Mein Fahrrad, diese Mistkröte, hat sich mal wieder was neues einfallen lassen, um mich in den Wahnsinn zu treiben. Dieses Mal ist die Situation besonders diffizil, denn es täuscht eine psychische Störung vor, und da sind einem quasi die Hände gebunden, man will ja keinem Unrecht tun. Das durchtriebene Ding hat sich eine Form von ADHS zugelegt. Aufmerksamkeitsdefizit, dass ich nicht lache! Ich wüsste nicht, wer derzeit mehr Aufmerksamkeit von mir bekommt als diese alte Klapperschachtel, die andere schon längst dem Wertstoffhof übereignet hätten. Aber das ist ihm egal, dem undankbaren Biest, und so bereitet es ihm diebische Freude, mich auf Trab zu halten, indem es mit permanenten und immer neuen Geräuschen meine Aufmerksamkeit auf sich lenkt. Mal ist es die Klingel, die entweder ständig oder dann wieder gar nicht tönt, mal die Kette, die lustig rattert oder springt, über Stock und Stein, hüpfhüpf, und dann kracht’s und scheppert’s und mir wird himmelangst und ich höre, wie das Fahrrad sich die Pedale reibt und freut, weil ich lieber stehenbleiben und nach dem Rechten sehen muss statt Gefahr zu laufen, bei vollem Antritt den Burgberg hinauf einen ungeplanten Abstieg zu vollziehen.
Dann begleitet mich tagelang ein rhythmisches Klappern, und sobald ich dem Schutzblech auf die Schliche und mit Panzertape beigekommen bin, muss ich feststellen, dass es sich damit noch nicht hat, mit der Percussion, weil irgendwo anders noch was rasselt. Aber was, das bleibt mir dann verborgen, man soll’s ja auch nicht zu leicht haben. Versteh ich schon. Der Fahrraddoktor versteckt sich hinterm Tresen, wenn er mich sieht, weil er mich für gaga hält: Der subversive Mistesel versteht sich nämlich bestens darauf, seine ach-so-schweren Leiden geschwind im Griff zu haben, sobald Gefahr vom Profi lauert. Zu besonders großer Freude gereicht mir die Licht-Situation. Gefühlte 37 Mal allein im letzten Jahr repariert, ersinnt das Fahrrad immer neue Methoden, damit Schindluder zu treiben. Aktuell sieht das so aus: Betätigt man den Dynamo, so ist anschließend mein Auftritt nicht so hell (eher gar nicht), dafür schön laut. Gut, ich meine, das hat auch seine Vorteile.
Wenn man mit der Lautstärke eines Nebelhorns durch die Stadt saust, dann kommt der Passant nicht drumherum, auszuweichen, schon aus Angst vorm apokalyptischen Reiter. Denen kann ich das mit dem ADHS wohl auch erklären. Nur, wie sieht das wohl die Polizei, die lieber mag, dass vorn und hinten ein Lichtlein meinen Weg weist statt der Posaune? „Ja, ich weiß, Herr Wachtmeister, aber das Rad hat grade einen psychotischen Schub, da kann man nichts machen.“ Solcherart um Verständnis werbend gelobe ich feierlich, dieses Wochenende als Zeichen meines Protestes und unbeugsamen Willens jedes Radler, das ich sehe, mit Verachtung zu strafen.