Menschen fliegen in den Urlaub. Ich nicht. Das heißt: Ich schon, aber mich findet man hinterher nicht an der Playa del Sol oder auf der Animationsbühne beim launigen Karaoke-Abend, sondern in einer TV-Dokumentation über verwahrloste Hängengebliebene, die in einer Grotte hausen oder solche, die verstört durch die Straßen der Cité wandern und sich allabendlich ihren Unterschlupf aus vergessenen Handtüchern knüpfen. Nicht lustig? Find ich auch. „Wie sehr zur Hölle kann sich ein einzelner Mensch denn bitte anstellen?“ schütteln nicht nur Freunde und Familie den Kopf über mich, sondern ich selbst gleich mit, nachdem ich mir eine psychopathologische Entscheidungsunfähigkeit diagnostiziert habe. Eine glückliche Fügung hat ergeben, dass sich in meinem gefüllten Kalendarium nämlich diese Woche ein Zeitfenster geöffnet hat. Selbstverständlich bin ich sogleich hineingesprungen, weil man muss die Feste feiern, wie sie fallen, und die Urlaubsmöglichkeiten auch. Dummerweise hab ich mich für einen Ort entschieden, an dem die ganze Welt schon mehrfach, ich hingegen noch nie war. Darum hab ich jetzt plötzlich zwei Bedürfnisse: eins zur Er- und eins zur Nachholung, und beide werden nicht besser davon, dass mir Menschen (jeder schon mal dort gewesen!) gutgemeinte Tipps geben und mich mit Ratschlägen überhäufen einschließlich dem ausgesprochen netten Herren in der Reiseführer-Abteilung eines Buchgeschäftes (vielen Dank nochmal). „ICH KANN MICH EINFACH NICHT ENTSCHEIDEN!!“ weine ich seit Tagen in Telefone, Tastaturen und Gesichter hinein und halt mich selbst dabei kaum aus. „Was kann denn daran so schwer sein?“, sagen sie, „willst du Strand, Berge oder Kultur?“ – „ALLES!“, schrei ich und weine weiter. Das vorläufige Ergebnis der Beratungen lautet darum wie folgt: Ich möchte in den Osten, den Norden, den Süden sowie den Westen und dann natürlich auch das Landesinnere der Insel besuchen. Ich möchte weißen Sandstrand sowie wildes Gebirge, um gleichzeitig wandern und aber auch mal die Seele ins Wasser baumeln lassen zu können. Darüber hinaus möchte ich sowohl abends meine Ruhe in Abgeschiedenheit und Isolation, zugleich aber unbedingt auch das quirlige Gewusel der Hauptstadt, um mich aus meinem Infinity-Pool mit Meerblick bei Bedarf ins kulturelle Treiben zu werfen, um mit indigniertem Blick Sauftouristen links liegen zu lassen und stattdessen sophisticated Kultur zu goutieren, was aber natürlich noch viel besser dort geht, wo der Tourist erst gar nicht hinkommt, es dort nur leider weder Meerblick noch „Ich kümmere mich um gar nichts“-Hotels mit Strandfrühstück gibt. Mit 57 geöffneten Tabs von Anbietern habe ich mittlerweile Bad geputzt, die Wohnung sowie den Keller entstaubt und Sperrmüll weggebracht. Wo das hinführt? Keiner weiß. Ich auch nicht.
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