder dem fränkischen Mumpfl-Alltag zuwenden und damit auch den zahlreichen Schönheiten, die er für uns bereithält: Brunzkundl, Rindsbimbl, Gsichtsgrapfm, Zwiderwurzn, Greinmeicherla – nicht nur die Wege des Herrn sind unergründlich, die der fränkischen Schimpfwörter sind es auch, und Zugezogene, Besuchende oder nachlässig sozialisierte Bürgerinnen und Bürger tun sich oftmals schwer, die hinter zugepressten Zähnen hervorgekauten oder aus verkniffen nach unten gezogenen Mundwinkeln gespienen Streicheleinheiten zu verstehen – oder sie gar nachzuformen. So wie mit jeder anderen Fremdsprache auch hilft es ja wenig, zwar die Buchstabenfolge theoretisch mit Sinn befüllt zu wissen, praktisch aber keine Ahnung zu haben, wie die dazugehörigen Laute zustande kommen sollen. Weil selbst für ein dahingeradebrechtes „Schönnösähpa parleh lö frongzäh“ oder „Ei känt not so gut spiehk ze inglisch“ bedarf es wenigstens eines phonetischen Grundverständnisses. Andernfalls kann es passieren, dass du morgen mit zornesrotem Kopf dein impertinentes Gegenüber einmal so richtig bodenständig zurechtweisen willst, dieses jedoch statt vor Furcht zu zucken sich lediglich vor Lachen krümmt. Wie machen wir das jetzt? Ganz einfach: saufen. Wein, bitteschön. Das empfehle ich seit Jahren allen, die die mittelfränkische Sprache lernen wollen. Allem voran steht hier der günstige Nebeneffekt, dass mit jedem feinen Schlückchen eine gewisse Lockerung der Zunge einhergeht, und die brauchen wir nämlichst zur Formung des im Fränkischen unerlässlichen „Prälabialen Waffel-L“s, das wir gemeinsam in einer Aufwärmphase erlernen und mit der Zunge in rascher Abfolge abwechselnd Nasenspitze und seitlichen Amorbogen berühren. Inspirationshilfe: Giraffen beim Fressen beobachten. Um jetzt die lautliche Schönheit des Idioms zu erkunden und später elegant aus dem Effeff an „Brillnschadulln“, „Dischdennisbladdnä“ oder „Rindsbulliong“ zu brillieren, gurgeln wir im Anschluss Rebsorten durch den Mundraum (ggfs. auch außerhalb desselben, s. „L“-Laut). Wichtig ist hierbei, sich möglichst auf südländisches, vorzugsweise italienisches Trinkgut zu fokussieren und ausnahmsweise vom heimischen Erzeugnis Abstand zu nehmen, obgleich ein „Riesling“ für den Anfang schon auch taugt. Gemeinsam rollen, donnern und verschlucken wir uns dann an der unvergleichlichen Ästhetik der Konsonantenfolgen und erlangen so nach kurzer Zeit hervorragende Sprachkompetenz. Und jetzt alle: Mondebuldschano. Binohgridschio. Riodscha. Wallbollidschalla. Brimidifo. Baddolino. Dschiandi … Klappt’s? Dann auf! 

Freitag, 22. März 2024

Frühlingserwachen

 Servus, Grüezi und hallo miteinander, es ist Freitag, der 22. März und wir haben gefälligst überbordend gute Laune, weil obwohl erst seit zwei Tagen offiziell Frühling ist, gab es zwischen Eissturm und Regenguss bestimmt schon, Klimawandel sei Dank, zweimal drei Stunden Frühling, in die wir alles hineinpressen konnten, worauf wir seit Wochen hufescharrend warten: Angrillen, Anradeln, Anwandern, Anzapfen, Ankontemplieren und Ankopul… Naja. Manche von uns haben womöglich auch die Gelegenheit für die schönste aller Frühlingsbeschäftigungen genutzt, nämlich das Anfensterputzen oder Anautowaschanlagenbesuchen und sich hier und da vielleicht über kleine bis mittelgroße, warmbraune Batzerl gewundert, die mal vereinzelt, mal in größerer Häufung auftauchen und sich einer jeden Reinigung aufs Äußerste widersetzen. „Was mag denn das nur sein?“ denkt ihr euch und verliert euch dann sogleich im Anblick der erwachenden Natur, die blüht und ausschlägt und macht und tut, dass es euch im Herzlein juckt und in der Nase auch, haaaaaaaatschiiii!, doch was kümmert uns das, die Welt ist voller Liebe. „O MEIN GOTT schau mal ein MARIENKÄFER!!“ kreischt man glücklich auf und sieht dem Tierchen verzückt dabei zu, wie es müde vom Winter und schwach in den Beinchen vergebens versucht, die zerknitterten Flügel zu spreizen, tänzeln respektvoll um die ersten Ameisenstraße („Wahnsinn, was die tragen können!“) herum, bevor wir ihnen in wenigen Wochen mit Verve und Backpulver den Garaus machen, klauben behutsam niedlich bepelzte Raupen aus der Nachmittagsschorle, tragen Schnecken über die Straße („Ja wo willst du denn hin, du kleine Maus? Na wahrscheinlich in die andere Richtung, dann haste jetzt Pech gehabt.“) und spüren Schmetterlinge im Bauch beim Anblick erster freilebender Artgenossen. Und zu guter Letzt und allervorderst werden wir bewusstlos vor Glück, sobald wir auch nur einer einzigen Biene ersichtig werden. Denn wir wissen: Bienen sind gut. Bienen machen Honig und retten die Welt, sie stechen nicht oder nur wenn man sie sehr ärgert. Und Bienen sind superschlau. Weil die Bienen so superschlau sind, bleiben sie über den Winter ganz artig und eng aneinandergekuschelt in ihrem Nest und warten im Gegensatz zum depperten Menschen, der Schneeschuhwandern geht und friert, dort auf den Frühling. Ist der da und wärmt das Nest, wachen die Bienen auf und begeben sich schnurstracks auf einen „Reinigungsflug“. Und hierzu lesen wir: „Sie koten [im Bienenstock] jedoch nicht ab, da das zum Beispiel die Übertragung von Krankheiten begünstigen würde. So sammelt jede einzelne Biene ihren Kot über die Monate in einer Kotblase, die bis zu 80% des Hinterleibs ausmachen kann. Im Frühjahr verspüren Honigbienen nun das dringende Bedürfnis, sich zu erleichtern, was im Reinigungsflug umgesetzt wird.“ Süß, gell?