Als eine gewisse zahngesichtige Allzweckwaffe eines gewissen privaten Fernsehsenders im Sommermärchen 2006 deduktiv erarbeitete, der Schlachtruf eines gewissen im Nationalstolz bis dato empfindlich gestörten Volkes habe ab sofort der phonetischen Einfachheit halber „SCHLAND!“ zu lauten (was dem im Fan-Choral vermehrt anzutreffenden erhöhten Alkoholpegel und damit einhergehenden Problemen in puncto lautlicher Synchronität geschuldet ist, aber das sei nur gemutmaßt), hätte der sich wohl kaum träumen lassen, welch wortschöpferische Inspiration diese Verhunzung für uns (uns! Das ist wichtig, weil wir grade alle „wir“ sind, Torabschluss und WM-Titel couchcoachend im Visier) darstellen sollte. Aber so geht’s halt oft, und eh man sich’s versieht, ist ganz Deutschland „geschlandet“. „Geschlandet“, so lernte ich in den vergangenen Tagen, sind Menschen, die sich im Vollornat des „echten“ Fans zu schmücken wissen.
Derweil der echte Fan frei von Nationalfarbe zurückgezogen im stillen Kämmerlein konzentriert dem Ereignis beiwohnt, um Fallrückzieher, Glanzparaden und Beißattacken zu analysieren, geht’s dem „echten“ Fan darum, möglichst kreativ dreifarbig aufzutreten, um, nachdem er mäßig spielinteressiert die Vorzüge der Fan-Meile genossen hat, die frohe Botschaft eines Sieges in die Welt hinauszuautokorsieren. So trägt beispielsweise der modebewusste Opel von heute einen „Schlandini“, der in seiner Freizügigkeit die ästhetische Verfehlung des Designs nur schwer zu verhüllen weiß, doch da birgt die Kombination Rot-Gelb ja die Tücke schon in sich, stand die doch bislang eher selten für echte Qualität und großen Geist (vgl. McDonald, Ronald).
Zur ordnungsgemäßen „Schlandung“ gehören neben Flaggen in Saunatuchgröße außerdem Brillen, lustige Perücken, Nagel-Design und freilich die obligatorische Gesichtskreide, die den Schland-Depp gnadenlos als solchen identifiziert ab dem Moment, in dem der sich versehentlich zum Belgien-Sympathisanten kriegsbemalt hat (vgl. Becker, Boris) und außerdem erst so richtig gut ist, nachdem sie von mindestens drei schwitzigen Alt-Fans über deren haarigen Arm geschmiert wurde.
Aber das macht nichts, wir teilen grade alles, Freud und über kurz oder lang auch Leid, spätestens dann, wenn freiwillig (vgl. Feierliches Küren des Siegerschlandes, das) oder unfreiwillig (vgl. Untergang des Abendschlandes, der) auch diese WM ein Ende findet, und „Schland“ aus dem kollektiven Rausch erwacht und sich wundert, an welchem Punkt genau man es für dringend erforderlich befand, sich die Nationalfarben ins Rückenhaar zu färben, im Discounter-Trikot zur Arbeit zu erscheinen und warum zur Hölle hängt mir eigentlich dieser wildfremde Mensch um den Hals?! Egal ob wegen Siegestaumel oder „trinken, um zu ertragen“, irgendwas is‘ immer.
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